In Genre, Form und Ästhetik extrem unterschiedlich, basieren der Spielfilm „Heavenly Creatures“ (NZ/UK/D 1994, R: Peter Jackson) und der Dokumentarfilm „Anne Perry – Interiors“ (D 2008, R: Dana Linkiewicz) doch auf demselben Stoff: einem realen Mordfall aus den 1950er Jahren, bei dem die damals 15-jährigen Freundinnen Juliet Hulme und Pauline Parker gemeinsam die Mutter von Pauline ermordeten, indem sie Honora Parker während eines gemeinsamen Spaziergangs mit einem Ziegelstein erschlugen. Dem ungeheuerlichen und gesellschaftlich tabuisierten Thema des Muttermordes, das der Neuseeländer Peter Jackson noch deutlich vor seinem Durchbruch in Hollywood in diesem formal anspruchsvollen psychologischen Drama mit großem Authentizitätsanspruch inszeniert, nähert sich die junge Berliner Dokumentarfilmerin Dana Linkiewicz auf leise und einfühlsame Weise. Sie portraitiert eine der realen Täterinnen, Juliet Hulme, die inzwischen als erfolgreiche und produktive Autorin von historischen Kriminalromanen unter dem Namen Anne Perry in Schottland lebt, und erkundet, wie diese 50 Jahre nach dem Mord und 14 Jahre nach öffentlichem Bekanntwerden ihrer Tat durch Jacksons Film mit ihrer Schuld umgeht.
Eine vergleichende Arbeit mit den beiden stoffidentischen Filmen im Deutschunterricht der Sekundarstufe II eignet sich, um die vielfältigen Wechselbeziehungen von Faktualität und Fiktion anhand zweier unterschiedlicher Inszenierungen von Wirklichkeit, die jeweils aus der Täterperspektive erzählt sind, zu entdecken.
Zunächst wird in Kapitel zwei der filmtheoretische Hintergrund – die Wechselbeziehung von Faktualität und Fiktion in Dokumentarfilm und Spielfilm sowie die Verwischung dieser Grenzen – am Beispiel der beiden oben genannten Filme umrissen. Danach folgen in Kapitel drei fachdidaktische Überlegungen, Lehrplanbezüge und Vorschläge für den Ablauf einer möglichen Unterrichtsreihe. In Kapitel vier wird eine Unterrichtseinheit dann detaillierter geschildert: Im Rahmen eines produktionsorientierten Montageexperiments können sich die SuS nicht nur mit einer der wichtigsten filmischen Gestaltungsmöglichkeiten, dem Schnitt, konkret und praktisch auseinandersetzen, sondern entwickeln durch den Remix von dokumentarischem und Spielfilmmaterial ein Gespür für die dynamische Beziehung von Faktualität und Fiktion.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Wechselbeziehung von Faktualität und Fiktion in Dokumentarfilm und Spielfilm
- Möglichkeiten für die stoffidentische Vergleichsarbeit des Spielfilms „Heavenly Creatures“ und des Dokumentarfilms „Anne Perry – Interiors“ im Deutschunterricht der Sekundarstufe II
- Didaktische Begründung
- Lehrplananbindung
- Didaktische Umsetzungsmöglichkeiten in Form einer Unterrichtsreihe
- Der Einstieg: Teilsichtung der Filmanfänge mit Diskussion
- Verfassen eines Exposés
- Theoretische Grundlagen
- Recherche zum Stoff und Organisation eines Online-Archives
- Anlage eines Sequenzprotokolls
- Produktionsorientierte Montageübung mit Material aus beiden Filmen
- Stationenlernen
- Verfassung von Filmkritiken
- Faktualität meets Fiktion: Montageexperiment mit Material aus Dokumentar- und Spielfilm
- Ergebnisorientierte Sachanalyse
- Konkretisierung der Kompetenzen
- Einzelschritte des didaktischen Vorgehens
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die stoffidentische Vergleichsarbeit der Filme „Heavenly Creatures“ und „Anne Perry – Interiors“ im Deutschunterricht der gymnasialen Oberstufe. Ziel ist es, die vielfältigen Wechselbeziehungen von Faktualität und Fiktion anhand dieser beiden Filme zu untersuchen und didaktische Möglichkeiten für den Einsatz im Unterricht aufzuzeigen.
- Die Wechselbeziehung von Faktualität und Fiktion in Dokumentar- und Spielfilm
- Didaktische Potenziale des stoffidentischen Vergleichs
- Lehrplananbindung und konkrete Umsetzungsvorschläge für den Unterricht
- Die Funktion der Montage in der Gestaltung von Faktualität und Fiktion
- Die Rolle der Täterperspektive im Umgang mit einem realen Kriminalfall
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel zwei beleuchtet die filmtheoretischen Grundlagen der Wechselbeziehung von Faktualität und Fiktion in Dokumentarfilm und Spielfilm. Anhand der Filme „Heavenly Creatures“ und „Anne Perry – Interiors“ wird gezeigt, wie die Grenzen zwischen diesen beiden Genres verschwimmen und sich verschiedene Wirklichkeitsdimensionen im Film darstellen lassen. Kapitel drei beschäftigt sich mit den didaktischen Möglichkeiten der stoffidentischen Vergleichsarbeit und stellt eine konkrete Unterrichtsreihe vor, die den Einsatz der beiden Filme im Deutschunterricht der Sekundarstufe II ermöglicht. Hierbei werden verschiedene Lehr-Lernformen und Unterrichtsaktivitäten vorgestellt. Kapitel vier befasst sich mit der Funktion der Montage als wichtiges Gestaltungsmittel, das die Wahrnehmung von Faktualität und Fiktion im Film maßgeblich beeinflusst. Es wird eine produktionsorientierte Montageübung mit Material aus beiden Filmen vorgestellt, die den SuS die Möglichkeit gibt, selbstständig mit dem filmischen Material zu experimentieren und die Wirkungsweise der Montage zu erforschen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Begriffen Faktualität und Fiktion im Kontext des Dokumentarfilms und des Spielfilms. Dabei werden die Wechselbeziehungen zwischen diesen beiden Bereichen untersucht und Möglichkeiten aufgezeigt, wie sie im Deutschunterricht der Sekundarstufe II mit den Beispielen der Filme „Heavenly Creatures“ und „Anne Perry – Interiors“ didaktisch erschlossen werden können. Weitere wichtige Themen sind die stoffidentische Vergleichsarbeit, die Täterperspektive, die filmische Montage und die Produktion von Filmen.
- Quote paper
- Vera Richter (Author), 2017, Bewegte Bilder zwischen Faktualität und Fiktion. Ein Vergleich der Filme "Heavenly Creatures" und "Anne Perry - Interiors" im Deutschunterricht der gymnasialen Oberstufe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/359123