Gesellschaftspolitische Dimensionen in VALIE EXPORTS „feministischem Aktionismus“


Hausarbeit, 2013

12 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhalt

Einleitung

1 VALIE EXPORT
1.1 Werdegang

2 Gesellschaftspolitische Dimensionen in EXPORTS „feministischem Aktionismus“ der 60er und 70er Jahre
2.1 Das „Tapp- und Tastkino“
2.2 „Aktionshose: Genitalpanik“

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

In Peter Weibels Standardwerk „Kontext Kunst“ ist die Rede von Kunst als „Instrument der Kritik und Analyse der sozialen Institutionen.“1 Dieses erscheint in den 90er Jahren und beschreibt im Grunde, was VALIE EXPORT bereits in ihren frühen Werken, an denen Weibel nicht selten beteiligt war, in den 60er und 70er Jahren verarbeitet. Dennoch kommt es erst Jahre später zu einem gesellschaftlichen Diskurs, als sei die Zeit nötig gewesen, um sich Geltung und Anerkennung zu verschaffen, um registriert, verarbeitet und ernst genommen zu werden. Heute gilt das Werk der einst verhassten, als Pornographin verrufenen VALIE EXPORT als Pionierleistung des „feministischen Aktionismus“. Wie aber gestaltet sich eine Kritik, wie ein Analysieren sozialer Institutionen? Welcher Mittel und Möglichkeiten wird sich bedient, um in Zeiten des Umbruchs, des Aufbruchs und der beginnenden sexuellen Befreiung durch Kunst auf Missstände hinzuweisen? Und welche Rolle spielt das Geschlecht in diesem Zusammenhang? Handelt es sich lediglich darum, zu rebellieren, schockieren und provozieren oder liegt dem ein absichtsvolleres Handeln zu Grunde, wenn ja, wie äußert sich dieses? Auf diese Fragen hin möchte ich im Folgenden zwei der frühen Aktionen EXPORTS untersuchen. Um die Relevanz ihrer Arbeiten gänzlich zu verstehen, gilt es die engen gesellschaftspolitischen Strukturen des Österreichs der 60er und 70er Jahre, dem Ursprungsland ihres Schaffens, zu berücksichtigen. Diese autoritäre, vom Katholizismus geprägte Unbeweglichkeit der österreichischen Nachkriegszeit erklärt die Empörung und das Unverständnis, das ihren Aktionen entgegengebracht wird. Vor diesem Hintergrund erscheint ein In-Frage-Stellen der Konstruktionen der Repräsentationssysteme durch die Performance-, Video-, Foto-, Medienkünstlerin und Filmemacherin VALIE EXPORT wie eine Notwendigkeit.2

Ich werde zunächst auf die Eckpunkte ihrer Biographie eingehen und anschließend anhand zweier ausgewählter Beispiele ihrer frühen Aktionen ihre feministische Systemkritik untersuchen.

1 VALIE EXPORT

Bei einem ausgesprochen umfangreichen und vielseitigen Œuvre, wie es bei EXPORT gegeben ist und auf das ich hier nicht detailliert eingehen können werde, erscheint es mir angebracht, zumindest in groben Zügen einen Blick auf den Werdegang und das Wirken der Künstlerin zu werfen.

1.1 Werdegang

Die 1940 in Linz geborene und großgewordene Waltraud Höllinger, geb. Lehner, wächst als jüngstes dreier Mädchen und Tochter zweier Lehrer in gutbürgerlichem Hause auf. Ihr Vater kämpft als überzeugter Nationalsozialist im zweiten Weltkrieg und kommt dabei in Afrika ums Leben. Ihr wird eine religiöse Erziehung durch Klosterschwestern zuteil, deren Regelwerk nicht EXPORTS Vorstellungen entspricht und die sie in ihren Aktionen noch kritisieren wird, wie sich später herausstellen soll. Ihrer Mutter ist es wichtig, dass die Töchter sich mit Kultur auseinandersetzen und studieren.3 1955 beginnt sie eine Ausbildung an einer Kunstgewerbeschule in Linz, heiratet 1958 und bringt ihre Tochter Perdita zur Welt. Zwei Jahre später zerbricht die Ehe und 1964 schließt EXPORT ihr Design-Studium an der Höheren Bundeslehranstalt für Textilindustrie mit Diplom ab.4 1967 lässt sie ihre beiden bürgerlichen Namen hinter sich und nennt sich selbst VALIE EXPORT. In einem Interview mit einem Kunstmagazin erläutert sie die Wahl ihres Künstlernamens folgendermaßen: „Er sollte international sein, etwas, das rausgeht, was nicht nur bei mir drinnen ist. Da ist EXPORT das Beste gewesen […].“5 Auf die Frage hin, warum sie auf die Versalien bestehe, erwidert EXPORT, dass der Name auffallen solle und dass Künstlerinnennamen häufig überlesen würden.6 Dieser Gefahr vorzubeugen ist ihr durch diese Schreibweise wohl gelungen und unverkennbar ist diese Aktion bereits eine feministische Kritik an patriarchalen Strukturen des damaligen Österreichs. Indem sie ihre Kunst sowie den eigenen Körper in ihren Werken immer wieder mit dem Begriff der Ware in Verbindung bringt, schafft sie mit VALIE EXPORT nicht nur einen neuen Namen sondern mit ihm gewissermaßen ein Programm.7 Zu Beginn der 70er Jahre widmet sie sich ganz der Frage nach der Beziehung von Frauenbewegung und Kunst und organisiert 1975 und 1985 zwei große Künstlerinnen-Ausstellungen in Wien, deren Inhalte sich mit den internationalen feministischen Strömungen auseinandersetzen. 1977 ist EXPORT mit Videos auf der Documenta 6 in Kassel vertreten und 1980 repräsentiert sie Österreich bei der Biennale in Venedig.8 VALIE EXPORT hat sich endgültig als Künstlerin etabliert, nimmt ab 1979 umfangreiche Lehrtätigkeiten auf und erhält bis heute zahlreiche Preise.

Diese Anerkennung wird ihr allerdings nicht seit jeher zuteil. Ich möchte einen Blick auf die Anfänge ihrer künstlerischen Tätigkeiten werfen, in denen sie im eigenen Land auf Unverständnis und Abneigung stößt. Anhand dieser frühen Aktionen werde ich ihre Kritik am patriarchal strukturierten Repräsentationssystem untersuchen.

2 Gesellschaftspolitische Dimensionen in EXPORTS „feministischem Aktionismus“ der 60er und 70er Jahre

2.1 Das „Tapp- und Tastkino“

Erstmals präsentiert VALIE EXPORT ihr wohl bekanntestes Expanded Cinema im Rahmen der „2. Maraisiade - Junger Film“ 1968 in Wien. Statt wie erwartet ihren preisgekrönten Film „Ping Pong“ vorzustellen sorgt sie mit ihrem damals provokanten sogenannten „Tapp- und Tastkino“ für Tumult im Publikum.9 VALIE EXPORT schnallt sich einen Styroporkasten vor ihren nackten Oberkörper. Ähnlich wie im Kino ist auch hier die Sicht auf die „Leinwand“, in diesem Fall ihre Brust, durch einen Textilvorhang verdeckt. Jeder, der sich traut und möchte wird nun aufgefordert diese 33 Sekunden dauernde „Vorstellung“ zu besuchen. Sie besteht darin, beide Hände in den Kasten zu stecken und ihre Brüste zu ertasten.10 Der Aktion geht folgendes Statement VALIE

EXPORTS voraus:

„... ich stifte hiermit eine Schachtel Zünder. Damit wird man durchkommen, einen Teil der eingereichten Filme zu verbrennen, mit Ausnahme des letzten Werkes von Valie Export. Das ist nämlich kein Film. Das ist sie selber, und Hexenverbrennungen sind nicht mehr üblich […] Sie steht auf der Bühne, und jeder, der will, darf sie abtappen."11

Das zweite Mal präsentiert EXPORT ihr „Tapp- und Tastkino“ wenige Monate später im Rahmen des 1. Europäischen Treffens unabhängiger Filmemacher der Welt am Stachusplatz in München.12

Jede Vorführung dieses »ersten direkten Frauenfilms«, als welchen VALIE EXPORT ihr Expanded Cinema damals bezeichnet, wird von Peter Weibel durch ein Megafon angepriesen. Dieses Anpreisen erinnert an einen Marktschreier, der sein Produkt „an den Mann“ bringen möchte. Betrachtet man die Aktion aus dieser Perspektive, so wird die Frau und insbesondere ihr entblößter Oberkörper zur Ware, zu „öffentlichem“ Gut, VALIE exportiert sich auf diese Weise gewissermaßen selbst, indem sie ihr Innen dem Außen offenbart und kann von jeder und jedem, die oder der möchte, für begrenzte Zeit „konsumiert“ werden. Im Österreich der endenden 60er Jahre fallen Studentenbewegung und Auflehnung gegen patriarchale Gesellschaftsstrukturen vergleichsweise schwach aus. Umso stärker und empörter reagiert die Öffentlichkeit auf ihr „Tapp- und Tastkino“. In einem Interview berichtet EXPORT, wie ihr entgegen geschrien wird, ob man sich das bieten lassen müsse und ob das noch Film sei.13 Es spiegelt sich in dieser Aktion eine System- und Gesellschaftskritik, in der EXPORT aus feministischer Perspektive die vorherrschend patriarchalen Strukturen in Kunst und Gesellschaft in Frage stellt und radikal kritisiert. Als eine der ersten Künstlerinnen negiert sie mit ihrer Aktion jegliche Tradition und politisiert die Kunst durch ihr Geschlecht auf eine bis dahin in Österreich nicht gekannte Art und Weise. Stark beeinflusst werden diese frühen Arbeiten VALIE EXPORTS bereits einige Jahre zuvor durch die Wiener Gruppe sowie Vertreter des Wiener Aktionismus.14 Protagonisten dieser beiden Gruppierungen sind ausschließlich Männer,

[...]


1 Vgl. Susanne Weingarten: „Heimkehr der verlorenen Tochter“(April 1997), in: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8704559.html (Stand: 11.08.2013).

2 Vgl. Hedwig Saxenhuber: „Vorwort“, in: Hedwig Saxenhuber (Hg), VALIE EXPORT, Moskau 2007, S. 14. 3

3 Vgl. Andrea Zell: Valie Export. Inszenierung von Schmerz, Berlin 2000, S. 15.

4 Vgl. ebd.

5 Almuth Spiegler: „VALIE EXPORT“ (2011), in: http://www.art- magazin.de/div/heftarchiv/2011/11/EGOWTEGWPOOOOPOGSPRPCCPT/VALIE-EXPORT (Stand 30.07.13).

6 Ebd.

7 Vgl. Zell 2000, S. 16.

8 Vgl. ebd., S. 17.

9 Vgl. VALIE EXPORT: „VALIE EXPORT“ (2013), in: http://www.valieexport.at/de/valie-exports-home/ (Stand: 03.08.2013).

10 Vgl. ebd.

11 Ebd.

12 Vgl. ebd.

13 Vgl. Jana Bach: „Valie Export über politische Aktionskunst“ (2012), in: http://www.monopol- magazin.de/artikel/20105879/Interview-VALIE_EXPORT_In-Aktion-Salon-Dahlmann-pussy-riot.html (Stand: 12.08.2013).

14 Vgl. Zell 2000, S. 18.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Gesellschaftspolitische Dimensionen in VALIE EXPORTS „feministischem Aktionismus“
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
12
Katalognummer
V366898
ISBN (eBook)
9783668455962
ISBN (Buch)
9783668455979
Dateigröße
698 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gesellschaftspolitische, dimensionen, valie, exports, aktionismus
Arbeit zitieren
Ariadne Stickel (Autor:in), 2013, Gesellschaftspolitische Dimensionen in VALIE EXPORTS „feministischem Aktionismus“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366898

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