Soziale Netzwerke als Chance der Gewerkschaften? #WirFürMehr“


Bachelorarbeit, 2017

60 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Gewerkschaft und ihre Mitglieder
2.1 Die Relevanz der Mitglieder und ihre Ansprache
2.2 Strategien zur Mitgliedergewinnung
2.3 Strategien zur Mitgliedermobilisierung

3 Die Bedeutung von sozialen Netzwerken für Gewerkschaften
3.1 Funktionen sozialer Netzwerke
3.2 Die Bedeutung der Online-Kommunikation für Gewerkschaften

4 Methodisches Vorgehen
4.1 Material: Tweets und Facebook-Posts der IG Metall und ver.di
4.2 Die Kategorien der Gewinnung und Mobilisierung
4.3 Inhaltsanalytische Untersuchung

5 Ergebnisse
5.1 Ver.di: Deprivation und Solidarität per Facebook
5.2 Ver.di: Solidarität und Information per Twitter
5.3 IG Metall: Information und Organizing per Facebook
5.4 IG Metall: Organizing und Deprivation per Twitter

6 Diskussion und Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abstract

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Nutzung von sozialen Netzwerken durch Gewerkschaften, spezifisch in Hinblick auf die Mitgliedergewinnung und -mobilisierung während Tarifverhandlungen. Anlass zu dieser Untersuchung geben die niedrigen Mitgliederzahlen von Großorganisationen, zu denen die Gewerkschaften ebenso gehören. Die Mitglieder und ihre Mobilisierung stellen die wichtigste Legitimationsquelle der Gewerkschaften dar, weshalb dieser Abnahme entgegengewirkt werden muss. Durch die Möglichkeit der sozialen Netzwerke eine große Vielzahl an Nutzern in kurzer Zeit zu adressieren, kann die Ansprache der (potenziellen) Mitglieder vereinfacht werden. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Gewerkschaften durch eine gezielte Kommunikation ihre Mitglieder auf digitalem Wege anwerben und mobilisieren. Auf der Basis der Strategien zur Mitgliedergewinnung und -mobilisierung wurde mithilfe eines Kategoriengerüsts eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Dabei wurde der Frage nachgegangen, inwiefern und mit welcher Ausprägung die Strategien bei der täglichen Kommunikation von Gewerkschaften im Laufe einer Tarifrunde zum Einsatz kommen. Überprüft wurde dies anhand der Kommunikation von ver.di und IG Metall auf Twitter und Facebook. Es ergab sich, dass beide Gewerkschaften die Plattformen zielführend zur Mitgliederansprache nutzen. Bei der Kommunikation von ver.di überwiegen emotionalere Strategien, die IG Metall nutzt informativere und sachlichere Argumente. Aus den Ergebnissen lässt sich ein idealtypischer Leitfaden des Kommunikationsvorgehens ableiten. Demzufolge ist die Relevanz der sozialen Medien in der Gewerkschaftskommunikation angekommen und diese werden dementsprechend verwendet.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anzahl der Follower bei Twitter/Facebook von ver.di und IG Metall

Abbildung 2: Zeitliche Entwicklung der Posts/Tweets von ver.di zur Tarifrunde

Abbildung 3: Zeitliche Entwicklung der Posts/Tweets der IG Metall zur Tarifrunde

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Strategien der Mitgliedergewinnung

Tabelle 2: Strategien der Mitgliedermobilisierung

Tabelle 3: Schlüsselereignisse Tarifverhandlung ver.di

Tabelle 4: Schlüsselereignisse Tarifverhandlung IG Metall

Tabelle 5: Kategorien der Mitgliedergewinnung

Tabelle 6: Kategorien der Mitgliedermobilisierung

Tabelle 7: Ergebnisse zur Kommunikationsstrategie in Tarifverhandlungen

1 Einleitung

Ob Lokführer, Piloten oder Lehrer – in den verschiedensten Berufsgruppen werden Tarifverträge ausgehandelt und gestreikt, um die Ziele der Gewerkschaften durchzusetzen. 2015 gilt als das streikintensivste Jahr des Jahrzehnts in Deutschland (WSI, 2016). Einen deutlichen Rückgang der Ausfalltage bei gleichzeitig hoher Streikbeteiligung soll es 2016 gegeben haben (WSI, 2017)[1]. Die Konsequenz aus dem Jahr 2015 sind hingegen über eine Million ausgefallene Arbeitstage (IW Koeln, 2016), im Gegenzug dazu Lohn- und Gehaltstarifverträge für rund 12,5 Millionen Beschäftigte sowie eine reale Tarifsteigerung um 2,4 Prozent (WSI, 2016). Diese Verhandlungsergebnisse erzielten die verschiedenen Berufsgruppen mithilfe von Gewerkschaften. Gewerkschaften gelten als Intermediär zwischen Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Zu den grundlegenden Funktionen gehören die Artikulation, Aggregation, Selektion und Legitimation von wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Interessen (Weber, 1981, S. 386f.). Dabei sind Gewerkschaften auf eine starke Mitgliedschaft angewiesen, um mit einer breiten Unterstützung ihre Interessen glaubwürdig zu legitimieren und somit Einflusspotenziale zu sichern (Hoffjann, 2010, S. 70).

Darin liegt die Problematik der Gewerkschaften in den vergangenen Jahren begründet: dem „Aussterben der Stammkunden“ (Streeck, 1987, S. 474), sprich der Rückgang der Mitgliederzahlen von Verbänden allgemein, aber auch der Gewerkschaften. Momentan verzeichnet der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) etwa sechs Millionen Mitglieder, ein ähnliches Niveau wie in den 1950er Jahren, kurz nach der Gründung des Verbunds (DGB, 2016). Mögliche Gründe dafür sind anspruchsvollere, unzuverlässigere und wechselwilligere Mitglieder (Hoffjann, 2010, S. 65), aber auch der Trend zur Individualisierung und damit einhergehend eine Abwendung von Großorganisationen (Walter, 1993, S. 174). Seit 2006 sind die Mitgliedszahlen zwar niedriger, dafür aber weitestgehend konstant. Somit sollte es das relevanteste Ziel der Gewerkschaften sein, Mitglieder zu gewinnen und zu halten, aber vor allem auch diese mobilisieren zu können. Nur so können sie im Zuge von Tarifverhandlungen den nötigen Druck aufbauen und überhaupt öffentliche Relevanz erzeugen. Es ist anzunehmen, dass sich diese Zielsetzung auch in der Kommunikation der Gewerkschaften widerspiegelt.

Die klassische Mitgliederkommunikation der Gewerkschaften erfolgt üblicherweise über periodisch erscheinende Mitgliederzeitschriften, persönliche Treffen, Berichterstattung in den Massenmedien, aber auch via Internet über E-Mail-Verteiler, das Intranet oder Webseiten (Hoffjann & Gusko, 2013, S. 70). Seit einiger Zeit spielen allerdings auch die sozialen Medien in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit eine wichtigere Rolle (Ebd., 2013, S. 21). Beispielsweise unterhält die Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) neben einem Facebook- und Twitter-Account, einen Instagram- sowie einen Google+-Account und ist darüber hinaus bei Flickr und YouTube vertreten. Seit August 2016 wird der Serviceanspruch mit einem eigenen WhatsApp-Dienst verstärkt (IG Metall, 2016). „Social Media ist wie für uns gemacht“, ist sich auch Jan Duscheck, Bundesjugendsekretär für die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), sicher (Böckler, 2015). Soziale Medien bieten den Vorteil, innerhalb kürzester Zeit eine hohe Reichweite erzielen zu können sowie eine persönliche Ansprache zu ermöglichen (Hoffjann & Gusko, 2013, S. 5). Somit könnten soziale Medien die „zeitgemäße Lösung für lange bekannte Herausforderungen der Mitgliederbindung sein“ (Ebd., S. 7). Fraglich ist, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen der Social Media-Aktivität und einem Mitgliederbeitritt gibt, sicher ist jedoch, dass ein zeitgemäßer Online-Auftritt mittlerweile unerlässlich ist. Verlässt man sich auf die Social Media-Monitoring Webseite ‚Hashtracking’ gibt es 842 Tweets zum Hashtag #troed, den ver.di in ihrer Kommunikation zur Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes verwendet (Hashtracking, 2017). Im Netzt wird also zu gewerkschaftlichen Anliegen kommuniziert – und die Gewerkschaften sollten substantieller Teil dieser Diskussion sein.

Die vorliegende Arbeit thematisiert die Frage, ob Gewerkschaften aufgrund ihrer Abhängigkeit von einer hohen Mitgliederzahl die sozialen Medien nutzen, um Mitglieder zu gewinnen und zu mobilisieren. Die Analyse des Social Media-Auftritts von ver.di und IG Metall während einer Tarifrunde sollen exemplarisch zeigen, wie die Gewerkschaften die sozialen Medien nutzen und zu welchem Zweck: Wer wird angesprochen? Dominiert Information oder Emotion? Werden spezifische Strategien verwendet?

Mit diesem Aspekt setzten sich 2013 bereits Olaf Hoffjann und Jeannette Gusko auseinander. Sie ermittelten erste Antworten zu den Fragen, wen Verbände, auch spezifisch Gewerkschaften, mit welchen sozialen Netzwerken erreichen wollen und welches Ziel dabei vordergründig verfolgt wird. Mithilfe von Leitfadeninterviews, die zwischen September 2011 und Dezember 2012 durchgeführt wurden, bieten sie den aktuellsten Überblick über das Social Media-Verhalten von Verbänden. Man kann jedoch davon ausgehen, dass es seitdem neue Entwicklungen in der Online-Kommunikation gegeben hat und die Gewerkschaften ihre digitale Präsenz und Aktivität weiter ausgebaut haben. Grundsätzlich gilt das Thema Gewerkschaften und ihre Kommunikation als ein eher zurückhaltend untersuchtes Forschungsfeld. Bisherige Verbandsforschung bezieht sich oftmals eher auf Parteien und zunehmend auf Non-Profit-Organisationen, seltener auf Gewerkschaften (Rucht, 2011; Vowe, 2007). Einen Überblick über deutsche Gewerkschaften liefern Wolfgang Schroeder (Schroeder, 2003, 2014) sowie Olaf Hoffjann und Roland Stahl mit ihrem Handbuch zur Verbandskommunikation (Hoffjann & Stahl, 2010). Es gibt spezifisch zu gewerkschaftlicher Kommunikation in den sozialen Medien wenig aktuelle Forschung, weshalb im theoretischen Teil dieser Arbeit teilweise Ableitungen aus der Unternehmens- und Organisationskommunikation vorgenommen werden.

In der vorliegenden Arbeit wird zunächst die Bedeutung der Mitglieder für die Gewerkschaften herausgearbeitet und dabei auf die Relevanz zur Durchsetzungsfähigkeit der gewerkschaftlichen Interessen eingegangen. Im Zuge dessen werden Mitgliedergewinnungsstrategien genannt. Maßnahmen, die mitgliedergewinnend wirken, sind beispielsweise die ‚Tarifpolitik’, ‚Serviceleistungen’ und das ‚Organizing’ (Freidank, 2010, S. 230). In Abgrenzung dazu werden Strategien zur Mitgliedermobilisierung erläutert, wie etwa die Deprivationstheorie (Rucht, 1994, S. 339). Im Anhang werden diese im Überblick noch einmal dargestellt. Sie stellen die Grundlage der Kategorienbildung zur Fallanalyse dar. Im nächsten Schritt wird auf die Bedeutung von sozialen Netzwerken als politisches Instrument, insbesondere für Gewerkschaften, eingegangen. Der methodische Teil stellt die Forschungsobjekte ver.di und IG Metall sowie das Material aus Twitter und Facebook vor. Durch eine qualitative Inhaltsanalyse werden die verborgenen und impliziten Nachrichten an die Nutzer von Social-Networking-Sites untersucht. Im nachfolgenden Kapitel werden die Ergebnisse vorgestellt und abschließend eine darauf basierende Diskussion mit Ausblick abgeleitet.

Diese Arbeit richtet sich sowohl an Wissenschaftler von politischer und wirtschaftlicher Kommunikation, wie auch an deren Akteure. Durch die Arbeit sollen bisherige Forschungserkenntnisse ergänzt werden, sodass die Gründe für die Mobilisierung von Mitgliedern im Falle eines Tarifkonflikts über soziale Medien deutlich werden, wie auch mögliche motivierende Eigenschaften der Social Media-Kommunikation im Hinblick auf die Mitgliedergewinnung.

2 Die Gewerkschaft und ihre Mitglieder

Um die Untersuchung dieser Arbeit durchzuführen und die Ergebnisse interpretieren zu können, ist es wichtig, den theoretischen Hintergrund darzulegen. Die zentrale Aufgabe von Interessenverbänden besteht in der Interessenaggregation ihrer Mitglieder sowie deren Durchsetzung im politisch-administrativen System. Die Gewerkschaft als Interessenverband vertritt dabei Belange aus dem Bereich Wirtschaft und Arbeitsleben und bietet so die Möglichkeit, den Unternehmen sowie der Politik, Widerstand und Widerspruch entgegen zu bringen (Schroeder, 2014, S. 15). Deshalb gelten Gewerkschaften als „funktionaler Bestandteil der gesellschaftlichen Entwicklung in industrialisierten Ländern“ (von Hauff, 1987, S. 122f.). Im selben Maße sind sie von ihren Mitgliedern abhängig, um ihr Fortbestehen gewährleisten zu können und die Interessen weiterhin zu vermitteln. Das nachfolgende Kapitel soll einen Einblick geben, weshalb es relevant ist, Mitglieder nicht nur zu gewinnen und binden, sondern auch jederzeit mobilisieren zu können.

2.1 Die Relevanz der Mitglieder und ihre Ansprache

„Mitglieder, Mitarbeiter und deren Motivation sind die wichtigsten Ressourcen einer Gewerkschaft oder Partei“ (Bock & Fuchs, 2001, S. 63). Gewerkschaften legitimieren sich durch die Anzahl ihrer Mitglieder, vor allem aber auch über die Anzahl der davon zu mobilisierenden Mitglieder. Ihre Macht beruht immer auf der aktionsbereiten inhaltlichen Übereinstimmung von Vielen (Arlt & Jarren, 2009, S. 151). Deshalb ist es ein wesentliches Ziel der Arbeit der zurückliegenden Jahre der IG Metall gewesen, Mitglieder zu gewinnen, zu binden und „Austrittswillige“ zurückzugewinnen. (IG Metall, 2015, S. 62). Die Aufgabe der Gewerkschaften ist es, die inhaltliche Übereinstimmung in Form der Interessenaggregation zu bündeln und diese öffentlich zu vertreten. Die Mitgliederinteressen bilden demnach die Basis der gewerkschaftlichen Arbeit (Eich & Westermann, 1993, S. 11). Die Existenzfähigkeit der Gewerkschaft als soziales System hängt davon ab, wie Leistungen und Produkte von den Mitgliedern akzeptiert werden. Auch finanziell sind die Gewerkschaften auf ihre Mitglieder angewiesen, denn die zeigen ihre Solidarität und Unterstützung durch monatliche Beiträge. In gleichem Maße relevant ist die Mobilisierungsfähigkeit der Gewerkschaften, folglich die Bereitschaft dieser für die gewerkschaftlichen Interessen zu streiken (Ebd., S. 152). Ohne die Streikbereitschaft fehlt den Verbänden die Möglichkeit, Druck auf wirtschaftliche, staatliche oder politische Institutionen auszuüben (Boll & Kalass, 2014, S. 535). Dieses Instrument bietet die finale Option, Tarifforderungen durchzusetzen, vor allem dann, wenn vorherige Verhandlungen ohne Einigung oder Ergebnis geblieben sind.

Über einige Jahre hinweg nahmen die Mitgliederzahlen in den Gewerkschaften ab, ebenso wie in anderen Interessenverbänden (Koch-Baumgarten, 2010, S. 239). Der DGB beispielsweise konnte den steten Mitgliederzuwachs, welcher bis circa 1990 stattfand, nicht aufrechterhalten. Vielmehr sanken die Mitgliederzahlen, bis sie sich jetzt auf einem konstanten Level eingependelt haben. In der Literatur spricht man von einem Bedeutungsverlust von Großorganisationen (Schnabel, 2016, S. 426; Staßner, 2010, S. 24). Es sei eine schlechte Ausgangslage, um „[...] eine schlagkräftige Gewerkschaftsorganisation zu finanzieren, neue Mitglieder zu gewinnen, bessere Löhne und Arbeitsbedingungen durchzusetzen und ökonomischen wie politischen Einfluss auszuüben“ (Schnabel & Wagner, 2007, S. 93). Fraglich ist, ob es den Gewerkschaften gelingt durch eine starke Mitgliederansprache dieser Entwicklung entgegenzuwirken. „Die aktive Beteiligung und direkte Einbeziehung unserer Mitglieder ist notwendige Voraussetzung für eine gute Mitgliedergewinnung“, so ein Auszug aus dem Geschäftsbericht von ver.di (Ver.di, 2015, S. 188). Für die Gewerkschaften gibt es zahlreiche Gründe, ihre Kommunikation zu professionalisieren: Die Gewerkschaft ist auf den Rückhalt der Öffentlichkeit angewiesen, da diese die Meinung von Entscheidungsträgern, möglichen Interessenten und Mitgliedern beeinflusst. Eine positive mediale Resonanz und damit einhergehend der Rückhalt in der Bevölkerung sind somit Sekundärziele, die zur Erlangung der Primärziele – politischer Einfluss und starke Mitgliederbindung – angestrebt werden (Oehmer, 2014, S. 44; Berger, 2004, S. 118). Resonanz in der Öffentlichkeit kann potenzielle Interessenten und Mitglieder von der Handlungsfähigkeit und Effektivität des Verbandes überzeugen und somit zu einer Mitgliedergewinnung und Mobilisierung führen (Preusse & Zielmann, 2010, S. 12). An ihre Beitragszahler wenden sich die Gewerkschaften auch durch die Massenmedien, insbesondere seitdem die Mitgliederadressierung durch eine erhöhte Heterogenität in der Mitgliedschaft erschwert ist. Die Gewerkschaften werben um Zustimmung, suchen Rückhalt und führen die vitale Bedeutung der Organisation vor Augen (Weber, 1977, S. 205).

Demnach gliedern sich die Ziele der gewerkschaftlichen Kommunikation in eine hohe Medienresonanz, die Beeinflussung von politischen Entscheidungen und die Mobilisierung, d.h. Aktivierung, der Mitglieder (Hoffjann & Gusko, 2013, S. 52). Diese Zieldefinition lässt eine Einteilung in drei Kommunikationskreise der Gewerkschaften zu: die Binnenkommunikation oder organisationsinterne Kommunikation mit den Mitgliedern, die Kommunikation mit den Gegenverbänden oder anderen intermediären Gruppen – sprich Arbeitgeber und Medien – und die Außenkommunikation mit politischen Eliten (Koch-Baumgarten, 2014, S. 7). Die vorliegende Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf eine Form von Binnenkommunikation. Darunter versteht man konkret den Informations- und Meinungsaustausch der Verbandselite mit aktiven und passiven Mitgliedern. Zu den Instrumenten der organisationsinternen Kommunikation gehören Mitgliederversammlungen, mobilisierende Protestversammlungen, politische Kampagnen, gedruckte Trägermedien, Webseiten und Mailings sowie die Nutzung eines Intranets (Ebd., S. 8). Ob die sozialen Medien für gleiche Zwecke wie diese Instrumente genutzt werden, soll die vorliegende Arbeit prüfen.

2.2 Strategien zur Mitgliedergewinnung

Die Primärziele der Gewerkschaften, die Durchsetzung der Interessen im politischen Entscheidungssystem und die Mitgliedergewinnung, stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis (Oehmer, 2014, S. 43). Um auf potenzielle Mitglieder attraktiv zu wirken, muss die Gewerkschaft erfolgreich deren Interessen umsetzen. Wie bereits erwähnt, ist das allerdings nur möglich, wenn die Forderungen durch eine hohe Mitgliederanzahl begründet werden, die sich entsprechend auch mobilisieren lässt. Daraus lässt sich ableiten, dass mobilisierende Maßnahmen zu einem gewissen Grad auch mitgliedergewinnend wirken. Tarifauseinandersetzungen sind folglich für eine Mitgliedergewinnung wesentlich. Laut dem Geschäftsbericht von ver.di bilden dabei die aktiven Kollegen den Dreh- und Angelpunkt. Die Kollegen werden als Multiplikatoren geschult, sodass neue Mitglieder mit einer hohen Identifikation zur ver.di geworben werden (Ver.di, 2015, S. 187).

Die Mitgliedergewinnung lässt sich grundlegend in drei verschiedene Dimensionen teilen: die Tarifpolitik, Serviceleistungen und die Organizing-Strategie (Freidank, 2010, S. 230; Gobert, 2010, S. 48). Hans Dribbusch (2003) geht von einer Unterscheidung zwischen zweier Dimensionen mit ähnlichen Schwerpunkten, bzw. einem Zwei-Hürden-Modell aus: Zum einen der Organisierung mit dem mittelfristigen Ziel einer extensiven Mitgliederentwicklung und der vertiefenden Mitgliederwerbung in bereits organisierten Betrieben (Dribbusch, 2003, S. 24). Darüber hinaus nennt auch er den Anreiz von Leistungen, die Gewerkschaften speziell für ihre Mitglieder schaffen (Ebd., S. 48). Verschiedene Ebenen der Mitgliederrekrutierung nennt auch Schroeder: Beispiele dafür seien die Dienstleistungsangebote und Bonusregelungen, aber auch das Angebot neuer Formen der Partizipation (Schroeder, 2010, S. 19).

Aufgabe der Gewerkschaften ist es, tarifpolitische Verhandlungen zugunsten der Arbeitnehmer durchzuführen. Der Anreiz besteht demzufolge darin, durch die Mitgliedschaft unter verbesserten Bedingungen zu arbeiten, indem eine Organisation für die eigenen Rechte einsteht. Die Gewerkschaft ver.di bekundet die meisten Mitgliedsbeitritte im Zuge von Tarifverhandlungen (Freidank, 2010, S. 237). Ein häufiges Phänomen ist jedoch das sogenannte ‚Trittbrettfahrerproblem’: Arbeitgeber gewähren oftmals auch Nicht-Mitgliedern ausgehandelte Leistungen, sodass diese keinen Bedarf sehen, aufgrund der Tarifpolitik in die Gewerkschaft einzutreten. Tarifverträge werden so zu öffentlichen Gütern und ein ökonomisch kalkulierender Arbeitnehmer hat wenig Grund, einen monatlichen Mitgliedsbeitrag zu leisten (Freidank, 2010, S. 231). Deshalb ist es sinnvoll, Leistungen und Anreize zu schaffen, die den Beitritt attraktiver gestalten, wie beispielsweise das Streikgeld. Die Anreize der Gewerkschaften sind Serviceleistungen, die nur Mitgliedern zukommen und auf diese Weise Trittbrettfahrer ausschließen. Diese können sich in Beratungen zu Arbeitsfragen, vergünstigten Urlauben oder Rechtsauskünften äußern (Ebd., S. 233). Dribbusch kategorisiert die Leistungen in individuelle und (semi-)kollektive Leistungen sowie konfliktbezogene und konfliktferne Leistungen (Dribbusch, 2003, S. 48). Unter individuellen Leistungen versteht man beispielsweise Notfallunterstützungen, Streikgelder oder Rechtsschutz. Kollektive Leistungen umfassen tarifliche Aushandlungen von Entlohnung und Arbeitsbedingungen, aber auch die Beeinflussung von politischen Entscheidungen. Semikollektive Leistungen stehen für die Vertretung bei Problemen am Arbeitsplatz. Konfliktbezogene Leistungen beziehen sich auf die strukturelle Konflikthaftigkeit des Arbeitsverhältnisses, wohingegen konfliktferne Leistungen sich verstärkt auf Freizeitangebote fokussieren, wie die Vermittlung von günstigeren Ferienangeboten oder Krediten.

Gerade das Organizing oder auch Campaigning wird oftmals als öffentlichkeitswirksame Art der Mitgliedergewinnung genutzt. Die ver.di versteht Streik auch immer als Mitgliederwerbung: Streiks seien wichtig, um die Gewerkschaft im Betrieb sichtbar zu machen (Schulten & Boewe, 2015, S. 48). Es gibt keine allgemeingültige Definition der Organizing-Strategie, aber Brinkmann sieht sie als Wiederherstellung oder Erweiterung gewerkschaftlicher Organisationsmacht (Brinkmann, 2008, S. 108). Man zeigt also in einer Branche Präsenz, sucht den Kontakt zu den Beschäftigten und baut Vertrauen auf. Die Identifikation von Missständen und Konflikten ist relevant, um ein Bewusstsein der Öffentlichkeit, (potenzieller) Mitglieder und anderer Bezugsgruppen für das Thema zu schaffen (Heery et al., 2000, S. 42). Häufig wird die Öffentlichkeitsarbeit genutzt, um auf Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen, Druck auf den Arbeitgeber auszuüben und sich in dem Betrieb zu etablieren. Als nächster Schritt folgt die Installation von Betriebsräten und schließlich die Rekrutierung von Mitgliedern (Freidank, 2010, S. 234). Das Image, welches sich unter anderem in der Präsenz der Gewerkschaft im Betrieb sowie mit ihr gemachten Erfahrungen verankert, ist relevant für eine potenzielle Mitgliedschaft (Dribbusch, 2003, S. 25). Die Verfügbarkeit der Gewerkschaften vor Ort spielt eine wichtige Rolle, denn die Organisation muss sich zuständig erklären und persönlichen Kontakt herstellen (Ebd., S. 27). Das ist die erste Hürde des Zwei-Hürden-Modells nach Dribbusch. Ein nächster Schritt ist die Interessenanregung von potentiellen Mitgliedern, etwa durch Information, persönliche Überzeugungsarbeit anderer Mitglieder oder Hilfestellungen der Gewerkschaften bei ersten Problemen (Ebd., S. 28). Persönliche Werbegespräche, aber auch die Mitgliederwerbung nach dem Prinzip ‚gleich zu gleich’, z.B. von Frau zu Frau, sorgen für Erfolg (Heery et al, 2000, S. 43). Dies stellt die zweite Hürde Dribbusch Modells dar: Die kontinuierliche Überzeugungsarbeit mit dem Ziel zum Beitritt.

Darüber hinaus ist die Entscheidung zur Mitgliedschaft ein Abwägungsprozess: Gesellschaftlich geprägte Wertevorstellungen, das Image der Gewerkschaften, die Einstellung zur Mitgliedschaft im Familien- oder Freundeskreis sowie insbesondere der Kollegen gelten als Faktoren im Entscheidungsprozess (Ebd., S. 30). Herrscht in Betrieben beispielsweise ein hoher Organisationsgrad, kann der Beitritt zu Reputationsgewinnen führen oder etwa die Solidarität mit den Kollegen bezeugen (Freidank, 2010, S. 233). Das sei beispielsweise bei ver.di ein häufiger Anreiz, denn „ein potenzielles Mitglied gelangt zu der Ansicht, dass sich seine Interessen mit denen von Kolleginnen/Kollegen decken, sodass sich kollektive Ziele vereinbaren lassen“ (Ebd., S. 237). Die Solidarität wird durch die Ausrichtung von gemeinsamen Aktionen verstärkt, wie Proteste oder das Tragen von Ansteckern (Heery et al., 2000, S. 44). Ein weiterer Faktor der Mitgliedergewinnung ist die wahrgenommene Wirksamkeit der Gewerkschaften. Gewerkschaften, die als besonders durchsetzungsfähig eingeschätzt werden, setzen in der Regel die Verbesserungen für das Arbeitsleben am konsequentesten um. Die Gewerkschaft muss sich im konkreten Fall als kompetent erweisen und sich notfalls gegenüber dem Unternehmen durchsetzen können. Verdeutlichen kann sich dies beispielsweise durch die Publikation erlangter Zwischenerfolge, aber auch durch die breite Vernetzung der Gewerkschaft mit anderen Organisationen, die ihre Unterstützung zusagen (Heery et al., 2000, S. 43).

2.3 Strategien zur Mitgliedermobilisierung

In der Literatur werden größtenteils Mobilisierungseffekte und -theorien anhand von sozialen Bewegungen untersucht, die sich nur bedingt auf die Mobilisierung von Gewerkschaften übertragen lassen (van de Donk et al., 2004; Neidhardt, 1994; McAdam, McCarthy & Zald, 1988). Sowohl Gewerkschaften als auch soziale Bewegungen sind auf ihre öffentliche Präsenz angewiesen, wie auch auf ihre (zu mobilisierende) Mitgliederzahl. Ihre Legitimation beruht jeweils auf der Wahrnehmung einer Problematik, sei diese gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder politischer Natur. Der Organisationsgrad als auch ggf. die Spontanität der Proteste unterscheiden die soziale Bewegung von der Gewerkschaftsform jedoch grundlegend. Gewerkschaften verfügen oftmals über mehrere Mittel, um zur Mobilisierung in Form von Protesten aufzurufen, beispielsweise geschützte Plattformen oder E-Mail-Verteiler. Unter Mobilisierung versteht man zum einen die Bereitschaft zum Protest, aber zum anderen auch sich außerhalb der Proteste für die Anliegen der Gewerkschaft einzusetzen.

Die Mobilisierung von Mitgliedern einer Gewerkschaft kann durch ‚Outside Lobbying’, durch Pressekonferenzen, Proteste und Vermittlung von Forschungsergebnissen an die Presse entstehen (von Winter & Willems, 2007, S. 37). Die Strategie wird auch Öffentlichkeitsstrategie genannt. Aus ihr geht hervor, dass die Thematisierung und Mobilisierung von Verbänden und sozialen Bewegungen ein öffentliches und somit mediales Thema ist. Sie sind abhängig vom Ausmaß und der Art der medialen Reaktion – entweder bleiben sie ohne Resonanz oder aber finden Aufmerksamkeit und Unterstützung (Rucht, 1994, S. 337). Dabei ähnelt diese Strategie der mitgliedergenerierenden Organizing-Strategie. Rucht unterscheidet zwei Arten der Mobilisierung anhand von sozialen Bewegungen. Die erste Kategorisierung trifft in Maßen auch auf Gewerkschaften zu. Ein in Ansätzen bereits vorhandenes, aber bisher weniger bekanntes oder relevantes Thema wird der breiten Bevölkerung präsentiert. Durch Agenda-Setting, der Etablierung bestimmter Themenschwerpunkte, soll ein Bewusstsein für die Problematik geschaffen werden. Die Bewegung, bzw. die Gewerkschaft, charakterisiert sich demnach als ein System, das darauf angelegt ist, Nachrichten und Meinungen zu vermitteln (Ebd., S. 338). In Bezug darauf spielen die Faktoren Unterhaltung, Emotionalität und Anschaulichkeit bei der Aufbereitung des gesellschaftlichen Problems eine relevante Rolle. Dadurch wird der Nachrichtenwert gesteigert, was wiederum der Thematisierung und der Mobilisierung der breiten Öffentlichkeit zugutekommt (Zühlsdorf, 2002, S. 69). Die Öffentlichkeitsstrategie zeigt Charakteristika vieler heutiger Kampagnen, z.B. von Greenpeace, auf. Im Mittelpunkt steht die Erlangung von Aufmerksamkeit durch nachrichtenwertträchtige Aktionen.

Die Medien sind nicht nur dafür verantwortlich, ein Problembewusstsein zu schaffen, sondern auch für die Vermittlung eines ‚Wir-Gefühls’, der Solidarität, die ebenfalls für die Mitgliedergewinnung relevant ist (Ebd., S. 381; Schmitt-Beck, 1990, S. 645). „Neben dem Engagement von Einzelnen werden soziale Bewegungen vor allem durch eine gemeinsame Identität zusammengehalten und Emotionen sind ein wichtiger Faktor bei der Mobilisierung“ (Voss, 2014, S. 386). Darunter versteht man das Prinzip der ‚Collective Identity’, die das Wir-Gefühl der Bewegungen/Organisationen in Abgrenzung zu ‚den Anderen’ in den Vordergrund stellt. Gemeinsamkeiten sollen hervorgehoben und bestärkt werden. Begründet wird dieser Ansatz durch die Collective-Behavior-Forschung (Donk et al., 2004, S. 7). Diese betont auch den spontanen Charakter eines Protests, konträr zur organisierten sozialen Norm. Auf Emotionalität basiert ebenso die relative Deprivationstheorie (Neidhardt & Rucht, 1993). Die Theorie orientiert sich an Maßstäben der Gerechtigkeit und Gleichheit: Belastungen sind dann potentiell protestgenerierend, wenn sie im Verhältnis zur Lage anderer Bezugsgruppen als unzumutbar und ungerecht empfunden werden. Besonders handlungsmotivierend wirkt die Realisierbarkeit des angestrebten Zustands. Die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der eigenen Lage einerseits und der Situation vergleichbarer Bezugsgruppen und legitimierbaren Ansprüchen andererseits bildet die zentrale soziale Quelle von Unzufriedenheit (Rucht, 1994, S. 339). Kritik an der Theorie äußert sich darin, dass Protest mit Mobilisierung gleichgesetzt wird und aus Unzufriedenheit noch keine Aktion entsteht, sondern intervenierende Variablen wie Handlungsressourcen eine Rolle spielen (Ebd, S. 340; McAdam, McCarthy & Zald, 1988, S. 703). Durch die Unzufriedenheit wird vielmehr deutlich, dass es Grund zur Handlung gibt und das Problem somit legitimiert ist (Rucht, 1994, S. 340). 1998 wandte Kelly die Theorie auf die gewerkschaftliche Mitgliedermobilisierung an. Er arbeitete heraus, dass die wahrgenommene Ungerechtigkeit betrieblicher Verhältnisse einer Organisation bedarf, die etwas an den Missständen ändert, somit die Gewerkschaft (Kelly, 1998, S. 59). Die Theorie der Ressourcenmobilisierung (McCarthy & Zald, 1977, 1980) bezieht, im Gegensatz zur Deprivationstheorie, intervenierende Variablen in Form von materiellen und immateriellen Ressourcen mit ein, wie beispielsweise Geld und Zeit der Aktivisten, sowie die Bindung und Informiertheit (van de Donk et al., 2004, S. 8). Im Vordergrund stehen hier weniger spontane Proteste aus Unzufriedenheit als strukturierte Aktionen. Grundlage des Ansatzes ist es, dass Entscheidungen einer rationalen Führung entsprechen. Die Theorie folgt demnach dem Prinzip des Rational Choice-Ansatzes (Ebd., S. 7f.). Nur wenn die Gegebenheiten es ermöglichen, folgt eine Mobilisierung. Diese Theorie bietet sich eher als Ergänzung anderer mobilisierender Ansätze an, als eine eigenständige Strategie. Ein weiterer theoretischer Ansatz ist das Framing-Konzept: Erfolgreiche Akteure schließen in der Vermittlung ihrer Problemdefinition an die in einer Gesellschaft vorhandenen Deutungsmuster zur Lösung der Probleme an (Baringhorst, et al., 2010, S. 50). Der Framing-Ansatz besagt, dass der Streik einer Gewerkschaft, also das unkonventionelle Verhalten einer Gruppe, zur konventionellen Norm wird. Durch Anpassungstendenzen wird das vorerst bedrohliche Verhalten legalisiert und akzeptabel (Rucht, 1994, S. 342). Snow und Benford (1988) machen drei Deutungsdimensionen aus, das Diagnostic Framing, das Prognostic Framing und das Motivational Framing. Das Diagnostic Framing definiert sich durch die Problemselektion und -identifikation sowie die Definition von Problemursachen, das Prognostic Framing zielt auf die Darstellung von Lösungsvorschlägen und Identifikation von Handlungszielen. Die Motivational Frames stellen Anreize dar, die die Handlungsbereitschaft der Adressaten wecken bzw. fördern sollen (Snow & Benford, 1988, S. 200f.). Im Falle einer Tarifverhandlung handelt es sich dabei um Lohnerhöhungen oder Arbeitsverbesserungen, die hier in der Strategie der Tarifpolitik zur Mitgliedergewinnung gefasst sind. Der Opportunity Structure-Ansatz nach Eisinger (1973) geht davon aus, dass sich Protestbewegungen durch Umwelteinflüsse entwickeln. Elementar für den Ansatz ist, dass (politische) Forderungen gestellt werden, die sich auf Strukturen und Ereignisse im externen System beziehen. Diese bezeichnet Eisinger als „politische Gelegenheitsstrukturen“. Für ihn ist die Wahrscheinlichkeit des Protests von der Offenheit bzw. Geschlossenheit des politischen Systems für die jeweiligen Anliegen der Organisation abhängig. Der Ansatz stellt in der folgenden Arbeit keine zu analysierende Erklärung zur Mobilisierung durch Social Media dar. In Deutschland funktioniert das Internet zwar nicht als rechtsfreier Raum, es findet jedoch auch keine politische Zensur statt.

Die Relevanz von Bezugsgruppen betont die Interaktionstheorie nach Tilly (1978). Die Entwicklung, Stabilisierung und auch das Verschwinden sozialer Bewegungen wird als Folge komplexer Interaktion mit Bezugsgruppen gedeutet. Soziale Veränderung wird z.B. durch öffentliche Proteste erzielt (Rucht, 1994, S. 346). Bewegungen bleiben im Wesentlichen nur die Protestmobilisierung einer hinreichend großen Zahl von Menschen – und das durch an Aktionen gekoppelte Zielformulierungen, Begründungen und Lösungsangebote, die geeignet sind, bei einem möglichst großen Publikum Aufmerksamkeit und positive Resonanz zu finden (Ebd, S. 348). Durch die Massenmedien können diese Informationen mit einer großen Reichweite verbreitet werden. Auch diese Theorie wirkt eher ergänzend zu anderen Strategien der Mobilisierung, da der Erfolg einer Tarifverhandlung, bzw. eines Streiks bei allen Strategien von öffentlicher Zuwendung abhängig ist. Die Mobilisierungsansätze gehen alle eher von Interaktion als von rein inhaltlicher Kommunikation aus. Diese Kommunikation wurde bisher allenfalls durch die Wiedergabe in den Massenmedien untersucht. Deshalb steht in der vorliegenden Arbeit die Analyse und Interpretation der verborgenen und impliziten Nachrichten an die Nutzer von Social-Networking-Sites im Vordergrund.

[...]


[1] Die Arbeitskampfbilanz der WSI setzt sich aus einer Schätzung auf Basis von Gewerkschaftsangaben, Pressemeldungen und eigenen Recherchen zusammen und ist deshalb differenziert zu betrachten.

Ende der Leseprobe aus 60 Seiten

Details

Titel
Soziale Netzwerke als Chance der Gewerkschaften? #WirFürMehr“
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Publizistik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
60
Katalognummer
V366339
ISBN (eBook)
9783668469198
ISBN (Buch)
9783960950844
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strategische Kommunikation, Gewerkschaften, Qualitative Inhaltsanalyse, Soziale Medien
Arbeit zitieren
Laura Höler (Autor:in), 2017, Soziale Netzwerke als Chance der Gewerkschaften? #WirFürMehr“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366339

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