Kunst und Religion. Darstellungen von Jesus am Kreuz


Essay, 2017

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Die Kreuzigung

Ein Spottkruzifix

Christus der Triumphator

Leidender Christus

Klassische Moderne

Heutzutage

Verortung Kunstepochen

Literatur

Internet

Abbildungen

Die Kreuzigung

Nomen ipsum crucis absit non modo a corpore civium Romanorum, sed etiam a cogitatione, oculis, auribus.

„Was Kreuz heißt, soll nicht nur vom Leib der Bürger Roms fernbleiben, sondern auch schon von ihrer Wahrnehmung, ihren Augen und Ohren.“[1]

Die Kreuzigung war und das muss uns allen klar sein, nicht nur eine Art der Hinrichtung, sondern sie bot in erster Linie eine große Bühne für ausgedehnte Folter.

Erste Überlieferungen der Kreuzigung finden sich bei den Phöniziern, bei denen der Verurteilte an einen Baum gefesselt wurde und anschließend sich selbst überlassen wurde. Durch die Handelskontakte gelang die Methode zu den Assyrern nach Persien. Zwei bekannte Kreuzigungsszene bot und zum Beispiel Alexander der Große nach der Eroberung von Tyros etwa 332 v. Chr. Er ließ etwa 2000 Männer im wehrfähigen Alter kreuzigen und der Sklavenheerführer Spartakus und 6000 seiner Anhänger, die 71 v. Chr. entlang der Via Appia hingerichtet wurden. Die Römer übernahmen die Hinrichtungsmethode nunmehr, aber verhängte sie nicht an Römer. Es galt den Sklaven und Bürgern in außerordentlichen Fällen, wie zum Beispiel politisch motivierten Vergehen zur Abschreckung und Sicherung der „Pax Romana“.

Die Praxis fand an eigens dafür auserkorenen Richtstätten statt. Hier bildeten tief in den Boden versenkte Pfahle oder auch Ölbäume den Längsbalken.

Das landwirtschaftliche Nutzgerät Forke wurde durch sein Balkendreieck in seinem Sinn zunächst als Querbalken (Furca) missbraucht. Der Verurteilte konnte an den Schenkeln fixiert werden. Später wurde sie von einem Querbalken (Patibulum) abgelöst. Dieser wurde am oberen Ende des oft groben Pfahls (Stipes) in einer Kerbe angebracht. Daraus ergaben sich die beiden bekanntesten Kreuzformen (crux commissa in T-Form, crux immissa in †-Form).

Jesus wurde nach archäologischen Belege an ein T-Kreuz, auch Antonios Kreuz genannt, genagelt.

Der Tod eines Gekreuzigten konnte erst Tage nach dem Hochziehen eintreten. Den Vollstreckern war eine gewisse Narrenfreiheit bei der Durchführung zugestanden. Es galt nur auf einige Rituale und Rahmenbedingungen zu achten. Der Verurteilte wurde entkleidet und öffentlich gegeißelt. Er trug den Patibulum oder die Furca eigenständig an den Pfählungsort. Dort wurde die Person an den Pfahl hochgezogen und fixiert.

Dabei mussten die Nägel, nicht wie oft dargestellt, durch die Handflächen, sondern durch Handwurzelknochen oder den Raum zwischen Elle und Speiche getrieben werden, da sie sonst das Körpergewicht des Gehängte nicht getragen hätten. Die Fersen hefteten sie an den Seiten oder vorne, mit ein bis zwei Nägeln, am drei Meter hohen Pfahl an.

Handflächen wurden nur genagelt, wenn der Gegeißelte angebunden war, um ihn weitere Qualen zu bereiten. Kreative Folterideen waren unter anderem das Anbringen von einem schrägen Brett (Suppedaneum) zum Abstellen der Füße oder einem kleinen Sitzbrett (Sidele) auf dem die Aufhängung, sowie das Atmen entlastet wurde. Es verlängerte schlichtweg die Todesqualen. Auch die Gabe von Wasser galt nur dem Foltergedanken, weil so der Dehydrierung entgegengewirkt wurde.

Mit einer Lanze, auch Pilum genannt, mussten die Soldaten den Tod des Verurteilten prüfen. Denn erst dann endete die Pflicht der Bewachung. Gerne wurden die Leichen dann am Kreuz hängen gelassen, bis sie nach und nach verwesten und von den Balken abfielen[2] [3].

In allen Evangelien ist das Martyrium Jesu auf unterschiedliche Weise bezeugt und beschrieben. Die Inschrift seiner Tafel mit dem Titel der „König der Juden“ war das ausschlaggebende politische Vergehen, das Pilatus den Tod durch Kreuzigung verhängen ließ. Wahrscheinlich und hoffentlich ist er bereits nach wenigen Stunden erstickt.

Es bestehen Theorien, nach denen „ungläubige“ Wissenschaftler die Auferstehung zu erklären versuchten, in dem sie von einer tiefen Ohnmacht ausgingen in der sich Jesus befand, als er für Tod erklärt und vom Kreuz genommen wurde.

Kreuzigungen wurden im Jahre 320 nach Christus von Konstantin, im Rahmen seiner Christ-werdung verboten.

Ein Spottkruzifix

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Ein römisches Spottkreuz als Wandkritzelei, die älteste bekannte Kreuzesdarstellung stammt etwa aus dem Jahr 123-26.

Als ältestes Fundstück ist ein sehr lästerliches Kruzifix zu benennen. Eine Karikatur, in den Hausputz geritzt, etwa aus der Zeit von 123 bis 126 nach Christus. Forscher fanden sie im Jahre 1856 auf dem Hügel Palatin in Rom. Auf der Zeichnung ist ein Junge zu erkennen, der seine Hand zu einem Mann am Kreuz erhebt. Dieser Mann trägt einen Eselkopf auf den Schultern. Darunter steht in ungelenken Buchstaben: Alexamenos sebete theon (Alexamenos verehrt (seinen) Gott)[4].

Für die Römer war es unbegreiflich, dass Christinnen und Christen einen so „eseligen“ Gott anbeteten, der den schrecklichen und undenkbaren Sklaventod gestorben ist.

Es sind mehrere Punkte, die erklären, warum die Darstellungen von Jesus, ganz zu schweigen von Jesus am Kreuz, erst nach dem vierten Jahrhundert datierbar sind.

Frühchristen waren zunächst eine jüdische Sekte. Eine Zeit lang wurden sie sogar verfolgt. Das bedeutet, dass uns bis heute nur sehr wenig vom Frühchristentum übriggeblieben ist. Eine Kreuzigung in der damaligen Zeit war eine solche Schmach, dass die ersten Darstellungen andere waren. Wunderheilungen, Jesus Taufe und andere Elemente wurden auf Vasen und Sarkophagen in Katakomben oder Kapellen gefunden. Erst später, unter Konstantin wurde das Kreuz ein römisches Siegeszeichen[5].

Die Christinnen und Christen dieser Zeit hielten an einer Parusie-Erwartung fest. Wieso sollten sie Bild und Schrift anfertigen, wenn sie zu Lebzeiten noch von ihrem dreifaltigen Gott erlöst werden würden. Geprägt von dem Bildverbot aus ihrer jüdischen Vergangenheit, schien es ihnen mit Sicherheit falsch und unnatürlich, sich ein Bild des fleischgewordenen Gottessohnes zu erstellen.

Wie soll die Göttlichkeit und Menschlichkeit Jesus überhaupt Darstellung finden, wenn sie es noch nicht einmal richtig verstehen konnten. „Der theistische Gottesbegriff, nach dem Gott nicht sterben kann, und die Heilshoffnung, nach der der Mensch unsterblich werden soll, machten es unmöglich Jesus wirklich für Gott und zugleich für gottverlassen zu halten.“[6]

Christus der Triumphator

„Und dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohns am Himmel. Und dann werden wehklagen alle Stämme der Erde und werden sehen den Menschensohn kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit.“

Mt, 24,30

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Die älteste Darstellung der Kreuzigung: Santa Sabina, Rom, Holztür (432)

Ab dem vierten Jahrhundert hielt das Kreuzzeichen seinen symbolträchtigen Einzug in die Welt der Kunst und wurde das Zeichen für das Leid, die Macht und die Erlösung Jesu als Stellvertreter der Christenheit. Das Martyrium einer Kreuzigung noch in Erinnerung, war es vor allem wichtig das Göttliche und Unverwüstliche dar zu stellen - Jesus als Sieger über das Leid.

Der Triumphator über das Kreuz und den Tod. Ein Beispiel ist die nun ernst gemeinte und somit älteste Darstellung der Kreuzigung Jesus auf der Zypressenholztür der Ostkirche Santa Sabina in Rom[7]. Erhaben und stark wirkt Jesus, klar im Zentrum dieser Abbildung zu erkennen. Auf diesen Kunstwerken trägt er häufig einen goldenen Nimbus oder eine Krone und ist in römische Kaisergewänder gehüllt. Diese triumphale Darstellung ist, wie im Auftakt dieses Punktes, schon bei Matthäus zu finden, eine Erhebung. Die göttliche Darstellung von Jesus der mehr auf einem Suppedaneum steht als am Kreuz gehängt zu sein[8].

In der Zeit um das Konzil in Nizäa 787 nach Christus setzte sich die Kirche entschieden mit den Abbildungen des Christentums in der Kunst auseinander. „Herausgehoben wird der geistige Kultus und der Vorrang der Heiligen Schrift vor den Bildern.“[9]

Gerade in der romanischen Zeit erlebte der triumphierende Jesus am Kreuz seine Hochzeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Das Altarkreuz im St.-Paulus-Dom stammt aus dem 13. Jahrhundert.

Diese Holzfigur stammt aus dem St. Paulus-Dom in Münster. „Die Gestalt des gekreuzigten Christi erscheint hier in hieratischer Symmetrie. Kopf, Rumpf, Beine und Füße sind vertikal gerichtet, die Arme waagrecht ausgebreitet. Den Körper bedeckt eine lange, durch rillenförmige Parallelfalten gegliederte Ärmeltunika. Die Füße auf dem Suppedaneum sind nicht genagelt. Die Nägel in den offenen Handtellern sind als "Attribute des Gekreuzigt-seins" (R. Hausherr) zu betrachten. Die offenen Augen des ernsten, bärtigen Hauptes sind zum Betrachter gerichtet. Diese Darstellung Christi geht auf die "Geheime Offenbarung" Johannes des Evangelisten zurück.“[10] Die besprochenen Merkmale sind gut zu erkennen. Jesus sieht in sich geruht aus und blickt herrschend auf uns herab.

Leidender Christus

„Ich kann ihn nicht schauen und nicht erforschen, ich spreche es nicht ohne Tränen aus, als einen König in seiner Herrlichkeit, thronend über Cherubim, wie er auf hohen erhabenen Thron sitzt, in der Gestalt, in der er dem Vater gleich ist, im Glanz der Heiligen, vor dem Morgenstern gezeugt, wie ihn immerdar die Engel zu schauen verlangen, als Gott bei Gott. So künde ich ihn wenigstens als Mensch, ich ein Mensch, den Menschen in jener Gestalt, in der sich unter die Engel erniedrigte,… Ich zeige mehr den Liebenswürdigen als den Erhabenen….Nicht wie er ist, sondern wie er für uns geworden ist, wird uns Christus, unser Haupt, vorgestellt. Nicht in der Glorienkrone, sondern in der Dornenkrone unserer Sünden. Oh, König, oh, Krone! Wie dürfen die Glieder nach Ehren trachten, vor diesem entehrten Haupt, das nicht Ansehen noch Schönheit hat. Wie schön bist du für mich, oh Herr, auch da wo du die himmlische Schönheit abgelegt, auch da, wo du dich erniedrigt hast. Willst du den Erhabenen sehen, so Mühe dich zuvor, den demütigen Jesus zu sehen. Das sei unsere Betrachtung, Brüder, Christus und dieser als Gekreuzigter. Ihn laßt uns umfangen mit den Armen erwidernder Liebe, ihm laßt uns folgen im Eifer eines frommen Wandels. Das ist der Weg, auf dem sich Jesus uns enthüllen wird, als das Heil Gottes. Nicht mehr ohne Schönheit und Ansehen, sondern in solcher Herrlichkeit, daß seine Majestät die Erde erfüllt.“[11]

Erst ganz langsam im 13. Jahrhundert setzten sich die Darstellungen einer leidenden Figur am Kreuz durch. Bernhard von Clarivauxs Gedanken, die eben zu lesen waren, sind wegweisend für den Wandel der Kruzifixe. Im Zentrum steht die Menschlichkeit des Messias.

In der gewählten Literatur fehlen, meiner Meinung nach, die Bedürfnisse dieser Zeit. Wir befinden uns im Mittelalter. Es waren raue Zeiten. Die Pest, ob nun als wirkliche Pockenseuche oder auch die Masern und Windpocken, damals kaum zu unterscheiden, suchte die Menschen heim. Ein zorniger und strafender Gott aus dem Alten Testament prägt das Gottesbild dieser Zeit. Der triumphale Christ war keine Identifikationsfigur mehr.

Der besonders leidende Jesus in der Gotik hatte eine intensive Verwandlung hinter sich. „Kraftlos, mit zusammengesunkenem Körper wird er dargestellt, aus tiefen Wunden blutend.“[12] Anstatt seiner herrschaftlichen Reliquien trägt er Lendenschurz und Dornenkrone. Es gibt auch Darstellungen von einem mit Beulen übersehenen Jesus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 Gabelkruzifixus um 1380 Nussbaum; Höhe 166 cm, Breite (Spannweite der Arme) 169 cmSt. Georg, Westchor

Die Geister scheiden sich bei der Frage, ob es nur der neuen Passionsfrömmigkeit und den Mystikern oder der gegenwärtigen Situation der Menschen zuzuschreiben ist. Ich vermute, es ist ein Zusammenspiel aus beidem. Das hier gezeigte Kreuz wird auch Gabelkruzifix genannt. Da Y-förmige Kreuz könnte dem Baum der Erkenntnis nachempfunden sein. Klar zu erkennen ist die Neigung des erschöpften Kopfes. Ein Suppedaneum fehlt nun gänzlich. „typisch werden nun die Dreinagelkruzifixe.“[13]

[...]


[1] Pro C. Rabirio perduellionis reo. 5,16; zitiert nach Reinecker et. al. 2013, S. 707.

[2] Vgl. Rienecker et.al. 2013, S. 707.

[3] Vgl. Internetquelle 1 mit 4.

[4] Gutschera in Lachmann et al. 2014, S. 56.

[5] Vgl. Knieling 2016, S. 21.

[6] Moltmann 1972, S. 215.

[7] Goecke-Seischab, 2004, S. 117 f. Knieling, 2016, S. 24.

[8] Winnekes(Hrsg.) 1989, S. 27.

[9] Garhammer (Hrsg.) 2007, S.84f.

[10] Géza Jaszai, 2005

[11] Bernhard von Clairvaux zitiert nach Katharina Winnekes (Hrsg.) 1989, S.27f.

[12] Goecke-Seischab 2014, S.118.

[13] Ebd. S. 118.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Kunst und Religion. Darstellungen von Jesus am Kreuz
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
22
Katalognummer
V358779
ISBN (eBook)
9783668436428
ISBN (Buch)
9783668436435
Dateigröße
1741 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kreuzigung, Kunstepochen
Arbeit zitieren
Ines Rottammer (Autor:in), 2017, Kunst und Religion. Darstellungen von Jesus am Kreuz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358779

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