Situationslogik nach Sir Karl Popper


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

21 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Die Situationslogik

2.1. Grundlagen

2.2. Die „ Drei-Welten “ Theorie

2.3. Die Situationslogik

2.4. Entstehung und Bedeutung der Situationslogik

3. Literaturverzeichnis

1. Vorwort

Die Aufgabenstellung dieser Seminararbeit bot mir die Chance mich mit methodischen Fragestellungen zu beschäftigen, die für die Erarbeitung meiner Dissertation in Politikwissen- schaften von essentieller Bedeutung sind. Dadurch bin ich gedanklich angeregt worden, die Konzeption bzw. Methodik meines wissenschaftlichen Handelns kritisch zu hinterfragen; ver- liert man sich doch bei der konkreten Ausarbeitung einer Dissertation allzu oft in fachlichen Detailfragen, so war dieses Zeitfenster für diese Arbeit eine sinnstiftende Abwechslung.

Der Zeitpunkt für dieses Methoden-Seminar ist absolut richtig, da ich mich bei der Erarbeitung der Dissertation gerade in der Mitte der Konzeptphase befinde, in der die Anregungen für eine methodische Fundierung hilfreich sind; insbesondere da die Situationslogik nach Karl Popper 1 die „Methode der Sozialwissenschaften“ ist. 2

Diese Arbeit wurde im Rahmen des Privatissimums aus „Methoden der empirischen Sozialforschung“ erarbeitet, das von Herrn a.Univ.-Prof. Dr. Tamás Meleghy im Sommer- semester 2001 geleitet wurde. Die Aufgabenstellung war, im Rahmen der Lehrveranstaltung die Thematik „Situationslogik“ unter Verwendung von bekanntgegebener Literatur auszu- arbeiten.

Aufbauend auf dieser Arbeit wurde meinen KollegInnen die Thematik in einem Referat näher gebracht - unter www.kaufmann.at/meleghy befinden sich die dafür verwendeten Folien.

2. Die Situationslogik

Die Bedeutung des Begriffes der „Situationslogik“ scheint auf den ersten Blick verständlich. Ermöglicht doch die Interpretation des Wortes folgenden unmittelbaren Zugang: „Situationslogik“ ist eine Erklärung, wie Menschen aufgrund der Logik der betreffenden Situation handeln. Der Begriff ist durch diesen intuitiven Zugang jedoch nicht hinreichend erläutert - vielmehr ist es notwendig, sich mit den (philosophischen) Grundlagen sowie der Drei-Welten-Theorie von Popper auseinander zusetzen, um anschließend die „Situationslogik“ hinreichend darstellen zu können. Im letzten Kapitel wird die Entstehung und Bedeutung kurz erörtert. Dies ist deswegen von Interesse, da Popper 3 die „Situationslogik“ als Begriff erstmals in seinem Werk „Das Elend des Historizismus“ erwähnt hat. Die Gründe, warum dies so war, runden das Bild ab und vermitteln eine abschließende Betrachtung.

2.1. Grundlagen

Die grundsätzliche Fragestellung ist, wie das Verhalten / Handeln eines Individuums erklärt werden kann - dies sind Aufgabenstellungen der Soziologie, welche nach Weber 4 folgendermaßen definiert werden: Die Soziologie ist „eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will.“ So wird das aktuelle Verstehen des gemeinten Sinnes einer Handlung, somit das rationale, aktuelle Verstehen von Handlungen, jedoch auch das erklärende Verstehen (rationales Motivationsverstehen) gemeint. „Erklären“ bedeutet also für eine mit dem Sinn des Handelns befasste Wissenschaft soviel wie „Erfassung des Sinnzusammenhangs“, in den, seinem subjektiv gemeinten Sinn nach, ein aktuell verständliches Handeln hineingehört.“5

Bei der Situationslogik handelt es sich, wie später detaillierter ausgeführt wird, um eine Methode 6, worunter die Art und Weise des Vorgehens auf einem (wissenschaftlichen) Gebiet verstanden wird. Anders ausgedrückt ist die Methode die Auswahl von Mitteln als Instrumente der Zielerreichung. Als Kriterien für das Vorliegen wissenschaftlicher Methoden wird die Existenz definierter Verfahrensregeln sowie ihre intersubjektive Nachvollziehbarkeit und Prüfbarkeit verlangt. 7

Der Wissenserwerb selber findet nach Popper nicht nach der zu seiner Zeit verbreiteten „Kübeltheorie“ statt. In seiner pädagogischen Schrift „Die Gedächtnispflege unter dem Gesichtspunkt der Selbsttätigkeit“ von 1931 weist er nach, dass das Gedächtnis nicht einfach ein Behälter ist, in den die Lernschule ihren Wissensstoff zu entleeren hat. Für den Wissens- erwerb selber gilt, „dass unser Wissen durch Versuche und durch die Eliminierung von Irrtümern wächst und dass der Hauptunterschied zwischen dem vorwissenschaftlichen und dem wissenschaftlichen Stadium unseres Wissens darin liegt, dass wir auf der wissen- schaftlichen Ebene bewusst nach unseren Irrtümern suchen: Die bewusste Annahme der kritischen Methode wird zum Hauptinstrument des Wachstums unseres Wissens.“8 Diese von Popper geprägte kritische Methode, die auch als kritische Betrachtungsweise verstanden werden kann, besteht somit in der Suche nach Schwierigkeiten oder Widersprüchen und im Anschluss daran in dem Versuch, diese aufzulösen. Wesentlicher Bestandteil des Wissens- erwerbs ist die Anwendung der (Über-) Prüfung als Möglichkeit der Falsifizierung. Popper hat dadurch eine kritische oder rationelle Einstellung geprägt und dies so erläutert: 9

„ Ich argumentierte dort, dass man „ Vernunft “ und „ Vern ü nftigkeit “ am besten als Offenheit f ü r Kritik interpretieren kann - als Bereitschaft, sich kritisieren zu lassen, und als

den Wunsch sich selbst zu kritisieren. Und ich versuchte Gr ü nde daf ü r anzugeben, dass diese kritische oder vern ü nftige Einstellung auf so viele Gebiete wie m ö glich ausgedehnt werden sollte. [...] Die Forderung, die kritische Einstellung auf so viele Gebiete wie m ö glich auszudehnen, schlug ich vor, als „ kritischen Rationalismus “ zu bezeichnen. [...] In dieser kritischen Einstellung ist die Erkenntnis enthalten, dass wir immer in einer unvoll- kommenen Gesellschaft werden leben m ü ssen. Das liegt nicht nur daran, dass selbst sehr gute Menschen sehr unvollkommen sind, und auch nicht nur daran, dass wir selbstver- st ä ndlich oft Fehler machen, weil wir nicht genug wissen. Noch wichtiger als diese beiden Gr ü nde ist die Tatsache, dass es immer unaufl ö sliche Wertkonflikte gibt: Es gibt moralische Probleme, die unl ö sbar sind, weil moralische Prinzipien miteinander in Konflikt geraten k ö nnen. “

Die Tatsache, dass moralische Werte oder Prinzipien einander widersprechen können, macht diese Prinzipien nicht ungültig. Der von Popper geprägte kritische Rationalismus hat die wissenschaftliche Entwicklung geprägt und bildet ein Fundament für den heutigen Wissens- erwerb. Für die weitere Arbeit ist der kritische Rationalismus Voraussetzung - nicht nur für die Erklärung der Situationslogik sondern auch für das Verständnis der „Drei-Welten“-Theorie, die als nächstes folgt.

2.2. Die „ Drei-Welten “ Theorie

Die von Popper entwickelte „Drei-Welten“ Theorie bildet die Grundlage für die Darstellung der Situationslogik. Demnach lassen sich nach Popper innerhalb des Universums der uns bekannten Phänomene drei verschiedene Welten (auch Bereiche) unterscheiden. Die einzelnen Welten stehen in hierarchischer Beziehung zu einander; d.h. sie sind jeweils real und beeinflussen einander, sind jedoch nicht auf einander reduzierbar. Die einzelnen drei Welten lassen sich wie folgt definieren: 10

- Welt 1: Diese Welt besteht aus der Welt der Dinge (der physikalischen Objekte -Welt 1a) und der biologischen Welt (Welt 1b). Grund für diese Unterscheidung ist das Entstehen des Lebens, das nicht auf physikalische Phänomene reduzierbar ist - erst in der biologischen Welt sind Probleme vorhanden; denn nach Popper sind biologische Organismen mehr oder weniger ständig damit beschäftigt, Probleme (z.B. Nahrung oder Fortpflanzung) zu lösen. Somit lassen sich biologische Organismen als problemlösende Strukturen charakterisieren.
- Welt 2 umfasst die Welt der subjektiven Erfahrungen, wie etwa Denkprozesse. Diese Bewusstseinszustände (der Geist) sind nicht spezifisch menschlich, jedoch sind diese beim Menschen von ganz besonderer Qualität und Popper spricht hier vom vollen „Ich-Bewusstsein“.
- Welt 3 ist ein menschliches Produkt und besteht aus zwei Abteilungen: i) Abteilung 3a als Welt der normativen Entscheidungen, der Vorschriften und der Institutionen. ii) Abteilung 3b als Welt der objektiven Gedankeninhalte.

Eine Institution der Welt 3a ist z.B. die Sprache 11; davon zu trennen sind als Welt 3b die Gedankeninhalte, wie logische Inhalte von Büchern, Bibliotheken, oder Informationsspeichern.

Wesentliche Eigenschaft drittweltlicher Phänomene ist die Objektivität im Sinne der Kritisierbarkeit (Umsetzung des kritischen Rationalismus). Denn sobald eine Aussage sprachlich formuliert ist, ist diese kritisierbar; jedoch ist nach Popper eine intersubjektive Kritisierbarkeit nicht Voraussetzung. Durch die Kritisierbarkeit wir die Aussage Bestandteil der Welt 3. Die Tatsache der Kritisierbarkeit wird für die Bedeutung der Situationslogik noch von entscheidender Bedeutung sein (genauere Ausführungen folgen).

Bei diesen drei Welten oder Ebenen handelt es sich um eine hierarchische Struktur, bei der die unterste Welt Trägerin der übrigen ist. So ist z.B. die materielle Welt Trägerin aller übrigen oder die normative Welt 3a die Basis (Trägerin) für die Welt der objektiven Gedankeninhalte (Welt 3b). Für eine zusammenfassende Übersicht siehe Abb. 1. Nach Popper ist die Hierarchie der fünf Ebenen ein System der „plastischen Steuerungen“; d.h. eine Steuerung mit Rückmeldung, welche die Plastizität der Steuerung prägt. Dies bedeutet, dass die höhere Ebene nur eingreift, wenn es notwendig ist; d.h. z.B. dann, wenn größere Abweichungen von einem wie auch immer gearteten „Sollwert“ vorkommen. Bei der „täglichen“ Durchführung, z.B. des aufrechten Gehens, ist das Bewusstsein nicht involviert, sondern dies erfolgt autonom durch die biologische Ebene. Dies geht so weit, dass das Bewusstsein von der biologischen Basis entlastet wird. Dieses Zusammenspiel der unterschiedlichen Welten wird beim „Lernen“ manifest. Nach Popper gibt es zwei Arten von

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Meleghy (1998) S 233.

Abb. 1 Drei Welten nach Karl Popper

Lernen: Einerseits Lernen als Entdecken und anderseits Lernen als Einüben oder zur Gewohnheit machen. Am Beispiel der biologischen Basis und des Bewusstseins ist jedoch

[...]


1Sir Karl Popper wurde am 28. Juli 1902 am Himmelhof (Ober Sankt Veit) in Wien geboren. Er ist das jüngste von drei Kindern eines liberal und bürgerlichen Elternhauses.

2Popper (1987) S 116.

3Popper (1987) S 115 ff.

4Weber (1978) S 9.

5Weber (1978) S 14. Vgl. Prim / Tilmann (2000) S 24 ff.

6„Methode“ wird im Duden als „ein auf Regelsystem aufbauendes Verfahren verstanden, das zur Erlangung von (wissenschaftlichen) Erkenntnissen oder praktischen Ergebnissen dient.“ Die Methodik ist somit die Wissenschaft von den Verfahrensweisen der Wissenschaft.

7vgl. Chmielewicz (1994) S 36 ff.

8Popper (1995) S 163.

9Popper (1995) S 164 f.

10Nach Meleghy (1998) S 299 ff.

11Die Sprache ist für Popper von entscheidender Bedeutung. Er unterscheidet vier Sprachfunktionen: 1. symptomatische oder Ausdrucksfunktion, 2. auslösende oder Signalfunktion, 3. beschreibende und 4. argu mentative Sprachfunktion. Nach Popper sind die beiden höheren Sprachfunktionen der menschlichen Sprache eigen.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Situationslogik nach Sir Karl Popper
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Privatissimum: Methoden der empirischen Sozialforschung
Note
1
Autor
Jahr
2001
Seiten
21
Katalognummer
V3649
ISBN (eBook)
9783638122535
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Popper Situationslogik Methode Wissenschaft
Arbeit zitieren
MMag. Philipp Kaufmann (Autor:in), 2001, Situationslogik nach Sir Karl Popper, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3649

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