Verlangen, Furcht und Faszination - die Beziehung zwischen Clare und Irene in Nella Larsens 'Passing'


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

17 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zwei Frauen
2.1. Irene
2.2. Clare

3. „Joy or Vexation?“
3.1. Faszination
3.1.2. sexuelle Faszination
3.2. Bedrohung

4. Reflektion und Projektion

5. Fazit

6. Bibliographie

1. Einleitung

Die „Harlem Renaissance“ brachte mit Nella Larsen eine junge Autorin hervor, die mit Romanen wie Quicksand und Passing für Aufsehen sorgte. Charakteristisch für die Werke der „Harlem Renaissance“ war nicht nur die Auseinadersetzung mit dem damaligen Status Quo („separate, but equal“), sondern auch die Frage nach der afro-amerikanischen Identität und der „racial consciousness.“ In Harlem waren die Rassengrenzen fließender als anderswo, gerade zur jener Zeit der regen kulturellen Entwicklungen, da sich viele neue Möglichkeiten für Afro-Amerikaner auftaten durch bessere Ausbildung, berufliche Perspektiven, einem Erstarken städtischer Gemeinden und allmählicher Rassengrenzen überschreitender Sozialisierung.

In ihrem Roman Passing, erschienen 1929, erkundet Nella Larsen anhand ihrer Protagonistinnen Irene Redfield und Clare Kendry die Grenzen und Wirrungen kultureller Identität. Unter dieser übergeordneten Ebene des „Passing“ als Überschreiten der Rassengrenzen durch Verheimlichen der Rassenzugehörigkeit, namentlich des „Schwarz-Seins,“ verbergen sich die Ebenen des psychologischen und geschlechterspezifischen „Passing“ ihrer zwei Hauptfiguren.

Larsen uses a technique found commonly in narratives by Afro-

American and women novelists with a ‚dangerous’ story to tell:

‚safe’ themes, plots, and conventions are used as the protective

cover underneath which lie more dangerous subplots. Larsen

envelops the subplot of Irene’s developing if unnamed and

unacknowledged desire for Clare in the safe and familiar plot of

racial passing. [1]

Der ambivalente Titel des Romans lädt also zu unterschiedlichen Interpretationen und Lesearten ein.[2] Hier soll auf den, laut Claudia Tate, „real impetus for the story,“ nämlich die Beziehung der zwei Hauptfiguren Irene Redfield und Clare Kendry und das daraus resultierende emotionale Chaos Irenes eingegangen werden.[3] Ein essentieller Punkt hierbei ist Irenes homoerotisches “Passing,” das versteckt wie viele andere zu jener Zeit unaussprechlichen Themen ein Bild von Verlangen, Furcht und Identitätskrise zeichnet.

2. Zwei Frauen

In Passing stehen sich zwei Frauen gegenüber, die beide attraktiv und hellhäutig sind und durch ihr Aussehen als „Weiße“ in der weißen Gesellschaft bestehen können. Aus der Sicht von Irene Redfield beschreibt der Erzähler die Entwicklung ihrer Beziehung zu Clare Kendry, von der sie sich aus vielerlei Gründen und mit teilweise überheblicher Moralität abzugrenzen versucht.

Irene stellt sich als wohlhabende, gebildete und in der Harlemer Gesellschaft respektierte Frau dar, während sie Clare als Verräter an ihrer „Rasse“ bezeichnet, da sie sich ein komplett „weißes“ Leben aufgebaut hat, basierend auf der Lüge, selbst weiß zu sein. Dass Irene selbst „Passing“ zu einem zwar kleineren jedoch in vielerlei Hinsicht ähnlichen Teil ihres Lebens gemacht hat (so begegnen sie sich zum Beispiel in einem weißen Café, beide als „Weiße“), lässt Irenes moralische Einwände gegen Clares „Passing“ oftmals fadenscheinig erscheinen.

Obwohl Irene immer wieder Missfallen an Clare und ihrem Verhalten äußert, so ist doch auch eine tiefe Bewunderung für sie zu erkennen, die deutlich sexuelle Züge trägt. „Passing“ hat in Nella Larsens Roman also nicht nur die Bedeutung im Sinne eines „sociological phenomenon of blacks crossing the color line,“[4] sondern birgt unter anderem auch die Ebene der sexuellen Grenzüberschreitung (homosexueller Unterton in Irenes Beschreibung von Clares äußerer Schönheit) in sich, auf die später eingegangen werden soll.

2.1. Irene

Irene Redfields Leben ist von außen betrachtet wohlgeordnet und glücklich: Sie ist mit einem Arzt verheiratet, hat zwei Söhne, ein schönes Heim, ein reges Sozialleben und trägt Verantwortung in der „Negro Welfare League.“ Sie stellt den Prototyp der schwarzen Mittelschicht dar, angesehen und gefestigt in der afro-amerikanischen Gemeinschaft und in ihrer schwarzen Identität. Jedoch hat Irene längst „weiße“ Werte zu den ihren gemacht, am augenscheinlichsten zu sehen in ihrer Auffassung von Schönheit, die sehr von einer weißen Sicht geprägt.

Unter anderem ist so auch die Widersprüchlichkeit in Irene zu erklären, die in manchen ihrer Verhaltensweisen und Arrangements zu Tage tritt. Irene engagiert sich zum Beispiel in der oben genannten „NWL,“ einer karitativen Organisation zum Wohlergehen und Vorankommen der Afro-Amerikaner, scheint jedoch dem Wohlergehen ihrer schwarzen Haushälterin Zulena gleichgültig gegenüber zu stehen.[5]

Außenrepräsentation, Stabilität und Kontrolle sind ein starker Motor für Irenes soziale und familiäre Aktivitäten und ausschlaggebend für die neben ihrer „race consciousness“ sinnstiftenden Grundlagen ihrer Identität, namentlich ihr Heim und ihre Ehe.

Dies wird insbesondere in ihrer Beziehung zu ihrem Ehemann Brian deutlich: die Bindung zu ihm erscheint leidenschaftslos, Irene arbeitet sogar gegen seine Leidenschaft an (dem Wunsch, nach Brasilien zu gehen), um den so sorgsam aufgebauten sozialen Status und die bourgeoisen Ideale aufrechtzuerhalten. Mit „complete confidence in her own good judgment and tact“[6] sieht sie es als ihre Aufgabe an, das familiäre Leben in ihrem Sinne zu gestalten und zu sichern und selbst die Gefühlsregungen und Wünsche ihres Mannes unter ihre Kontrolle zu bringen. („Though she did want him to be happy, it was only in her own way and by some plan of hers for him that she truly desired him to be so.“[7] ) Dies geschieht aus Irenes Überzeugung heraus, dass sie, ohne ihre eigenen Wünsche zu beachten oder gar ihren Vorteil daraus zu ziehen, weiß, was das Beste für ihn und die Kinder ist. Der Eindruck, dass Irenes Lebensmodell auf wackligen Beinen steht, verstärkt sich im Laufe des Romans zunehmend:

Hadn’t his success proved that she’d been right in insisting that

he stick to his profession right there in New York? Couldn’t he see,

even now, that it had been best? Not for her, oh no, not for her –

she had never really considered herself – but for him and the boys.

was she never to be free of it, that fear which crouched, always,

deep down within her, stealing away the sense of security, the

feeling of permanence, from the life which she had so admirably

arranged for them all, and desired so ardently to have remain as it

was? [8]

[...]


[1] McDowell in Wald, S. 31f

[2] vgl. Wald S. 29

[3] vgl. Butler p 174

[4] Wall, 131

[5] vgl. Wald, S. 49

[6] Larsen, S. 191

[7] id, S. 19o

[8] Larsen, S. 186f

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Verlangen, Furcht und Faszination - die Beziehung zwischen Clare und Irene in Nella Larsens 'Passing'
Hochschule
Universität Hamburg
Veranstaltung
"Novels of Passing"
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V36818
ISBN (eBook)
9783638363426
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verlangen, Furcht, Faszination, Beziehung, Clare, Irene, Nella, Larsens, Passing, Novels, Passing
Arbeit zitieren
Miriam Hassan (Autor:in), 2005, Verlangen, Furcht und Faszination - die Beziehung zwischen Clare und Irene in Nella Larsens 'Passing', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36818

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