Mit nichts als einer Blume in der Hand gelingt es Momo, das Regime der grauen Herren zu zerschlagen. Der Märchen-Roman von Michael Ende erscheint als ein Rekurs auf die inneren Kräfte. Als Repräsentantin des innerweltlichen Raums vollzieht die Protagonistin Momo die „empfindsame Revolte" gegen das Übergewicht der Rationalität in der Außenwelt. Das Bild der Stunden-Blume ist das Leitmotiv der fantastischen Geschichte. Innerhalb der Handlung bilden die Blüten eine Metapher für die Zeit. Im intertextuellen Kontext sind es traditionelle, historische und kritische Bezüge, die sich hinter dem Symbol verbergen. Im Rahmen dieser Arbeit sollen die Verbindungen des Sinnbildes zu den idealen der romantischen Epoche und den Ansprüchen in der surrealistischen Kunst herauskristallisiert werden. In der Folge wird das Gleichnis der Stunden-Blume mit der Kultur der Blumenkinder in Relation gesetzt, die ihren friedlichen Protest unter dem Banner der Blume zelebrierten. Zuletzt werden die Blüten als Metapher für das Material Geld und seinen Wirkungskreis betrachtet werden.
Diese Motive sollen in einer chronologischen Vorgehensweise untersucht und dargestellt werden. Zunächst soll anhand des Gattungsbegriffes „Märchen-Roman" die Intention des Schriftstellers nachgewiesen werden, sich an die Ideale der romantischen Epoche anzulehnen. In dem Bestreben, Alltägliches und Fantastisches literarisch als Kombination von Märchen und Roman abzubilden, begibt sich Michael Ende in die Tradition des romantischen Schriftstellers Novalis. Seiner Feder entstammte das Bild der „blauen Blume", das sich zum Symbol für die romantische Stimmung etablierte. Als Zeichen für die Sehnsucht nach dem Unerklärlichen wählte Novalis das Zeichen der blauen Blume, in deren Tradition die Stunden-Blumen die Verwirklichung des Wundersamen im Irdischen des Märchen-Romans abbilden.
Im Kontext der surrealistischen Strömung wird der Begriff des Geheimnisses hinter Stunden-Blumen zum Zentrum der Untersuchung. Vornehmlich in der bildhaften Gestaltung der Niemals-Gasse zeigen sich die Einflüsse des surrealistischen Malers Edgar Ende auf seinen Sohn. Wie die Romantiker postulierten auch die Surrealisten eine Gesellschaftsrevolution mittels der Konzentration auf das Gegenweltliche. Das verbindende und wertneutrale Element des Blumensymbols führte zur Wiederbelebung des romantischen Motivs in der Generation der ,,flower children".
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Gattungsprogrammatik der literarischen Kategorie „Märchen-Roman“
- Sukzession der „Blauen Blume“
- Kunstmärchen oder fantastische Kinderliteratur
- Die Universalpoesie des Novalis
- Affinitäten von Momo und „Heinrich von Ofterdingen“
- Gegenständlichkeit der Mythen am Beispiel der Schildkröte Kassiopeia
- Revolution der vereinseitigten Gesellschaft
- Die „entzauberte Welt“ und die grauen Herren
- Blumen und Kinder”
- Exkurs: Lochkarten versus Entfaltung
- Kunstmärchen oder fantastische Kinderliteratur
- Die Bewandtnis des „freien absichtslosen Spiels“
- Wort und Schiff: Die Mission der Poeten
- Friedrich Schillers ästhetische Erziehung
- Exkurs: Theater
- Das Geheimnis des Schönen
- Wort und Schiff: Die Mission der Poeten
- Fazit
- Sukzession der „Blauen Blume“
- ,,Über-Wirklichkeit“ und „geistige Realität“
- Das manifestierte Wunderbare
- Überreelle Räume im „Märchen-Roman“
- Fazit
- 1968: Blumen und Protest gegen Repression
- Parallelen zur Ideologiepolitik
- Illustration von Angst- und Machtpolitik anhand des Schicksals von Beppo Straßenkehrer
- Das utopische Täterprofil
- Kulturrevolution versus Eindimensionalität
- Kunst und Funktionalität oder die Affäre um Girolamo
- Die konkrete Utopie und der weibliche Held
- ,,Flower Power“ und „Stunden-Blumen“
- Gegenkultur und friedliche Revolution
- „Zuhören“ als Akt der Liebe
- Romantische Aspekte der Protestbewegung
- Musik und Sinnlichkeit
- Gegenkultur und friedliche Revolution
- Fazit
- Parallelen zur Ideologiepolitik
- Dimensionen der Zeit
- „Zeit ist Geld\" oder Mammon in Zigarren
- Die Objektivation des Geistes
- Klang und Form der Zeit
- Fazit
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Michael Endes „Momo oder die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte“ und untersucht die vielfältigen Bedeutungen des zentralen Motivs der „Stunden-Blumen“. Die Arbeit verfolgt das Ziel, die intertextuellen Bezüge des Symbols zu romantischen und surrealistischen Strömungen aufzudecken, die kulturellen Implikationen der „Stunden-Blumen“ im Kontext der Hippiekultur zu beleuchten und die Metapher im Zusammenhang mit dem Konzept von Zeit und Geld zu untersuchen.
- Die Verbindung der „Stunden-Blumen“ zur romantischen Epoche und insbesondere zum Symbol der „Blauen Blume“
- Der Einfluss des Surrealismus auf die Gestaltung der Geschichte und die Darstellung von Räumen und Figuren
- Die Beziehung der „Stunden-Blumen“ zur Hippiekultur und den Ideen der Gegenkultur der 1960er Jahre
- Die Metapher der „Stunden-Blumen“ als Ausdruck des Konflikts zwischen Zeit und Geld
- Die philosophische Bedeutung der Zeit im Kontext des „Märchen-Romans“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die das zentrale Motiv der „Stunden-Blumen“ im Kontext des „Märchen-Romans“ „Momo“ vorstellt und die einzelnen Kapitel und deren Themenbereiche beleuchtet. Das zweite Kapitel untersucht den Gattungsbegriff „Märchen-Roman“ und dessen Beziehung zur romantischen Epoche. Dabei wird die Bedeutung der „Blauen Blume“ als Symbol für die Sehnsucht nach dem Unerklärlichen und deren Verbindung zu den „Stunden-Blumen“ in „Momo“ erörtert. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Verbindung des „Märchen-Romans“ zum Surrealismus und dem Einfluss von Edgar Endes surrealistischen Kunst auf die Gestaltung der Geschichte. Das vierte Kapitel beleuchtet die Beziehung der „Stunden-Blumen“ zur Hippiekultur und dem friedlichen Protest der „Flower Power“ Bewegung. Dabei wird der Zusammenhang zwischen der Gegenkultur und der Kritik an der eindimensionalen und rationalisierten Gesellschaft hergestellt. Das fünfte Kapitel analysiert das Konzept der Zeit in „Momo“ und die Darstellung des Konflikts zwischen dem Wert der Zeit und der Ausbeutung der Zeit durch die „Zeit-Diebe“. Die Arbeit endet mit Schlussbemerkungen, die die Erkenntnisse aus der Analyse zusammenfassen und die Bedeutung der „Stunden-Blumen“ als Symbol für die innere Welt und den Widerstand gegen die Verarmung der menschlichen Existenz im Kontext der modernen Welt hervorheben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Begriffen und Themen wie „Märchen-Roman“, „Stunden-Blumen“, „Blaue Blume“, „Romantische Epoche“, „Surrealismus“, „Hippiekultur“, „Flower Power“, „Zeit“, „Geld“, „Zeit-Diebe“, „Gegenkultur“, „Eindimensionalität“, „Innerweltlicher Raum“, „Empfindsame Revolte“, „Geistige Realität“ und „Utopie“.
- Arbeit zitieren
- Andrea Dexheimer (Autor:in), 2010, Das Geheimnis der Stunden-Blumen. Romantische und surrealistische Motive, Hippiekultur und Geldwirtschaft in Michael Endes „Momo“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367254