Implementierung von Corporate Social Responsibility in die Unternehmensführung

Eine Antwort auf ökonomische, ökologische und soziale Problemlagen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

31 Seiten, Note: 1,3

Tim Searly (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Multinationale Unternehmen
2.1 Machtstellung in der Global Governance
2.2 Gesellschaftliche Verantwortung der MNEs
2.2.1 Aufgrund von Potenzial
2.2.2 Aufgrund von Risiken

3. Entwicklung hin zur Corporate Social Responsibility – die vier Phasen nach Katharina Bluhm

4. Zwei grundlegende CSR-Konzepte
4.1 Der Shareholder-Value-Ansatz
4.2 Der Common Good-Ansatz

5. Herausbildung von CSR am Beispiel von Nike
5.1 Nike und die vier Phasen nach Katharina Bluhm
5.2 Profit und Moral

6. Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Multinationale Unternehmen (MNE-s), häufig auch als transnationale Unternehmen bezeichnet, gelten als Hauptakteure der Globalisierung. Die rasch voranschreitende Globalisierung stellt für Staaten und internationale Institutionen eine große Herausforderung im Bereich der Regulierung und Bereitstellung öffentlicher Güter dar. Während das Regulierungsvermögen von staatlichen Institutionen im globalen Kontext sinkt und das Regulierungspotenzial auf supranationaler Ebene schwach ist, scheinen MNEs in einer ‚postnationalen Konstellation’ dynamischer und flexibler agieren zu können und gewinnen zunehmend an Einfluss. (vgl. Habermas 1998: 91-94)

Andrea Maurer beschreibt die sich stets im Wandel befindende Rolle und den Einfluss von Unternehmen treffend und geht dabei auch auf die allgemeine Perzeption dieser Veränderungen ein:

„Die Präsenz und Macht von Unternehmen prägt heute das Erscheinungsbild moderner Gesellschaften an vielen Stellen: Die Pracht der Firmengebäude und Konzernzentralen stellt längst schon die von Kirchen und Schlössern in den Schatten, die Macht und das Ansehen von Unternehmen und Managern überflügelt das traditioneller gesellschaftlicher Eliten und die Beziehungen der Unternehmen zu ihrer Umwelt prägen die Beziehungslandschaft moderner Gesellschaften.“ (Maurer 2008: 17)

Dass die Globalisierung in großem Maße prägend für diese Entwicklungen war und ist, kann nicht von der Hand gewiesen werden. Der Begriff der Globalisierung ist aufgrund seines umfassenden Bedeutungsspektrums nur schwer in eine Definition zu fassen. Dennoch gibt es in der Literatur einige Definitionen, die auf weitreichende Akzeptanz stoßen. So nimmt Anthony Giddens eine soziologische Annäherung an die Eigentümlichkeit der Globalisierung vor und beschreibt diese als „intensification of worldwide social relations which link distant localities in such a way that local happenings are shaped by events occurring many miles away and vise versa“ (Giddens 1990:64). Hier wird Globalisierung als die Zunahme weltweiter Vernetzung verstanden, wobei Ereignisse an einem Ort durch Vorgänge beeinflusst werden können, die sich an einem viel weiter entfernten Ort abspielen und umgekehrt.

Eine weitere Definition von Globalisierung, die vor dem Hintergrund der in dieser Studie thematisierten Inhalte als besonders relevant erscheint, bietet Ulrich Beck. Dieser versteht unter dem Phänomen der Globalisierung „ Prozesse, in deren Folge die Nationalstaaten und ihre Souveränität durch transnationale Akteure, ihre Machtchancen, Orientierungen, Identitäten und Netzwerke unterlaufen und querverbunden werden“ (Beck 2007: 29; Hervorhebung im Original). Deutlich wird in dieser Definition auf die sich im Zuge der Globalisierung wandelnden Machtverhältnisse Bezug genommen, was sich vor allem in Anbetracht der veränderten Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Nationalstaaten auf globaler Ebene widerspiegelt.

Vor dem Hintergrund dieser zunehmenden Gestaltungsmöglichkeiten von MNEs, gilt es zu untersuchen, wie diese Unternehmen mit der wachsenden Verantwortung und den neuen, ihnen entgegengebrachten, gesellschaftlichen Erwartungen umgehen. Hierfür soll das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR), in Form eines möglichst vielseitigen Überblicks, Eingang in diese Arbeit finden. Diesbezüglich wird die folgende Forschungsfrage formuliert: Inwiefern sind MNEs bereit, CSR als Antwort auf ökonomische, ökologische und soziale Problemlagen in die Unternehmensführung zu integrieren?

Zunächst wird eine Definition des Begriffs der Multinationalen Unternehmen angeführt, sodass diese sich im nächsten Schritt in die Logik des theoretischen Rahmens der Global Governance einbetten lassen. Diese Arbeit zielt ausdrücklich nicht darauf ab, einen wissenschaftlichen Beitrag zur Debatte über das Global Governance-Konzept zu leisten, sondern bedient sich diesem als Rahmen zur Einordnung der Akteure. Das Konzept eignet sich dafür, in knapper Form die veränderten Verhältnisse im Spektrum der internationalen Beziehungen darzustellen, wobei der Fokus auf der Verortung der MNEs in diesem Beziehungsgefüge liegt.

Anschließend soll die gesellschaftliche Verantwortung von MNEs genauer betrachtet werden. Hier wird zwischen Verantwortung im Hinblick auf Potenzial und auf Risiken differenziert. Das Potenzial einer verantwortungsbewussteren Unternehmensführung untermauert hierbei die Relevanz dieser Arbeit. Da Unternehmen auf globaler Ebene immer machtvollere Positionen einnehmen und es Nationalstaaten und internationalen Organisationen hier an Zugriffsmöglichkeiten fehlt, wird die Einbeziehung von Unternehmen in vormals staatliche Handlungs- und Entscheidungsprozesse zunehmend wichtiger. Eine derartige Delegierung von Verantwortung an MNEs erfordert in der Folge eine eingehende Betrachtung derer Haltung in Bezug auf gesellschaftliche Problemlagen.

Die folgende Untersuchung der unternehmerischen Verantwortung – heute in Form der CSR konzeptualisiert – stellt den Schwerpunkt dieser Arbeit dar. Zunächst werden deren Entwicklungsstufen mit Hilfe der Vier-Phasen-Einteilung von Katharina Blum (2008) aufgezeigt. Anschließend wird CSR theoretisch in Form der unterschiedlichen Ausprägungen debattiert, wobei zwei möglichst unterschiedliche Ansätze einer näheren Betrachtung unterzogen werden sollen.

Im dritten und letzten Teil dieser Arbeit sollen zuvor erörterte Konzepte sowie die Genese der CSR anhand des Fallbeispiels Nike praktisch veranschaulicht werden. Der analytische Fokus dieser Arbeit liegt auf den CSR-Strategien der Nike Inc., da der amerikanische Sportartikelanbieter ein gutes Beispiel einer MNE darstellt, die im Hinblick auf ihr CSR-Engagement eine Vorreiterrolle eingenommen, sowie das heutige CSR-Verständnis maßgeblich mitgeprägt hat.

Eine zusammenfassende Bewertung der Herausbildung der CSR-Strategien und Schlussfolgerungen mit Blick auf Voraussetzungen, Motivation und Ausprägungen der Implementierung dieser in MNEs sollen den Abschluss dieser Arbeit bilden. Ziel ist es dabei, einen allgemeinen Überblick über das Prinzip der unternehmerischen Verantwortung zu liefern, wobei der Schwerpunkt auf der Genese und den Konzepten der CSR gelegt wird. Letztere sollen Aufschluss über die, dem CSR-Engagement zugrunde liegenden, Motive geben. Die Betrachtung der Herausbildung von CSR am Fallbeispiel Nike wird dementsprechend die sonst großteilig theoretische Aufarbeitung der Thematik praktisch veranschaulichen und mögliche Hintergründe und Erscheinungsformen von CSR-Engagement näher beleuchten. Mit Blick auf die angestrebte überblicksartige Darstellung der CSR, eignet sich Nike mit dessen umfassendem und langjährigem CSR-Engagement in besonderer Weise für eine empirische Verarbeitung.

Unternehmerische Verantwortung wird in einer Fülle an unterschiedlichen Publikationen thematisiert. Problematisch ist vor allem das Fehlen eines wirklichen Konsenses über eine bestimmte Definition der CSR. Archie Carroll (1991), einer der bekanntesten Autoren in diesem Feld, bietet mit seiner pyramidenförmigen Darstellung die anerkannteste Definition der CSR. Die Shareholder-Value-Theory (SVT) ist in der Literatur das gängige Konzept einer Sichtweise der CSR, die nur auf Profitgenerierung ausgerichtet ist. Hier gilt Milton Friedmans (1970) Artikel im New York Times Magazine als besonders relevant. Demgegenüber gibt es zahlreiche weitere bekannte Ansätze zur CSR, die in der Literatur diskutiert werden. So gelang Edward Freeman (1984) mit „Strategic management: A stakeholder approach“ ein Standardwerk zur Stakeholder Theory. Außerdem bieten einige Werke einen ausführlichen Überblick über den Themenbereich der CSR. Hervorzuheben sind hierbei zum einen „Business Ethics and Corporate Social Responsiblity“ (Griseri/Seppala 2010) und zum anderen „The Oxford Handbook of Corporate Social Responsibility“ (Crane et al. 2008). Eine der wenigen systematischen Aufarbeitungen von CSR-Theorien stammt von Garriga und Melé (2004). Die Literatur zu Nikes CSR-Praktiken enthält vor allem viele Studien, die dessen CSR-Aktivitäten und deren Entwicklung analysieren. Beispielhaft hierfür ist die in dieser Arbeit verwendete Fallstudie der Stanford Business School (vgl. Brady/Carroll/Schrifin 2013) oder auch die der Harvard Business School (vgl. Adamsons/Hsieh/Paine 2013). Außerdem veröffentlicht Nike regelmäßig ausführliche Nachhaltigkeitsberichte. (vgl. FY14/15 Sustainable Business Report)

2. Multinationale Unternehmen

Die 1990er Jahre markieren den Beginn einer intensiveren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit MNEs und deren Rolle im Globalisierungsprozess. In der Literatur und auch im alltäglichen Sprachgebrauch wird der Begriff multinational nicht einheitlich verwendet, transnational, global oder teilweise auch international werden hier oft als Synonyme gebraucht. (vgl. Gruhlich 2016: 11) Dieser breite begriffliche Horizont ist „nicht nur als Ausdruck pluraler wissenschaftlicher Standpunkte zu verstehen, sondern ist auch den sich kontinuierlich verändernden und vielfältigen organisatorischen Entwicklungen geschuldet“ (ebd.). So besitzen multinationale Unternehmen genau genommen noch eine klare Struktur, bestehend aus dem Mutterkonzern im Heimatstaat und im Ausland ansässiger Tochterunternehmen, transnationale Unternehmen sind in wesentlich stärker internationalisierten Netzwerken miteinander verbunden. (vgl. ebd.: 13)

In dieser Arbeit soll der Begriff multinationales Unternehmen jedoch der Einfachheit halber als Oberbegriff im Sinne der Definition von Dunning verwendet werden: „A multinational or transnational enterprise is an enterprise that engages in foreign direct investment and owns or controls value adding activities in more than one country“ (Dunning 1993: 3). Multinationale Unternehmen (inkl. der synonym gebrauchten Bezeichnungen) sind also Unternehmen, die ausländische Direktinvestitionen durchführen und wertschöpfende Tätigkeiten in mehr als einem Land besitzen oder kontrollieren.

Nach Angaben der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) gab es Ende der 1960er Jahre insgesamt etwa 7.000 MNEs. Bis 1990 erhöhte sich ihre Zahl auf rund 35.000. Und im Jahr 2008 wurde mit ca. 82.000 der bisherige Höchststand an MNEs erreicht. Zusammen mit dem parallelen Anstieg der Anzahl der Tochterunternehmen von ca. 150.000 im Jahr 1990 auf über 927.000 im Jahr 2003 sprechen diese Zahlen eine klare Sprache. Der Einfluss der MNEs hat in den letzten Jahrzehnten, analog zu den fortschreitenden globalen Entwicklungsprozessen, stark zugenommen. Augenscheinlich war die Globalisierung also Initiator und Treiber großer Veränderungen und Entwicklungen, die auch traditionelle Machtverhältnisse tangierten. (vgl. World Investment Report 1992: 11 ; World Investment Report 1993: 2 ; World Investment Report 2004: 274 ; World Investment Report 2009: 21)

2.1 Machtstellung in der Global Governance

Die fortschreitende Globalisierung geht mit vielfältigen Veränderungen und neuen Herausforderungen in einer Vielzahl von Bereichen einher, wodurch betroffene Akteure mit der immer komplexeren Findung passender Antworten konfrontiert sind. Vor allem Nationalstaaten müssen ihr ursprüngliches Rollenverständnis zunehmend überdenken. Vormals klare Grenzen und Zuständigkeiten – sei es im Hinblick auf den Handlungsspielraum von Nationalstaaten oder den Grad der gesellschaftlichen Vernetzung – verlieren an Bedeutung. Michael Zürn beschreibt die politischen Reaktionen auf diese veränderten Gegebenheiten als vielseitig. Eine Antwort bestehe zumindest im Versuch internationale und transnationale Institutionen zu schaffen, die gemeinsam die Grundlage für Global Governance bilden und das moderne Verständnis von Politik in Frage stellen, wonach Nationalstaaten der Ausgangspunkt jedes politischen Handelns seien. (vgl. Zürn 2005: 121)

Auch Dirk Messner misst der institutionellen Einbettung der Globalisierung eine besondere Bedeutung zu, damit der Einflussverlust der Politik nicht noch weiter voranschreitet. Dabei soll die Einbindung privater Akteure jedoch „nicht auf eine ‚Privatisierung von Politik’ zugunsten handlungsmächtiger Akteure hinauslaufen“ (Messner 1999: 10). Eine der Kernbestandteile der Global Governance ist also die Feststellung, dass Nationalstaaten nun nicht mehr die zentralen Akteure der internationalen Politik sind. So führt dieser Ansatz unterschiedliche Ebenen und Akteure des globalen Regierens jenseits von Nationalstaaten auf.

2.2 Gesellschaftliche Verantwortung der MNEs

Wenn MNEs in der Zukunft tatsächlich immer mehr „governance gaps“ (Messner 1998: 16) schließen sollen, die im Zuge der Globalisierung entstanden und von Nationalstaaten nicht gefüllt werden können, müssen MNEs auch im Hinblick auf gesellschaftliche Verantwortung betrachtet werden. Hierbei ergibt sich jedoch das Problem eines zweischneidigen Schwertes: Einerseits haben MNEs das Potenzial auf globaler Ebene zukünftig eine Rolle einzunehmen, die mit umfassenderen und gegenüber der Gesellschaft verantwortungsvolleren Aufgaben verbunden ist, andererseits wird eben Letztere mit einem umfassenderen Machtpotenzial von MNEs erheblichen Gefahren ausgesetzt.

2.2.1 Aufgrund von Potenzial

Die dargestellten veränderten Machtverhältnisse, im Zuge derer die Erwartungen an MNEs ebenfalls einem Wandel unterzogen wurden, führen dazu, dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Potenzial von MNEs – unter Beachtung und Weiterentwicklung von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu wirtschaften – immer wichtiger wird. In der Wissenschaft herrscht ein weitgehender Konsens darüber, dass die zunehmende ökonomische Globalisierung Unternehmen ein Stück weit von nationalen Institutionen abgekoppelt hat, die deren soziale Verantwortung durchzusetzen versuchen. (vgl. Hiß 2005: 9) Währenddessen nehmen Erwartungen vor allem gegenüber MNEs zu „im globalen Kontext Verantwortung zu übernehmen und mit zur Diffusion von Sozialstandards in Entwicklungsländern beizutragen“ (ebd.). Auch Unternehmen werden somit als Akteure angesehen, die, vor dem Hintergrund der im Zuge der Globalisierung steigenden Zahl nichtstaatlicher Akteure, einen zunehmenden Einfluss auf die politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse haben. (vgl. Behrens/Reichwein 2007: 312) Dirk Messner betont dabei die Wichtigkeit des Einbezugs von nichtstaatlichen Akteuren in die politischen Entscheidungen und Handlungen:

„Banken, multinationale Unternehmen und andere private Akteure müssen in diesen Prozeß der globalen Politikgestaltung einbezogen werden. Ohne ihr Wissen über Wirkungszusammenhänge und technologische Entwicklungsdyn a miken sowie ihr organisatorisch-technologisches Potential können staatliche Institutionen den jeweiligen Trends (...) immer nur nachhinken.“ (Messner 1999:10)

MNEs sind in diesem Konglomerat der neu auftretenden Akteure (vgl. Abb. 1) in besonderer Weise hervorzuheben. Die „immanente Ambivalenz von Global Governance zwischen empirischer Analyse und normativen (Wunsch-)Vorstellungen“ (Hofferberth 2016: 16; Hervorhebung im Original) führt, in Anbetracht der Schwierigkeiten für Nationalstaaten auf globaler Ebene Regulierungsvorhaben umzusetzen, um Probleme effektiv lösen zu können, zu immer lauter werdenden Forderungen. So sei die Einbindung von MNEs in die politischen Prozesse der Setzung von internationalen Standards und der Umsetzung von Regeln ein notwendiger Schritt. (vgl. ebd.)

Seitdem Unternehmen über nationalstaatliche Grenzen hinaus agieren und immer schwerer in einen lokalen Kontext zu betten sind, sondern in gewisser Weise über der Ebene der Nationalstaaten schweben, liegt es nahe, dass versucht wird Wege zu finden, um diese auf andere Art und Weise erneut zu greifen und zu regulieren. In der Folge soll MNEs ein Rollenbild zugeschrieben werden, im Rahmen dessen gesellschaftliche Verantwortung mehr als nur einen Nebenfaktor in der Unternehmensführung darstellt. Indem politische und gesellschaftliche Handlungskompetenzen und -potenziale von MNEs auf globaler Ebene betont werden, kann deren Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme und Kooperation gefördert werden.

Abb. 1: Potenzieller Einfluss auf Nationalstaaten – Handlungsebenen und Akteure in der Global Governance-Architektur

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Messner 1999: 13.

2.2.2 Aufgrund von Risiken

Im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Verantwortung müssen neben den Möglichkeiten auch die Risiken von MNEs einer Betrachtung unterzogen werden. Mit dem globalen Freihandel wird vor allem die „Freisetzung unternehmerischer Profitmaximierung“ (Münch 2008: 163) verbunden. So verlagern die MNEs ihre Produktion in Länder, in denen das Lohnniveau niedrig und die Arbeitsstandards minimal sind. In der Konsequenz werden Produktionsstandorte in Hochlohnländern abgebaut, wodurch Löhne und Lohnnebenkosten unter immer größeren Druck geraten. Dieses „race to the bottom“ (ebd.) führt dazu, dass die hohen sozialen und gesellschaftlichen Standards in den Hochlohnländern gefährdet werden, wobei in den Niedriglohnländern keine spürbaren Verbesserungen in diesen Bereichen festzustellen sind. (vgl. ebd.)

Aufgrund der umfangreichen Machtfülle, die in den letzten Jahrzehnten weiter zugenommen hat, verstärkt durch das omnipräsente Phänomen der Globalisierung, das die Grenzen verschoben und Möglichkeiten enorm erweitert hat, befinden sich MNEs in einer exponierten Lage. Vor allem Nichtregierungsorganisationen (NGOs), deren absolute Zahl Ende der 1970er Jahre und in den 1990er Jahren stark zunahm, treten als vehemente Kritiker von MNEs hervor. (vgl. Griseri/Seppala 2010: 7) Katharina Bluhm schreibt hier etwas überspitzt von einer Entdeckung der NGOs von MNEs als „medienwirksame Zielscheibe für moralische Skandalisierung“ (Bluhm 2008: 147).

Bereits in den 1990er Jahren häuften sich Unternehmensskandale von gesellschaftlicher Tragweite, die im Globalisierungskontext zu verorten waren. In von Korruption, Armut und gewaltsamen Konflikten geprägten Ländern richtete sich ein Teil der Aufmerksamkeit auf dort agierende MNEs. Vor allem hier trafen MNEs Entscheidungen hinsichtlich ihrer Unternehmenspraktiken, die in Konflikt mit ethischen und moralischen Prinzipien standen und nur der Sicherung von Investments und Mehrung des Profits dienten. (vgl. Griseri/Seppala 2010: 151 f.) Auch Enron ist ein Name, der in Folge von groß angelegten Bilanzfälschungen mit einer der schwerwiegendsten Unternehmensskandale in der Geschichte der Vereinigten Staaten verbunden wird und als Inbegriff für Unternehmen gilt, deren Praktiken von der Gesellschaft nicht länger geduldet wurden. (vgl. Aßländer 2005: 8)

„Am 2. Dezember 2001 brach der Energielieferant Enron, das bis dahin siebtgrößte Unternehmen der Vereinigten Staaten von Amerika, zusammen. In weniger als zehn Monaten waren die Aktiennotierungen der Unternehmung von knapp 90 USD auf 26 Cent gesunken. Insgesamt führte der Konkurs Enrons alleine bei den Aktionären zu Verlusten in einer geschätzten Höhe von 60 Milliarden USD. Der Zusammenbruch des ehemaligen Vorzeigeunternehmens zerstörte so mittelbar die Ersparnisse und Pensionsrücklagen von mehr als der Hälfte aller US-Haushalte.“ (Aßländer 2005: 7)

Der Fall Enron ist repräsentativ für zahlreiche kontroverse Unternehmenspraktiken. Oft wird der gewaltige gesellschaftliche Einfluss von MNEs unterschätzt und erst im Zuge der Aufdeckung derartiger Skandale bewusst. Die gesellschaftliche Tragweite der Folgen übersteigt in vielen Fällen die Erwartungen. Wie Enron, standen im Laufe der letzten Jahrzehnte MNEs immer wieder in den Schlagzeilen und damit im Dauerfeuer öffentlicher Kritik. Das Umdenken der MNEs hin zu gesellschaftlicher Verantwortung hat sich als Reaktion auf diese Kompromittierungen vollzogen und schlägt sich in verschiedenen Entwicklungsstufen und Ausprägungen nieder.

3. Entwicklung hin zur Corporate Social Responsibility – die vier Phasen nach Katharina Bluhm

Ein Resultat oder eine Ausprägung dieses Umdenkens ist das heute in der Unternehmenswelt sehr präsente Konzept der Corporate Social Responsibility. Eine allgemein akzeptierte Definition von CSR ist wegen der Fülle an wissenschaftlichen Beiträgen zu dieser Thematik und darin vorkommenden unterschiedlichen begrifflichen Assoziierungen sehr schwierig zu formulieren. Manche verstehen unter CSR rechtliche Pflichten und Verantwortungen, andere verbinden damit die Übernahme von sozialer Verantwortung in einem ethischen Sinne, wieder andere beschränken die Bedeutung des Begriffs auf Spenden für wohltätige Zwecke. (vgl. Votaw 1972: 25 ; Zenisek 1979: 359)

In dieser Arbeit wird eine offenere Definition herangezogen. Archie Carroll führt in seiner Vorstellung von CSR vier Bestandteile an, die er in Form einer Pyramide darstellt. Diese setzt sich aus ökonomischer, rechtlicher, ethischer und philanthropischer Verantwortung zusammen. (vgl. Abb. 2) Auch Joyner und Payne entscheiden sich für eine breite Definition: „CSR is defined as categories or levels of economic, legal, ethical and discretionary activities of a business entity as adapted to the values and expectations of society.“ (Joyner/Payne 2002: 300) Es handelt sich bei CSR also um Kategorien oder Ebenen von ökonomischen, rechtlichen, ethischen und der eigenen Handlungs-/Ermessensfreiheit obliegenden Aktivitäten eines Unternehmens, das sich an gesellschaftliche Erwartungen und Werte anzupassen versucht. Dieser Arbeit soll somit eine Definition im Sinne von Carroll und Joyner/Payne zugrunde gelegt werden, welche versucht die CSR in den verschiedenen Facetten und Ausprägungen zu begreifen.

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Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Implementierung von Corporate Social Responsibility in die Unternehmensführung
Untertitel
Eine Antwort auf ökonomische, ökologische und soziale Problemlagen
Hochschule
Universität Passau
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
31
Katalognummer
V365721
ISBN (eBook)
9783668449800
ISBN (Buch)
9783668449817
Dateigröße
726 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Corporate Social Responsibility, Global Governance, Multinationale Unternehmen, Soziale Verantwortung, Shareholder-Value-Ansatz, Common-Good-Ansatz, Globalisierung
Arbeit zitieren
Tim Searly (Autor:in), 2017, Implementierung von Corporate Social Responsibility in die Unternehmensführung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/365721

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