Konfrontative Pädagogik: Ziele, Methoden und Probleme eines neuen Ansatzes in der Jugend- und Straffälligenhilfe


Magisterarbeit, 2004

103 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort von schwarzen und weis(s)en

Einleitung – Die Allgemeinheit der jugendlichen Straftäter ist nicht so schlimm

I. Sozialpädagogik zu Beginn des 21. Jahrhunderts
I. 1 Soziale Arbeit in einer individualisierten Risikogesellschaft
I. 2 Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft
I. 3 „Selbstbewusste und arrogante“ Sozialpädagogen

II. Die Konfrontative Methode in der Pädagogik
II. 1 Grundlagen und Ziele
II. 1.1 Sozialisationstheoretische Bezüge und Ziele
II. 1.1.1 Handlungskompetenz – „Der Mehrfachauffällige als produktiver Realitätsverarbeiter“
II. 1.1.2 Prosoziales Verhalten
II. 1.1.3 Weiterentwicklung des moralischen Bewusstseins
II. 1.2 Sozialpädagogisch-psychologische Bezüge
II. 1.2.1 Autoritativer Erziehungsstil (Induktion und Internalisierung)
II. 1.2.2 Kognitionspsychologische Konfrontative Therapie nach Corsini
II. 1.2.3 Provokative Therapie nach Farrelly
II. 1.2.4 Der „Heiße Stuhl“ aus der Gestalttherapie Perls
II. 1.2.5 Die kognitive Psychologie und die Rational-Emotive Therapie
II. 1.2.6 Kriminalsoziologische Ansätze
II. 1.3 Jugend- und Straffälligenhilfe und Konfrontative Pädagogik
II. 1.3.1 Spannungsfeld doppeltes Mandat
II. 1.3.2 Strafen UND behandeln UND begleiten
II. 2 Methoden
II. 2.1 „Grenzziehung mit Herz“
II. 2.2 Erziehung und nicht Manipulation – „Die Einmassierung des Realitätsprinzips“
II. 3 Konfrontation für jeden?
II. 3.1 Was ist Konfrontation?
II. 3.2 Hält jeder die Konfrontation aus?
II. 3.3 Konfrontative Pädagogik als Allheilmittel?
II. 4 Erster Versuch einer Definition

III. Beispiele für Konfrontative Pädagogik
III. 1 Glen-Mills-Schools – am Rand der Konfrontativen Pädagogik
III. 1.1 Die Philosophie Ferrainolas’
III. 1.2 Die Voraussetzungen in der amerikanischen Gesellschaft
III. 1.3 Die Praxis in Glen-Mills und die Konfrontation
III. 1.4 Deutsche Bedenken an Glenn-Mills
III. 2 Anti-Aggressivitäts-Training – die Geburtsstunde der Konfrontativen Pädagogik
III. 2.1 Die Philosophie Jens Weidners’
III. 2.2 Die Voraussetzungen in der deutschen (europäischen) Gesellschaft
III. 2.3 Die Praxis des Anti-Aggressivitäts-Trainings und die Konfrontation
III. 3 Wie weit kann Konfrontative Pädagogik noch gehen?
III. 3.1 Bereits vorhandene konfrontative Elemente in Anti-Gewalt-Trainings und Täter-Opfer-Ausgleichen
III. 3.2 Coolness-Trainings in Schulen

IV. Love it or (be)leave (in) it – eine wissenschaftliche und mediale 70 Kontroverse
IV. 1 Kritiken am Phänomen aus wissenschaftlicher Sicht
IV. 2 Das Medien-Echo
IV. 3 Der Pädagoge als Verkäufer seines Produkts

V. Zusammenfassung
V. 1 Wie neu ist Konfrontative Pädagogik wirklich?
V. 2 Zweiter Versuch einer Definition
V. 3 Probleme des konfrontativen Ansatzes/ offene Fragen

Abschluss – Agenda 2010

Literaturverzeichnis

Erklärung der eigenständigen Arbeit

Vorwort

Dies ist nun meine Magisterarbeit. Hierbei ist anzumerken, dass dies kein Schwarzbuch der Pädagogik sein soll und diese auch keine schwarzen Kapitel hat. Genauso wenig dunkle schwarze Seiten. Denn schwarz ist die Farbe der Trauer, des Todes, des Krieges, der Aggression und Gewalt, sowie der tabuisierten Dunkelheit.

Und trotzdem steht hier alles schwarz auf weiß geschrieben. Zwar auf weißen Seiten mit weisen Gedanken, die in ihrer Vielzahl von vielen anderen noch großartigeren Denkern als mir vorgedacht wurden sind. Weiß als Farbe des Friedens und der Gewaltlosigkeit.

Und trotzdem steht Schwarz auch (und für mich vor allem) für die Unendlichkeit des Universums, das All und unendliches Wissen. Zu finden in zahlreichen Büchern, schwarz auf weiß, und in den noch nicht entdeckten dunklen grauen Ecken unseres Denkens.

Nach diesen Graustufen sollte man immer streben, auch wenn sie nie vollständig ins Schwarze übergehen werden.

Deswegen muss man an dieses Schwarze (=Wissen) immer glauben und dieser Glaube ist es meiner Ansicht nach, der den Antrieb und Sinn eines jeden Wissenschaftlers und jeglicher Wissenschaft darstellt.

Letztendlich sollte man halt nicht nur einfarbig denken und auch nicht nur schwarz und weiß, sondern auch jenseits von Gut und Böse.

Ich hoffe ich bin diesen Ansprüchen größtenteils in dieser Arbeit gerecht geworden.

Danken möchte ich vor allem Herrn Prof. Dr. Christian von Wolffersdorff, sowie Herrn Prof. Dr. Jens Weidner und Frau Gabrielle Gabriel für ihren Beistand, ihre Literaturvorschläge, sowie die ergiebige Beantwortung von Fragen.

Natürlich besonders auch meiner Familie für die Unterstützung, die mich bis hierher gebracht hat, sowie ganz besonders auch Jaqui, die mir auch oft gezeigt hat, dass es auch viele andere farbige Seiten im Leben gibt. Und allen anderen, die gerade in die dunklen Ecken meines Gehirns entschwinden. Danke.

„Erst wenn du weggehst, kehrst du zu dir zurück.“

Claude Lévi-Strauss in Traurige Tropen

Einleitung – Die Allgemeinheit der jungen Straftäter ist nicht so schlimm...

„... Kinder- und Jugenddelinquenz ...(hat) in den vergangenen Jahren erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit hervorgerufen“ (BMI 2001: 3). „Fast täglich sind wir mit massenmedialen Berichten über besonders schlimme Formen von Jugendkriminalität ebenso konfrontiert wie mit statistischen Meldungen über steigende Jugendkriminalität. Besorgnis und Angst in der Bevölkerung nehmen zu, politischer Aktionismus wächst, aber die beklagenswerten Zustände ändern sich offenbar nicht zum Besseren“ (Lamnek 1998: 379). „Gewalttätige Jugendliche und vor allem ihre Angriffe auf spezielle Opfer – Ausländer, sozial Schwache, Behinderte – sind zum vorrangigen gesellschaftspolitischen Thema avanciert.“ (Weidner 2001a: Vorwort).

So stellen das Bundesministerium des Innern, Weidner und Lamnek zu Beginn ihrer Artikel die gesellschaftspolitische und mediale Ebene über die Auseinandersetzung mit Jugendgewaltkriminalität dar.

Seit ungefähr 2001 ist es aber auch schon wieder etwas ruhiger um das Thema geworden und die Gewalttaten sind etwas zurückgegangen. Umso besser ist es, sich in dieser ‚Rezession’ intensiv mit dem Thema, ohne irgendwelchen äußeren Druck, auseinander zu setzen (vgl. BMI 2002).

Auch aufgrund der Tatsache, dass Gewalt zum gesellschaftspolitischen Thema avanciert ist, nimmt die „... Angst vor Gewalttaten ... nach Umfrageergebnissen alarmierend zu und behindert schon die Bewegungsfreiheit der Menschen“ (ebd.). Reaktionen darauf auf der gesellschaftspolitischen Ebene sind u. a. „... Forderungen, die Strafen für Gewalttäter drastisch zu erhöhen.“ (ebd.).

Anzumerken ist dabei jedoch, dass die objektive Kriminalitätslage in den Medien oft nur (absichtlich) verkannt wird und solche ‚events’ überproportional zu anderen Themenkomplexen dargestellt werden. Viele kennen z.B. sicher noch den Namen von Mehmet, der 1999 fast schon europaweite Popularität erlangte.

Die Medien verkaufen sich mit spektakulären Berichten und verdrehen dafür sogar Zahlen oder zeigen nur aus dem Kontext herausgelöste Einzelsequenzen (vgl. BMI 2001: 5).

Die Jugendkriminalität im unteren Schwerebereich liegt laut dem Ersten Periodischen Sicherheitsbericht im ‚normalen’ (ebd.: 6) Bereich und ist eine ‚entwicklungsbedingte Auffälligkeit’ (ebd.). „Schwere, die körperliche Integrität des einzelnen Bürgers beeinträchtigende Straftaten sind – quantitativ vergleichend betrachtet – seltene Ereignisse.“ und „Mehrfachtäter oder gar Intensivtäter bilden eine kleine Minderheit.“ (ebd.).

Nebenbei sei angemerkt, dass junge Menschen sogar häufiger Gewaltopfer als Gewalttäter sind und wohl auch gerade deshalb besonders die Aufmerksamkeit und den Schutz (Opfer wie Täter) der Gesellschaft verdienen. (vgl. ebd.) Es ist auch nicht gerade unbekannt, das fast jeder Täter schon einmal selber Opfer war. Deshalb scheint eine rein repressive Antwort oder gar eine Verschärfung der Strafen pädagogisch nicht nachvollziehbar. Vielmehr werden in letzter Zeit nicht nur immer mehr präventive und prophylaktische Maßnahmen für die Opfer und die Gesellschaft sondern auch für die Täter gefordert und auch „... wenn Schlussfolgerungen von Wissenschaftlern so ziemlich alles über den Haufen (werfen), was in der Öffentlichkeit an ‚Legenden’ über Jugendgewalt kursiert, so sind dennoch Sozialpolitik und Sozialarbeit gefordert.“ (Schanzenbächer 2003: 13). „Die Tatsache, dass der ganz überwiegende Teil der von Jugendlichen und Heranwachsenden begangenen Straftaten im Bereich der leichten und mittleren Kriminalität liegt, verdeutlicht vielmehr eindringlich die Wichtigkeit unterstützender und sozial-pädagogischer ausgerichteter Maßnahmen im Jugendstrafrecht.“ (Sonnen 2003).

Und hier ist es die Soziale Arbeit, „... die – ganz unbescheiden – hochtrabende Konzeptideen in die Praxis transferiert und sich nicht mit einer gelungenen individuellen und/ oder gesellschaftsorientierten Ursachenanalyse zufrieden gibt. ... (und) ... Zusammen mit innovationsfreudigen Juristen und Kriminologen versucht, die Reaktionsspielräume der Instanzen sozialer Kontrolle zu verbessern: Diversion, Täter-Opfer-Ausgleich, Erlebnispädagogik, Soziales Training, Mediationsverfahren, Konfliktlotsen, Anti-Aggressivitäts®- und Anti-Gewalt-Trainings belegen dies...“ (Weidner 2001b: 13).

In diesem Rahmen entwickelt Weidner auch den erziehungswissenschaftlichen Begriff der Konfrontativen Pädagogik und versucht unter diesen die Methode des Anti-Aggressivitäts-Trainings sowie des Coolness-Trainings zu subsumieren.

Im Rahmen dieser Magisterarbeit soll versucht werden die Ziele, Methoden und Probleme der Konfrontativen Pädagogik aufzuarbeiten, sowie ihre Ursprünge grob darzustellen.

Dabei soll diese am Anfang in eine Sozialpädagogik des 21. Jahrhunderts eingeordnet werden. Dann werden erst das Konzept der Konfrontativen Pädagogik und ihre Grundlagen und Ziele dargestellt. Darauf soll anhand der praktischen Beispiele der Glen-Mills-Schools und des Anti-Aggressivitäts-Trainings versucht werden, die Konfrontative Pädagogik wiederzuerkennen und Probleme sowie Grenzen dieser aufzuzeigen. Außerdem muss diskutiert werden in welchen anderen Bereichen diese Pädagogik noch anwendbar ist.

An diese Diskussion schließt eine wissenschaftliche als auch mediale Debatte um diesen Begriff an und es wird versucht eine Konfrontative Pädagogik kritisch neu zu ordnen.

Am Ende soll dann gezeigt werden wie neu dieser Ansatz wirklich ist und welche Probleme er letztendlich immer noch offen lässt.

Zum Abschluss kommt es dann zu einem poetischen Ausblick in die deutsche Gesellschaft im Jahr 2010.

I. Sozialpädagogik zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Sozialpädagogik zu Beginn des 21. Jahrhunderts könnte wahrscheinlich genauso gut auch Sozialpädagogik am Mitte/ Ende des 20. Jahrhunderts heißen. Es hat sich bei den meisten Sozialpädagogen nämlich fast gar nichts geändert. Immer noch beherrscht die, mit der Studentenbewegung Ende der 60er Jahre ins Leben gerufene, Lebensweltorientierung (oder auch „das mütterliche Prinzip“) die Theorie und Praxis der Sozialpädagogik (vgl. Tischner 2003). „Konstituierend für das Prinzip der Lebensweltorientierung in der Sozialen Arbeit ist die Verabschiedung von der traditionellen Unterscheidung Norm und Abweichung, welche ihren Grund in der zunehmenden Auflösung von Normalitätsstandards in unserer heutigen Gesellschaft hat. Als Konsequenz ergibt sich daraus, dass sich das doppelte Mandat der Sozialen Arbeit von Hilfe und Kontrolle immer mehr in Richtung Hilfe bei gleichzeitigem Schwinden der Kontrolle verlagert“ (ebd.; vgl. Kleve 2003). Die kinder- und jugendrechtliche Entsprechung des Wandels kann man dann 1991 in der Ablösung des eingriffs- und ordnungsrechtlichen geprägten Jugendwohlfahrtsgesetzes durch das durch seinen Dienstleistungscharakter gekennzeichnete SGB VIII sehen (vgl. Tischner 2003). Lebensweltorientierung bedeutet hierbei „das Einlassen auf die eigensinnigen Erfahrungen der AdressatInnen Sozialer Arbeit; Lebensweltorientierung wirkt damit normalisierenden, disziplinierenden, stigmatisierenden und pathologisierenden Tendenzen der gesellschaftlichen Funktion Sozialer Arbeit entgegen“ (Kleve 2003).

Durch die Professionellen wird bei dem Ansatz versucht „nicht-stigmatisierend“ auf die Jugendlichen einzugehen und sie somit ernst zu nehmen, sie auszuhalten, zu teilen, den Alltag zu strukturieren, aufzuklären und die Lebenswelt der Betroffenen zu verbessern (vgl. Weidner 2001b: 14). Genau da aber macht eine gewisse „Jugendkriminalitäts-Elite“ (Weidner 2001b: 15) Probleme, indem sie dieses Verständnis pädagogischen Handelns strapaziert. Es handelt sich hierbei um eine kleine Gruppe von Mehrfachauffälligen, die Jugendhilfe und Polizei „alle mit Namen kennen“ (ebd.). Die Jugendlichen um die es hier geht bilden zwar einen verschwindenden Teil am Gesamtphänomen, wenn man aber betrachtet dass ca. 9% dieser abweichenden Jugendlichen für die Hälfte aller Straftaten verantwortlich sind, wird gerade hier ein großer Handlungsbedarf deutlich (vgl. ebd.). „Abwarten und gewährenlassen, das bedeutet in so einem Fall sich pseudotolerant zu verhalten, das heißt auch Opfer billigend in Kauf zu nehmen“ (ebd: 16). Es geht hier nicht mehr nur um die „Kuschelpädagogik“ mit ihren emotional warmen, authentischen und empathischen Beziehungen sowie das Vermeiden von Konflikten (Tischner 2003). Oder wie es Gall noch krasser formuliert: „Die entschuldigende Pädagogik gipfelte in der Formulierung ‚Gewalt ist geil’“ (Gall 2001b). Vielmehr muss man die Jugendlichen mit ihren Taten konfrontieren und sie für zukünftige Auseinandersetzungen trainieren, als auch ein Unrechtsbewusstsein in ihnen aktivieren. Es geht darum „Grenzen zu ziehen, streng zu sein und autoritativ zu agieren“ (Weidner 2003b: 16). Also um Konfrontative Pädagogik.

Man muss dabei jedoch auch gleich anmerken, dass Konfrontative Pädagogik natürlich nur eine Methode in der Pädagogik ist und autoritativ sein auch bloß einen kleinen Teil und eine Ergänzung in der (Konfrontativen) Pädagogik ausmacht (vgl. Weidner 2001b: 7). Denn: „Strafen allein genügt nicht!“ (Weidner 1999: 4). Aber: „Liebe allein genügt [auch] nicht“! (Bettelheim 1970). Und hier ist es Weidner, der versucht eine dritte Handlungsalternative in der Sozialen Arbeit zu geben, die er unter dem Schlagwort: „Grenzziehung mit Herz“ (u.a. Weidner 1999/ 2001/ 2001b/ 2003) beschreibt und unter dem Begriff der Konfrontativen Pädagogik zusammenfasst.

I. 1 Soziale Arbeit in einer individualisierten Risikogesellschaft

Die Gruppe mit der wir uns dabei befassen ist eine Randgruppe, die einen marginalen Teil ausmacht. (s. a. o.) Es geht um die „5% Nachwuchs-Kriminalitäts-‚Elite’“, die sich „95% der new german kids & MTV Schnelldenker-Generation“ gegenübersteht (vgl. Weidner 2003). Doch Soziale Arbeit hat sich seit ihren Ursprüngen mit sozialen Randgruppen befasst. Sorge für Witwen und Waisen, die Bekämpfung der Wanderarmut und die Bekämpfung der verwahrlosten Jugendlichen standen am Anfang (vgl. Aichhorn 1925). Dabei waren „individualisierende Problemzuschreibungen die Legitimation für kontrollierende und strafende Arbeitsformen (Arbeitshaus, Disziplinierung, Bestrafung). Allmählich hat sie sich dann von solchen essentialistischen Zuschreibungen gelöst und ihren eigenen Anteil an der Definition und Formierung sozialer Probleme bemerkt. Sie beginnt kritische Sichtweisen zu entwickeln und den Spielraum dazu zu erweitern“ (Chassé 1997: 236). Nach Chassé verdeutlicht das 20. Jahrhundert, dass Existenz und Probleme gesellschaftlicher Randgruppen keine vorübergehende Erscheinung sind. Sondern sie sind vielmehr ein Ergebnis des „Kräftefelds ökonomischer und gesellschaftlicher Entwicklungen sowie sozialstaatlicher Regulierung“. Diese rufen dann Modernisierungs- oder Marginalisierungsprozesse hervor und verstärken die Existenz und Probleme der Randgruppen. „Armut und Randgruppenexistenz sind also dynamische Phänomene“ und „Randgruppen steigen parallel zur Wohlstandssteigerung“ (ebd.). Dies ist unter anderem auch ein Argument Ferrainolas, dem Gründer der heutigen Glenn Mills School dafür, dass man auch im „Gefängnis“ eine luxuriöse Ausstattung haben muss, und zwar für jeden erreichbar (durch positives Verhalten), ohne dass jemand ausgeschlossen ist. Die Entstehung und Dynamik von Randgruppen hat also mit der ungleichen Verteilung der Mittel und Ressourcen zur Erreichung der gesellschaftlichen akzeptierten Werte und Normen zu tun (vgl. Iben 1971: 19). Trotz gestiegener individueller Lebenschancen weiten sich Prozesse der Randgruppenbildung und Marginalisierung in neue gesellschaftliche Ursachenfelder (z.B. jugendlicher Berufseintritt, Problemgruppen des Arbeitsmarkts, Alleinerziehende usw.) aus (vgl. Chassé 1997: 237). Die heutige Gesellschaft beruht dabei nicht mehr wie früher auf Klasse, Milieu und Traditionen, sondern ist viel mehr durch Individualisierung, Enttraditionalisierung, Mobilität und Zwang zur Selbstgestaltung der Biographie geprägt (vgl. ebd.). Auch leben wir in einer Risikogesellschaft, in der Aufstieg und Abstieg sehr nahe beieinander liegen und auch schnell vonstatten gehen können. Somit lassen sich sozialstaatliches und pädagogisches Handeln nicht mehr an bestimmten sozialen Gruppen festmachen (vgl. Rauschenbach 1992: 50). Organisatorisch und institutionell müssen somit neue Angebotsstrukturen angeboten werden und die Dienstleistungsorientierung muss gestärkt werden (vgl. Chassé 1997: 237). Für die Soziale Arbeit könnte das heißen, dass man mehrere Gruppen auf einmal ansprechen muss und trotzdem auch in ihre individuellen Lebenswelten eintreten muss, in dem man z.B. ihre Sprache versucht zu sprechen. Aber man sollte auch die Sprache der Gesellschaft sprechen und darf nicht nur in der Betroffenenperspektive versinken, wie es die falsch verstandene Lebensweltorientierung auch nur all zu oft getan hat. Zwischen Gesellschaft und Individuum ist also die Schnittstelle, zu der Sozialpädagogik (schon immer) vermitteln muss und handeln muss.

I. 2 Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft

Soziale Arbeit ist es, die sich nicht mit „einer gelungenen individuellen und/ oder gesellschaftsorientierten Ursachenanalyse zufrieden gibt“ (Weidner 2001b: 13).

Sie ist es, die ‚hochtrabende Konzeptideen’ (ebd.) in die Praxis umsetzt und somit die Brücke zwischen konzeptioneller, theoretischer Wissenschaft und praxisorientierter Handlungswissenschaft schlägt. Und nicht ausschließlich auf einer Seite stehen bleibt, wie es manche Institutionen (z.B. manche Fachhochschulen) wünschen. Sozialpädagogik hat es dabei nicht mehr mit der Erziehung im klassischen Sinne, also der Überlieferung von kulturellen Sach-Inhalten, zu tun, sondern mit Lebensbewältigung und hier vor allem der Bewältigung von aktuell auftretenden Problemen. Dies sind meist ganz normale Probleme, die in der Entwicklung und Eingliederung des Jugendlichen auftreten (vgl. ebd.). Christoph Wulf formuliert die vier Grundpfeiler von Erziehung und Bildung treffend, in dem er sie: „Wissen lernen, Handeln lernen. Zusammenleben lernen, Sein lernen“ nennt (vgl. Wulf 2002). Dies gilt meines Erachtens genauso für die Soziale Arbeit, wie auch jeden anderen Zweig in der Erziehungswissenschaft.

I. 3 „Selbstbewusste und arrogante“ Sozialpädagogen

Nur, wenn der Sozialpädagoge sich nach seinem Handeln auch selbst reflektieren und seine Arbeit somit immer wieder (auch mit anderen) evaluieren kann, ist ein professionelles Vorgehen erkennbar. Er muss sich selber immer wieder neu motivieren und versuchen sich nicht von anderen unterkriegen zu lassen. Dies soll jedoch hierbei nicht heißen, dass er sich keiner Kritik annehmen soll, sondern dass er „selbstbewusst und vielleicht sogar arrogant“ auftreten soll (vgl. Weidner 2001b: 13). Er soll sich seiner Profession bewusst werden und „Abschied nehmen von branchentypischen Selbstzweifeln und dem sozialpädagogischen Faible zur Larmoyanz“ (ebd.).

Deswegen kommt er in dieser Risiko- und Konsumgesellschaft auch nicht darum herum, sich selber und sein Produkt Sozialpädagogik gut zu ‚verpacken’ und zu ‚verkaufen’. (siehe hierzu auch weiter unten: Der Pädagoge als Verkäufer seines Produkts)

Auf diesem Hintergrund einer Sozialpädagogik im 21. Jahrhundert entwickelt Weidner das Konzept einer Konfrontativen Pädagogik.

II. Die Konfrontative Methode in der Pädagogik

Bevor eine Darstellung von Weidners Konzept einer Konfrontativen Pädagogik stattfindet, sollte noch einmal betont werden, dass Konfrontative Pädagogik nicht das Allheilmittel darstellt und auch nur einen Teil in der Pädagogik ausmacht. Weidner spricht auch von der konfrontativen Methode in der Pädagogik. Sie macht für ihn nur etwa 20% des Professionellen aus, der zu „80% einfühlsam, verständnisvoll, verzeihend und non-direktiv bleiben soll und bei dem Rest dafür umso mehr Biss, Konflikt- und Grenzziehungsbereitschaft besitzen soll“ (ebd.: 9).

Konfrontative Pädagogik ist also nicht eine Alternative zur (richtig verstandenen; s. a. o.) lebensweltorientierten Pädagogik sondern eine Ergänzung (vgl. Kilb, Weidner 2003). Weidner begreift sie als ‚ultima ratio’ im Umgang mit Mehrfachauffälligen, da mit diesen keine adäquaten Ansätze existent sind, und Abwarten und Gewährenlassen bei gewalttätigen Auseinandersetzungen für ihn unprofessionelles Handeln darstellt (Weidner 1999).

Dabei geht es nicht um eine Wiederbelebung von autoritären Strukturen.

Vielmehr fördert sie das Prinzip: ‚Jugend erzieht Jugend’, wie es schon aus verschiedenen pädagogischen Konzepten bekannt ist: Makarenkos Kameradschaftsbericht, Redls Einmassierung des Realitätsprinzips oder Ferrainolas System in Glen Mills sind einige Beispiele dafür (vgl. Weidner 2001b). Dabei wird ein formeller und informeller Gleichklang forciert, der keine subkulturellen Milieus zulässt und die Mitarbeiter mit den Jugendlichen deckungsgleich leben lässt.

Hierbei gilt, dass Konfrontation erst nach einem Beziehungsaufbau UND der im Voraus gegebenen Interventionserlaubnis der Betroffenen stattfinden kann. Es steht auch jedem frei, ein Abbrechen der Konfrontation zu fordern. Die Freiwilligkeit ist dabei eines der obersten Prinzipien.

In den folgenden Ausführungen ist immer im Hinterkopf zu bewahren, dass es bei der Konfrontativen (Methode in der) Pädagogik immer nur um den oben genannten autoritativen Habitus, also die 20% des Professionellen geht, der sich von 100% zu 80% Empathie verabschiedet (vgl. Weidner 2003).

II. 1 Grundlagen und Ziele

Die Grundlagen einer Konfrontativen Pädagogik findet man in vielen Theorieansätzen wieder, die versuchen jugendliche Gewalt, Aggression und Aggressivität zu erklären. Dabei trifft man vom biologisch-genetischen über den physiologischen, den individualpsychologischen, den sozialpsychologischen, den mikrosoziologischen bis hin zum makrosoziologischen Ansatz (vgl. Albrecht 1993). Und sicher wären noch einige andere denkbar. Diese Phänomene sind nicht in einer Theorie abgehandelt, die sich als die ‚wahre’ oder ‚echte’ bezeichnen kann und somit ist die Auswahl der Theorien nur als eine Auswahl (vor allem durch Weidner) zu verstehen. Dabei können einzelne Ansätze „nur schlaglichtartig Hinweise für das Zustandekommen und die Entwicklung“ der Phänomene geben (Lamnek 2000). Auch wird bei diesen Theorien deutlich, dass sich die interdisziplinaren Grenzen zum Teil sehr weit auseinander bewegen und eine Zusammenarbeit von Juristen, Kriminologen, Soziologen, Pädagogen, Psychologen bis hin zu Politikern auch noch nach der Theoriebildung stattfinden muss.

II. 1.1 Sozialisationstheoretische Bezüge und Ziele

Aus den sozialisationstheoretischen Konzepten versucht Weidner die ersten Sozialisationsziele für eine Konfrontative Pädagogik zu entwickeln. Er versucht dabei abweichendes Verhalten zu verstehen, aber auch gleichzeitig nicht damit zufrieden zu sein. Dies gilt bei ihm als richtungsweisendes Motto (vgl. Weidner, Kilb, Otto 2003: 19).

II. 1. 1. 1 Handlungskompetenz – der Mehrfachauffällige als produktiver Realitätsverarbeiter

Hurrelmann bezeichnet den Mehrfachauffälligen als produktiven Realitätsverarbeiter, der Sozialisationsprozessen unterliegt (vgl. Hurrelmann 1995: 69ff.). Lerner/ Busch-Rossnagel sprechen von „Individuals as producers of their development“ (vgl. Lerner/ Busch-Rossnagel 1981). Nach Hurrelmann ist die Sozialisation demnach der Prozess, der durch „Entstehung und Entwicklung der Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von der gesellschaftlich vermittelten sozialen und dinglich materiellen Umwelt“ beschrieben wird (vgl. Hurrelmann 1995: 69ff.). Das heißt, dass „Ziel des Sozialisationsprozesses ist ein handlungsfähiges Subjekt“ (Weidner 2001b: 8). Dabei baut der Mehrfachauffällige ein reflektiertes Selbstbild auf (vgl. Hurrelmann 1995: 79f.). Nach Hurrelmann ist die Lebensphase Jugend einem tief greifenden Strukturwandel unterworfen. „Hierbei ist diese historische Ausdifferenzierung aber nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass in einigen Handlungsbereichen des Alltags Jugendliche und Erwachsene vor den gleichen Anforderungen stehen und sie die gleichen Handlung- und Verhaltensformen zeigen. Vielmehr muss in differenzierter Betrachtung gezeigt und davon ausgegangen werden, dass parallel zum Prozess der Ausdifferenzierung von Lebensphasen, der sich tendenziell weiter fortsetzt, auch ein Prozess der Ausdifferenzierung von sozialen Institutionen und Organisationen stattfindet“ (Hurrelmann et al. 1985: 57). Diese Ausdifferenzierung bringt die Jugendlichen dazu eigene Wege der individuellen Entfaltung und der sozialen Integration zu finden. Dabei gelingt es ihnen in vielen Bereichen eine erwachsenenähnliche oder erwachsenengleiche Bewältigung zu erreichen, aber in anderen Bereichen werden ihnen solche Entfaltungsspielräume verschlossen (vgl. ebd.: 57ff). „Da der einzelne aber weiter als ‚produktiv realitätsverarbeitendes Subjekt’ betrachtet wird, ergeben sich Probleme im Individuations- und Integrationsprozess“ (Schanzenbächer 2003: 35). Diese entstehen als Resultat aus erworbenen, unangemessenen und unzureichenden Kompetenzen im spezifischen, personalen oder sozialen Handlungsbereich. Dabei können die „... von der sozialen Umwelt erwarteten und geforderten Fertigkeiten, Fähigkeiten, Motivationen und Dispositionen nicht erbracht werden. (...) Die Handlungs- und Leistungskompetenzen der Person oder die Persönlichkeit bzw. Persönlichkeitsentwicklung entsprechen in diesem Fall nach Profil und Struktur nicht den jeweils durch institutionelle oder Altersnormen festgelegten vorherrschenden Standards“ (vgl. ebd.). Weidner beschreibt die (delinquente) Störung des Jugendlichen dabei als „Resultat der Diskrepanz zwischen individuell-sozialer Kompetenz und realen Notwendigkeiten“ (Weidner 2001b: 8).

Die Jugendlichen können auf diese Problematik individuell unterschiedlich reagieren. Entweder gesellschaftlich konform oder eben nichtkonform (vgl. Schanzenbächer 2003: 35). Nichtkonform könnte dabei heißen durch: „politischen Extremismus, Ablehnung vorherrschender gesellschaftlicher Werte, Alkoholismus, Drogenkonsum“ (Hurrelmann et al. 1985: 111), „aber eben auch Kriminalität und Gewalttätigkeit“ (Schanzenbächer 2003: 35).

Hieraus formuliert Weidner auch das erste Sozialisationsziel Konfrontativer Pädagogik: die Entwicklung und Förderung von Handlungskompetenz. Er beschreibt den auffälligen interaktiven Kompetenzmangel von wiederholt aggressiv Agierenden. Diese können zwar durch ihre Körpersprache imposant bis einschüchternd auftreten, aber sie haben sonst keine weiteren Konfliktlösungsstrategien. Und dies reicht offensichtlich in einer Kommunikations- und Dienstleistungsgesellschaft nicht aus (vgl. Weidner 2001b: 8; vgl. a. Weidner, Kilb, Jehn 2003: 15). „Die Kompetenz zum Handeln und insbesondere auch zum interaktiven und kommunikativen Handeln ist Voraussetzung dafür, dass sich ein Mensch mit den Erfordernissen und Anforderungen der Umwelt arrangieren und dabei die eigenen Motive, Bedürfnisse und Interessen berücksichtigen und einbringen kann.“

Die Dimensionen der Handlungskompetenz sind hierbei zugespitzt formuliert: Empathie, Frustrationstoleranz, Ambiguitäts- und Ambivalenztoleranz sowie Rollendistanz (vgl. ebd.).

Diese verschiedenen Dimensionen sind dabei bei Mehrfachauffälligen nur marginal ausgeprägt. Empathie scheint in Bezug auf die Folgen von Delinquenz für die Opfer und die signifikanten Anderen (eigene Kinder, Eltern, Freunde) fast überhaupt nicht vorhanden und die Frustrationstoleranz scheint bei den meisten, die auch selber oft genug frustriert wurden, fast aufgebraucht. Der Ambivalenztoleranz und ihrer mehrdeutigen Rollenerwartung werden die meisten kaum gerecht, da sie nicht zwischen ihren Interaktionsriten und dem Szene-Slang in ihrer Subkultur sowie dem Verhalten in der ‚öffentlichen’ Gesellschaft unterscheiden können. Die Rollendistanz ist bei den meisten förderungswürdig. Dabei geht es darum, dass die meisten auf Abstand zu ihrer eigenen Rolle gehen und gemäß dem Motto ‚Wir spielen alle Theater’ ihre eigene delinquente Rolle humorvoll hinterfragen können. Die ’positionsbejahende Rollendistanz’ ist dabei mangelhaft ausgeprägt, was sich zum Beispiel durch die „gelegentliche Ironisierung und Verfremdung vermeintlich zwingender Rollenverpflichtungen, an der Fähigkeit zum Perspektiven- und Rollenwechsel (...) oder auch an einer pointierten Hervorhebung der Rollenhaftigkeit“ feststellen lässt (Biermann 1992: 47; vgl. a. Weidner 2001b: 9).

II. 1.1.2 Prosoziales Verhalten

Neben dem Aufbau von Handlungskompetenz verfolgt die konfrontative Pädagogik außerdem die Förderung prosozialen Verhaltens. Dabei geht es um solidarische Zuwendung zu einer anderen Person oder Personengruppe, ohne dabei einen eigenen Vorteil anzustreben. Dies könnten unter anderem helfen, teilen, spenden oder unterstützen etc. sein. Dieses prosoziale, insbesondere ‚altruistische’ (Weidner 2001b: 9) Verhalten wird mit der vorher genannten Perspektivenübernahme verknüpft (vgl. ebd.).

II. 1.1.3 Weiterentwicklung des moralischen Bewusstseins

Das dritte Sozialisationsziel ist schließlich die Weiterentwicklung moralischen Bewusstseins (Kohlberg; Althof 1996). Dies ist zugleich ein Idealziel und gleichzeitig eine „... wünschenswerte, aber doch schwer zu erreichende, Zukunftsperspektive.“ Die Gewalttäter bewegen sich zumeist auf der für sie typischen präkonventionellen Moral. Sie unterscheiden dabei zwischen Gut und Böse und Belohnung und Bestrafung. Weidner nennt dies die ‚eine Hand wäscht die andere Mentalität’ (Weidner 2001b: 9). Von dieser Stufe sollten sich die Mehrfachauffälligen im Idealfall hin zur postkonventionellen Moral bewegen und somit schließlich nach den Menschenrechten und Kants kategorischem Imperativ (‚Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte’) handeln lernen. Dies ist jedoch wie vorher gesagt nur ein Idealziel und wird auch nicht geleistet. Weidner spricht auch von einer „überzogenen Erwartungshaltung (...) die jede pädagogische Behandlungsbemühung überfordern dürfte“ (ebd.: 40). Die Mehrfachauffälligen befinden sich nach erfolgreicher Behandlung auf der konventionellen Moralstufe wieder. Da besitzen sie die Loyalität gegenüber gesellschaftlich anerkannten Normen und Gesetzen und können nach einer good-boy-girl-orientation handeln. Sie können somit ihre gesellschaftliche Pflicht und Verantwortung für ein ‚normales’, soziales Zusammenleben erfüllen (vgl. ebd.: 9).

II. 1.2 Sozialpädagogisch-psychologische Bezüge

Konfrontative Pädagogik fasst (sozial)pädagogische (u.a. Makarenko, Korczak, Redl) und psychologische (u. a. Corsini, Farrelly, Perls) Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts zusammen. Dabei grenzt sie sich von einem autoritär-patriarchalischen Erziehungsstil ab. Außerdem entfernt sie sich von rein permissiven Zuschreibungen, die Ursachen ausschließlich im gesellschaftlichen Kontext bzw. als Ausdruck von Labeling- Prozessen sehen (vgl. ebd.: 10).

II. 1.2.1 Autoritativer Erziehungsstil (Induktion und Internalisierung)

Konfrontative Pädagogik orientiert sich am autoritativen Erziehungsstil. Bei diesem wird eine „klare Linie mit Herz“ (Weidner 1999: 101) verfolgt, welche weder stumpf-militärisch noch alles erlaubend ist. Es geht hierbei um „Wärme, Zuwendung, verständlich begründete, klare Strukturen und Grenzen [sowie] entwicklungsgerechte Aufgaben und Herausforderungen“ (Weidner 2001b: 10). Im Gegensatz zu einem rein autoritären oder permissiven Stil liegen die Vorteile dieser Vorgehensweise im „prosozialerem Verhalten der Probanden, größerer Aufgeschlossenheit und sozialerer Kompetenz, sowie einem angemessenen – durchsetzungsfähigen Alltagsverhalten“ (ebd.). Der letzte erscheint hierbei als besonders wichtiger Punkt, da besonders bei den aggressiven Wiederholungstätern das Ideal vom durchsetzungsstarken Typ vorherrscht und sie sich auch nach dem Resozialisierungsprozess nicht als Versager definieren möchten. Am Anfang lautet die Lebenshypothese der Gewalttäter: „Gewalt macht stark und unangreifbar und Friedfertigkeit ist Feigheit und Schwäche“ (vgl. Weidner 1994).

Der beachtliche Punkt bei dem autoritativen Erziehungsstil scheint nach Weidner zu sein, dass er dazu beiträgt die Kommunikations- und Aushandlungsbereitschaft erheblich zu steigern. Er bringt eine pädagogisch gelenkte Streitkultur mit sich, in der sich die Betroffenen im (sozial)pädagogischen Schonraum über Normen, Werte und abweichendes Verhalten miteinander auseinandersetzen können. Diese Methode kennt man ja auch schon aus Streitschlichtverfahren, Schulparlamenten, dem Täter-Opfer-Ausgleich oder auch Redls ‚life-space-interview’ (vgl. Redl 1987: 48ff). Wie der Sozialpädagoge Gall einst über das abweichende Verhalten formulierte: „Verstehen, aber nicht einverstanden sein“ (Gall 2001a).

Hierbei kommt den Begriffen der Internalisierung und der Induktion eine besondere Bedeutung zu.

Die Internalisierung beschreibt hierbei das normativ orientierte Verhalten und ist von aktueller, situationsspezifischer externer Kontrolle relativ unabhängig. Sie steht im Gegensatz zur Anpassung, die externe Kontrolle impliziert. Das Individuum handelt also ‚gesellschaftskonform’, ohne dass es noch kontrolliert werden muss. Es hat damit zentrale Normen verinnerlicht. Bei der Induktion zeigt man verständnisvoll die negativen Folgen auf unerwünschtes Verhalten für einen Selbst und Andere auf, um somit das Repertoire an Empathie und sozial-kognitiven Fähigkeiten bei den Mehrfachauffälligen zu erweitern. Das Individuum lernt also nicht durch Verbot, sondern durch Verstehen und Einfühlungsvermögen (vgl. Weidner 2001b: 10, 39).

II. 1.2.2 Kognitionspsychologische Konfrontative Therapie nach Corsini

Die Konfrontative Pädagogik ist geprägt durch die methodischen Erfahrungen in der kognitionspsychologisch orientierten Konfrontativen Therapie Corsinis. Sie „strebt einen schlagartigen, radikalen, schnellen Erkenntnisgewinn des Menschen an“ (Weidner 2001b: 12). Die Konfrontative Therapie vertritt die Auffassung, dass man bei Menschen unter bestimmten Bedingungen einen schnellen und andauernden Persönlichkeitswandel herbeirufen kann. Die Vorbereitung auf diese Therapie-Form kann zwar einige Zeit in Anspruch nehmen, aber sie selbst wirkt sehr schnell und kann bei dem Klienten sehr starke emotionale Regungen hervorrufen (vgl. Corsini 1994: 555; vgl. a. Schanzenbächer 2003: 52).

Die Methode ist dabei meist die Hinter-dem-Rücken-Technik oder das Psychodrama. Die Hinter-dem-Rücken-Technik findet seine Umsetzung auch bei Weidner in der abgewandelten Form des Heißen Stuhls im Anti-Aggressivitäts-Training (s. a. u.).

Solch eine Therapie muss nach Corsini auch nicht teuer sein, weil man schnell das schwierigste Hindernis im Patienten, den Widerstand, durchbrechen kann. „Die Therapie wird im Wesentlichen zu einem Machtkampf, in dem der Therapeut sagt: ‚Werde geheilt!’ und der Klient sagt: ‚Nein!’“ (Corsini 1994: 559). In der Konfrontativen Therapie geht es deswegen darum, den Klienten durch „zielbewusstes, schlaues, arglistiges, heimliches und gewaltsames“ Handeln vom Gegenteil zu überzeugen und gleichzeitig dadurch den Machtkampf zu ersetzen (ebd.). Denn die Therapieform geht davon aus, dass im Klienten selbst das Vermögen zur Veränderung steckt (vgl. Schanzenbächer 2003: 52). Dieses Potenzial gilt es in der Konfrontativen Pädagogik in dem entwicklungsfähigen (und auch dem noch in der Entwicklung befindlichen) jungen Menschen freizusetzen und zu fördern.

II. 1.2.3 Provokative Therapie nach Farrelly

Noch breiter zum Tragen als die Konfrontative Pädagogik im Anti-Aggressivitäts-
Training kommt die Provokative Therapie des social workers und Psychologen Farrelly (vgl. ebd.). So drückt es der Sozialpädagoge Schanzenbächer aus und übersieht dabei, dass die Konfrontative Pädagogik zum Wesentlichen aus dieser provokativen Therapie seine Elemente übernommen hat (vgl. Weidner 2001b: 11) und es sei schon hier die Frage vorgezogen, ob die Konfrontative Pädagogik nicht noch besser hätte Provokative Pädagogik heißen können.

Farrelly entwickelte seine Therapie zusammen mit Rogers Klientenzentrierter Therapie und Corsini findet interessant, „dass sie im Kontext jener liebenswürdigen und freundlichsten aller Therapien (...) entwickelt wurde“ (Farrelly; Matthews 1994: 956)

Farrelly baut seine Pädagogik auf dem einfachen Prinzip: „Lachen ist die beste Medizin auf“ und nimmt mit Ironie und Humor das Leiden des Patienten „auf die Schippe“ (Farrelly; Brandsma 1986: V). Weidner beschreibt die Provokative Therapie folgendermaßen: „In der provokativen Therapie spielt der Therapeut nicht die Rolle des ewig verständnisvollen Übervaters, sondern den advokatus diaboli, der – unter dem Motto ‚Übertreibung verdeutlicht’ – den Klienten provoziert, um Grenzerfahrungen herauszulocken und diese dann sachlich ‚straight’ zu besprechen“ (Weidner 1993a).

Die provokative Theorie basiert auf zehn zentralen Annahmen und Hypothesen (vgl. Schanzenbächer 2003: 53; Farrelly; Brandsma 1986: 43 – 68):

- „Menschen verändern sich – sie wachsen innerlich, wenn sie auf eine Herausforderung reagieren“.
- „Patienten können sich verändern, wenn sie wollen“.
- „Patienten haben weitaus mehr Möglichkeiten, eine schöpferische und angepasste Art des Lebens zu entwickeln, als sie oder die meisten Kliniker es annehmen“.
- „Die psychische Zerbrechlichkeit der Patienten wird in hohem Maße überschätzt – von ihnen selbst und von anderen“.
- „Die schlecht angepassten, unproduktiven, antisozialen Haltungen und Verhaltensweisen eines Patienten können drastisch verändert werden, auch bei ernsten Störungen und chronischem Verlauf“.
- „Erfahrungen im Erwachsenenalter oder aus der Gegenwart sind mindestens so bedeutsam (...) als Kindheitserfahrungen oder frühere Erfahrungen bei der Prägung von Werten, Einstellungen und Verhaltensweisen“.
- „Der Umgang des Patienten mit dem Therapeuten spiegelt relativ genau sein normales Verhalten in sozialen und zwischenmenschlichen Beziehungen wider“.
- „Menschen machen Sinn. Das menschliche Wesen ist besonders logisch und verstehbar“.
- „Der Ausdruck des therapeutischen Hasses und des fröhlichen Sadismus gegen den Patienten kann für ihn sehr wohltuend sein“.
- „Die bedeutsamsten Botschaften zwischen Menschen sind nicht sprachlicher Natur“.

Hinzu kommen außerdem noch zwei Zentrale Thesen Farrellys, in denen er feststellt, dass sich der provozierte Patient immer entgegen der ihm vorgegebenen Richtung verhält ,und dass sich der Mensch immer an seinen eigenen Ressourcen orientiert, wenn man ihn auffordert, „seine Selbstverteidigung und sein eingeschränktes Verhalten fortzusetzen“ (Farrelly, Brandsma 1986: 68f.)

Für Weidner ist dabei eine These besonders wichtig für seine Konfrontative Pädagogik. Und zwar geht es dabei um die Angst des Professionellen vor der Zerbrechlichkeit des Jugendlichen (vgl. Weidner 2001b: 11). „Die psychische Fragilität von Klienten wird sowohl von ihnen selbst als auch von anderen weit überschätzt. Die meisten Klienten und Therapeuten betrachten den Klienten als jemanden, der dem ‚Humpty-Dumpty’ ähnelt, jenem unglückseligen Ei, das von der Mauer herunterfiel und bei der geringsten Erschütterung einen Sprung bekommen, aufbrechen und auseinanderfallen wird...“ (Farrelly, Matthews 1994: 977). Weiter sagen Farrelly/ Matthews in ihrem Artikel bezogen auf Mehrfachauffällige, dass man nur durch Provokation die Stärken und persönlichen Kräfte des Klienten herausholen und aktivieren kann. Damit unterstützt man bei ihm ‚was in Ordnung’ ist und reagiert übertrieben ironisch auf das, ‚was nicht in Ordnung ist’ (vgl. ebd.).

Eine der wichtigsten Techniken bei der Provokativen Therapie ist hierbei der Humor. Farrelly verwendet dabei viele verschiedene Arten: „1. Übertreibung, 2. Nachahmung, 3. Spott (Lächerlichkeit), 4. Entstellung, 5. Sarkasmus, 6. Ironie, 7. Witz usw.“ (Farrelly, Brandsma 1986: 136f.)

Diese Techniken finden bei Weidner konkret auch ihre Anwendung im ‚Heißen Stuhl’.

II. 1.2.4 Der „Heiße Stuhl“ aus der Gestalttherapie Perls

Die Erkenntnisse der Konfrontativen und der Provokativen Therapie lassen sich am direktesten in der Methode des „Heißen Stuhls“ am Jugendlichen umsetzen. Dies ist für den Außenstehenden Betrachter und die Medien der wohl auch spektakulärste Punkt in der Konfrontativen Pädagogik. Aus diesem (oder besser dessen Wurzeln) wurde im Fernsehen auch die „Fast-Food-Streitkultur“ des „heißen Stuhls“ der Herren Meyer und Kracht „pervertiert“ (Weidner 1993a).

Er ist jedoch nicht eine Erfindung Weidners, sondern er ist schon „seit längerem ein feststehender Begriff in der sozialpädagogisch-psychologischen Praxis“ (Scholz 2001: 125).

Entstanden ist der Begriff bei dem Gestalttherapeuten Perls. Dieser entwickelte, nach intensivem Austausch mit dem Psychiater Moreno, dessen „Leeren Stuhl“ weiter. Moreno verwendete diesen erstmals 1915 in der Psychodrama-Therapie. Dabei

stellt sich der Klient im Rollenspiel einen geistigen Konfliktgegner vor und führt mit ihm und der Unterstützung des Therapeuten einen Dialog. Dieser imaginäre Kommunikationspartner sitzt dann gegenüber auf dem „Leeren Stuhl“ (vgl. Schanzenbächer 2003: 54; vgl. Weidner 1993a).

Perls entwickelt den „Leeren Stuhl“ dann zu einer Art „spontaner Theaterinszenierung“ (Schanzenbächer 2003: 54) weiter, wo auch der Konfliktgegner als Rollenspieler eingebunden ist. Außerdem ist der Therapeut der Regisseur und die übrigen Gruppenmitglieder bekommen Rollen zugewiesen. Es findet dazu eine Einkreisung des Klienten durch die Gruppe statt. Sehr wichtig war Perls auch, dass nur die Person auf dem „Heißen Stuhl“ Platz nimmt, die gewillt ist an ihrer Psyche zu arbeiten. Ein Punkt der auch für Weidner ganz wichtig ist.

Bei Perls ist der Ausgangspunkt ein „zwiebelschaliges Modell“. Hierbei besteht der Klient aus drei Schalen, die es gilt zu überwinden. Die erste Schale sind die Klischees denen diese Person entspricht und die zweite ist die Rolle in die diese Person schlüpft. Ist man erst mal durch diese beiden äußeren Schalen hindurch, stößt man auf die dritte Schale, die seelische Blockade. Diese gilt es im therapeutischen Prozess explosionsartig zu überwinden, um dann eine neue Identität herausschälen zu können. Dabei attackiert Perls „die inneren Widerstände, die uns hemmen und einschränken“ (Weidner 1993a). Nicht umsonst hat Perls das Modell der Zwiebel gewählt, welche auch Tränen verursachen kann.

Weidner entwickelt diesen „Heißen Stuhl“ dann weiter und entfernt sich von Perls Ziel, dem Klienten ein ruhiges und sachliches Feedback zu geben. Es geht ihm vielmehr „darum, ihn zu attackieren und so zum Nachdenken zu zwingen“ (ebd.)

II. 1.2.5 Die kognitive Psychologie und die Rational-Emotive Therapie

Durch die kognitive Perspektive versucht Weidner „die deutliche Begrenztheit lerntheoretisch-verhaltenstherapeutischer Ansätze in der Arbeit mit delinquenten Jugendlichen [zu] erweitern“ (Schanzenbächer 2003: 55). „’Kognitiv’“ sind dabei nach Weidner „Prozesse (...), die an dem Erwerb, der Organisation und dem Gebrauch von Wissen beteiligt sind“ (Weidner 2001a: 111). Die Psychologie beschäftigt sich dabei mit dem Problem, wie das Individuum diese Informationen aus seiner Umwelt aufnimmt, und wie es sie verarbeitet und wieder auf seine Umwelt einwirkt. Dabei ist das Individuum zielgerichtet und strebt nach „kognitiver Konsistenz“, das heißt, dass es versucht jegliche Dissonanzen zu vermeiden. „Inkonsistenz zwischen zwei Kognitionen wird als unvernünftig und unangenehm erlebt und motiviert das Individuum, Konsistenz zwischen ihnen herzustellen“ (vgl. ebd.) Das Individuum konstruiert sich sozusagen seine eigene Welt. Ist diese zu widersprüchlich mit den Welten der anderen kann es zu Problemen kommen. Der Pädagoge kann dabei dem Individuum helfen, sein Leben ‚geordnet’ zu rekonstruieren. Weidner begreift die Psychotherapie auch als die „psychologische Rekonstruktion des Lebens“ (ebd.: 115). Dies findet z.B. im Anti-Aggressivitäts-Training durch die direkte Interaktion der Teilnehmer statt.

Weidner verwendet hierbei als besondere Variante der kognitiven Psychologie die Rational-Emotive Therapie (RET). Sie ist emotional-direkt und hat einen konfrontativen Kommunikationsstil. Außerdem betont sie für Weidner „das kognitive Element

(selbst-)schädigenden Verhaltens“ (ebd.: 118). „Die theoretischen Grundlagen der RET mögen recht einfach sein. Aber ihre unkomplizierten Formulierungen sind sehr gut für konfrontative Streitgespräche mit aggressiven Jugendlichen geeignet und werden im Gegensatz zu beispielsweise psychoanalytischen Ansätzen von ihnen nicht abgelehnt“ (Schanzenbächer 2003: 57).

Die zentralen Annahmen sind nach Schanzenbächer hierbei prägnant zusammengefasst (ebd.: 58):

- „Die kognitive Mediation: Nicht nur die objektiven Ereignisse, sondern auch die damit verbundenen Einsichten bestimmen die emotionale Reaktion des Jugendlichen“.
- „Dysfunktionale Gefühlszustände: Sie sind ‚das Ergebnis antiempirischer, unverifizierbarer Hypothesen und des Unvermögens, zwischen Verhinderbarem und Nicht-Verhinderbarem zu differenzieren’ (Weidner zitiert bei Schanzenbächer 2003: 58)“
- „Disputation: Die irrationalen Annahmen werden im Sinne einer ‚Konfrontation als Hilfe’ (ebd.) aufgedeckt und die irrationalen Denkmuster verstärkt, um zu verdeutlichen, wie diese die eigenen Gefühle bestimmen. Es ist möglich, auf diese Weise Kognitionen zu verändern“.
- „Inhalte irrationaler Einstellungen: Als solche gelten Mussvorstellungen (etwas ist absolut notwendig), Katastrophengedanken (die Folge einer Handlung wird überbewertet), Selbsterwartungen (‚die irrationale Herabsetzung der eigenen Person’ (ebd.)), und die niedrige Frustrationstoleranz (die Unfähigkeit, Ereignisse der Umwelt zu ertragen)“.
- „Bewusste Erfahrung: Die RET richtet ‚ihr Vorgehen introspektiv aus’ (ebd.). Dabei geht es um ‚die Einsicht in den Symptomursprung’ (ebd.), obwohl der Jugendliche auch ohne Einsicht sein situationsinadäquates Verhalten verlernen kann“.
Durch diese Annahmen ergeben sich nach Schanzenbächer folgende emotive Techniken und verhaltenstherapeutische Verfahren (Schanzenbächer 2003: 58):
- „Verstärkung von rationalen Denkmustern: Dabei wird der Teilnehmer ‚im Dialog belehrt, konfrontiert und zu Analysen angehalten’ (Weidner, zitiert bei Schanzenbächer 2003: 58) mit dem Ziel, dass er seine ‚antizipierten Katastrophen durchspielt und dabei erkennt, wie sie zu bewältigen sind’ (ebd.)“
- „Herausforderung: Diese Disputationstechnik legt die Mussvorstellungen der Jugendlichen in Form von Provokationen bloß. Auf diese Weise sollen sie sich von ihren Zwangshaltungen distanzieren.“
- „Rollenaufzählung: Sie ‚thematisiert die unterschiedlichen (...) Selbstabwertungen’ (ebd.)“
- „Gegenüberstellen inkompatibler Kognitionen: Demgemäß können Dissonanzen reduziert werden“
- „Schamreduzierende Mutproben: Dies ist eine emotive Technik und spricht ‚Gefühle eines Teilnehmers unmittelbarer an als die Disputationen. (...) Schamreduzierende Mutproben eignen sich auch dazu, deutlich zu machen, dass die tatsächlichen Folgen mancher Handlungen bei weitem nicht den zuvor vorhandenen Befürchtungen nahe kommen’ (ebd.)“
- „Imaginationstechnik: Unter anderem geht es hierbei darum, dass sich der Jugendliche vorstellen soll, wie er eine beispielsweise angsterregende Situation ‚nun mit rationalem Denken’ (ebd.) meistert.“

Diese Rational-Emotive Therapie ist sehr punktuell orientiert und es geht dabei bei dem Individuum nicht als ein Ganzes, sondern es wird „defizit-, d. h. aggressivitätsorientiert“ vorgegangen (Weidner 2001a: 125). Dem legt Weidner ein positives Menschenbild zugrunde, bei dem niemand für etwas abgeurteilt wird, egal wie schrecklich seine Taten auch sein mögen. Die Taten an sich werden verurteilt, aber nicht der Mensch (vgl. Weidner 2001a: 123).

II. 1.2.6 Kriminalsoziologische Ansätze

Bei diesen Ansätzen besteht die Gemeinsamkeit, dass sie nach dem Warum delinquenten Verhaltens fragen. Sie unterscheiden sich in dem Punkt, in dem sie die Ursachen in verschiedenen „schichtspezifischen Sozialisationsdefiziten“ und in „der Diskrepanz von kulturellen Zielen und institutionellen Mitteln oder in unterschiedlichen Zugangschancen zu illegitimen Mitteln“ (Lamnek zitiert bei Schanzenbächer 2003: 43) sehen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 103 Seiten

Details

Titel
Konfrontative Pädagogik: Ziele, Methoden und Probleme eines neuen Ansatzes in der Jugend- und Straffälligenhilfe
Hochschule
Universität Leipzig  (Erziehungswissenschaftliche Fakultät)
Note
gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
103
Katalognummer
V35905
ISBN (eBook)
9783638356831
ISBN (Buch)
9783638704472
Dateigröße
1919 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Riesiges Literaturverzeichnis zum Thema!
Schlagworte
Konfrontative, Pädagogik, Ziele, Methoden, Probleme, Ansatzes, Jugend-, Straffälligenhilfe
Arbeit zitieren
Eric Maes (Autor:in), 2004, Konfrontative Pädagogik: Ziele, Methoden und Probleme eines neuen Ansatzes in der Jugend- und Straffälligenhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35905

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Konfrontative Pädagogik: Ziele, Methoden und Probleme eines neuen Ansatzes in der Jugend- und Straffälligenhilfe



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden