Kannibalismusbild. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Darstellungen von Kannibalismus in Afrika im 19. Jahrhundert und Südamerika im 15. und 16. Jahrhundert


Hausarbeit, 2014

13 Seiten, Note: 2,3

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Kannibalismus – Allgemeiner Überblick

3. Darstellungen in Südamerika
3.1. Quellen über den Kannibalismus in Brasilien
3.2. Columbus und die karibischen Inseln
3.3. Darstellungen in Mexiko
3.4. Fazit der Darstellungen in Südamerika

4. Darstellungen in Afrika
4.1. Afrikanische Westküste
4.2. Zentralafrika
4.3. Fazit der Darstellungen in Afrika

5. Schlussbetrachtung

6. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst mit einem Thema, das zum einen höchst abschreckend ist, zum anderen aber uns immer wieder im Alltag begegnet. Ob im Film, Literatur oder im Sprachgebrauch mit den Floskeln wie: „Ich finde ihn süß“ oder „Ich habe ihn zum Fressen gern.“ Der Kannibalismus, der in der Wissenschaft als „Anthropophagie“ bezeichnet wird, ist Gegenstand dieser Arbeit. Dass es Kannibalismus gegeben hat, ist zweifelsfrei bewiesen. Die extremen Hungersnöte in den 20er Jahren im stalinistischen Russland und im Jahr 1972, nach dem Flugzeugabsturz in den Anden, überließen den Menschen keine andere Möglichkeit, als ihre Artgenossen aufzuessen, um zu überleben. Doch diese Art von Kannibalismus, die es aus der Not heraus gegeben hat, ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Es geht viel mehr darum, ob es gewohnheitsmäßigen Kannibalismus gab, der vom Volk akzeptiert wurde. Die Forscher sind sich unter einander nicht einig. Die Kritiker der Quellen sind der Ansicht, die Augenzeugenberichte seien nicht glaubwürdig, da viel abgeschrieben worden ist, Befürworter vertreten die Meinung, dass es Kannibalismus tatsächlich gegeben habe, mit der Begründung, man habe sich die Augenzeugenberichte nicht ausgedacht. Da man nicht eindeutig von diesem gewohnten Kannibalismus ausgehen kann, befasst sich die folgende Arbeit mit den Darstellungen des Kannibalenbildes im 15. und 16. Jahrhundert. Es werden die Kontinente Südamerika und Afrika in Betracht gezogen und die Darstellungen des Kannibalenbildes auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede analysiert. Unterscheiden sich die Kannibalen in Afrika von den Kannibalen in Südamerika? Was waren mögliche Gründe für die Gräueltaten der Kannibalen? Zunächst wird allgemein auf den Kannibalismusbegriff eingegangen, ehe es zu den Darstellungen in Südamerika kommt. Hier werden speziell auf bedeutende Staaten eingegangen. Zunächst geht es um die Darstellungen in Brasilien. Hier werden zwei Quellen, zu denen wir gleich kommen, in Betracht gezogen und analysiert. Des Weiteren werden auf den karibischen Inseln, worüber Columbus in seinen Tagebüchern berichtet, eingegangen. Außerdem betrachten wir das aztekische Volk und ziehen Fazit aus den Darstellungen des Kannibalenbildes in Südamerika,ehe die Darstellung in Afrika betrachtet wird. Nachdem auf die afrikanische Westküste und auf Zentralafrika eingegangen wird, wird auch hier ein Fazit aus den Darstellungen gezogen. Zum Schluss wird noch einmal auf die Fragestellung eingegangen und die Arbeit zusammengefasst.

In der Arbeit werden drei Quellen herangezogen. Hans Staden, der behauptete, er sei Mitte des 16. Jahrhunderts in die Hände eines Volkes geraten, das Menschen tötet und frisst, beschrieb die Machenschaften der Menschenfresser in der „Wahrhaftigen Historie“. Außerdem wird mit dem Brasilianischen Tagebuch von Jean de Léry gearbeitet, der von seinen Erfahrungen, ebenfalls Mitte des 16. Jahrhunderts, mit Kannibalismus in Brasilien schilderte. Zu guter Letzt wird auf den Brief von Christoph Columbus eingegangen, der 1492 Amerika entdeckte und seine Ansicht von der „neuen Welt“ kundgab.

2. Kannibalismus – Allgemeiner Überblick

Der Begriff Kannibalismus fand zum erstem Mal Ende des 15. Jahrhunderts Gebrauch, Dank Christoph Columbus, der unter den Völkern der karibischen Inseln untergekommen ist und den Begriff zum ersten Mal im Jahr 1943 in seinem Tagebuch auftauchen ließ und somit sich der Begriff nach Europa verbreitete. Bis zu diesem Zeitpunkt verwendete man das Wort „Anthropologie“, das aus den Griechischen Wörtern „anthropo“ und „phágoi“ abgeleitet ist.[1] Wie in der Einleitung schon hingedeutet, geht diese Arbeit nicht auf den Kannibalismus von Einzelpersonen, wie etwa Serienmördern, ein. Auch nicht auf den notgedrungenen Kannibalismus, sondern vielmehr um die gewohnheitsmäßige Menschenfresserei.[2]

Ewald Volhard unterscheidet in seiner Studie Kannibalismus von 1939 zwischen profaner, gerichtlicher, magischer und ritueller Kannibalismus.[3] Jan Filip hingegen, der Herausgeber des enzyklopädischen Handbuches zur Ur- und Frühgeschichte Europas, unterscheidet zwischen rituellen, mystischen, pathologischen und der Ernährung dienenden Kannibalismus.[4]

„Hinzu kommen in der neueren ethnologischen Forschung Theorien über die psychologische, kulturelle oder soziale Bedeutung des Kannibalismus sowie über Menschenfresserei als Ernährungsstrategie einer Gesellschaft, durch dir im Fall des Fehlens größerer Säugetiere angeblich die Eiweißversorgung gewährleistet wird“.

In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, welche „Art“ von Kannibalismus in Südamerika, welche in Afrika verbreitet war bzw. welche Arten verbreitet waren. Außerdem wird unterschieden, ob es sich um Exokannibalismus, sprich das Verspeisen von Fremden, oder um Endokannibalismus, sprich das Verspeisen von Verwandten oder Gruppenangehörigen, handelt.[5] Kannibalismusdarstellungen und Beschuldigungen wurden oft verbreitet, um sich gegenüber anderen Völkern abzugrenzen und diese schlecht darstellen zu lassen, beziehungsweise seine eigene kulturelle Position hervorzuheben.[6]

3. Darstellungen in Südamerika

3.1. Quellen über den Kannibalismus in Brasilien

Jean de Léry, ein französicher Protestant, der Mitte des 16. Jahrhunderts nach Rio de Janeiro kam, gibt einen Bericht über seine Erfahrungen mit den Tupinambás, ein kannibalistisches Volk aus Brasilien, heraus.[7] Auch Hans Staden, der bei der Erforschung Brasiliens in den Händern eines Kannibalenvolkes, die als Tupinamba bezeichnet wurden, geriet, erzählt von seinen Erfahrungen.[8] [9]

Detailliert beschreibt Staden das kannibalistische Vorgehen der Tupinamba von Anfang bis Ende.[10] Zunächst wurden die Gefangenen in Gewahrsam genommen, wurden von den Frauen geschmückt, ehe sie zur Tötung vorbereitet wurden, bevor die Tötungszeremonie losging. Bevor es zur Tötung kam, beschreibt Staden, wie der Matador die Rede hielt:

„und sagt dann/ ja hie bin ich/ ich will dich tödten/ dann die deinen haben meiner freunde auch viel getödtet.“[11] Danach beschreibt Staden die Tötung wie folgt: „Mit dem Holtz schlecht er jnen/ hinde auff den Kopff/ das im das Hirn darauß springt/ als baldt nemen in die weiber/ zihe in auff das fewer/ kratze jm die haut alle ab/ machen in gantz weiß/ stopffen im den hindersten mit einem holtze zu/ auf dz im nichts entgeht.“[12]

Laut Staden wird das Töten und Auffressen der Menschen nicht damit begründet, dass die Tupinamba Hunger hatten, sondern dass sie mit Hass und Neid erfüllt waren, und deshalb ihre Opfer auf so eine grauenvolle Art und Weise töten und auffraßen.

Nach dem Töten wurde die Leiche verteilt und zubereitet, ehe sie gegessen wurde.

Im ersten Teil seines Berichtes beschreibt Staden, die Tupinamba hätten das Menschenfleisch aus ganz profanen Gründen gefressen, im zweiten Teil wiederum sei der der Kannibalismus an einem streng zeremoniellen Zusammenhang gebunden.[13] [14]

Das Volk der Tupinamba töteten und fraßen nicht nur ihre Freunde, sondern unter anderem auch ihre Freunde und Verwandten. Somit herrschte unter dem Volk sowohl Exokannibalismus als auch Endokannibalismus. Ein Zitat Hans Stadens, der in der Literatur von Henseler und Schumann von 2003 auftaucht, verdeutlicht dies: „Sy streiten auch miteinander. Sy essen auch einander selbst die erschlagen werden und hencken dasselbig Fleisch in den Rauch.“[15]

Laut Marvin Harris brachten die Indianer aus Brasilien Menschenopfer dar, um sich bestimmte Vorteile bei den Göttern zu verschaffen.[16]

In den portugiesischen Darstellungen des Kannibalismus in Brasilien werden die Machenschaften der Kannibalen zum Teil auch mit Neugier und Sensationslust begründet.[17]

Jean de Léry schreibt unter anderem in seinem Bericht, die Kannibalen fräßen ihre Feinde weniger aus Hunger, sie seien aber der Meinung Menschenfleisch sei „sehr gut und wohlschmeckend. Sie verzehren es indes mehr aus Rache als wegen den Wohlgeschmacks, außer die alten Frauen, die „sehr darauf erpicht sind. „Ihre Absicht bei der Verfolgung und beim Abnagen der Toten bis auf die Knochen besteht darin, den Lebenden Furcht und Schrecken einzujagen. Um ihre Rachegelüste zu befriedigen, vertilgen sie alles restlos […] lediglich das Gehirn, das sie niemals anrührten, bildet eine Ausnahme“ Das Volk der Tupinamba sammelte laut Léry die Köpfe ihrer Opfer, ebenso würden sie Knochen sammeln, um „daraus Pfeifen und Pfeile anzufertigen“. Die Zähne ihrer Opfer würden sie als Schmuck verwenden.[18]

3.2. Columbus und die karibischen Inseln

Als Christoph Columbus 1492 „auf der neuen Welt“ angekommen war, dementierte er zunächst, dass es Kannibalen gab: „Und so habe ich denn keine Ungeheuer erblickt und habe auch nirgendwo von solchen gehört“.[19]

Doch später hörte Columbus von einem „Volk, das von seinen Nachbarn für überaus grausam angesehen wird.“ Die Bewohner aus der Karibik fräßen Menschenfleisch.

Des Weiteren hätte man Columbus erzählt, „er solle sich vor den Einwohnern von Bohio in Acht nehmen. Sie hätten nur ein Auge und ernähren sich vom Menschenfleisch.“[20]

Zunächst traute Columbus diesen Erzählungen nicht, „bis er selbst mit den Thatsachen vertraut wurde und Meldung davon macht, daß die Cariben sogar die mit gefangenen Weibern erzeugten Kinder verzehrt haben sollen.[21] Die Cariben, die als Menschenfresser bezeichnet wurden, waren auf den Antillen, auf der Westküste von Puerto Rico und Haiti vertreten. Laut Tertre fraßen die Cariben sowohl ihre gefallenen Feinde als auch ihre Gefangenen. Und dass der tapferste Kriefer das Herz des Opfers bekam, spricht für den Aberglauben der Cariben.[22] Martyrs, der im 15. Jahrhundert eine Reise auf den karibischen Inseln unternahm, berichtet folgendes: „Die Kannibalen führen Krieg gegen ihren Nachbarn, um Menschenfleisch erhalten zu können. Gefangene Knaben werden gemästet und aufgegessen, junge Frauen werden für die Menschenzucht begattet, alte Frauen müssen Sklavendienste verrichten.“[23]

[...]


[1] Vgl. Henseler, K. Schumann, N. Vom Menschsein und vom Gefressenwerden. Hamburg, 2003. S.84-85.

[2] Vgl. Peter-Röcher, Heidi. Mythos Menschenfresser. Ein Blick in die Kochtöpfe der Kannibalen. Münchhen, 1998.S.14.

[3] Vgl. Volhard, Ewald. Studien zur Kulturkunde. Stuttgart, 1939.

[4] Vgl. Filip, Jan. Enzyklopädisches Handbuch zur Ur- und Frühgeschichte Europas. Prag, 1966.

[5] Vgl. Peter-Röcher, Heidi. Mythos Menschenfresser. S.10, S.14.

[6] Vgl. Saupe, A. Kannibalismus und Kultur. Frankfurt am Main, 2001. S.14.

[7] Vgl. Léry, Jean de. Brasilianisches Tagebuch 1557. Tübingen, 1967.

[8] Vgl. Staden, Hans. Brasilien, Historia von den nackten, wilden Menschenfressern 1548-1555. Kiel, 1964.

[9] Vgl. Spiel, Christian. Menschen essen Menschen. München, 1972. S.51.

[10] Vgl. Pinheiro, T. Die Konstruktion Brasiliens und seiner Bewohner in portugiesischen Augenzeugenberichten 1500-1595. Stuttgart, 2004.

[11] Wendt, Astrid. Kannibalismus in Brasilien. Frankfurt am Main, 1989. S.78.

[12] Wendt, Astrid. Kannibalismus in Brasilien.S.78.

[13] Vgl. Peter-Röcher. Mythos Menschenfresser. S. 143-144.

[14] Vgl. Obermeier, Franz (Hrsg.). Jahrbuch für Geschichte Lateinamerikas, Band 38. Böhla Köln/Weimar/Wien, 2001. S.63

[15] Henseler, K. Schumann, N. Vom Menschsein und vom Gefressenwerden. S. 116.

[16] Vgl. Harris, Marvin. Kannibalen und Könige. Die Wachstumsgrenze der Hochkulturen. München, 1999. S.132.

[17] Vgl. Wendt, Astrid. Kannibalismus in Brasilien. Eine Analyse europäischer Reiseberichte und Amerika- Darstellung für die Zeit zwischen 1500 und 1654.Frankfurt am Main, 1989. S.69.

[18] Vgl. Léry, Jean de. Brasilianisches Tagebuch 1557. S.268-269.

[19] Wallisch, Robert (Übers.). Kolumbus. Der erste Brief aus der neuen Welt 1492. Stuttgart, 2000. S.31.

[20] Henseler, K. Schumann, N. S.81.

[21] Vgl. Andree, Richard. Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie. Leipzig, 1887. S.72.

[22] Vgl. Andree, Richard. S.72.

[23] Menninger, Annerose. Macht der Augenzeugen. Neue Welt und Kannibalen – Mythos, 1492-1600. Stuttgart, 1995. S.128.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Kannibalismusbild. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Darstellungen von Kannibalismus in Afrika im 19. Jahrhundert und Südamerika im 15. und 16. Jahrhundert
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster  (Neuere und neuste Geschichte)
Veranstaltung
Seminar
Note
2,3
Jahr
2014
Seiten
13
Katalognummer
V366461
ISBN (eBook)
9783668452503
ISBN (Buch)
9783668452510
Dateigröße
845 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kannibalismus, Afrika, Südamerika, 19.Jahrhundert, Quellen, 15. Jahrhundert, 16. Jahrhundert, gemeinsamkeiten, unterschiede, Kannibalismusbild
Arbeit zitieren
Anonym, 2014, Kannibalismusbild. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Darstellungen von Kannibalismus in Afrika im 19. Jahrhundert und Südamerika im 15. und 16. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366461

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