Das Für und Wider des polnischen Sprachgesetzes


Essay, 2006

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

I. Darstellung der Entwicklung der Sprachkultur in Polen

II. Darstellung der Problematik
1. Fehlzustände in Sachen Sprache vor der angestrebten gesetzlichen Regelung
2. Konkrete Ziele

III. Inhaltliche Zusammenfassung des Gesetzes zum Schutz der polnischen 5 Sprache
1. Grober Überblick
2. Inhaltliche Auszüge des Gesetzes bezogen auf die in Punkt II. 1. beschriebenen Fehlzustände und Punkt II. 2. konkrete Ziele
3. Änderungsgesetz vom 2.4.2004

IV. Kritische Stellungnahme

Einleitung

Die Redewendung „, iz Polacy nie gçsi, iž swój jçzyk majq”(dass die Polen keine Gänse sind und auch ihre eigene Sprache haben)[1] von Ludwik Hieronim Morsztyn dürfte wohl jeder Pole kennen. Die Tatsache, dass die Polen seit jeher um die Korrektheit ihrer Sprache sehr bemüht sind, dürfte zumindest jedem Sprachwissenschaftler sehr wohl bekannt sein. Dass zum Schutz der polnischen Sprache mittlerweile auch ein Gesetz am 08. Mai 2000 in Kraft getreten ist, das am 07. Oktober 1999 vom Sejm beschlossen wurde, ist manch einem polnischen Hochschullehrer nicht einmal bekannt.

Welche Gründe dazu geführt haben, dieses Gesetz zu verabschieden, welche konkreten Inhalte dieses hat und vor allem seine Auswirkungen, wird in dieser Arbeit vorgestellt werden, um abschließend zu beurteilen, ob es überhaupt vonnöten gewesen wäre, dieses zu beschließen.

I. Darstellung der Entwicklung der Sprachkultur in Polen

Das Phänomen der Sorge um die Sprache gibt es in Polen schon seit dem XVI. Jahrhundert. In den damaligen Ostgebieten Polens waren die konkurrierenden Sprachen das Russische und Latein. In der neupolnischen Periode (18. Jh.-1945) wurde das nationale Selbstbewusstsein und das Gefühl der Zusanmiengehörigkeit des polnischen Volkes vor allem durch den Verlust der Eigenstaatlichkeit sehr beeinflusst. Man erkannte zunehmend den Zusanmienhang zwischen nationaler Identität und der Sprache als Träger der eigenen Tradition und spezifischen Kultur eines Volkes. In dieser Zeit wurde ein Fremdwortpurismus populär, der sich gegen russische und deutsche Einflüsse richtete. Während sich die Sprache in den meisten anderen Ländern weiterhin eher ungezwungen oder zuiallig entwickelte, wurde sie in Polen zum wichtigsten Element der Einigkeit eines zerschlagenen und degradierten Volkes. Durch eine kurze Phase der Unabhängigkeit im Jahre 1918 wurden administrative Eingriffe in die Sprache, d.h. die Formulierung von Nomien und Vorschriften, welche für die Allgemeinheit verpflichtend waren, möglich. Das Gesetz zur Amtssprache vom 31.7.1924, das die polnische Sprache als Staatssprache einsetzte, kann man als ersten Meilenstein zu ihrer Festigung bezeichnen. Fast erscheint es als eine Art patriotischer Kraftakt des Volkes, der in den Zeiten zwischen den beiden Weltkriegen die Vereinheitlichung der Staatssprache, die Reform der Orthographie, die Terminologieerstellung und die Schaffung einer

Bildungssprache schaffte. Polen wurde jedoch ein weiters mal zwischen Deutschland und der Sowjetunion geteilt. Nur durch geheime Organisationen konnten Schulen, Verlage und Verwaltungseinheiten aufrechterhalten werden.

1945 wird Polen zwar unabhängig, befindet sich aber unter ständiger Kontrolle der Sowjetunion. Im Sozialismus wurde die Sprache zu einem Instrument der Propaganda degradiert. Die sozialistische Sprache besteht vorwiegend aus festen Wendungen, Stereotypen, Ritualen und Wiederholungen. Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs dominiert in den Medien, in der Schule und in Betrieben die sog. „nowomowa“ („Neusprech“, nach George Orwell), die auf den Dialog zugunsten autoritärer Mitteilung verzichtet. Wirkliche Kommunikation und Diskussionsiahigkeit werden deshalb nach dem Systemwechsel 1989 das oberste Lemziel.

Es werden nun vor allem die Sprache der Medien, die der Politik und die der Jugend kritisiert. In erster Linie bezieht man sich dabei auf Defizite hinsichtlich des Vokabulars und der stilistischen Korrektheit, bemängelt aber auch ein unzureichendes Sprachgefühl der Jugendlichen. Die Vorwürfe richten sich gegen Vulgarisierung, Amiut des Vokabulars, Lässigkeit, Einfältigkeit, Aggressivität, Trivialisierung, Schematisierung der Sprache und in letzter Zeit besonders gegen den massiven, meist unkontrollierten Gebrauch von Fremdwörtern, in den 1990er Jahren hauptsächlich von Amerikanismen.

Bemerkenswert ist allerdings, dass eine negative Bewertung, gar Ablehnung der polnischen Dialekte als minderwertige Sprachvarianten vorherrscht. Es ist eine Tatsache, dass viele Polen die Beherrschung der polnischen Hochsprache als Bedingung für einen eventuellen sozialen Aufstieg sehen. Zum Glück treten aber solch abwertenden Haltungen manche Sprachwissenschaftler öffentlich entgegen, da sie zu einem regelrechten Verfall der Mundarten führen.

Aus diesen und mit Sicherheit noch einigen weiteren Gründen mussten Maßnahmen zum Schutz der Sprache ergriffen werden. Maßnahmen solcher Art erfolgten in Polen schon immer ,von oben herab’. Kein Wunder also, dass es auch in diesem Falle eine gesetzliche Regelung geben musste. „Auch war die Idee, den Schutz der landeseigenen Sprache durch gesetzliche Regelungen zu beeinflussen, im europäischen Raum nicht neu. Derartige Gesetze existieren mittlerweile schon Belgien, Estland, Frankreich, Irland, Litauen, Lettland, Mazedonien, Norwegen und der Slowakei. In Österreich werden Angelegenheiten solcher Art verfassungsrechtlich geregelt. “[2]

II. Darstellung der Problematik

1. Fehlzustände in Sachen Sprache vor der angestrebten gesetzlichen Regelung

Vor der damals noch angestrebten gesetzlichen Regelung ließen sich in Polen für den Rechtszustand in Sachen Sprache folgende Fehlzustände präzisieren:

„1. Die Bestätigung der polnischen Sprache als Staatssprache
2. Die Sicherstellung des Gebrauchs der polnischen Sprache allerorts in Polen
3. die Abstellung der Verdrängungsvorgänge der polnischen Sprache von Schildern, Reklamen und Hinweistafeln
4. Die Einstufung einer fehlerfreien und verständlichen polnischen Sprache als Pflichtvoraussetzung für jeden Mitarbeiter im staatlichen Dienst
5. Die Berufung von für die Sprache verantwortlichen Institutionen
6. Die Prozedur zur Erstellung einer verbindlichen Orthographie“[3]

Gerade in Hinblick auf die Orthographie, aber auch bei der Flexion mancher „jungen Fremdwörter“[4] lassen sich gravierend Mängel feststellen. Seit einem Jahrhundert kaufen Polen Autos, doch erst seit kurzem tun sie das bei einem Dealer. Dieser Ausdruck wird aber nicht unbedingt, wie unter anderen in Deutschland, mit Drogen in Verbindung gebracht. Viel mehr wird er in Polen gleichbedeutend mit Händler gebraucht. Bei der Aussprache dürfte es hierbei keine Probleme geben. Falls dieses Wort jedoch geschrieben werden soll, stellt sich die Frage:

Original- oder die auf polnisch ausgesprochene Schreibweise, also , diler’? Diese Frage würde sich in Deutschland wohl keiner stellen, da es hierzulande üblich geworden ist, Fremdwörter in ihrer Originalschreibweise zu übernehmen. In Polen wird jedoch nicht nur erstens alles so geschrieben, wie man es ausspricht, zudem wird es der polnischen Grammatik angepasst.

Man hängt grundsätzlich das passende Suffix daran. Das Auto hätte man dem entsprechend od dilera (vom Dealer) gekauft.

Teilweise werden aber auch Wörter im Plural gebraucht, die normalerweise nur im Singular anzutreffen sind, wie beim Computerprogramm Windows, das in der polnischen Umgangssprache auch als te windowsy (die Windows) anzutreffen ist.

Ein weiteres Problem stellt sich in Hinblick auf die Aussprache dar. Als Beispiel hierfür erscheint mir der Manager sehr dienlich. „Mögliche Schreibweisen im polnischen

Sprachraum sind menedžer, menadžer oder mendžer. Mit Sicherheit ist ein Grund hierfür, dass in Polen das Schulfach Englisch nicht verpflichtend ist. Aufgrund dessen wurden auch immer noch viele Jugendliche in Polen noch nie mit der Sprache Englisch konfrontiert. Jedoch müssen sie einige Wörter dennoch anwenden, um sich beispielsweise mit anderen über die neueste Technik austauschen zu können, da es hierfür keine Entsprechungen im Polnischen gibt.

Daran knüpft auch schon das nächste Problem. Welche Regelung muss getroffen werden, falls es für ein, neu in den Sprachgebrauch aufgenommenes Fremdwort, auch ein dem entsprechendes im Polnischen gibt? Das Wort fan ließe sich ins Polnische mit mihsnik oder amator übersetzen, das allerdings nur auf unbelebte Objekte, wie Bücher oder Musik bezogen werden kann. Auch gäbe es die Möglichkeit sich eines der Wörter wie wielbiciel, amant, kochanek zu bedienen, die jedoch eher im Sinne von Liebhaber gebraucht werden. Fan dagegen ist kurz, neuzeitlich, wecken Vertrauen und lassen ihre polnischen Entsprechungen regelrecht plump wirken.

Auch bei Eigennamen ist noch keine Regelung getroffen worden, wovon vor allem die Werbebranche stark betroffen ist. Man könnte allen ausländischen Produkten einen polnischen Namen zuweisen. Doch wäre die Möglichkeit, ,Japan Car in Japonskie Samochodv umzubenennen, nicht nur ,dumm’, sondern zudem kostspielig und renommeeschädigend.“[5] Damit wäre das letzte Problem, nämlich wie man in Zukunft mit Eigennamen in den Medien oder auf Werbetafeln umgehen soll, angesprochen.

2, konkrete Ziele

Diese und sicherlich einige andere Tatsachen, die an dieser Stelle leider nicht alle aufgeführt werden können, veranlassten die Polnischen Akademie der Wissenschaften (Polska Akadémia Nauk) in Zusammenarbeit mit Sprachwissenschaftlern und Vertretern der Politik folgende Ziele zu fomiulieren:

„1. die Entwicklung des Gefühls der Mitverantwortung für die Sprache und Sprachpflege, für ihre Autonomie, Lebendigkeit und die Funktionalität ihrer Mittel;
2. Ausbildung von vielseitig begabten und in allen Lebensbereichen sprachfahigen Persönlichkeiten;
3. Verbesserte Bildung der Träger der Sprache, damit sie imstande sind, die Prinzipien der Zusammenarbeit und Völkerverständigung zu verwirklichen und Frieden zu stiften;

[...]


[1] von mir übersetzt

[2] vgl. http ://germ.univ. szczecin.pl/~lipczuk/Lubliana%20Ref.htm

[3] http://wortbasar.ffii.org/logsYs/kmosler/polen/thema.html (eine polnische übersetzimg ist auf der Seite http://www.kprm.gov.pl/1937 3315.htm zu finden)

[4] Levin-Steinmann A (2002) Überlegungen zum Sinn und den Erfolgsaussichten des , Ustawa o jçzyku polskim ’ In: Daiber Th. (Hrsg.) Linguistische Beiträge zur Slavistik IX. München, 193-214

[5] vgl. Levin-Steinmann A (2002) Überlegungen zum Sinn und den Erfolgsaussichten des , Ustawa o jçzyku polskim ’ In: Daiber Th. (Hrsg.) Linguistische Beiträge zur Slavistik IX. München, 193-214

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Für und Wider des polnischen Sprachgesetzes
Hochschule
Universität Regensburg  (Slawistische Fakultät)
Veranstaltung
Die slawischen Völker im Umbruch
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
12
Katalognummer
V359475
ISBN (eBook)
9783668442689
ISBN (Buch)
9783668442696
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Polen Sprachwissenschaft Linguistik Philologie, Slawistik, Polnisch, Sprachgesetz, jezyk polski, Polen, Sprachwissenschaft, Kulturwissenschaft, Linguistik, Philologie
Arbeit zitieren
Sabine Stary (Autor:in), 2006, Das Für und Wider des polnischen Sprachgesetzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/359475

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