[...] Hier scheint zunächst eine Begriffsbestimmung angebracht. „Unter Antisemitismus versteht man die rassistisch, sozial, politisch und/oder religiös (Antijudaismus) grundierte Feindschaft gegenüber Juden: Ein Antisemit bewertet ‚auf Grund eines Vorurteils die Juden - als vermeintliche Rasse, Nation, Religionsgemeinschaft oder soziale Gruppe - pauschal negativ’. […] Der Antisemitismus als ‚Gerücht über die Juden’ schafft sich ein Judenbild, das folgende negative Eigenschaftszuschreibungen umfasst: machthungrig, gefährlich (unheimlich, falsch, hinterhältig, zerstörerisch/zersetzend, verschwörerisch) nachtragend, geldgierig (raffgierig). Es bildet die antithetische Gegenüberstellung ‚jüdischer’ und ‚deutscher’ Werte.“ (Bundesamt für Verfassungsschutz: Bedeutung des Antisemitismus, S. 1) Greive hält eine Unterscheidung der Begriffe Judenfeindschaft (als älterem Ausdruck) oder Antisemitismus (als neuerem Ausdruck) in Abhängigkeit davon, ob man „das Augenmerk auf das Moment der Kontinuität [Judenfeindschaft, d. Verf.] oder der Neuartigkeit (der jüngeren Erscheinung) [Antisemitismus, d. Verf.] lenken will“ (Greive: Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland, S. VII) für sinnvoll. Diese Arbeit wird sich dieser Unterscheidung anschließen und die Bezeichnung Antisemitismus ausschließlich als Ausdruck der neueren Ausprägungen seit etwa 1800 (und somit seit seiner erstmaligen Prägung) verwenden wohingegen unter dem Begriff der Judenfeindschaft alle Arten der Feindlichkeiten und Ressentiments Juden gegenüber zusammengefasst werden. Moderner Antisemitismus hat seine Ursprünge in der Rassenlehre des 19. Jahrhunderts (vgl. Benz: Antisemitismus, S. 8), wohingegen der Antijudaismus durch das Aufkommen der christlichen Religion vor etwa 2000 Jahren entstand. Judenfeindschaft im o. g. Sinne gilt als das „älteste soziale, kulturelle, religiöse, politische Vorurteil der Menschheit; Judenfeindschaft äußert sich, lange bevor Diskriminierung und brachiale Gewalt das Ressentiment öffentlich machen, in ausgrenzenden und stigmatisierenden Stereotypen“ (Benz: Antisemitismus, S.7). Die Frage, was Antisemitismus ist, zielt also im weitesten Sinne auch auf die Wahrnehmung der jüdischen Bevölkerung durch jedermann ab (vgl. Benz: Antisemitismus, S. 7 - 8).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Tradition der Judenfeindschaft als religiöses Ressentiment
- Judenhass als Ausdruck ökonomischen Unbehagens
- Judenemanzipation und ,,Judenfrage“
- Antisemitismus als politisches Kampfmittel
- Die Rassenlehre als Antisemitisches Gedankenkonstrukt
- Organisierter Antisemitismus
- Im Nationalsozialismus
- In rechtsextremistischen Gruppierungen
- Antisemitische Stereotype in der Bevölkerung
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den Antisemitismus in Deutschland und beleuchtet seine historische Entwicklung, die verschiedenen Formen des Judenhasses und die anhaltenden Auswirkungen bis in die Gegenwart. Dabei wird insbesondere der Zusammenhang zwischen Antisemitismus und rechtsextremistischen Strömungen sowie die Rolle von Stereotypen und Rassenlehren untersucht.
- Der Antisemitismus als eine vielschichtige und tief verwurzelte Form von Diskriminierung und Gewalt
- Die Bedeutung des religiösen und ökonomischen Ressentiments als Grundlage des Antisemitismus
- Die Rolle von Stereotypen und Rassenlehren in der Konstruktion des antisemitischen Feindbildes
- Die Fortsetzung antisemitischer Denk- und Handlungsmuster in rechtsextremistischen Gruppierungen
- Die Präsenz antisemitischer Stereotype in der heutigen Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den Antisemitismus in Deutschland als aktuelles und historisches Problem dar und erläutert den Fokus der Arbeit.
- Tradition der Judenfeindschaft als religiöses Ressentiment: Dieses Kapitel beleuchtet den christlichen Antijudaismus als Ursprung des Judenhasses und die Rolle der Kirche bei der Verbreitung von Vorurteilen und Stereotypen. Es werden die Entstehung von Pogromen und die Ausgrenzung der Juden im Mittelalter durch verschiedene historische Ereignisse dargestellt.
- Judenhass als Ausdruck ökonomischen Unbehagens: Das Kapitel zeigt die Verbindung zwischen ökonomischen Krisen und Antisemitismus auf. Es analysiert die Rolle von Juden als Geschäftsleute und die Entstehung des Stereotyps des „jüdischen Wucherers" im Mittelalter und im frühen 19. Jahrhundert.
Schlüsselwörter
Antisemitismus, Judenfeindschaft, Antijudaismus, Stereotype, Rassenlehre, Rechtsextremismus, Geschichte, Religion, Wirtschaft, Pogrom, Mittelalter, Judenemanzipation, Hep-Hep-Krawalle
- Arbeit zitieren
- Susanne Linkenbach (Autor:in), 2004, Entwicklung der Stereotype und Gedankenkonstrukte des modernen Antisemitismus in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36799