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Ager publicus (lat. „öffentliches Feld“) war im antiken Rom die Bezeichnung für das im Besitz des Staates befindliche Land. Im Lauf der Zeit wuchs der ager publicus durch Kriege und die darauf folgende Landgewinnung an.[1] Dieser öffentliche Raum war zentraler Bestandteil der Reformpolitik des Tiberius Sempronius Gracchus. Tiberius Sempronius Gracchus (*162 v Chr.) war der Sohn des Tiberius Sempronius Gracchus dem Älteren, einem römischen Politiker, und Cornelia, der Tochter des Publius Scipio Africanus, der Hannibal in der Schlacht bei Zama bezwungen hatte.[2]
Tiberius Gracchus politische Karriere begann mit dem Afrikafeldzug von Scipio dem Jüngeren. Als er von diesem Feldzug heimkehrte wurde er zum Quaestor gewählt. So begleitete er den Konsul Gaius Mancinus auf seinem Feldzug gegen Numantia. Nach einigen Niederlagen waren die römischen Truppen gezwungen Friedensverhandlungen mit den Numantinern anzustreben. Tiberius war der Einzige, der als Unterhändler in Frage kam, da er aufgrund der Taten seines Vaters großes Ansehen bei den Numantinern genoss. Durch sein Verhandlungsgeschick konnte er zwanzigtausend Römern das Leben retten, sodass er bei seiner Heimkehr, trotz der Schande der Niederlage vom römischen Volk als Retter gepriesen wurde. So stieg Tiberius Gracchus zum Volkstribun auf.
In seiner Zeit als Volkstribun befand sich Italien im Wandel, denn das Land, das sich eigentlich im Staatsbesitz befand, wurde mehr und mehr privatisiert und gegen Pachtzinsen den Bauern überlassen. Die reichen Landbesitzer forderten jedoch so hohe Preise, dass es den Bauern nicht mehr möglich war die Pacht zu zahlen. Die Bauern verloren also ihr Land und die Reichen begannen Sklaven für dessen Bestellung einzusetzen. Dadurch litt Roms Wehrkraft, da das Heer aus Milizen bestand und jeder Soldat selber für seine Ausrüstung aufkommen musste. Auch die Moral der Truppe war erheblich gesunken.[3] So begann Gracchus mit der Ausarbeitung von Reformplänen.
Er erhielt breite Unterstützung durch die römische Nobilität u.a. von seinem Schwiegervater Appius Claudius Pulcher und dem Konsul Publius Mucius Scaevola. Tiberius Gracchus hatte die Absicht das Gemeindeland unter den Armen aufzuteilen und so neue Kleinbauernstellen zu schaffen. Durch dieses Vorhaben stieß er bei den Landbesitzern auf heftigen Widerstand. Führer dieser gegnerischen Partei war Quintus Caecilius Metellus Macedonicus. Als dieser im Jahre 134/133 v. Chr. Auf der iberischen Halbinsel vor Numantia stand, sahen Gracchus und Scaevola die Chance nun ungehindert ihre Reformen durchsetzen zu können. Gemeinsam arbeiteten sie Reformen aus und legten diese dem Senat vor, der sie zurück wies. Tiberius Gracchus überging den Senat und brachte sein Anliegen der Volksversammlung vor. Ab diesem Zeitpunkt wurde sein Vorhaben zu einer Machtprobe zwischen dem Senat und dem Volkstribun. Der Senat hatte jedoch den Volkstribun Marcus Octavius auf seiner Seite, der mit seinem Veto die Durchsetzung der Reform verhinderte. Tiberius Gracchus sah sich gezwungen ihn absetzen zu lassen, da er behauptete nicht im Sinne des Volkes zu handeln. Nach der Absetzung des Marcus Oktavius wurde die Reform angenommen. Tiberius Gracchus war nun wie ein politischer Führer anzusehen, da er viel Zuspruch im Volk erhielt.[4]
Die für die Landvermessung gegründete Komission benötigte Gelder um den Bauern Subsistenzmittel und Werkzeuge zur Verfügung zu stellen. Der Senat, der für die finanzielle Ausstattung zuständig war, verweigerte die Gelder, sodass die Reform zu scheitern schien. Als König Attalos III. von Pergamon starb, erwirkte Tiberius Gracchus ein Gesetz zur Erbannahme, da Attalos seinen Königsschatz dem römischen Reich vermacht hatte.[5] Tiberius Gracchus hatte also erneut den Senat übergangen.
Bald sollte seine Amtszeit enden, jedoch wollte er sich wieder wählen lassen. Viele Senatoren sahen seine Wiederwahl als Versuch der Machtergreifung, sodass einige von ihnen unter der Führung von Publius Cornelius Scipio Nasica eine seiner Versammlungen stürmten und ihn erschlugen.[6] Nach seinem Tod blieb die Reform bestehen, war weiter Bestandteil des politischen Tagesprogramms und wurde von anderen Politikern aufgegriffen.
Die Agrargesetze des Tiberius Gracchus haben den ager publicus als zentralen Inhalt. Ziel dieser Gesetze war es den Bauernstand zu stärken, und die kleinbürgerliche Kultur wiederherzustellen. Tiberius Gracchus hatte einerseits die Absicht die Landflächen unter dem Volk aufzuteilen und so für die einzelnen Bürger eine Lebensgrundlage zu schaffen. Andererseits war hier auch eine deutliche Stärkung der römischen Armee absehbar, die moralisch sowie in der Anzahl an fähigen Soldaten stark geschwächt war. Die römischen Soldaten waren durch die Armut schlecht ausgerüstet. Darüber hinaus war die Moral der Truppe miserabel, da die Soldaten nicht mal einen eigenen Hof hatten, für den sie kämpften, und so ihr Leben für die Nobilität Roms opferten.
Tiberius Gracchus erkannte dieses Problem und sah auch eine Lösung, da der ager publicus durch die zahlreichen Feldzüge Roms auf einen großen Bestand angewachsen war. Je mehr Zuspruch er vom Volk erhielt, desto mehr politische Feinde machte er sich in den oberen Schichten der Gesellschaft, sodass Rom in dieser politischen Frage zweigeteilt war. Während Tiberius Gracchus von seinen Anhängern als Wohltäter, der den Willen des Volkes durchsetzen will, gefeiert wurde, sahen ihn seine Gegner mehr und mehr als machthungrigen Despoten, der die Alleinherrschaft in Rom anstrebt. Dadurch, dass er sich mehrere Male über die Entscheidung des Senats hinweg setzte bzw. den Senat bei Entscheidungen nicht mit einbezog, stellte er das gesamte politische System Roms auf die Probe und bestätigte so seine Gegner in ihren Ansichten. Seine Bemühungen gingen soweit, dass Rom am Rande eines Bürgerkriegs zwischen seinen Anhängern und seinen Gegnern stand.[7] Doch bevor es dazu kam sahen sich einige Senatoren gezwungen einzugreifen, notfalls auch mit Waffengewalt. In seinem Amt als Volkstribun sah Tiberius Gracchus die Chance, Rom durch die Landverteilung aus militärischer, wirtschaftlicher und innenpolitischer Sicht zu festigen bzw. zu stärken. Ob er seine Popularität auch zur alleinigen Herrschaft ausnutzen wollte, wie es seine Feinde behauptet hatten oder ob dies nur ein Nebeneffekt seines politischen Vorgehens war ist nicht bewiesen. Fest steht, dass er mit seiner Politik das römische System grundlegend änderte und durch sein Vorgehen das römische Rechtssystem sowie die Machtverteilung im römischen Reich auf die Probe stellte.
Quellenverzeichnis
Plutarch: Große Griechen und Römer, Bd. VI, übers. v. Konrat Ziegler, Zürich/Stuttgart 1965.
Literaturverzeichnis
Bleicken, Jochen: Geschichte der römischen Republik. 5 Aufl. Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Berlin 1995.
Bringman, Klaus: Geschichte der römischen Republik. Von den Anfängen bis Augustus, München 2002.
Crawford, Michael Hewson: Art. Ager publicus, in: Der Neue Pauly 1 (2000), Sp. 251 – Sp. 252.
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[1] Crawford, Michael Hewson: Art. Ager publicus, in: Der Neue Pauly Bd 1 (2000), Sp. 251.
[2] Plutarch : Große Griechen und Römer: Tiberius Gracchus, S. 237.
[3] Bleicken, Jochen : Geschichte der römischen Republik, S. 65.
[4] Bleicken, Jochen : Geschichte der römischen Republik, S. 65.
[5] Bringmann, Klaus : Geschichte der römischen Republik, S. 210.
[6] Plutarch : Große Griechen und Römer : Tiberius Gracchus, S. 256.
[7] Bringmann, Klaus : Geschichte der römischen Republik, S. 211.