Wirtschaftsgeographische Aspekte Nordeuropas sind stark mit dessen wirtschaftsgeschichtlicher Entwicklung verbunden. Mit der Besiedelung der nördlichen Länder zum Ende der letzten Glazialzeit entwickelte sich erstmals ein reger Austausch von Wirtschaftsgütern auf den sich schnell herausbildenden Handelsrouten. Den ersten wirtschaftlichen Höhepunkt erreichte „der Norden“ in der Wikingerzeit vom 9. bis zum 11. Jahrhundert. Erstmals gab es einen lebhaften Handel mit Mitteleuropa. Durch zahlreiche Explorationsfahrten dehnten sich diese Handelswege bis nach Russland und in den orientalischen Raum aus. Zahlreiche arabische Münzfunde in ausgegrabenen Wikingersiedlungen belegen dies. Sie zeigen die damaligen Schwerpunkte des nordischen Handels.
Eine weitere wichtige Zäsur in den vielen Jahrhunderten nordeuropäischer Wirtschaftsgeschichte ist die Hanse. Oft wird dieser Kaufmanns- und Städtebund als Beispiel für ein erstes modernes europäisches Wirtschaftsbündnis gesehen. Tatsache ist, dass die Hanse speziell für die wirtschaftliche und geographische Entwicklung Nordeuropas außerordentlich wichtig war, man bedenke nur die staken Besiedelungsprozesse und die zahlreichen Stadt- bzw. Festungsbauten.
Ein dritter Schwerpunkt ist die Entwicklung Nordeuropas seit der Frühen Neuzeit. Diese war der Wegbereiter für die Herausbildung der heutigen fünf modernen, unabhängigen Nationalstaaten und die Entwicklung nordeuropäischer Wohlfahrtssysteme, die immer noch eine weltweite Vorbildsfunktion besitzen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einführung in die Thematik
2. Wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung in Skandinavien
2.1 Prähistorische Verhältnisse
2.2 Die Zeit der Wikinger – Phase der Expansion
2.3 Die europäische Integration des Nordens im Mittelalter
2.4 Die Hanse – Brücke zwischen den Märkten im 12. bis 17. Jahrhundert
2.4.1 Historisierung
2.4.2 Ende der „Alten Hanse“ und Beginn der „Neuen Hanse“
2.5 Skandinaviens wirtschaftliche Entwicklung seit der Frühen Neuzeit
3. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Pörtner 1985, S. 32.
Abb. 2: Gläßer 1993, S. 8.
Abb. 3: Pörtner 1085, S. 274.
Abb. 4: Hammel-Kiesow 2000, 1. Umschlagseite.
Abb. 5: Walter 2004, S. 27. Entnommen aus: Praxis Geschichte 1/2001, S. 7.
Abb. 6: Hammel-Kiesow 2000, 2. Umschlagseite.
1. Einführung in die Thematik
Wirtschaftsgeographische Aspekte Nordeuropas sind stark mit dessen wirtschaftsgeschichtlicher Entwicklung verbunden. Mit der Besiedelung der nördlichen Länder zum Ende der letzten Glazialzeit (ca. 10.000 bis 12.000 v. Chr.) entwickelte sich auch der Handel und entsprechende Routen bildeten sich früh. Den ersten wirtschaftlichen Höhepunkt erreichte „der Norden“ in der Wikingerzeit vom 9. bis zum 11. Jahrhundert. Erstmals gab es einen lebhaften Handel mit Mitteleuropa und durch zahlreiche Explorationsfahrten dehnten sich die Handelswege bis nach Russland und in den orientalischen Raum aus, was zahlreiche arabische Münzfunde in ausgegrabenen Wikingersiedlungen belegen. Sie zeigen die damaligen Schwerpunkte des nordischen Handels.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Arabische Münzfunde in Nordeuropa
Da sich die vielen Jahrhunderte nordeuropäischer Wirtschaftsgeschichte nicht umfassend in einer Hausarbeit darstellen lassen, war ich gezwungen, Schwerpunkte zu setzen. Nach der Wikingerzeit ist dies sicherlich die (z. T. schwärmerisch verklärt dargestellte) Zeit der Hanse. „Die Hanse ist ein Phänomen, das von heutigen Deutschen durchweg positiv bewertet wird.“[1] Oft wird dieser erst Kaufmanns-, später Städtebund als Beispiel für ein modernes europäisches Wirtschaftsbündnis genutzt. Tatsache ist, dass sie speziell für die wirtschaftliche und geographische Entwicklung Nordeuropas außerordentlich wichtig war, man bedenke nur die staken Besiedelungsprozesse und die zahlreichen Stadt- bzw. Festungsbauten. Ein dritter Schwerpunkt ist die Entwicklung Skandinaviens seit der Frühen Neuzeit. Sie war der Wegbereiter für die Herausbildung der heutigen fünf modernen, unabhängigen Nationalstaaten und die Entwicklung nordeuropäischer Wohlfahrtssysteme, die immer noch eine weltweite Vorbildsfunktion besitzen.
2. Wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung in Skandinavien
2.1 Prähistorische Verhältnisse
Einige der ältesten Siedlungsspuren Nordeuropas wurden in Norwegen, hauptsächlich in der Finnmark, entdeckt und sind auf 10.000 bis 12.000 v. Chr. datiert worden. Mit dem Abschmelzen der Eismassen der letzten Glazialzeit (für Skandinavien zwischen 11.000 - 12.000 v. Chr.) kamen möglicherweise Einwanderer von der russischen Kola-Halbinsel, wo ähnliche Spuren gefunden wurden.[2]
Um 5000 v. Chr. entfaltete sich im klimatisch begünstigten Oslofjord eine Steinzeitkultur (sog. Nöstvet-Epoche[3] ), in der sich schon ein lebendiger Handel mit Werkstoffen und Steinwerkzeugen entlang der norwegischen Westküste entwickelte. In der Jüngeren Steinzeit (3.000 – 1.500 v. Chr.) betrieb man dort eine intensive Bodennutzung und Viehhaltung, die aber um 500 v. Chr. (Beginn der Eisenzeit) aufgrund von klimatischen Verschlechterungen teilweise aufgegeben wurde. Die Siedler begannen sich, in Sippen zusammenzuschließen, deren Könige die sog. jarle waren.
2.2 Die Zeit der Wikinger – Phase der Expansion
Gegen Ende der Völkerwanderung (600 n. Chr.) erlebte insbesondere Norwegen eine erneute Blüte- und Expansionszeit – die Wikingerzeit. Sie begann um etwa 800 n. Chr. und erstreckte sich über einen Zeitraum von fast drei Jahrhunderten, genauer gesagt von der Zerstörung des Klosters Lindisfarne an der schottischen Ostküste 793 durch plündernde Wikinger bis zur Einnahme Englands durch Wilhelm den Eroberer in der Schlacht bei Hastings 1066.[4]
Die Herkunft des Wortes Viking (dessen eingebürgerte deutsche Form „Wikinger“ ist nicht ganz korrekt, hat sich aber durchgesetzt) ist historisch nicht eindeutig belegt. Magnusson gibt als eine Möglichkeit die Ableitung vom altnordischen Wort vik (Bucht) an. Demnach bedeutet Viking: „Jemand, der sein Schiff in einer Bucht liegen lässt, entweder, um Handel zu treiben oder zu rauben“[5]. Ein andere Möglichkeit ist die Anlehnung an das altengliche Wort wic (lat. vicus), was in etwa ein „Lager“ oder einen „Handelsplatz“ beschreibt. Wikinger kann also Krieger bzw. Seeräuber oder Händler bedeuten, je nach Interpretation.[6]
Ihr ursprüngliches Kerngebiet waren die (heutigen) Länder Norwegen, Dänemark und Schweden. Dänemark war zu dieser Zeit weiter ausgedehnt, die heute schwedischen Provinzen Skåne, Blekinge und Halland waren damals Bestandteil des Dänischen Reiches. Der Süden von Jütland wurde an seiner engsten Stelle beim heutigen Schleswig durch die komplexe Wallanlage „Danewerk“[7] befestigt, die nur einen einzigen Durchlass für den sog. „Heerweg“, einer Transitstrecke von Kontinental- nach Nordeuropa, bot. So konnte man (und kann auch heute noch) Dänemark als ein „Brückenland zwischen Mittel- und Nordeuropa“[8] bezeichnen.
Die Bevölkerung des damaligen Schwedens konzentrierte sich auf die stark bewaldete und fruchtbare Zentralebene zwischen der kargen Hochebene von Småland und dem ungastlichen Norrland. Die beiden dort lebenden Stämme Svear[9] und Götar hatten ihre Zentren in den Provinzen Uppland, mit dem Königsitz Alt-Uppsala, und Väster- bzw. Östergötland. Auch die Insel Gotland nahm durch ihre strategisch günstige Lage in der Ostsee früh eine bedeutende Rolle ein.
Auf dem Gebiet des heutigen Norwegens[10] konzentrierte sich die Bevölkerung auf die südlichen, fruchtbaren Gebiete, besonders entlang des Oslofjords und in der Ackerlandschaft Jærens. Die immerhin gut 20.000 km lange Uferlinie (einschließlich der Inselküsten vermutlich sogar über 80.000 km[11] ) zwang die Norweger zu einer starken Orientierung zum Meer hin, was schon früh zu kurzen Seereisen über die Nordsee bis zu den Britischen Inseln führte.[12]
Ausgehend von diesen Ländern bereisten sie ab Mitte des 9. Jahrhunderts West- und Mitteleuropa, später stießen sie bis in den mediterranen, südrussischen, orientalischen und sogar ostamerikanischen Raum vor. Die Gründe der Explorationen sind bis heute noch nicht vollständig geklärt; Gläßer gibt für diesen Expansionsdrang Überbevölkerung der damaligen Siedlungsgebiete, Mangel an kultivierbaren Land und die vielen kriegerischen Auseinadersetzungen der nordischen Königreiche an. Weiterhin lockten neben Abenteuerlust auch die reichen Beutemöglichkeiten entlang der Handelswege der Ost- und Nordseeküste.[13]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Züge der Wikinger
Die Wikingerzüge waren aber nicht immer kriegerischer oder ausbeutender Natur. Nach Graham-Campbell wird „im allgemeinen […] die Bedeutung der ersten überlieferten Raubzüge überschätzt“[14], denn „durch Piraterie konnte man kaum solch ein regelmäßiges Einkommen erzielen wie etwa durch die Versorgung der Araber mit Sklaven im Austausch gegen Silber“[15]. Viele der Reisen dienten also eher Handelsaktivitäten, und oft waren damit Siedlungsgründungen verbunden.
[...]
[1] Hammel 2000, S. 7.
[2] Vgl. Gläßer 1993, S. 6.
[3] Gläßer 1993, S. 7.
[4] Vgl. Capelle 1971, S. 8.
[5] Magnusson 2003, S. 10.
[6] Vgl. Magnusson 2003, S. 10.
[7] Benannt nach dem sagenhaften König „Dan“, der Dänemark und diesem Bauwerk seinen Namen gegeben haben soll, vgl. Magnusson 2003, S. 61.
[8] Gläßer 1980, S. 9.
[9] Vom Namen dieses nordischen Stammes leitet sich der heutige Name Sverige (=Schweden) ab.
[10] Abgeleitet vom „Weg nach Norden“, vgl. Gläßer 1993, S. 6.
[11] Gläßer 2003, S. XVIII.
[12] Vgl. Graham-Campbell 1982, S. 14 ff.
[13] Vgl. Gläßer 2003, S. 2.
[14] Graham-Campbell 1982, S. 23.
[15] Graham-Campbell 1982, S. 150.
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