Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Begriff Didaktik
3. Die Didaktik und Methodik der Montessori-Pädagogik
3.1. Das Bild vom Kind
3.2. Die vorbereitete Umgebung
3.2.1. Das Montessorimaterial
3.2.2. Der Umgang mit dem Montessorimaterial
3.3. Die Freiarbeit
3.4. Die Gruppenzusammensetzung
3.5. Die Rolle und Aufgabe der Erzieher
3.6. Beobachtung und Dokumentation
4. Kritik an der Montessori-Didaktik
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Bereich frühpädagogischer Bildungsinstitutionen existiert in Deutschland gegenwärtig eine bunte Träger- und Konzeptionsvielfalt. Länderspezifische Bildungspläne beinhalten im Hinblick auf die bestmöglichen Bildungschancen in der Elementarpädagogik, allgemeingültige grundlegende Vorgaben bezüglich der Entwicklungs- und Bildungsziele. (vgl. MFKJKS, online) Die Bildungspläne der Bundesländer basieren gemeinschaftlich auf die im Kinder- und Jugendhilfegesetz Sozialgesetzbuch (SGB) VIII verankerten Grundsätzen und Vorgaben. „Tageseinrichtungen für Kinder (...) sollen die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern, die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen.“ (§22 Abs.2 Nr. 1 und 2 SGB VIII) „Die Träger (...) sollen die Qualität der Förderung in ihren Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen sicherstellen und weiterentwickeln.“ (§22a Abs.1 SGB VIII)
Um den gesetzlichen Vorgaben gerecht werden zu können, formulieren die Träger, verbunden mit den jeweiligen Konzeptionen, die methodisch-didaktischen Vorgehensweisen für die frühpädagogische Arbeit in den jeweiligen elementaren Bildungseinrichtungen. Die Eltern stehen somit vor der Wahl, entscheiden sie sich für die Betreuung ihres Kindes in einer Waldorfkindertagesstätte, in einem Reggio-Kindergarten, in einem Bewegungs- oder in einem Waldkindergarten oder einem Montessori-Kinderhaus?
Die vorliegende Hausarbeit untersucht die didaktischen Elemente nach Dagmar Kasüschke in der Montessori-Pädagogik und beschäftigt sich mit der Frage, mit welchen didaktisch-methodischen Vorgehensweisen die Pädagogik der Maria Montessori an der Förderung frühkindlicher Entwicklungsprozesse ansetzt. Zunächst wird der Begriff der Didaktik einführend definiert und beschrieben. Anschließend werden die zentralen Aspekte der Montessori-Didaktik bezüglich der Elemente nach Kasüschke dargestellt. Die Sicht auf das Kind, die vorbereitete Umgebung inklusive dem zugehörigen Montessorimaterial sowie der Umgang mit diesen Materialien, die Freiarbeit und die Gruppenzusammensetzung werden hinsichtlich der didaktischen Merkmale analysiert. Weiterführend wird die Rolle und die Aufgabe der Erzieher*in sowie das Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren innerhalb der Montessoripädagogik bezüglich der didaktischen Inhalte untersucht. Abschließend erfolgt eine kritische Analyse und ein Fazit. Die Ausarbeitungen beziehen sich auf die Montessoripädagogik im Elementarbereich und wenden den Blick nicht auf den schulischen Sektor.
2. Der Begriff Didaktik
Der Begriff Didaktik stammt aus dem Griechischen und kann von dem Verb didaskein abgeleitet werden. Didaskein kann mit lehren, unterrichten aber auch mit lernen, unterrichtet übersetzt werden (vgl. Sander 1992, S.4). Die Didaktik umfasst die Prozesse des Lehrens und Lernens in ihren wechselseitigen Bezügen und wird als Theorie über das Verhältnis von Lehren und Lernen definiert. (vgl. Coriand 2015, S.14) „Lehren zielt darauf ab, dass der oder die Belehrte(n) etwas lernen (...).“ (Terhart 2011, S.13) Lehren, als gezielte und bewusste Tätigkeit zählt zu den Kompetenzen von Lehrern in Bildungsinstitutionen und gehört somit zum Sektor der Pädagogik. Lernen findet im Gegensatz zu dem Lehren immer und alltäglich statt und kann als grundlegendes Merkmal des menschlichen Lebens bezeichnet werden (vgl. Terhart 2011, S.13-15). „Wir lernen ununterbrochen, aber wir lehren nicht ununterbrochen (...).“ (Terhart 2011, S.15). Nicht jede Lehreinheit hat das Lernen des Belehrten zur Folge. (vgl. Terhart 2011, S.15) Coriand ergänzt, dass Lernen nicht zwingend durch Lehren begleitet oder ausgelöst wird. (vgl. Coriand 2015, S.13-14)
3. Die Didaktik und Methodik der Montessori-Pädagogik
Die Ärztin und Pädagogin Maria Montessori wurde 1870 in Italien geboren. Sie wurde durch die Arbeiten zur Erziehung geistig behinderter Kinder von den Ärzten Jean Marc Gaspard Itard und Eduard Seguin inspiriert, das von Seguin konzipierte Sinnesmaterial weiterzuentwickeln. 1907 gründetet sie ihr erstes Kinderhaus „Casa dei Bambini“. Dort beobachtete sie erstmals das (Montessori-) Phänomen der „Polarisation der Aufmerksamkeit“. Ein Mädchen beschäftigte sich intensiv, langfristig und ungestört mit einem Sinnesmaterial und zeigte nach Beendigung seiner Arbeit tiefe Zufriedenheit (vgl. Montessori 2006, S.17-18). Dieses Phänomen beeinflusste Montessoris pädagogische Sichtweise und ihre didaktisch-methodischen Ansätze. Diese werden in den anschließenden Kapiteln dargestellt.
3.1. Das Bild vom Kind
„Wir sehen klar, daß die Kindheit ein Stadium der Menschheit ist, das sich vollkommen von dem des Erwachsenenseins unterscheidet.“ (Montessori 2005, S.9)
Maria Montessori begreift das Kind nicht als kleinen Erwachsenen und sieht das Kind selbst als Konstrukteur seiner eigenen Persönlichkeit. Die kindliche Entwicklung verläuft nach einem inneren Bauplan und darf von den Erwachsenen nicht gestört, sondern soll geleitet und unterstützt werden. Das Kind entwickelt sich selbsttätig und strebt nach Loslösung und Selbständigkeit (vgl. Montessori 2005, S.10-12). Montessori prägte den Begriff der „sensiblen Periode“, und bezeichnet so die Phasen besonderer, kindlicher Empfindlichkeit für bestimmte Entwicklungsprozesse. Dabei handelt es sich um physische, psychische und geistige Vorgänge. In dieser Zeit fällt es dem Kind leicht, sich in bestimmten Entwicklungsbereichen, entsprechend des von Natur aus mitgegebenen Bauplans, weiter zu entwickeln (vgl. Montessori 2006, S.63). „So wie sein Körper in Intervallen wächst und sich entwickelt, so wächst auch seine Persönlichkeit in Perioden bestimmter Sensibilität.“ (Montessori 2005, S.10) Die Kinder sind lernfähig und können sich ihren lebensweltlichen Bedingungen und Situationen individuell anpassen. Die sensiblen Phasen bilden das zeitlich begrenzte Fenster für die Ausbildung von Kompetenzen und lenken somit die Anpassungsprozesse (vgl. Kley-Auerwald und Schmutzler 2015, S.23-24). Das Kind verrichtet seine Tätigkeiten zunächst nicht zielgerichtet, sondern nutzt sie zur Bildung seiner Persönlichkeit. Daraus folgert Montessori die Bedeutsamkeit der kindlichen, nicht zielorientierten, häufig wiederholten Aktivitäten, welche nicht ergebnisorientiert sind, sondern ein Mittel zur Persönlichkeitsentwicklung darstellen. Sie distanziert sich von der Möglichkeit, dem Kind Aktivitäten aufzuerlegen, sie stellt die „Freie Wahl“ in den Vordergrund. Nur durch Freiwilligkeit und Ungezwungenheit kann die kindliche Entwicklung störungsfrei verlaufen (vgl. Montessori 2005, S.7-30). Montessoris Blick auf das Kind stellt heraus, wie stark sich ihre Pädagogik an den kindlichen Bedürfnissen und deren individuellen Besonderheiten orientiert. Ihre pädagogischen Prinzipien entwickelte sie anhand wahrnehmender Beobachtungen verbunden mit kindzentrierten Lern- und Entwicklungsbedürfnissen (vgl. Schäfer 2010, S. 66-67).
3.2. Die vorbereitete Umgebung
„Die Vorbereitung der Umgebung und die Vorbereitung des Lehrers sind das praktische Fundament unserer Erziehung.“ (Montessori 2005, S.24) Aufgrund des Montessori-Phänomens entwickelte Montessori die Idee der „vorbereiteten Umgebung“. Die auf das Kind abgestimmte Umgebung verfolgt das Ziel, Angebote und Möglichkeiten für das „Freie Spiel“ zu schaffen. Die Räumlichkeiten sollen das Kind durch Gestaltung und kindgerechte Ausstattung zu freiwilligen Aktivitäten anregen und auffordern (vgl. Schulz-Benesch 2007, S.35-36). „Wenn eine Umgebung für das Kind ungeeignet ist, so geht die Aktivität des Kindes zwar nicht verloren, aber sie wird in falsche Bahnen geleitet.“ (Montessori 2005, S.14) Montessori setzt in der Gestaltung der kindlichen Umgebung an kindgerechtem Mobiliar und an den physischen Voraussetzungen der Kinder orientierenden Räumlichkeiten an. Sie fordert kleine Stühle, Tische und Schränke ebenso wie angepasste Toilettengegenstände. Die Einrichtungsgegenstände sollen sich an der kindlichen Körperlichkeit und Mentalität orientieren (vgl. Montessori 2005, S.45). Montessori erkennt im kindlichen Wesen das Bedürfnis nach innerer Ordnung und Struktur, welche es in der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt erhalten soll. Die Verinnerlichung und Strukturierung der Umgebung führt dabei zu einer geistigen Ordnung beim Kind. Maria Montessori hebt die Bedeutung der Konzentration besonders hervor, so erkennt sie in der Konzentration des Kindes die Grundlage für sein geistiges Wachsen. Sie stellt die Wichtigkeit der vorbereiteten, auf das Kind angepassten Umgebung dar, welche dem Kind die psychische Entwicklung ermöglicht. Montessori beobachtete das kindliche Verhalten, um die Gestaltung der Umgebung auf die Bedürfnisse des Kindes abzustimmen (vgl. Montessori 2005, S.17-18). „Die Hilfe die wir zu geben vermögen, liegt in der äußeren Welt“. (Montessori 2005, S.10) Die äußere Ordnung wirkt sich nicht nur beruhigend und auf die innere kindliche Ordnung, sondern auch auf die vom Kind ausgehende aufmerksame Pflege und den Schutz des eigenen Entwicklungsraums aus. Die Kinder bauen einen liebevollen Bezug zu ihrer Umgebung auf und bewegen sich dort achtsam und eigenaktiv. Die Ordnung eines Kinderhauses soll den inneren Bedürfnissen der Kinder dienen und ihnen Unabhängigkeit vom Erzieher*in (und seinen Launen) bieten (vgl. Hebenstreit 1999, S.74-75). Das Leben und Lernen der Kinder soll in einer entspannten Situation erfolgen. Die Haltung und Einstellung der Erzieher*in ist somit Bestandteil für ein vorbereitetes und entspanntes Entwicklungsmilieu (vgl. Eichelberger 1998, S.30). Das Schaffen und die Gestaltung dieser räumlichen Gegebenheiten richtet sich dabei nach den „sensiblen Perioden“ des Kindes. Die sensiblen Perioden beziehen sich auf bestimmte kindliche Empfänglichkeiten und sind abhängig vom umweltbedingten, geeigneten Anregungen. In diesen Phasen gelingt es dem Kind ohne besondere Schwierigkeiten sich in diesem spezifischen Bereich weiter zu entwickeln (vgl. Hedderich 2005, S.28). Schmutzler und Kley-Auerswald sprechen der vorbereiteten Umgebung eine Doppelfunktion zu, einerseits soll die Umgebungsgestaltung den kindlichen Bedürfnissen, andererseits den Voraussetzungen der Kultur und Lebenswelt entsprechen. Die Kinder erhalten somit die Möglichkeiten sich sowohl motorisch als auch sozial zu entwickeln, wie ihre Wahrnehmung zu schulen. Zugleich bieten die Materialien und Anregungen den Kindern das Potenzial, sich lebensweltorientierendes Weltverständnis und allgemeine selbständige Handlungsfähigkeit anzueignen. Die Basis für die Gestaltung der vorbereiteten Umgebung bildet die Beobachtung der kindlichen Aktivitäten (vgl. Kley-Auerswald und Schmutzler 2015, S.35-36). Die vorbereitete Umgebung soll eine kontinuierliche kindliche Entwicklung gewährleisten, die Kinder ansprechen und sie in ihren Neigungen entwicklungsgemäß herausfordern und zugleich klar gegliedert sowie überschaubar sein. (vgl. Eichelberger 1998, S.32)
„Von Stufe zu Stufe geht das Kind seinen Weg. Wenn es verweilen will, dann verweilt es. Seine Schritte bestimmt es selbst. Wir räumen ihm die Steine aus dem Weg, nur wenn es nötig ist. Gehen muß es allein. Geben wir ihm den Raum, daß es gehen kann, daß es atmen kann. Der Geist braucht diesen Raum, denn jedes Wachsen ist ein geistiges Wachsen.“ (Elsner 2007, S. 86)
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