Menschen handeln. Das ist überall in der Welt zu beobachten, da gibt es keine Probleme. Ich zum Beispiel schreibe gerade eine Hauptseminararbeit. Das ist offensichtlich. Die Frage jedoch ist, warum Handlungen ausgeführt werden. Sicherlich gibt es irgendetwas, dass uns zu Handlungen motiviert. Wenn wir aus einer Motivation heraus handeln, dann handeln wir aus Gründen. Doch wie diese motivierenden Gründe konstituiert sind, darüber gibt es verschiedene Meinungen. Es scheint etwas in uns zu sein - ein psychischer Zustand - was uns handeln lässt, doch selbst darüber besteht Uneinigkeit. Vielleicht gibt es ja auch Dinge außerhalb von uns, die uns zu Handlungen motivieren. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass psychische Zustände uns motivieren, gibt es einerseits eine Meinung, dass diese Zustände ausschließlich aus Überzeugungen konstituiert werden und andererseits eine andere, die davon ausgeht, dass zusätzlich zu den Überzeugungen auch Wünsche wirksam sind. Die letzte wird ausgedrückt in der Humeschen Motivationstheorie (nachfolgend HMT). Michael Smith ist ein Verfechter dieses Ansatzes. Seine Verteidigung der HMT möchte ich in dieser Arbeit darstellen und dann Einwände von Vertretern der oben angesprochenen anderen Theorien gegen seine Position diskutieren. Ich werde also zuerst Smiths Verteidigung der HMT aus dem vierten Kapitel seines Buches The Moral Problem in nuce vorstellen. Dabei werde ich seine Thesen und die sie untermauernden Argumente darlegen, um dann die Kernpunkte seiner Theorie aufzuzeigen. Insbesondere werde ich eingehen auf die Konsequenzen seiner Strategie, erstens eine Unterscheidung zwischen motivierenden und normativen Gründen zu machen, zweitens zu zeigen was der teleologische Charakter vom Handeln aus Gründen bedeutet und drittens ein eigenes Konzept von Wünschen vorzustellen. In meiner Zusammenfassung von Smiths Text werde ich die meisten Gegenargumente außer Acht lassen, weil sie im zweiten Teil ausführlich analysiert werde und ich unnötige Wiederholungen vermeiden möchte. Im dritten Teil werde ich dann die wichtigsten Gegenargumente von Jonathan Dancy, Thomas Nagel und John McDowell vorstellen und diskutieren. Die Einwände gegen Smith sind alle von fundamentaler Bedeutung, so dass dieser Teil den größten Raum der Arbeit einnehmen wird. Am Schluss dieses Teils wird erkennbar sein, dass die Position von Smith nicht haltbar ist. [...]
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
1.1 Relevanz des Themas
1.2 Plan für den Rest der Arbeit
1.3 These
2. Verteidigung der Humeschen Motivationstheorie durch Michael Smith
2.1. Unterscheidung von rechtfertigenden und motivierenden Gründen
2.2. Der teleologische Charakter von Erklärungen des Handelns aus Gründen
2.3. Smiths Erklärung von Wünschen
2.4. Wünsche als die einzigen Zustände, die motivierende Gründe konstituieren
3. Einwände gegen die Humesche Motivationstheorie
3.1. Dancys Einwand gegen die Unterscheidung von normativen und motivierenden Gründen
3.2. Nagels Einwand gegen die Erklärung von Wünschen als motivierend
3.3. Dancys Einwand gegen die Erklärung von Wünschen als motivierend
3.4. McDowells Einwand gegen die Erklärung von Wünschen als motivierend
4. Schluss
4.1. Konsequenzen der Einwände
4.2. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Relevanz des Themas
Menschen handeln. Das ist überall in der Welt zu beobachten, da gibt es keine Probleme. Ich zum Beispiel schreibe gerade eine Hauptseminararbeit. Das ist offensichtlich. Die Frage jedoch ist, warum Handlungen ausgeführt werden. Sicherlich gibt es irgendetwas, dass uns zu Handlungen motiviert. Wenn wir aus einer Motivation heraus handeln, dann handeln wir aus Gründen. Doch wie diese motivierenden Gründe konstituiert sind, darüber gibt es verschiedene Meinungen. Es scheint etwas in uns zu sein - ein psychischer Zustand - was uns handeln lässt, doch selbst darüber besteht Uneinigkeit. Vielleicht gibt es ja auch Dinge außerhalb von uns, die uns zu Handlungen motivieren. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass psychische Zustände uns motivieren, gibt es einerseits eine Meinung, dass diese Zustände ausschließlich aus Überzeugungen konstituiert werden und andererseits eine andere, die davon ausgeht, dass zusätzlich zu den Überzeugungen auch Wünsche wirksam sind. Die letzte wird ausgedrückt in der Humeschen Motivationstheorie (nachfolgend HMT). Michael Smith ist ein Verfechter dieses Ansatzes. Seine Verteidigung der HMT möchte ich in dieser Arbeit darstellen und dann Einwände von Vertretern der oben angesprochenen anderen Theorien gegen seine Position diskutieren.
1.2. Plan für den Rest der Arbeit
Ich werde also zuerst Smiths Verteidigung der HMT aus dem vierten Kapitel seines Buches The Moral Problem in nuce vorstellen. Dabei werde ich seine Thesen und die sie untermauernden Argumente darlegen, um dann die Kernpunkte seiner Theorie aufzuzeigen. Insbesondere werde ich eingehen auf die Konsequenzen seiner Strategie, erstens eine Unterscheidung zwischen motivierenden und normativen Gründen zu machen, zweitens zu zeigen was der teleologische Charakter vom Handeln aus Gründen bedeutet und drittens ein eigenes Konzept von Wünschen vorzustellen. In meiner Zusammenfassung von Smiths Text werde ich die meisten Gegenargumente außer Acht lassen, weil sie im zweiten Teil ausführlich analysiert werde und ich unnötige Wiederholungen vermeiden möchte.
Im dritten Teil werde ich dann die wichtigsten Gegenargumente von Jonathan Dancy, Thomas Nagel und John McDowell vorstellen und diskutieren. Die Einwände gegen Smith sind alle von fundamentaler Bedeutung, so dass dieser Teil den größten Raum der Arbeit einnehmen wird. Am Schluss dieses Teils wird erkennbar sein, dass die Position von Smith nicht haltbar ist.
Im vierten und letzten Teil werde ich dann die bisherigen Ergebnisse zusammenfassen und ihre Konsequenzen für die HMT, wie sie von Smith verteidigt wird, aufzeigen. Daraus werde ich mein Fazit ziehen und meine eigene Position zu der Erklärung von Handlungen aus Gründen darstellen.
1.3. These
Ich denke, dass keiner der konkurrierenden Ansätze gänzlich falsch ist, sondern dass wir aus jedem etwas erhellendes über die Erklärungen von Handlungen aus Gründen erfahren. Ich möchte mich dafür aussprechen, dass zwar die HMT nach Smiths Konzeption nicht zu halten ist. Jedoch sollten nicht alle Argumente von Smith abgelehnt werden. Ich denke sogar, dass sein Erklärungsversuch eine alternative Position entscheidend bereichern kann.
2. Verteidigung der Humeschen Motivationstheorie durch Michael Smith
2.1 Unterscheidung von rechtfertigenden und motivierende Gründen
Die Kernthese der HMT, welche Smith zu verteidigen versucht, behauptet, dass für einen vollständigen motivierenden Grund eine Überzeugung und ein Wunsch in einer angemessenen Beziehung zueinander stehen müssen, d.i. sie müssen gemeinsam wirksam sein. Dies wird durch das Prinzip P1 ausgedrückt:
R at t constitutes a motivating reason of agent A to Φ iff there is some ψ such that R at t consists of an appropriately related desire of A to ψ and a belief that were she to Φ she would ψ. (Smith S.92)
Wenn P1 definieren soll, was einen motivierenden Grund konstituiert, muss es die notwendigen und hinreichenden Bedingungen dafür enthalten. Weil gegen P1 oft mit Gegenbeispielen argumentiert wird, die zeigen sollen, dass das Prinzip diese Bedingungen nicht enthält, argumentiert Smith für eine Unterscheidung zwischen rechtfertigenden und motivierenden Gründen. So kann er die Gegenbeispiele für die motivierenden Gründe aushebeln, denn nur über diese macht P1 eine Aussage. In diesen Gegenbeispielen werden jemandem Gründe für eine bestimmte Handlung zugeschrieben, obwohl entweder eine Überzeugung fehlt oder ein Wunsch, bzw. werden jemandem Gründe für eine bestimmte Handlung nicht zuschreiben, obwohl ein Wunsch und eine Überzeugung vorhanden sind. Diese Gründe sind aber normative Gründe, die von außen zugeschrieben (oder eben nicht zugeschrieben) werden. Für motivierende Gründe hingegen erfüllt P1 auch für die angeblichen Gegenbeispiele die Aufgabe, hinreichende und notwendige Bedingungen anzugeben.
Die Unterscheidung von normativen und motivierenden Gründen rechtfertigt Smith mit den Definitionen, die er von beiden hat. Er sagt: „normative reasons are best thought of as truths“ (Smith S.95) und “motivating reasons would seem to be psychological states” (Smith S.96). Wenn man den Unterschied zwischen beiden Arten von Gründen auf diese Weise versteht, so sagt Smith, folgt, dass sie verschieden Kategorien sind und dass keine Beziehung zwischen den beiden besteht. Denn jemand kann motivierende Gründe für eine Handlung haben, ohne normative Gründe zu haben, und er kann normative Gründe haben, ohne motivierende Gründe zu haben[1].
Jedoch stellt Smith trotz der kategorischen Verschiedenheit der beiden Arten von Gründen eine Gemeinsamkeit fest. Sie zählen beide als Gründe, weil sie beide angegeben werden, um eine Handlung verständlich zu machen[2].
2.2 Der teleologische Charakter von Erklärungen des Handelns aus Gründen
Smith ist der Meinung, dass eine Erklärung des Handelns durch Gründe eine teleologische Erklärung ist. Und er ist der Meinung, dass dies das einzige ist, was man über die Erklärung für die HMT wissen muss. Ob die Erklärung des Handelns durch Gründe auch eine kausale Erklärung ist, ist eine Frage, die seiner Ansicht nach in der Debatte um die HMT keine Rolle spielt, weil sie keine Aussage darüber macht. Aus dem teleologischen Charakter der Erklärung des Handelns aus Gründen folgt für Smith, dass Wünsche Konstituenten von motivierenden Gründen sind. Wenn nämlich diese Handlungserklärungen teleologisch sind, dann bedeutet das, dass sie Handlungen als Verfolgung eines Ziels erklären. Dies leistet, so Smiths Standpunkt, nur eine Konzeption, in der Wünsche Konstituenten der motivierenden Gründe sind, eben die HMT.
Smith argumentiert für diese These, indem er folgendes zu zeigen versucht:
Humean and anti-Humean theorists of motivation are engaged in a debate that is both independent of and more fundamental than the debate over whether reason explanations are species of quasi-hydraulic, or even simply causal, explanations. (Smith S.103-104)
Hierzu weist er erst die Behauptung zurück, dass die HMT eine kausale Erklärung erfordert, und zeigt dann, dass der Glaube an eine kausale Theorie keine Konsequenzen für eine Humesche oder Nicht-Humesche Position nach sich zieht.
Indem er die Behauptung zurückweist, Humeaner müssten notwendigerweise eine kausale Erklärung akzeptieren, weist er gleichzeitig einen Einwand von McDowell zurück. Dieser besagt, dass Humeaner an die HMT glauben, weil sie eine ‘quasi-hydraulische’ Konzeption von Handlungserklärungen glauben. Diese Konzeption, so McDowell, sei falsch. Nach einer solchen ‘quasi-hydraulischen’ Konzeption ist „the mind [...] an arena where various forces or pressures [...] get channelled [...] in certain directions and ultimately combine together to produce a resulting force or pressure (an action)” (Smith S.101-102). Es ist also eine kausale Konzeption. Was für eine kausale Erklärung von Handlungen spricht, ist, dass es einen Unterschied zwischen den Sätzen „agent A Φs and has a reason to Φ“ und „agent A s because she has a reason to Φ“ (Smith S.102, Hervorhebungen im Original) gibt, den sie erklären kann. Im zweiten Satz wird eine kausale Verursachung ausgedrückt, im ersten nicht. Smiths Argument hiergegen ist, „that there is something more basic and yet still illuminating to say about the ‘because’ (…). For (…) the ‘because’ here signals the availability of a teleological explanation” (Smith S.103, Hervorhebung im Original). Diese Verfügbarkeit einer teleologischen Erklärung besteht bei dem mit ‘und’ ausgedrückten Satz nicht. Daraus folgt für Smith: „the causal theory is best thought of as a further, and perhaps optional, interpretation of the claim that reason explanations are teleological” (Smith S.103).
Doch auch wenn man eine kausale Erklärung akzeptieren sollte, heißt dass nur „ [that] we must conceive of some psychological states as possessing the causal power to produce behavior“ (Smith S.103). Doch das sagt nichts darüber aus, ob diese psychischen Zustände nur Überzeugungen oder auch Wünsche oder vielleicht etwas anderes sind. Und genau darum geht es in der Debatte zwischen Humeanern und Nicht-Humeanern.
Beide Lager können sich also darauf einigen, dass Handlungserklärungen teleologisch sind. Die Frage ist, was es in der Natur der motivierenden Gründe ist, dass Erklärungen von Handlungen aus Gründen durch Rückgriff auf diese Gründe, zu teleologischen Erklärungen macht, d.i. wie eine Handlungserklärung eine Handlung als das Streben nach einem Ziel erklären kann (vgl Smith S.104). Smith ist der Meinung, dass allein die HMT in der Lage dazu ist.
[...]
[1] Diese Behauptung ist recht umstritten und wird unter 3. mehrfach diskutiert
[2] Diese Position wird von Dancy diskutiert, siehe 3.1.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Wolf (Autor:in), 2003, Darstellung der Verteidigung der Humeschen Motivationstheorie durch Michael Smith und Diskussion der Einwände von Johnathan Dancy, Thomas Nagel und John McDowell, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36554
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