Der Offenbarungsbegriff im Wandel der Zeit

Quelle und Fundament theologischer Aussagen


Hausarbeit, 2015

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Vorbemerkung

2. Das instruktionstheoretische Offenbarungsverständnis
2.1 Von der Naherwartung zur Selbsterschließung der Offenbarung als Heil
2.2 Die Verkürzung des Offenbarungsverständnisses zur Instruktion
2.3 Thomas von Aquin: Offenbarung als heilsnotwendiger Instruktionsvorgang

3. Das kommunikationstheoretische Offenbarungsverständnis
3.1 Die anthropologische Wende im 20. Jahrhundert
3.2 Karl Rahner: Der Mensch als Ereignis der absoluten Selbstmitteilung Gottes

4. Offenbarungsverständnisse heute – ein Ausblick
4.1 Zusammenfassung: Offenbarung als eine den Menschen umgreifende Größe
4.2 Offenbarung als Ausdruck menschlichen Suchens nach Gott

Literaturverzeichnis

Quellen

Literatur

1.Vorbemerkung

Unser Sprechen von Gott ist ein Wagnis. Es hebt sich in ganz besonderer Weise ab von allem anderen Sprechen, haben wir es doch hier mit einer Größe zu tun, welche wir niemals begreifen, ja geschweige denn beherrschen können. Von Gott in angemessener Weise zu sprechen bedeutet immer von etwas zu sprechen, das uns vorgegeben bleibt. Philosophisch gesehen zeichnet sich im Sprechen von Gott die Suche des Menschen nach dem Sinn seines Daseins und somit nach seiner Bestimmung und Vollendung ab. Es bleibt hier jedoch meist bei Spekulationen und somit bei einer Reise ins Ungewisse, sodass man immer ganz sokratisch zum gleichen Ergebnis der Klugheit gelangt, die im Nichtwissen besteht. Dieses Nichtwissen ist dann nicht im Sinne von Verzicht auf Erkenntnis zu verstehen, sondern als ein realistisches sich eingestehen der eigenen Unwissenheit. Wer seine Unwissenheit erkannt hat, kann Belehrung empfangen. Im 15. Jahrhundert markierte der bedeutende Philosoph und Theologe Nikolaus Cusanus mit seinem Werk „Über die belehrte Unwissenheit“ (de docta ignorantia) den Übergang von empirischem in metaphysisches Sprechen. Es beginnt hier das große Aufgabenfeld der Theologie, die es ermöglicht fundierte Aussagen über Gott zu machen. Diese Aussagen sind jedoch nicht epistemisch zu untersuchen, nachzuprüfen und zu beweisen. Beim Sprechen über jene unbegreifliche Größe gilt ein anderer Maßstab. Aber was genau ist dieser Maßstab, dem sich alles Reden von Gott anzugleichen hat, an dem sich das authentische Verstehen von Gott unterscheiden lässt vom Missverständnis über Gott, an dem sich also Lehre und Irrlehre bemessen? Quelle und Fundament aller theologischen Aussagen ist die Offenbarung Gottes in seiner Selbstmitteilung an den Menschen. Sie ist die Schlüsselstelle, die es uns ermöglicht fundierte Aussagen über das Unbegreifliche zu machen, und damit von einer Wahrheit, die uns übergeordnet und vorgegeben ist, die wir zwar erkennen aber nicht gänzlich erfassen können.

Mit dem Begriff der Offenbarung eröffnet sich ein weiter Raum verschiedenster Ansätze und Interpretationen, wie das Wort Gottes für uns zu verstehen sei, was uns der religiöse Glaube an fundiertem Wissen über Gott übermitteln kann und wie wir Menschen uns selbst in das Offenbarungsgeschehen mit einbeziehen und definieren dürfen. Thema dieser Arbeit wird es sein, den Begriff der Offenbarung an zwei Modellen zu untersuchen: Einerseits durch das in der Kirche lange Zeit vorherrschende Modell des instruktionstheoretischen Offenbarungsverständnisses, welches durch den bedeutendsten Vertreter der mittelalterlichen Scholastik Thomas von Aquin veranschaulicht werden soll. Charakteristisch für dieses Verständnis ist die göttliche Wahrheit, in der sich Glaubenswahrheiten befinden, die sich ganz doktrinär als übermittelte Lehrinhalte verstehen und dem Menschen von außen kommend vorgegeben sind; andererseits durch das in der Moderne einsetzende Modell des kommunikationstheoretischen Offenbarungsverständnisses, welches die anthropologische Wende in der Theologie­geschichte markiert und das am Beispiel des wohl bekanntesten Theologen im 20. Jahrhunderts, Karl Rahner betrachtet wird. Offenbarung wird nicht mehr als bloße Mitteilung von Sachverhalten, sondern als Mitteilung von Gottes eigenem Wesen und damit als personale Selbstmitteilung Gottes verstanden. Hierbei ist von Bedeutung, wie der Mensch als Hörer des Wortes und Empfänger der Botschaft überhaupt verfasst sein muss um der Offenbarung Gottes entgegenkommen zu können. Von diesem anthropologischen Ansatz aus wird abschließend versucht ein unserer Zeit angemessenes Gottesverhältnis aufzuzeigen, in dessen Rahmen sich der Mensch neu definieren und entfalten kann. Offenbarung tritt somit wieder in ein neues Licht: Sie gewinnt lebenspragmatischen Charakter. Sie wird gesehen als Ausdruck von Vertrauen, als eine Lebenseinstellung. Das Verhältnis von Glaube und Vernunft verändert sich erneut, indem das eine das andere nicht übersteigt, sondern vielmehr als Ausdruck des anderen gesehen wird.

2. Das instruktionstheoretische Offenbarungsverständnis

2.1 Von der Naherwartung zur Selbsterschließung der Offenbarung als Heil

So wie sich Weltanschauungen durch die Zeitepochen ändern, hat auch das Verständnis von Offenbarung seine Geschichte und darin einen Wandel durchlaufen. So gründet der christliche Offenbarungsbegriff in der Parusie-Erwartung der ersten Gemeinden der alten Kirche. Darüber gibt Paulus im ersten Brief an die Thessalonicher Aufschluss, in dem er die Wiederkunft des auferstandenen Christus noch in diesem Leben ansetzt. Dieser wird vom Himmel herabkommen, die in ihm Verstorbenen auferwecken und die Lebenden, die noch übrig sind, mit sich auf den Wolken in die Luft entrücken (vgl. 1 Thess 4, 16-18). Der Glaube der Urgemeinde war also noch von einer unmittelbar visuellen Offenbarungserwartung geprägt, in dem die göttliche Erscheinung noch in diesem Leben gedacht wurde, und somit von einem epiphanischen Verständnis von Offenbarung.[1]

Mit der Parusieverzögerung und dem damit verbundenen Nachlassen des Endzeit­bewusstseins, verlagerte sich schließlich der Akzent von der visuellen Naherwartung der Wiederkunft Christi auf die Selbsterschließung der Offenbarung als eine Wahrheit, die Wissen über das Heil und die Erlösung in sich birgt, und die uns ein „beseligendes geistiges Schauen Gottes“[2] ermöglicht. Für diese Akzentverschiebung im Offenbarungsverständnis der alten Kirche von Bedeutung ist der frühe Einfluss der griechischen Philosophie auf die sich entwickelnde christliche Theologie im Rahmen einer schon sehr bald einsetzenden Intellektualisierung des christlichen Glaubens. Das neue offenbarungstheologische Paradigma bestand fortan im Schauen Gottes und seiner Wahrheit, welche durch die Offenbarung übermittelt wird. Das Heil wurde als intellektuelle Freude am Erkennen der Wahrheit verstanden und begründete so eine Lebenseinstellung bis hin zu einem Lebensvollzug des Menschen. Anknüpfungspunkt hierfür war vor allem die philosophische Anthropologie des Aristoteles, nach der das höchste Glück des Menschseins im geistigen Schauen der höchsten Dinge der intellegiblen Welt besteht.[3] Offenbarung wird also verstanden als ein Schauen der selig machenden Wahrheit und als ein Medium, durch das sich das eschatologische Heil am Menschen vollzieht. Das christliche Heil wiederum wird als Schauen, Erkennen und Sein in der Wahrheit als letzte Bestimmung und Erfüllung des Menschen verstanden. So verstanden ist der Begriff der Offenbarung gleichzusetzen mit dem des Eschaton, dem Letzten und Endgültigen, in das zu gelangen Heil, und in dem zu sein Seligkeit ist.

2.2 Die Verkürzung des Offenbarungsverständnisses zur Instruktion

Im weiteren Verlauf der Geschichte vom Altertum hinein ins Mittelalter verschiebt sich der Akzent im Offenbarungsverständnis erneut: Bezeichnete der Begriff Offenbarung bisher einen Weg des Menschen hin zu seinem Ziel, bei dem er selbst das Medium der Erleuchtung und des sich öffnens auf dieses Ziel hin ist, und damit ein Medium des Heiles das sich am Menschen vollzieht, gewinnt er nun einen eher belehrenden, zurechtweisenden Charakter. Aus der intellektuellen Schau des göttlichen Heilswillens wird ein theoretisches systematisch-theologisches Lehrgebäude. Offenbarung wird somit zur Belehrung durch Gott über sein Heilshandeln, zu einem Sammelbegriff von Informationen und Satzwahrheiten eines geoffenbarten Wissens über das Heil, das der autonomen Vernunft nicht zugänglich ist. Es ist die Rede vom instruktionstheoretischen Offenbarungsverständnis. Da das Gotteswort hierbei auf seinen Informationsgehalt reduziert wird, kann man im Vergleich zum epiphanischen Verständnis von einer Verkürzung[4] des Offenbarungsbegriffes sprechen. Das bedeutet eine Abtrennung des Heils- vom Offenbarungsgeschehen. Das Heil ist somit nicht mehr im Offenbarungsbegriff enthalten, sondern wird von jetzt an in anderen soteriologischen Kategorien ausgedrückt.[5] Dadurch wird der Begriff der Offenbarung ganz auf die Ebene des Kognitiven verlagert.

Das instruktionstheoretische Offenbarungsverständnis lässt sich mit einem etwas überspitzten, aber sehr passenden Vergleich von Klaus von Stosch verbildlicht darstellen. Demzufolge könnte man Offenbarung als „himmlische Paketsendung“ bezeichnen. Der Fundamentaltheologie kommt hierbei die Aufgabe zu, Absenderangabe, Postweg und Poststempel auf seine übernatürliche Herkunft zu überprüfen und nachzuweisen, während die Dogmatik die Aufgabe hat, das Paket zu öffnen und seine Inhalte zu ordnen, ohne sie an irgendeiner Stelle kritisch zu hinterfragen.[6]

2.3 Thomas von Aquin: Offenbarung als heilsnotwendiger Instruktionsvorgang

In der mittelalterlichen Theologie gelang der instruktionstheoretische Offenbarungsbegriff zu seiner vollen Entfaltung und wurde zur vorherrschenden Lehrmeinung bis weit in die Neuzeit hinein. Mit Offenbarung ist nicht mehr ein Hervortreten von Wahrheit gemeint, sondern die Übermittlung von Wissen über die Wahrheit. Die Tatsache des Offenbarungsgeschehens ist somit rational nachzuvollziehen und zu beweisen, nicht jedoch seine Inhalte. Diese gründen in Gottes unableitbarer und unhinterfragbar freien Zuwendung und somit außerhalb der Reichweite menschlicher Vernunft.

Das systematische Grundgerüst des instruktionstheoretischen Begriffes von Offenbarung schuf der große Theologe und Vertreter der Hochscholastik Thomas von Aquin (1225-1274). Bei ihm wird die natürliche Erkenntnis der philosophischen Disziplinen vorausgesetzt. Die übernatürliche Endbestimmung des Menschen macht die Theologie als „sacra doctrina“[7] notwendig. Die dafür notwendigen Erkenntnisse, welche für die reine Vernunft des Menschen unzugänglich sind, teilt Gott in seiner Offenbarung mit und liefert die Theologie. Diese hat ihre Prinzipien als Wissenschaft in den Glaubensartikeln, in denen Gott von seinem Wissen mitteilt und kann so als göttliche Wissenschaft von Gott als ihrem Subjekt reden.[8]

[...]


[1] Vgl. Stosch, Klaus, Einführung in die Systematische Theologie, Paderborn2 2006, 79

[2] Seckler, Max, Der Begriff der Offenbarung: HFTh 2 (22000), 41-61, in: Böttigheimer, Christoph, Lehrbuch der Fundamentaltheologie, Die Rationalität der Gottes-, Offenbarungs- und Kirchenfrage, Freiburg i. Br. 2009, 434

[3] Böttigheimer, Christoph, Lehrbuch der Fundamentaltheologie, Freiburg i. Br. 2009, 434

[4] Werbick, Jürgen, Offenbarung, VI. Systematisch-theologisch, in: LThK3 7 (2009), 993

[5] Böttigheimer, 435

[6] Stosch, 80

[7] Bez. in der lat. Tradition für die auf der Grundlage der Hl. Schrift sich ausbildende Glaubenswissenschaft. Aufgrund der fortschreitenden Entwicklung von der Schriftauslegung zur Systematik war der Begriff bei Thomas gleichbedeutend mit dem der theologia, von dem er dann abgelöst wurde. Vgl. Burger, Maria, Sacra doctrina, in: LThK3 8 (2009), 1421

[8] Obenauer, Klaus, Thomas v. Aquin, II. Lehre, in: LThK3 9 (2009), 1511

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Details

Titel
Der Offenbarungsbegriff im Wandel der Zeit
Untertitel
Quelle und Fundament theologischer Aussagen
Hochschule
Universität Salzburg  (Katholisch-Theologische Fakultät)
Veranstaltung
Seminar: Probleme der Fundamentaltheologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
14
Katalognummer
V359035
ISBN (eBook)
9783668433069
ISBN (Buch)
9783668433076
Dateigröße
507 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Offenbarung, Instruktionsverständnis, Glaube Freiheit, Antropologie, Theologie, Heil, Theologiegeschichte
Arbeit zitieren
Maximilian Bekmann (Autor:in), 2015, Der Offenbarungsbegriff im Wandel der Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/359035

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