Kein anderer Bereich der Sprache entwickelt sich so schnell und ist so verknüpft mit Veränderungen im gesellschaftlichen Leben wie der Bereich der Lexik. Jegliche Neuerungen auf wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Ebene wirken sich unmittelbar auf den Wortschatz aus. Es entstehen Wörter, um neue Dinge und Phänomene zu bezeichnen, andere lexikalische Mittel veralten und werden nicht mehr gebraucht. Eine der Möglichkeiten, den Wortbestand einer Sprache durch neue Wörter zu erweitern, ist, Wörter aus einer anderen Sprache zu entlehnen. Jedoch entstehen neue Wörter meist auf der Basis von alten durch Hinzufügung unterschiedlicher Wortbildungsmittel, zum Beispiel durch Affixe.
Im Russischen gilt die affixale Wortbildung als die produktivste Art der Wortschatzbereicherung. Auch wenn viele Affixe zur Bildung neuer Wörter gebraucht werden, ist ihr Status im Wortbildungssystem einer Sprache häufig jedoch nicht gleich. Im Russischen können z.B. Präfixe bei einem Wortbildungsprozess die Wortklasse ableitender Wörter nicht verändern, während Suffixe über diese Eigenschaft hingegen verfügen. In seinem Aufsatz „Wortbildungsarten“ vertritt Uluchanov jedoch die Ansicht, dass es etliche Wörter gibt, bei denen „die Änderung der Wortart als Resultat der Präfigierung möglich [ist]“. Wenn Uluchanovs Annahme über die Möglichkeit eines Wortartwechsels durch das Anfügen von Präfixen zutrifft, so müssen sowohl die Rolle von Präfixen als auch ihr Status im Wortbildungssystem neu überdacht und interpretiert werden.
In meiner Arbeit stelle ich die Gegenhypothese auf, dass Präfixe die Wortklassenänderung ableitender Wörter nicht bewirken. Ich werde einige Beispiele, auf die Uluchanov in seinem Aufsatz hinweist, genau untersuchen, um festzustellen, ob es sich dabei in der Tat um Präfigierung handelt oder ob der Entstehung der präfigierten Wörter womöglich andere Wortbildungsprozesse zugrunde liegen. Zusätzlich zu meiner Analyse werde ich versuchen, eine detaillierte Definition von Präfixen zu geben sowie auf ihre wort- und formbildenden Funktionen näher einzugehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Präfixe als eine besondere Art gebundener Morpheme
- Funktionen von Präfixen
- Präfix als Wortbildungsmittel
- Das Präfix als eine formbildende Einheit
- Wortartwechsel durch Präfigierung: Kritische Hinterfragung und Analyse einiger Wortbildungspaare
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Rolle von Präfixen im russischen Wortbildungssystem. Insbesondere wird die These von Uluchanov (2000) kritisch hinterfragt, dass Präfixe im Russischen einen Wortartwechsel bewirken können.
- Definition und Charakteristika von Präfixen als gebundene Morpheme
- Untersuchung der Autonomie und Eigenständigkeit von Präfixen
- Analyse von Beispielen für Präfigierung mit Fokus auf Wortklassenänderungen
- Analyse der wort- und formbildenden Funktionen von Präfixen
- Einordnung von Präfixen im russischen Wortbildungssystem
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Wortbildung im Russischen ein und stellt die Problematik des Wortartwechsels durch Präfigierung vor. Kapitel 2 definiert Präfixe als eine besondere Art gebundener Morpheme und beleuchtet ihre Autonomie im Vergleich zu Suffixen. Des Weiteren wird die historische Entwicklung von Präfixen aus ursprünglich eigenständigen Wörtern erläutert. Kapitel 3 behandelt die wichtigsten Funktionen von Präfixen, darunter die Wortbildung und die formbildende Funktion. Es werden Beispiele für die unterschiedlichen Bedeutungsnuancen von Präfixen in der Wortbildung vorgestellt.
Schlüsselwörter
Präfix, Wortbildung, Wortartwechsel, gebundenes Morphem, Autonomie, Wortbildungsmittel, formbildende Einheit, russische Grammatik, Russisches Nationalkorpus, Šanskij, Dibrova, Uluchanov.
- Arbeit zitieren
- Iana Elger (Autor:in), 2016, Zur Stellung von Präfixen im russischen Wortbildungssystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/365505