Präklusion bezeichnet allgemein das Ausschließen eines Verfahrensbeteiligten mit seinem Sachvortrag vom rechtlichen Gehör und damit die Nichtberücksichtigung bei der Entscheidungsfindung. Im Verlauf des Erkenntnisverfahrens dient diese insbesondere in Gestalt des § 296 Abs. 2 ZPO der Gewährleistung der Prozessförderungspflicht gem. § 282 Abs. 1 ZPO. Es wird zudem verbreitet angenommen, dass sich diese Folge auch nach dem Verfahren fortsetzt, nämlich in Gestalt einer Rechtskraftwirkung gem. § 322 Abs. 1 ZPO. So nimmt auch die zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Arbeit neueste Entscheidung des BGH zu diesem Thema (BGH NJW 2017, 893), auf die vertieft eingegangen wird, eine aus der Rechtskraft folgende Präklusion von Sachvortrag an.
Diese Arbeit prüft zunächst, ob schon aus der Natur der (materiellen) Rechtskraft eine solche Präklusion folgt und ggf. wie weit diese reicht. Vor dem Hintergrund der dabei herausgearbeiteten Begründung wird sodann herausgearbeitet, ob über eine primäre Rechtskraftpräklusion hinaus weiterer, auch über die objektiven Grenzen der Rechtskraft hinausgehender, Sachvortrag aus Gründen der Rechtskraft präkludiert sein kann.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einführung
- 2 Präklusion als Primärwirkung aus der Natur der materiellen Rechtskraftwirkung
- 2.1 Die vertretenen Theorien und ihre Bedeutung für eine Präklusion von Sachvortrag
- 2.1.1 Materiellrechtliche Theorien
- 2.1.1.1 Klassische materiellrechtliche Theorie
- 2.1.1.2 Lehre von der unwiderleglichen Vermutung
- 2.1.2 Prozessrechtliche Theorien
- 2.1.2.1 Klassische Bindungslehre (Abweichungsverbot)
- 2.1.2.2 Ne-bis-in-idem-Lehre (Wiederholungsverbot)
- 2.1.3 Vermittelnde Auffassung
- 2.1.4 Abweichungs- oder Wiederholungsverbot?
- 2.1.4.1 Präklusion wegen Sinnlosigkeit
- 2.1.4.2 Präklusion bei identischem Streitgegenstand
- 2.1.4.3 Präklusion bei abweichendem Streitgegenstand
- 2.2 Positionierung des BGH
- 2.3 Argumentationstopoi zur Wahl der Rechtskrafttheorie
- 2.3.1 Historie
- 2.3.2 Wahrheitsanspruch des Urteils und Autorität des Gerichts
- 2.3.3 Gewaltenteilung
- 2.3.4 Unterschiedliche Wirkweisen je nach Richtigkeit
- 2.3.5 Wiederaufnahmeverfahren
- 2.3.6 Für den Rechtsfrieden notwendige Drittwirkung
- 2.3.7 Ungewünschte Drittwirkung
- 2.3.8 Prozessurteil
- 2.3.9 Bindungswirkung
- 2.3.10 Notwendigkeit einer materiellrechtlichen Wirkung
- 2.4 Stellungnahme
- 2.5 Umfang der Rechtskraft
- 2.5.1 Subjektive Grenzen
- 2.5.2 Zeitliche Grenzen
- 2.5.3 Objektive Grenzen
- 2.5.3.1 Begriff des prozessualen Anspruchs
- 2.5.3.2 Subjektiver Begriff
- 2.5.3.3 Abgrenzung nach Interessenabwägung
- 3 Präklusion als Sekundärwirkung der Rechtskraft
- 3.1 Wortlaut
- 3.2 Historie
- 3.3 Verfassungsrechtliche Anforderungen
- 3.3.1 Ne bis in idem gem. Art. 103 GG
- 3.3.2 Gebot rechtlichen Gehörs aus Art. 103 GG
- 3.3.3 Gebot der Verfahrensbeschleunigung
- 3.3.4 Gebot der Rechtssicherheit
- 3.3.5 Zusammenfassung und Schlussfolgerung
- 3.4 Systematik: verwandte Präklusionswirkungen
- 3.4.1 Bündelungsgebote
- 3.4.2 § 767 Abs. 2 ZPO
- 3.4.3 Präklusion von Gestaltungsrechten
- 3.5 Zwischenergebnis
- 3.6 Doppelfunktionale Tatsachen
- 3.6.1 BGH: Beschluss vom 22.09.2016 - V ZR 4/16
- 3.6.2 Fiktiver Beispielfall
- 4 Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Studienarbeit untersucht die Präklusion von Sachvortrag nach § 322 Abs. 1 ZPO. Ziel ist es, die verschiedenen theoretischen Ansätze zur Rechtskraftwirkung und deren Bedeutung für die Präklusion zu analysieren und die Position des Bundesgerichtshofs (BGH) zu dieser Thematik darzustellen. Die Arbeit beleuchtet sowohl die Primär- als auch die Sekundärwirkung der Rechtskraft in diesem Kontext.
- Die verschiedenen Theorien zur materiellen Rechtskraft und deren Auswirkungen auf die Präklusion.
- Die Rechtsprechung des BGH zur Präklusion von Sachvortrag.
- Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Präklusion.
- Der Umfang der Rechtskraft und deren subjektive, zeitliche und objektive Grenzen.
- Die Systematik verwandter Präklusionswirkungen.
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einführung: Dieses Kapitel dient als Einleitung in die Thematik der Präklusion von Sachvortrag nach § 322 Abs. 1 ZPO. Es skizziert den Forschungsgegenstand und die methodischen Vorgehensweisen der Arbeit, um den Leser auf die nachfolgenden Kapitel vorzubereiten und den Kontext der Untersuchung zu erläutern. Es legt die zentrale Fragestellung der Arbeit dar und gibt einen Überblick über die Struktur und den Aufbau der Untersuchung.
2 Präklusion als Primärwirkung aus der Natur der materiellen Rechtskraftwirkung: Dieses Kapitel befasst sich eingehend mit der Präklusion als Primärwirkung der materiellen Rechtskraft. Es analysiert verschiedene materielle und prozessuale Theorien, die die Grundlage für die Präklusion bilden, und vergleicht diese kritisch. Besondere Aufmerksamkeit wird der Rechtsprechung des BGH gewidmet, die Argumentationstopoi des BGH werden detailliert untersucht und die unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Rechtslehre werden herausgestellt und eingeordnet. Die Kapitel 2.5 beleuchtet den Umfang der Rechtskraft, und seine Grenzen - subjektiv, zeitlich und objektiv – um die Reichweite der Präklusionswirkung umfassend zu verstehen.
3 Präklusion als Sekundärwirkung der Rechtskraft: Dieses Kapitel widmet sich der Präklusion als Sekundärwirkung der Rechtskraft. Es untersucht den Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO im Kontext der Rechtskraft, analysiert dessen historische Entwicklung und beleuchtet die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine solche Präklusionswirkung, insbesondere im Hinblick auf Art. 103 GG (Ne bis in idem, rechtliches Gehör, Verfahrensbeschleunigung, Rechtssicherheit). Abschließend werden verwandte Präklusionswirkungen systematisch eingeordnet und ein Zwischenergebnis gezogen, das die zentralen Erkenntnisse des Kapitels zusammenfasst. Der Bezug zu Entscheidungen des BGH wird hergestellt und an konkreten Beispielen veranschaulicht.
Schlüsselwörter
Präklusion, Sachvortrag, § 322 Abs. 1 ZPO, Materielle Rechtskraft, Prozessrecht, Rechtskraftwirkung, Bundesgerichtshof (BGH), Verfassungsrecht, Art. 103 GG, Ne bis in idem, Rechtliches Gehör, Verfahrensbeschleunigung, Rechtssicherheit, Objektive Grenzen der Rechtskraft, Subjektive Grenzen der Rechtskraft, Zeitliche Grenzen der Rechtskraft.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Studienarbeit: Präklusion von Sachvortrag nach § 322 Abs. 1 ZPO
Was ist der Gegenstand dieser Studienarbeit?
Die Studienarbeit untersucht die Präklusion von Sachvortrag nach § 322 Abs. 1 ZPO. Sie analysiert verschiedene theoretische Ansätze zur Rechtskraftwirkung und deren Bedeutung für die Präklusion und stellt die Position des Bundesgerichtshofs (BGH) dar. Behandelt werden sowohl die Primär- als auch die Sekundärwirkung der Rechtskraft in diesem Kontext.
Welche Theorien zur materiellen Rechtskraft werden untersucht?
Die Arbeit analysiert verschiedene materiell- und prozessrechtliche Theorien zur materiellen Rechtskraft, darunter die klassische materiellrechtliche Theorie, die Lehre von der unwiderleglichen Vermutung, die klassische Bindungslehre (Abweichungsverbot), die Ne-bis-in-idem-Lehre (Wiederholungsverbot) und eine vermittelnde Auffassung. Der Fokus liegt auf dem Vergleich und der kritischen Auseinandersetzung dieser Theorien.
Welche Rolle spielt die Rechtsprechung des BGH?
Die Rechtsprechung des BGH zur Präklusion von Sachvortrag spielt eine zentrale Rolle. Die Arbeit untersucht detailliert die Argumentationstopoi des BGH und ordnet die unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Rechtslehre ein. Konkrete Entscheidungen des BGH, wie z.B. der Beschluss vom 22.09.2016 - V ZR 4/16, werden herangezogen und analysiert.
Welche verfassungsrechtlichen Aspekte werden berücksichtigt?
Die Arbeit beleuchtet die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Präklusion, insbesondere im Hinblick auf Art. 103 GG (Ne bis in idem, rechtliches Gehör, Verfahrensbeschleunigung, Rechtssicherheit). Es wird untersucht, inwieweit die Präklusion mit diesen verfassungsrechtlichen Grundprinzipien vereinbar ist.
Wie wird der Umfang der Rechtskraft behandelt?
Der Umfang der Rechtskraft und seine Grenzen (subjektiv, zeitlich und objektiv) werden umfassend untersucht, um die Reichweite der Präklusionswirkung zu verstehen. Der Begriff des prozessualen Anspruchs und die Abgrenzung nach Interessenabwägung werden dabei detailliert erörtert.
Welche verwandten Präklusionswirkungen werden betrachtet?
Die Arbeit ordnet verwandte Präklusionswirkungen systematisch ein, darunter Bündelungsgebote, § 767 Abs. 2 ZPO und die Präklusion von Gestaltungsrechten. Die Zusammenhänge und Unterschiede zu der Präklusion von Sachvortrag werden herausgestellt.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einführung, ein Kapitel zur Präklusion als Primärwirkung der materiellen Rechtskraft, ein Kapitel zur Präklusion als Sekundärwirkung der Rechtskraft und eine Zusammenfassung. Jedes Kapitel behandelt spezifische Aspekte der Thematik und baut auf den vorhergehenden Kapiteln auf.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Präklusion, Sachvortrag, § 322 Abs. 1 ZPO, Materielle Rechtskraft, Prozessrecht, Rechtskraftwirkung, Bundesgerichtshof (BGH), Verfassungsrecht, Art. 103 GG, Ne bis in idem, Rechtliches Gehör, Verfahrensbeschleunigung, Rechtssicherheit, Objektive Grenzen der Rechtskraft, Subjektive Grenzen der Rechtskraft, Zeitliche Grenzen der Rechtskraft.
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- Till Menke (Autor:in), 2017, Zur Präklusion von Sachvortrag nach § 322 Abs. 1 ZPO, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366463