Digitalisierung im Beschaffungsbereich. Herausforderungen und Potenziale


Seminararbeit, 2016

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen
2.1 Beschaffung
2.2 Digitalisierung

3. Digitalisierung im Beschaffungsbereich
3.1 Der klassische Beschaffungsprozess
3.1.1 Anbahnungsphase
3.1.2 Vereinbarungsphase
3.1.3 Abwicklungsphase
3.2 Probleme des klassischen Beschaffungsprozesses
3.3 Systemlösungen des E-Procurement
3.3.1 E-Ordering
3.3.2 E-Sourcing
3.3.3 Instrumente
3.4 Entwicklungstendenzen in der Beschaffung

4. Herausforderungen und Potenziale
4.1 Vorteile der elektronischen Beschaffung
4.2 Grenzen der elektronischen Beschaffung

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Fokussierung der Tätigkeiten in der traditionellen Beschaffung

Abbildung 2: Prozessablauf eines Desktop Purchasing Systems

Abbildung 3: Fokussierung der Tätigkeiten in der elektronischen Beschaffung

Abkürzungsverzeichnis

BANF Bestellanforderung

bzw. beziehungsweise

DPS Desktop Purchasing System

E- Electronic-

EDI Electronic Data Interchange

ERP Enterprise Resource Plannning

ggf. gegebenenfalls

KMU kleine und mittlere Unternehmen

MRO Maintance, Repair and Operations

vgl. vergleiche

z.B. zum Beispiel

1 Einleitung

„Im Einkauf liegt der Gewinn“ besagt eine alte Kaufmannsregel. In Zeiten des steigenden Kostendrucks, führt dieses Denken dazu, dass Unternehmen nach neuen Lösungen in der Beschaffung suchen. Aus diesem Grund hat die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft auch vor dem Beschaffungsbereich keinen Halt gemacht. Mit der Verbreitung des Internets wurden schon sehr früh damit mögliche Ersparnispotenziale erkannt und in der Literatur vorgestellt. Die Digitalisierung im Einkauf bietet Optionen für elektronische, vernetzte sowie automatisierte Einkaufsprozesse, welche sich positiv auf anfallende Prozesskosten und Einstandspreise auswirken. Zusätzlich sollen Unternehmen nachhaltig Wettbewerbsvorteile erzielen, indem sie aufgrund des Internets neben der Reaktionsgeschwindigkeit auch ihre Flexibilität auf dem Beschaffungsmarkt steigern. Das Ziel dieser Seminararbeit ist es, eine kritische Betrachtung dieser vermeintlich großen Versprechen durchzuführen. Dies soll anhand einer Gegenüberstellung des konventionellen und des elektronischen Beschaffungsprozesses geschehen.

Um die Begriffe Beschaffung und Digitalisierung richtig einordnen zu können, werden diese im zweiten Kapitel durch Definitionen eingegrenzt. Dabei wird die Beschaffung in zwei weitere Tätigkeitsbereiche gegliedert und erläutert.

Im dritten Kapitel, dem zentralen Kern der Arbeit, wird die Digitalisierung des Beschaffungsbereiches dargestellt. Zu Beginn wird der klassische Beschaffungsprozess, der sich aus mehreren Teilphasen zusammensetzt, beschrieben, um daraufhin die Ineffizienzen zu veranschaulichen. Danach werden E-Procurement-Systemlösungen klassifiziert und anschließend einige der bevorzugten Instrumente der Anwendungssysteme genannt. Währenddessen werden schon erste Vor- und Nachteile dieser Systeme herausgearbeitet. Aktuelle Entwicklungstendenzen und Sichtweisen im Einkauf werden zum Abschluss des Kapitels vorgestellt.

In Kapitel vier wird die Digitalisierung im Beschaffungsbereich einer kritischen Betrachtung unterzogen. Es werden Potenziale, die sowohl in der Theorie realisierbar als auch in der Praxis aufgetreten sind, genannt. Demgegenüber werden ebenso die Grenzen der elektronischen Anwendungen aufgezeigt.

2 Grundlagen

2.1 Beschaffung

Als Beschaffung, auch Procurement genannt, wird grundsätzlich das Bindeglied zwischen Beschaffungsmärkten und Unternehmen bezeichnet. Es ermöglicht die Bereitstellung von benötigten Sachgütern wie Maschinen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Dienstleistungen, welche nicht selbst hergestellt werden. In der Praxis differenzierten sich für die Beschaffungen von anderen knappen Gütern wie zum Beispiel dem Kapital oder Personal, andere Abteilungen, die sich mit deren Besorgung beschäftigen.[1]Die Begriffe Einkauf und Beschaffung werden in der Literatur oft miteinander vermischt oder sogar gleichgestellt[2]. Die eigentliche Grundfunktion der Beschaffung liegt jedoch darin, die erforderliche Güterart in der passenden Menge, einer einwandfreien Qualität und einer rechtzeitigen Lieferung zu gewährleisten[3].

Hinter dem Begriff der Beschaffung verbirgt sich heute eine Reihe von Aktivitäten, welche sich aus dem traditionellen Einkauf in Unternehmungen entwickelt haben. Ursprünglich war dieser Sektor ausschließlich für den Einkauf der benötigten Materialien und die Geringhaltung derer Preise zuständig. Die Kernaufgabe lag somit nur beim rein operativen Prozess. Mit der Zeit verlagerte sich die Ausrichtung immer mehr von einer entwicklungs- und absatzorientierte auf eine marktbezogene Strategie. Im Zuge dieser Tendenz entstanden neue Erwartungen auf Seiten der Unternehmen, welche sich nun ebenso mit strategischen Aufgaben wie beispielsweise der Suche nach den effizientesten Beschaffungsmärkten, der Auswahl und Bewertung geeigneter Lieferanten und die Berücksichtigung der Gesamtkosten auseinander setzen mussten. Aufgrund dieser Gegebenheiten wird der Beschaffungsprozess mittlerweile in die Aufgabenfelder strategische und operative Beschaffung unterteilt.[4]

Diestrategische Beschaffung(„Sourcing“) ermittelt den tatsächlichen Bedarf, trifft die Auswahl bezüglich eines geeigneten Lieferanten und schließt letztendlich einen Vertrag ab. Bei einer positiven Bewertung des Vertragspartners, kann es durchaus sinnvoll sein einen Rahmenvertrag für eine längerfristige Lieferbeziehung auszuhandeln.

Dieoperative Beschaffung(„Ordering“) hingegen beschäftigt sich mit der Abwicklung der Verträge. Sie überwacht sowohl die Einhaltung als auch die Durchführung. Wenn alle Vertragspunkte korrekt ausgeführt worden sind, wird durch diese Stelle die Zahlung freigegeben.[5]

2.2 Digitalisierung

Die Definition der Digitalisierung lässt sich in zwei Bereiche gliedern. Einerseits bezeichnet Digitalisierung die Umwandlung von Informationen von einer analogen zu einer digitalen Speicherung. Andererseits wird die Einführung von digitaler Technologie und die Nutzung derer Softwaresysteme durch diesen Begriff charakterisiert.[6]In dieser Seminararbeit wird im Folgenden nur von der zweiten Interpretation ausgegangen.

Die Digitalisierung und der mit ihr eingehende Wandel verändert das tägliche Geschäftsleben. Traditionelle Geschäftsprozesse und Produktionswege werden dank fortschreitender Kommunikations- und Informationstechnologien vereinfacht. Die Intensität des Wandels wirkt sich nicht nur auf die gesamte Wertschöpfungskette einzelner Unternehmungen aus, sondern hat sich schon längst in allen Branchen bemerkbar gemacht.[7]Mit dem Begriff „Industrie 4.0“, entstand eine Bezeichnung für die rasante, digitale Entwicklung im industriellen Bereich. Nach der Mechanisierung, Elektrifizierung und der Informatisierung der Industrie, soll mit diesem Begriff die sich, durch die Digitalisierung anbahnende, vierte industrielle Revolution beschrieben werden.[8]

Im Zusammenhang mit dem Beschaffungsbereich ist in jüngster Vergangenheit der Begriff „Einkauf 4.0“ entstanden. Dieser nimmt explizit Bezug auf die aktuellen technologischen Veränderungen und die ihr vorrausgehenden Erwartungen in diesem Bereich.

3 Digitalisierung im Beschaffungsbereich

Um die fortschreitende Digitalisierung im Beschaffungsbereich nachvollziehen zu können, wird in diesem Kapitel zunächst der traditionelle Beschaffungsprozess charakterisiert und seine Schwächen herausgearbeitet. Daraufhin werden die Veränderungen im Beschaffungsprozess, anhand der Anwendungssysteme des E-Procurement, dargestellt. Abschließend werden einige aktuelle Entwicklungen im Einkaufsbereich aufgeführt.

3.1 Der klassische Beschaffungsprozess

In der Literatur sind unterschiedliche Gliederungsvorschläge des Beschaffungsprozesses zu finden. NachHartmannbeinhaltet der Beschaffungsvorgang drei Phasen: die Anbahnungs-, die Vereinbarungs- und die Abwicklungsphase, welche sich wiederum in detaillierte Unterteilungen gliedern lassen.

3.1.1 Anbahnungsphase

Bedarfsermittlung, Bestandskontrolle und die Ermittlung der Bezugsquelle sind die Schritte, die sich zur Anbahnungsphase zusammensetzen lassen.

Sobald eine Bedarfsmeldung in Form einer Bestellanforderung (BANF) durch einen Mitarbeiter eingereicht wurde, beginnt der Zyklus des Beschaffungsprozesses[9]. Für die Einkäufer sind einige Informationen unabdingbar, um eine effiziente Beschaffung zu gewährleisten. So muss die antragstellende Abteilung die Informationen durch die Beschreibung des Produktes, der Angabe des Liefertermins, der Quantität, der Qualität und gegebenenfalls des Wunschlieferanten, spezifizieren.[10]Aufgrund falscher oder fehlender Informationen kann es zu vermeidbaren Kosten kommen, wie beispielsweise Lagerkosten für eine zu große Materialmenge oder Verzugskosten für eine nicht termingerechte Lieferung des eigenen Produkts infolge einer verspäteten Anlieferung der zur Produktion benötigten Rohstoffe.

Im nächsten Schritt, der Bestandskontrolle, wird ein Abgleich der eingereichten Anforderung mit dem vorhandenem Bestand vorgenommen. Durch Differenzbildung wird der tatsächliche Bedarf ermittelt. Sobald der Lagerbestand die Anforderung nicht decken kann, wird der nächste Schritt vorgenommen.[11]

Das Ziel der Bezugsquellenermittlung ist dann das Einholen von Angeboten. Dies erfolgt durch Versenden von Anfragen oder Ausschreibungen bei potenziellen Lieferanten, wobei letzteres sich nur durch eine höhere Komplexität der Leistungen unterscheidet. Die Auswahl des Lieferanten basiert meistens auf bereits vorhandene Lieferbeziehungen. Ist das nicht der Fall, werden externe Quellen wie z.B. Branchenbücher oder Prospekte genutzt.[12]Im Zuge des technischen Fortschritts entstanden neue Möglichkeiten wie Onlineportale oder Suchmaschinen.

3.1.2 Vereinbarungsphase

Die Detailphasen Lieferanten- und Produktauswahl, Budgetfreigabe und Bestellung bilden die Vereinbarungsphase.

Die Auslese geeigneter Lieferanten erfolgt nach Kriterien wie Liefersortiment, Qualität, Preis, Flexibilität, Zuverlässigkeit, Standort, Innovationsfähigkeit und möglicher Liefermenge[13]. Hierbei kommen sowohl quantitative Verfahren, wie zum Beispiel lineare Optimierung für die Bestimmung des exakten Preises, als auch qualitative Verfahren, wie Scoringmodelle oder Nutzwertanalysen für die Bewertung von subjektiven Meinungen, zum Einsatz[14].

Ist ein annehmbarer Lieferant gefunden, so wird die Anforderung zuvor geprüft. Wenn die Forderung das zur Verfügung stehende Budget nicht übersteigt, erfolgt eine Autorisierung von Seiten des Controllings.[15]

Mit der verbindlichen Abgabe einer Bestellung, welche auf die Genehmigung der BANF folgt, endet die Vereinbarungsphase[16]. Bestellungen sollten grundsätzlich schriftlich erfolgen, selbst wenn sie im Vorfeld schon telefonisch vereinbart wurden. Dabei sollten unabdingbare Angaben wie Preis, Menge, Liefertermin, Spezifikation sowie die Konditionen darin enthalten sein.[17]

3.1.3 Abwicklungsphase

Mit der Abwicklung wird die letzte Phase des Beschaffungsvorgangs bezeichnet. Sie beinhaltet die Bestellüberwachung, den Wareneingang, die Rechnungsprüfung und letztendlich die Zahlungsabwicklung.

Die Detailphase Bestellüberwachung befasst sich mit der Kontrolle der Bestellmengen und den Lieferterminen aller laufenden Bestellungen[18]. Der Bedarfsträger sollte jederzeit die Möglichkeit haben, sich einen Überblick über bestellte Waren, Liefertermine, Lieferbedingungen und Lieferanten zu verschaffen[19]. Aus dieser Überwachung kann ggf. ein Handlungsbedarf entstehen, wie z.B. Mahnungen bei verspäteter Lieferung, Umterminierungen bei zeitkritischen Bestellungen oder Stornierungen auf Grund von fehlerhaften Bestellungen[20].

Die Grundfunktion der Warenannahme bildet die physische Annahme der Bestellungen. Des Weiteren erfolgt in diesem Schritt ebenfalls eine Prüfung in Bezug auf Qualität und Quantität der Ware. Stimmt alles soweit mit den getroffenen Vereinbarungen überein, erfolgt eine Dokumentation über den Erhalt und eine Weiterleitung der erhaltenen Güter an die Bedarfsstelle. Die Dokumentation dient der Rechnungsprüfung als Grundlage für die Zahlungsfreigabe. In der traditionellen Beschaffung übernimmt die Buchhaltung die Aufgabe der Rechnungsprüfung. Der Buchhalter vergleicht den Wareneingang mit der Bestellung und prüft diese ebenfalls auf ihre preisliche und rechnerische Korrektheit. Liegen keine Abweichungen vor, so wird die Zahlungsabwicklung als letzte Detailphase, mit der Durchführung des Forderungsausgleiches, abgeschlossen.[21]

3.2 Probleme des klassischen Beschaffungsprozesses

NachWirtzhaben etwa 70% der Beschaffungsgüter einen wertmäßigen Anteil von 5% am Gesamtwert der Materialkosten. Diese werden infolge einer ABC-Analyse als C-Güter klassifiziert.[22]Industrieunternehmen geben an, dass bis zu 80% der Einkaufstransaktionen auf die Beschaffung von C- bzw. MRO-Gütern zurückgehen. Allerdings umfassen sie nur einen Beschaffungsvolumen von maximal 20%. Folglich geht wegen der fehlenden Automatisierung und den manuellen Abklärungen zu viel Zeit für die administrative Routinearbeit der MRO-Güter verloren, anstatt sie für Aufgaben mit höherer Wertschöpfung zu nutzen.[23]

Die papierbasierte Ordnung und Durchführung der traditionellen Beschaffungsprozesse erfordert ebenso einen hohen Zeitaufwand. Die Nutzung von Papier als zentrales Medium ist fehleranfällig und bringt Kosten wie beispielsweise Portogebühren mit sich. Des Weiteren verhindert die unnötige Zentralisierung des operativen Einkaufs eine hinreichende Unterstützung für strategische Tätigkeiten. Somit liegt der Fokus deutlich auf der eigentlichen Bestellabwicklung, was sich wiederum negativ auf die Beschaffungsskosten auswirkt, da nicht ausreichend Zeit für effizientes Lieferantenmanagement zur Verfügung steht.[24]Die Prozesskomplexität ist eine weitere Ursache für ineffiziente Beschaffung. Viele kleinere Einzelschritte, welche mit Genehmigungsverfahren durch Vorgesetzte oder dem Controlling einhergehen, führen zu einem erheblichen Koordinationsaufwand und hohen Durchlaufzeiten.[25]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Fokussierung der Tätigkeiten in der traditionellen Beschaffung[26]

Die beschriebenen Nachteile der konventionellen Beschaffung lassen sich anhand des folgenden Beispiels, veranschaulichend darstellen:

In einer Abteilung wird ein neuer Bleistift, der als Büromaterial zu den indirekten und somit den MRO-Gütern zählt, benötigt. Es wird ein Antrag in Form einer BANF ausgefüllt und von einem Vorgesetzten der Abteilung gegengezeichnet. Diese wird dann an den Einkauf weitergeleitet. Der dort zuständige Mitarbeiter beschäftigt sich nun mit der Suche eines geeigneten Lieferanten. Ist dieser gefunden, beginnt die Verhandlung. Nach einer erfolgreichen Verhandlung sowie einer Freigabe durch das Controlling, gibt der Einkäufer die Bestellung auf, woraufhin der Lieferant eine Auftragsbestätigung verschickt. Sobald der Bleistift im Wareneingang eintrifft, wird überprüft, ob die Ware mit der getätigten Bestellung übereinstimmt. Daraufhin informiert der Mitarbeiter die Bedarfsstelle und den Einkauf über den Erhalt des Bleistiftes. Die Einkaufsabteilung leitet die Rechnung zur Bezahlung an die Buchhaltung weiter. Diese wiederum überprüft die Rechnung, tätigt die Zahlung und leitet den Vorgang an das Controlling weiter.[27]

3.3 Systemlösungen des E-Procurement

Electronic Procurement, für das auch E-Purchasing als Synonym gebraucht wird, lässt sich neben E-Commerce in den Bereich des E-Business zuordnen. Dabei wird es selbst in die Teilbereiche E-Ordering, für die operativen Aufgaben, und E-Sourcing, für die strategischen Aufgaben, gegliedert.[28]

In der Literatur werden unterschiedliche Definitionen für Electronic Procurement genannt. Einigkeit herrscht unter den Autoren in der Ansicht, dass die Internettechnologie als Kernelement der elektronischen Beschaffung fungiert. Diese Seminararbeit legt sich die Definition nachNekolarzur Grunde. Dieser beschreibt E-Procurement als eine Unterstützung im Unternehmen, welche es ermöglicht, Waren und Dienstleistungen zum geringsten Gesamtpreis zu beschaffen. Dabei wird der gesamte Einkaufsprozess von der Planung, über die Bestellung bis zur Bezahlung elektronisch durchgeführt.[29]Diese Beschreibung eignet sich insbesondere, da sie nicht nur die Funktion, sondern zusätzlich das Formalziel von E-Procurement-Systemlösungen miteinbezieht.

Heute finden sich zahlreiche solcher Anwendungen. Die Nutzung dieser Lösungen deckt dabei nicht immer jede einzelne Funktion im Beschaffungsprozess ab. Im Folgenden werden Lösungen sowohl für E-Ordering als auch E-Sourcing und zwei zugehörige Instrumente erläutert.

3.3.1 E-Ordering

Der Fokus der E-Ordering-Lösungen liegt auf der Unterstützung sowie der Automatisierung der operativen Tätigkeit, insbesondere bei C-Gütern, die wie gesehen hohes Verbesserungspotential aufweisen. Dabei werden weder Preisverhandlungen noch Konditionen berücksichtigt.[30]Im Vordergrund dieser Lösungen steht die Einsparung von Prozesskosten[31].

Die Systemlösungen umfassen den gesamten operativen Aufgabenbereich, welcher sich von der Abwicklung bis hin zur Kontrolle und Zahlung erstreckt. Im Allgemeinen basieren diese Systemlösungen auf elektronische Produktkataloge, welche von unterschiedlichen Akteuren angeboten werden.[32]Grundsätzlich gibt es drei Modelle elektronischer Kataloge: Sell-Side-Lösungen, Buy-Side-Lösungen und elektronische Marktplatz-Lösungen[33].

BeiSell-Side-Lösungenwird der elektronische Katalog von Seiten der Lieferanten zur Verfügung gestellt. Diese Lösung ist auf dem Markt am weitesten verbreitet. Dabei stellt das Unternehmen den Interessenten die eigene Produktpalette auf einer selbst betriebenen Online-Plattform vor und übernimmt gleichzeitig die Pflege des Kataloges.[34]Einige Lieferanten bieten hierbei Einkäufern die Möglichkeit individuelle Regeln festzulegen, indem sie weitergehende Funktionen zur Personalisierung, zur Produktkonfiguration oder zur Kompabilitätsprüfung ermöglichen[35]. Sell-Side-Lösungen sind vor allem dann sinnvoll, wenn es sich um komplexe Produkte mit hohem Informationsbedarf handelt, deren Beschaffung zentral über kompetente Einkäufer erfolgt[36].

Ein Vorteil dieser Lösung ist, dass für den Einkäufer keine weiteren bzw. zusätzlichen Kosten entstehen, da der Verkäufer sämtliche Kosten, die für den Betrieb und die Pflege der Plattform aufkommen, übernimmt[37]. Nachteilig dabei sind die fehlenden Möglichkeiten von automatischen Produktvergleichen sowie die Tatsache, dass der Bedarfsträger für jeden Anbieter ein anderes Informationssystem bedienen muss, was mit einem unnötigen Zeitaufwand einhergeht[38].

Ganz im Gegenteil dazu stehen dieBuy-Side-Lösungen. Bei dieser Lösung wird die Einkaufssoftware und der überwiegende Teil des elektronischen Kataloges von dem einkaufenden Unternehmen betrieben. Artikel unterschiedlicher Lieferanten können dabei zu einem Multilieferantenkatalog verdichtet werden.[39]Dieser Multi-Lieferanten-Katalog wird den unternehmenseigenen Einkäufern, meist über interne Systeme wie z.B. das Desktop Purchasing System (DPS), zur Verfügung gestellt[40]. Der Lieferant übernimmt nur für das Content Management Verantwortung. Sobald Änderungen in seinem Katalog eintreten, übermittelt er diese dem einkaufenden Unternehmen.[41]Letztendlich werden getätigte Bestellungen gebündelt und anschließend über das Internet an die zugehörigen Lieferanten übermittelt.

Diese Art von Lösungen bringen dem einkaufenden Unternehmen eine Vielzahl von Vorteilen. Produkte aller Lieferanten werden in nur einem einheitlichem System verwaltet, was zur Senkung der Bearbeitungszeit führt, da die Einkäufer nur eine Oberfläche nutzen müssen und Angebote besser miteinander vergleichen können[42]. Einer der größten Nachteile der Buy-Side-Lösungen entsteht durch die Realisierung und die regelmäßige Datenpflege des Multilieferantenkatalogs. Hierbei entstehen sowohl monetäre, als auch zeitliche Investitions- sowie Betriebskosten.[43]

Elektronische Marktplatz-Lösungen, auch intermediäre Lösungen genannt, basieren auf der Idee der Sell-Side-Lösungen. Der Unterschied besteht darin, dass die Lieferanten ihre Katalogdaten nicht selbst verwalten, sondern sie an eine dritte, unabhängige Partei übermitteln. Diese bietet alle Informationen bzw. Produkte in gebündelter Form an. Dies geschieht im Internet auf einer einzigen Plattform.[44]Der Intermediär, also eine unabhängige Partei, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Angebote der Anbieter zu konsolidieren, den Nachfragern vergleichbare Produkte anzubieten sowie die Plattform zu pflegen. Für diesen Service verlangt er in der Regel Transaktionsgebühren oder monatliche Teilnahmegebühren.[45]

Die Marktplatz-Lösung macht sich die Vorteile der beiden anderen Katalogsysteme zu nutze. Sie eröffnet dem Einkäufer Zugriff auf eine breite Produktpalette und bietet gleichzeitig Vergleichsmöglichkeiten an, wodurch letztendlich die Suchzeiten reduziert werden.[46]Nachteile der Inanspruchnahme dieser Lösungen sind zu einem die mangelnde Integration in die ERP-Systeme des beschaffenden Unternehmens und zum anderen die Tatsache, dass der Käufer oft einen besseren Preis aushandeln kann, wenn er direkt mit dem Anbieter verhandelt[47].

3.3.2 E-Sourcing

Hinter E-Sourcing-Lösungen verbirgt sich die Verwendung von internetbasierten Handelsplattformen, auf denen Waren und Dienstleistungen gehandelt werden. Hierbei wird den Handelsinteressenten die Auswahlmöglichkeit geboten, unter möglichst vielen potentiellen Geschäftspartnern, den geeignetsten zu finden sowie das Zustandekommen der Geschäfte zu optimieren.[48]Die Senkung der Beschaffungsobjektkosten stehen hierbei im Vordergrund[49].

Durch die Nutzung des Internets als Medium, entsteht ein großer Vorteil, sodass die Suche und Auswahl geeigneter Lieferanten sowie die Unterstützung der Verhandlungen bis zum Vertragsschluss nicht von räumlichen Gegebenheiten beeinflusst wird[50]. E-Ausschreibungen, E-Auktionen und E-Collaboration sind die drei Grundtypen, die sich zu den E-Sourcing-Lösungen zusammensetzen.

E-Ausschreibungenermöglichen einen Überblick über die Situation am Markt. Dabei wird der festgestellte Bedarf in einer Ausschreibung formuliert und über eine Ausschreibungsplattform entweder veröffentlicht oder nur für bestimmte Lieferanten zugänglich gemacht bzw. übermittelt. Nachdem die Teilnehmer ihre Angebote abgegeben haben, werden diese ausgewertet, verglichen und ggf. für den Konkurrenzkampf unter den Anbietern genutzt.[51]Die öffentliche Ausschreibung wird eingesetzt, um neue Lieferanten ausfindig zu machen. Die geschlossene hingegen dient dem Schutz von Know-How sowie der einfacheren Auswertung. Der Vorteil der E-Ausschreibung besteht in der Zeitreduktion und Vereinfachung der Prozesse, die die elektronische Unterstützung gegenüber der herkömmlichen Auktion aufweist.[52]

E-Auktionendienen allein für elektronische Preisverhandlungen. Eine Bedingung für die Durchführung einer Auktion ist, dass bis auf den Preis alle anderen Bestandteile des Vertrages eindeutig festgelegt sind.[53]Anhand dieser Bedingung eignet sich eine Auktion eher für Güter, deren Eigenschaften klar definiert werden können.

Aufgrund des Drucks, der für die Lieferanten durch die Gebote der Konkurrenten entsteht, kann sich der Bedarfsträger Preisvorteile sichern. Der technische Fortschritt unterstützt Auktionen insofern, dass Teilnehmer nicht mehr im physischen Sinne zusammenzukommen brauchen. Hierdurch können wiederum deutlich mehr Bieter teilnehmen, was zur Senkung des Preises führt.[54]Ein weiterer Vorteil liegt erneut in der Zeitersparnis, die auf die Anwendung von internetbasierten Plattformen zurückzuführen ist. Nachteilig kann sich die E-Auktion auf die Beziehungen zu Lieferanten auswirken, da die erhöhte Transparenz und der aus ihr resultierende Zwang auf Gebote der Konkurrenten eingehen zu müssen, einen zu großen Preisdruck verursachen kann[55].

E-Collaborationsetzt den Schwerpunkt, im Gegensatz zu den anderen beiden Lösungen, nicht auf den Konkurrenzkampf unter den Wettbewerbern, sondern auf eine engere Zusammenarbeit mit diesen. Somit wird ein lieferantenorientierter, anstelle eines produktorientierten Beschaffungsprozess verfolgt. Die Kollaboration kann auf technischer oder wirtschaftlicher Ebene erfolgen.[56]Die technische Zusammenarbeit entsteht durch eine gemeinsame Entwicklung des Produktes, sodass der Lieferant seine Fertigung optimal auf das Produkt einstellen kann[57].

Im wirtschaftlichen Bereich erfolgt die Zusammenarbeit durch Informationsoffenlegung des Abnehmers. Dabei schließen die Unternehmen vorerst einen Rahmenvertrag ab, indem festgelegt wird, welchen Höchst- sowie Tiefstand der Bestand im Lager des Käufers aufweisen darf. Der Zulieferer hat per Internet Zugriff auf den aktuellen Lagerbestand seines Abnehmers und kann ihn somit ohne Aufforderung rechtzeitig versorgen. Dies hat einen niedrigen Servicegrad zur Folge, welches sich positiv auf Lagerhaltungskosten auswirkt. Bei vertrauteren und intensiveren Kooperationen, geben einkaufende Unternehmen sogar ihre eigenen voraussichtlichen Absatzzahlen weiter. Somit werden Engpässe vermieden, da der Lieferant seine Produktion dementsprechend anpassen kann. Diese Form der Zusammenarbeit wird auch als Vendor Managed Inventory bezeichnet.[58]

In beiden Fällen wird für die Beteiligten ein hoher Integrationsgrad der technischen Unterstützung erforderlich, was diese Lösung bei der Einführung oder einem Partnerwechsel zu einer Kosten- und Zeitintensiven Angelegenheit macht[59]. Beide Parteien profitieren nach einer erfolgreichen Implementierung von einem sehr geringen Prozessaufwand, da das System selbstständig den Bedarf registriert und entsprechende Handlungen einleitet. Die Vorteile von E-Collaboration ergeben sich somit erst nach einer längeren sowie konstanten Zusammenarbeit.

3.3.3 Instrumente

Im Zuge des E-Procurement kommen einige elektronischen Instrumente zum Einsatz. Von allen Formen der Instrumente haben sich dabei Electronic Data Interchange (EDI) und DPS am stärksten durchgesetzt.

AlsEDIwird der elektronische Austausch von Daten zwischen Computersystemen mit Hilfe der Datenfernübertragung bezeichnet. Die Anwendung wird dort etabliert, wo in langfristigen Geschäftsbeziehungen regelmäßig Daten ausgetauscht werden. Zeitintensive, manuelle Arbeitsvorgänge, wie z.B. drucken, faxen, Daten eingeben oder wiedererfassen, werden abgelöst.[60]Bei der elektronischen Datenübertragung müssen sich alle beteiligten auf einen Standard einigen[61].

EDI-Verfahren führen zu einer Reduktion von Papierhandling, was sich letztendlich positiv auf die Kosten auswirkt. Die Bearbeitungszeit der Prozesse vom Auftrag bis zur Lieferung und Bezahlung wird ebenfalls deutlich reduziert. Ein weiterer Vorteil ist die Sicherheit, da die Daten von Anwendung zur Anwendung elektronisch übermittelt werden und somit wenig Freiraum für menschliche Fehler geboten wird.[62]

[...]


[1]Vgl. Arnold (1995), S. 2 ff.

[2]Vgl. Meier/Stormer (2005), S. 54.

[3]Vgl. Wannenwetsch (2014), S. 115.

[4]Vgl. Stoll (2008). S. 22 f.

[5]Vgl. Stoll (2008), S. 23 f.

[6]Vgl. Hess (2013).

[7]Vgl. Radic (2015), S. 5.

[8]Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

[9]Vgl. Krampf (2012), S. 6.

[10]Vgl. Kreuzpointner/Reißner (2006), S. 30.

[11]Vgl. Wirtz (2013), S. 634.

[12]Vgl. Kreuzpointner/Reißner (2006), S. 35 ff.

[13]Vgl. Schuh et al (2014), S. 186; Kummer/Grün/Jammernegg (2009), S. 152 f.

[14]Vgl. Rennemann, (2007), S. 45 ff.

[15]Vgl. Bogaschewsky (2002), S. 29.

[16]Vgl. Wirtz (2013), S. 639.

[17]Vgl. Kreuzpointner/Reißner (2006), S. 133 ff.

[18]Vgl. Wirtz (2013), S. 639 f.

[19]Vgl. Ehrmann (2008), S. 318.

[20]Vgl. Oeldorf/Olfert (2008), S. 53.

[21]Vgl. Wirtz (2013), S. 640.

[22]Vgl. Wirtz (2013), S. 627.

[23]Vgl. Meier/Stormer (2005), S. 56.

[24]Vgl. Nenninger (1999), S. 13 f.

[25]Vgl. Wannewetsch (2014), S. 202.

[26]In Anlehnung an Nekolar (2003), S. 4.

[27]Vgl. Stoll (2007), S. 1 f.

[28]Vgl. Schubert/ Selz,/ Haertsch, (2003), S. 14; Stoll (2007), S. 17.

[29]Vgl. Nekolar (2003), S.1.

[30]Vgl. Aust et al. (2000), S. 40.

[31]Vgl. Stoll (2007), S. 18.

[32]Vgl. Nenninger (1999), S. 14.

[33]Vgl. Nekolar (2003), S. 7.

[34]Vgl. Stoll (2007), S. 21.

[35]Vgl. Meier/Stormer (2005), S. 57.

[36]Vgl. Dück/Teich (2002), S. 11.

[37]Vgl. Hoffmann & Zachau Unternehmensberatung (2000), S. 22.

[38]Vgl. Meier/Stormer (2005), S. 61.

[39]Vgl. Schubert/Wölfle/Dettling (2002), S. 4.

[40]Vgl. Hafner (2001), S. 12.

[41]Vgl. Meier/Stormer (2005), S. 61.

[42]Vgl. Brenner/Lux (2000), S. 162.

[43]Vgl. Stoll (2007), S. 24.

[44]Vgl. Nekolar (2003), S. 9.

[45]Vgl. Pfützenreuter (2009), S. 203.

[46]Vgl. Hafner (2001), S. 31.

[47]Vgl. Meier/Stormer (2005), S. 65.

[48]Vgl. Aust et al. (2000), S. 48.

[49]Vgl. Stoll (2007), S. 18.

[50]Vgl. Brenner/Wenger (2007), S. 8; Hoffmann & Zachau Unternehmensberatung (2000), S. 23.

[51]Vgl. Weigel/Rücker (2015), S. 194 f.; Stoll (2007), S. 28 f.

[52]Vgl. Aust et al. (2001), S. 57 ff.

[53]Vgl. Göthlich (2004), S. 55.

[54]Vgl. Stoll (2007), S. 30.

[55]Vgl. Weigel/Rücker (2015), S. 196.

[56]Vgl. Stoll (2007), S. 32.

[57]Vgl. Aust et al. (2001), S. 18.

[58]Vgl. Bogaschewsky (1999), S. 27; Appelfeller/Buchholz (2011), S. 248 ff.

[59]Vgl. Weigel/Rücker (2015), S. 196 f.

[60]Vgl. GS1 (2009), S. 3 f.

[61]Vgl. Nekolar (2003), S. 53.

[62]Vgl. GS1 (2009), S. 3.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Digitalisierung im Beschaffungsbereich. Herausforderungen und Potenziale
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
23
Katalognummer
V366062
ISBN (eBook)
9783668450608
ISBN (Buch)
9783668450615
Dateigröße
618 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beschaffung, Procurement, Digitalisierung, Einkauf 4.0, E- Procurement, Einkauf, Beschaffungsbereich, Einkaufsabteilung
Arbeit zitieren
Artur Hirsekorn (Autor:in), 2016, Digitalisierung im Beschaffungsbereich. Herausforderungen und Potenziale, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366062

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