Verkaufspsychologie in Katalogen
1. EINLEITUNG
Nach Tietz ist der Versandhandel eine Form des Einzelhandels, bei der der Kunde die Ware nach Katalogen, Prospekten bzw. Anzeigen unmittelbar oder bei Vertretern bestellt und durch die Post oder auf andere Weise zugestellt bekommt(1).
Als grundlegende Merkmale für den Versandhandel gelten(2):
- Das mediale Angebot der Waren oder Dienstleistungen erfolgt durch Direktwerbemedien wie Katalog, Prospekt, Vertreter oder andere Formen als auch durch klassische Medien, die als Direktwerbemedien genutzt werden, wie Anzeigen, Beilagen und andere Formen.
- Der Kauf auf Distanz, bei dem die räumliche Trennung zwischen Anbieter und Besteller durch schriftlichen oder telefonischen Auftrag oder auf elektronischem Wege überwunden wird.
- Der Warenversand an den Besteller erfolgt im allgemeinen per Post, durch versandhauseigene Service- Unternehmen oder private Paketdienste.
- Die Zahlungsform ist häufig vielfältig, wobei der Kunde meist zwischen Nachnahme, Kauf auf Rechnung sowie Teilzahlung wählen kann.
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(1) Vgl. Tietz (1975), S. 178
(2) vgl. Bundesverband des Deutschen Versandhandels (Hrsg.), S. 22
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. AUSGEWÄHLTE ASPEKTE DER VERKAUFSPSYCHOLOGIE IN KATALOGEN
2.1 Zielgruppenanpassung
2.2 Die Hot- Spot- Seiten
2.2.1 Der Titel
2.2.2 Der Rücktitel
2.2.3 Die Umschlaginnenseiten
2.2.4 Die Innenseiten
2.2.4.1 Artikeldichte
2.2.4.2 Exkurs: Der Begleitbrief- Augenpfad
2.2.4.3 structural motion
2.2.4.4 Bild und Text
2.3 Action- getter
2.4 Exkurs: Impulskaufkataloge
3. SCHLUSSBETRACHTUNG: Ersetzt das Internet die Versandkataloge
ANHANG
LITERATURVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Systematik des Einzelhandels
Abbildung 2: Artikeldichte und Verweildauer
Abbildung 3: Blickverlauf bei Begleit- bzw. Werbebriefen
Abbildung 4: traditionelle Bestellkurve von Universalkatalogen
Abbildung 5: kurzzyklische Bestellkurve von Impulskaufkatalogen
Abbildung 6: Entwicklung des Versandhandelsumsatzes
Abbildung 7: Gründe für den Kauf per Katalog
1. EINLEITUNG
Nach Tietz ist der Versandhandel eine Form des Einzelhandels, bei der der Kunde die Ware nach Katalogen, Prospekten bzw. Anzeigen unmittelbar oder bei Vertretern bestellt und durch die Post oder auf andere Weise zugestellt bekommt.[1]
Als grundlegende Merkmale für den Versandhandel gelten:[2]
- Das mediale Angebot der Waren oder Dienstleistungen erfolgt durch Direktwerbemedien wie Katalog, Prospekt, Vertreter oder andere Formen als auch durch klassische Medien, die als Direktwerbemedien genutzt werden, wie Anzeigen, Beilagen und andere Formen.
- Der Kauf auf Distanz, bei dem die räumliche Trennung zwischen Anbieter und Besteller durch schriftlichen oder telefonischen Auftrag oder auf elektronischem Wege überwunden wird.
- Der Warenversand an den Besteller erfolgt im allgemeinen per Post, durch versandhauseigene Service- Unternehmen oder private Paketdienste.
- Die Zahlungsform ist häufig vielfältig, wobei der Kunde meist zwischen Nachnahme, Kauf auf Rechnung sowie Teilzahlung wählen kann.
Eine mögliche Einteilung des Katalogversandhandels als Vertriebssparte des Einzelhandels könnte demnach folgendermaßen aussehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Systematik des Einzelhandels[3]
Trotz der Bedeutung des Versandhandels ist es überraschend, dass ist die Literatur zu diesem Gebiet im Hinblick auf psychologische Aspekte eher spärlich und wenig wissenschaftlich fundiert ist.
Eine kurze Aufarbeitung der meist praxis- und marketingorientierten Quellen im Hinblick auf einige ausgewählte psychologische Aspekte dieser Direktmarketing- Sparte soll in Kapitel 2 dieser Arbeit vorgenommen werden. Im Ausblick soll dann der Frage nachgegangen werden, ob neue Medien wie das Internet nur eine neue Vertriebssparte darstellen, oder den klassischen Versandhauskatalog in mittelfristiger Hinsicht sogar zu ersetzen vermögen.
2. AUSGEWÄHLTE ASPEKTE DER VERKAUFSPSYCHOLOGIE IN KATALOGEN
Die folgenden Darstellungen beziehen sich auf psychologische bzw. marketingorientierte Aspekte von Versandhauskatalogen, die man in Anlehnung an Kirchner (1988: 30) vereinfacht drei Kategorien zuordnen kann: Universal- Sortiments- Kataloge, wie z.B. der Quelle- oder Otto- Katalog (auch als „Megaloge“ bezeichnet), Spezial- bzw. Fach- Kataloge, z.B. Otto – Heimwerken, und Impulskauf- Kataloge, wie z.B. Sport- Scheck- Hot- Spot.
„Neckermann macht’s möglich“ – das Prinzip, für jeden etwas anbieten zu wollen, für das dieser berühmt gewordene Slogan aus den Jahren des Wirtschaftswunders steht, ist heute weitestgehend überholt. Zwar schützen die oft über tausend Seiten starken Universalkataloge davor, schnell weggeschmissen zu werden, und verzeichnen daher über einen längeren Zeitraum Bestellungen, andererseits zeigt sich zunehmend die Tendenz, dass die Hauptkataloge, die immer noch die hauptsächliche Erlösquelle der Versandhandelsunternehmen darstellen, durch Spezialkataloge an Bedeutung verlieren, und durch aktuellere Medien wie etwa das Internet zumindest zum Teil ersetzt werden und somit der Gefahr unterliegen, zu einem Einkaufsberater zu verkümmern.[4]
Die deutliche Zunahme an Themen- bzw. Spezialkatalogen der vergangenen Jahre hat mehrere Gründe: Zum einen ist festzustellen, dass die Kundenwünsche immer spezieller werden. Zum anderen werden die Märkte und Zielgruppen immer weiter segmentiert, um eben auch auf die immer spezieller und individueller werdenden Kundenbedürfnisse eingehen zu können. Infolgedessen reichen die Spezialkataloge mittlerweile vom Erotikversender über den Modellbaukatalog bis hin zum Lampenanbieter. Der klassische „Familienkatalog“ (bzw. Universalkatalog) ist auf dem Rückzug und nutzt das vorhandene Vertrauen in seinen Namen bzw. in seine Marke um selbst Spezialkataloge zu verschicken[5]. Dies ist zwar auch durch einen gesellschaftlichen Wertewandel hin zu mehr Individualismus zurückzuführen, ebenso dürfte aber der zunehmende Kostendruck der Branche ausschlaggebend sein, denn das „Gießkannenprinzip“ bringt es mit sich, dass sich Streuverluste durch eine Vielzahl von Nichtbestellern bzw. Nichtkunden einstellen, und somit jeder versandte Katalog ohne „Response“ ein Verlustgeschäft darstellt.
Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, müssen sowohl Universal-, als auch Spezial- und Impulskaufkataloge ihre Kataloge bzw. ihr Sortiment (und somit ihr Image) an die jeweilige Zielgruppe anpassen.
2.1 Zielgruppenanpassung
Einen Anhaltspunkt für eine optimierte Zielgruppenanpassung bieten die sog. semantischen Differenziale von Kunden- und Sortimentsprofil. Verlaufen diese weitestgehend kongruent, so kann von einem der Zielgruppe angepassten Sortiment bzw. Katalog gesprochen werden.[6]
Zum Kundenprofil gehören sowohl sozio- demographische Faktoren, wie etwa Alter, Beruf, Einkommen, Haushaltsgröße, Bildungsniveau etc., aber auch psychographische Merkmale (sog. „Lebensstil- Daten“), wie Präferenzen, Hobbies, Interessen und Persönlichkeitseigenschaften aber auch Daten zum unternehmensbezogenen Verhalten bzw. Einstellungen zum Produktimage, wie etwa Bestellertyp (schriftlich, telefonisch etc.), Zahlungstyp (Teilzahlung, Kreditkarte etc.), und v.a. die bisherige Verkaufsgeschichte, in die Daten zu Bestellmenge, Bestellwert, Retourenquote, u.a. einfließen.
Das Sortimentsprofil bestimmen u.a. Faktoren wie das Preisniveau, die Bandbreite der Auswahl an Artikeln oder die Qualität der Produkte.
Beispielsweise ist ein Katalog der gehobenen Preisklasse mit entsprechend hoher Qualität der Produkte somit eher an anspruchsvolle, qualitätsbewusste Kunden mit starker Kaufkraft zu versenden um dem Kongruenzprinzip der semantischen Differenziale von Kunden- und Sortimentsprofil zu entsprechen.
2.2 Die Hot- Spot- Seiten
Der Begriff der „Hot- Spot- Seiten“ bezeichnet die Rangfolge der besten Seiten in einem Katalog. Im Folgenden sollen einige Besonderheiten in bezug auf Aufbau und Layout dieser Seiten näher betrachtet werden.
Die übliche Rangfolge der umsatzstärksten Seiten eines Katalogs ist die folgende: die Titelseite, der Rücktitel, die Seiten 2 und 3, die letzte Inhaltsseite und 3. Umschlagsseite, die Mitte des Katalogs, und schließlich die linke und rechte Seite bei Beiheftern, v.a., wenn sie kleiner als das Katalogformat sind.[7]
2.2.1 Der Titel
Da der Titel also die wichtigste Erlösquelle zu sein scheint und im allgemeinen die meiste Beachtung findet, stellt sich die Frage, ob auf der Titelseite bereits Waren angeboten werden sollten[8], oder ob hier eher Imagepflege betrieben werden sollte.[9] Dies ist in der Literatur eine vieldiskutierte und nicht unumstrittene Frage. Einigkeit scheint darüber zu bestehen, dass bei Universalkatalogen die Möglichkeit besteht, auf ein Titelangebot zu verzichten, während dies bei einem lediglich 32-seitigen Impulskaufkatalog nicht empfohlen wird, da hier die generierten Bestellungen des Titelangebots benötigt werden. Obwohl es also eine eindeutige Empfehlungen nicht zu geben scheint, identifiziert Kirchner (1988: 117ff.) drei Schlüsselelemente die unabhängig davon für die Wirkung von Titelseiten entscheidend sind.[10]
Er rät erstens zu einem Blickfang mit emotionaler Schubkraft, d.h. eine möglichst großflächige Abbildung, entweder eines umworbenen Artikels, oder eines Stimmungsbildes, die der Aktivierung der Kunden dienen sollen.
Zudem bräuchte es eines wirksamen Slogans (d.h. der zentrale Aussage des Unternehmens), der das Nutzenversprechen des Kataloges in wenigen plakativen Wörtern „rüberbringt“. Kirchner (1988: 211) unterscheidet in diesem Zusammenhang fünf wesentliche Arten von Slogans, die diese Aufgabe erfüllen können, und zwar
- auffordernde Slogans, wie z.B. „Es gibt viel zu tun, packen wir es an“ (Esso)
- behauptende Slogans, wie z.B. „Neckermann macht’s möglich“ (Neckermann), oder „Otto ... Find’ ich gut“ (Otto)
- wortspielende Slogans, wie z.B. „Heine zieht mich an“ (Heine)
- tiefsinnige Slogans, wie z.B. „Heute. Morgen. Übermorgen. Dazwischen Diners (Diners Card) sowie
- gewitzte, originell- pfiffige Slogans, wie z.B. „In der Tiefkühltruhe ist immer Saison“ (Linde)
Schließlich sei noch als drittes Schlüsselelement der Firmennamen inklusive Logo notwendig, das natürlich entsprechend der Theorie der Beachtung formal prägnant gestaltet sein soll,[11] damit möglichst eine Konditionierung zwischen Blickfang, Slogan und Unternehmen erreicht wird. Eben diese Konditionierung dürfte allerdings eher mit Stimmungsbildern als mit konkreten Artikeln erreicht werden.
Zusätzliche Elemente und Informationen, z.B. zusätzliche eye- catcher, sollten auf dem Titel vermieden werden, da sie den Kunden nur ablenken und bei der Informationsaufnahme bzw.- verarbeitung stören, denn
„[m]ehr als drei Informationen kann kein Mensch innerhalb von wenigen Sekunden verarbeiten. Entmutigen Sie Ihre potentiellen Kunden nicht, indem Sie sie mit zuviel Informationen überfordern. Das hat nur zur Folge, dass die Kunden die Botschaft insgesamt nicht verstehen.“ (Muldoon 1997: 167)
Damit sind bereits Aspekte der beschränkten Informationsverarbeitungskapazität der Menschen angesprochen, die im Zusammenhang mit der Kataloggestaltung eine große Bedeutung spielen und später erneut aufgegriffen werden.
2.2.2 Der Rücktitel
Nach dem Titel kann die Katalogrückseite bzw. der sogenannte „Rücktitel“[12] als zweitwichtigste Verkaufsseite eines Katalogs angesehen werden. Dies liegt zum einen daran dass viele Kataloge auf dem eigentlichen Titel aufbewahrt werden, aber auch daran, dass mehr als ein Drittel der Leser Kataloge von hinten nach vorne durchblättern[13].
Diese interessante Tatsache wurde auch schon durch spezielle Katalogformen genutzt, nämlich die sog. Wende- Kataloge. Diese, auch „Flip- over- Kataloge“ genannten Typen zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine eindeutige Titelseite besitzen, sondern sowohl „Vorder-„ als auch „Rückseite“ jeweils für sich einen selbstständigen Titel darstellen. Diese Katalogform eignet sich insbesondere bei zwei klar trennbaren Sortimenten bzw. Produktgruppen, wie beispielsweise Hartwaren/ Textilien oder Herren/ Damen. Das Ziel dieses Konzeptes ist es, zu versuchen, dass „Start- Interesse“ beim Leser zweifach zu nutzen.
[...]
[1] Vgl. Tietz (1975), S. 178
[2] vgl. Bundesverband des Deutschen Versandhandels (Hrsg.), S. 22
[3] in Anlehnung an Berekoven (1995), S. 28
[4] Die Aufbewahrungszeit wächst zwar mit der eingeschätzten Wertigkeit des Katalogs und die Einschätzung der Wertigkeit durch die Kunden steigt wiederum mit dem Volumen des Kataloges, jedoch kommen ständig neue Kataloge in den Haushalt, so dass diese oben auf den Stapel gelegt werden und am ehesten die Chance haben erneut Beachtung zu finden und somit Bestellungen zu generieren. Diesem auch in der Lagerhaltung bekannte „LIFO- Prinzip“ (last in, first out) entgegenzuwirken ist der Versuch sog. Anstoßketten durch Nachfasskataloge zu generieren und so dem Katalog neues Leben einzuhauchen.
[5] der Otto- Versand hat mittlerweile über ein Dutzend Tochterkataloge; http://www.otto.de (26.2.2002)
[6] Drescher (1992) nennt dies das „Zahnrad- Model“, vgl. ebd. S. 39, für ein Beispiel siehe Kirchner (1988: 203f.)
[7] in Anlehnung an Kirchner (1988), S. 117 f, vgl. auch Muldoon (1997), S. 53
[8] vgl. Anhang 1
[9] vgl. Anhang 2
[10] vgl. Kirchner (1988), S. 113ff.
[11] vgl. Neumann (2000) S. 50
[12] vgl. Anhang 3
[13] Muldoon (1997), S. 171 behauptet sogar, dass “mindestens 50% der Bevölkerung ‚von hinten nach vorne’ [lesen]“
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- Alexander Jung (Autor:in), 2002, Verkaufspsychologie in Katalogen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36008