Geschlechtsspezifische Sozialisation


Hausarbeit, 2002

27 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Sozialisation
2.1. Begriff
2.2. Die Rolle des Geschlechts als Teil der Persönlichkeit

3. Die Geschichte der Erziehungsratschläge von damals bis heute

4. Typisch männlich, typisch weiblich
4.1. Überblick über die Ergebnisse der empirischen Forschung
4.1.1. Sozialverhalten
4.1.2. Kognitive Fähigkeiten
4.1.3. Spezifische Eigenschaften der Geschlechter
4.1.4. Fazit
4.2. Die Rolle der Erziehung
4.2.1. Der Einfluss von Sozialisationsinstanzen
4.2.2. Die Familie
4.2.3. Öffentliche Einrichtungen

5. Geschlechtsspezifische Erziehung in verschiedenen Entwicklungsphasen
5.1. Neugeborenenstadium
5.2. Säuglingsalter
5.3. Kleinkindalter
5.4. Vorschulalter

6. Zusammenfassung und Resümee

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich mit der Diskussion um Unterschiede zwischen Mann und Frau, bzw. Mädchen und Jungen auseinander setzen. Leider geht diese Diskussion meistens einher mit der Abwertung des weiblichen und der Aufwertung des männlichen Geschlechts.

Mich interessiert hier ganz besonders die Frage, was ein Mädchen zu einer „weiblichen“ Frau macht und was einen Jungen dazu bringt, sich „wie ein richtiger Mann“ zu benehmen oder auch nicht. Erziehen wir es unseren Kindern an? Ist das alles eine Frage des biologischen Geschlechts? Oder doch eine Mischung aus beiden Faktoren? Im Folgenden möchte ich mich mit diesen Fragen beschäftigen.

2. Sozialisation

2.1. Begriffsklärung

Zu Beginn scheint es mir sinnvoll, Sozialisation als solches darzustellen. Helga Bilden gibt in ihrem Text folgende Definition:

Sozialisation oder Entwicklung verstehe ich als den Prozess, in dem aus einem Neugeborenen ein in seiner Gesellschaft handlungsfähiges Subjekt wird (und bleibt). Sie findet statt, indem das sich bildende Individuum zunehmend aktiv teilhat an den sozialen Praktiken, in denen sich die Gesellschaft produziert und verändert. (vgl.: Bilden, in Hurrelmann/Ulrich, S. 279)

Die Microsoft Encarta 2001 als universelles Nachschlagewerk gibt unter dem Stichwort „Sozialisation“ folgende Erklärung:

Sozialisation, auch Sozialisierung oder Vergesellschaftung, Bezeichnung für den Prozess der Eingliederung eines Menschen in eine soziale Gruppe bzw. in die Gesellschaft. In diesem Sozialisationsprozess werden die Verhaltensweisen erlernt, die das Individuum zur Erfüllung sozialer Rollen und zum Erwerb seiner kulturellen Identität benötigt. In der auch als primäre Sozialisation bezeichneten frühkindlichen Sozialisation werden bereits unbewusst grundlegende Verhaltensweisen für die Entwicklung des Menschen zu einer soziokulturellen Persönlichkeit erlernt. Als bewusst erziehende Sozialisations- instanzen gelten Familie, Schule, Betrieb und andere gesellschaftliche Institutionen.

Beide Definitionen sagen also, dass es für das Individuum darum geht, eine Persönlichkeit zu entwickeln. Als allgemein psychologischer Begriff meint Persönlichkeit die Summe der Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster einer Person, also das, was die einzelne Person ausmacht, sie von anderen Menschen unterscheidet. (vgl. Microsoft Encarta 2001, Stichwort „Persönlichkeit“)

Dies möchte ich als Grundlage für meine weiteren Darstellungen nehmen.

2.2. Die Rolle des Geschlechts als Teil der Persönlichkeit

Das biologische Geschlecht ist im Normalfall für das ganze Leben festgelegt. Das macht es zu einem wichtigen Teil der Persönlichkeit. Diese Wichtigkeit ist ein Grund dafür, dass sich die Sozialisationsforschung schon seit langer Zeit damit beschäftigt, wie es zum Erwerb von Geschlechtsrollen und geschlechtstypischem Verhalten kommt. (vgl. Tillmann, S. 41)

Die englische Sprache sieht eine Trennung vor von „sex“ für das biologische Geschlecht, und „gender“ für das soziale. Auch für die Begriffe „männlich“ und „weiblich“ gibt es zwei Varianten (male/masculine und female/feminine). Die deutsche Sprache hingegen sieht sowohl für das biologische als auch für das soziale Geschlecht ein und denselben Begriff vor, der leicht zu Verwirrungen führen kann. Auch gibt es keine Differenzierung von „männlich“ bezüglich des biologischen Geschlechts und „männlich“ bezüglich des Sozialverhaltens.

Schon in der Sprache ist bezüglich der Unterschiede der Geschlechter also eher eine Zuordnung zur Biologie zu vermuten.

3. Die Geschichte der Erziehungsratschläge von damals bis heute

Das Kapitel 9.2 mit dem Titel „Alles im Griff? – Jungen- und Mädchenerziehung in Ratgebern“ in Horstkemper/Zimmermann gibt einen sehr unterhaltsamen Überblick über die empfohlene Art und Weise der Erziehung von Jungen und Mädchen, begonnen am Ende des 18. Jahrhunderts.

In der Zeit vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts stand die Aufklärung im Vordergrund der Ratgeberliteratur. Die Gleichheit der Geschlechter wurde naturrechtlich begründet und eine Gleichstellung von Jungen und Mädchen hinsichtlich der Bildung wurde denkbar (Lindau-Bank & Zimmermann, S. 137).

„...öffnet, Männer! Der jetzigen weiblichen Jugend...unsere Educations- und Lehranstalten und erlaubt ihr, an der Erziehung und dem Unterrichte, (...), Theil zu nehmen, ohne auch von der Furcht vor nachtheiligen Folgen abwendig machen zu lassen“ (v.Hippel, S. 144f).

Damit begann ein Kampf um die Teilnahme der Mädchen an der Bildung, der „traditionelle pädagogische Ansätze brüchig und Mädchenerziehung zum Problem, zum Beratungsproblem werden (...)“ (Lindau-Bank/Zimmermann, S. 137) lies.

Die Idee der möglichen Gleichberechtigung von Mädchen wird bei Prechtl (1804) scheinbar wieder aufgenommen: „... Der allgemeine Erziehungszweck ist für den Menschen und leidet daher durch die Geschlechterverschiedenheit keine Veränderung.“ (Prechtl, S.311). Dieser scheinbar gute Ansatz wird jedoch bereits drei Seiten später wieder verworfen. Dort möchte er eine Unterscheidung in der Erziehung von Mädchen und Jungen, die sich aus der gesellschaftlichen Stellung und der biologischen Bestimmung der Frau ergebe. Es ginge in der Erziehung der Frau nicht darum, Mädchen hin zu einer Annäherung zur Männlichkeit zu führen, denn darin zeige sich nur die „Hässlichkeit des Weibes“ (vgl. Prechtl, S. 329). Auch wird der weibliche Charakter beschrieben, was Prechtl wieder zurück fallen lässt in altbekannte Denkmuster: „Die Trockenheit und der Tiefsinn wissenschaftlicher Gegenstände kontrastiren zu sehr mit den sanften, leichten Grundzügen des weiblichen Karakters, als dass sie nicht auf die weibliche Schönheit nachtheilig wirken sollten“ (ebenda, S. 325).

Diese traditionellen Werte, wie sie hier von Prechtl und von Hippel vertreten werden, haben Bestand bis weit in die sechziger Jahre hinein. Im Werk von 1962 von Schlisske heisst es, es sei eben so „..., dass bei Frauen das Gefühl und bei Männern der Verstand stärker ist“ (Lindau-Bank/Zimmermann, S.138). Die Rollenaufteilung, nach welcher die Kinder in den späten Sechzigern noch erzogen wurden, macht Ginott deutlich, indem er schreibt, was passiert, wenn die Rollen vertauscht würden:

„Kinder aus solchen Häusern wachsen mit wenig Achtung und Bewunderung für Männer auf. Jungen wie Mädchen sehen beide den Vater durch die Augen der Mutter: einen süßen, nur ´halb-durchbackenen´ Jungen, einen gutmütigen Tölpel, eine Karikatur von einem Mann. Söhne und Töchter werden beide ungesund beeinflußt von dem Vorbild eines schwachen Vaters und einer herrschenden Mutter“ (Ginott, S. 104).

Doch bereits kurz nach erscheinen des Ratgebers von Ginott zeigt sich eine Veränderung. Ruth Dirx schreibt 1970, mit Puppen spielende Jungen sollten dahingehend betrachtet werden, dass aus solchen Jungen einmal Väter werden würden, die ihre Kinder umsichtig und liebevoll betreuen (vgl. Dirx, S. 147). Ach die Mädchen, die sich gern mit technischen Dingen beschäftigen, sollen daran nicht gehindert werden (ebenda). Allerdings geht diese Veränderung in eine andere Richtung als vermutet. Mit ihrem Grundsatz: „Erzieht die Jungen wie Mädchen, und die Kriminalität wird merklich absinken“ (ebenda, S. 147). Ihre Zielsetzung ist also nicht eine Veränderung in der Erziehung von Mädchen und Jungen, sondern lediglich eine Angleichung, die Jungen zu einer Sanftheit führen soll und den Anteil der Jungen und Männer an der Kriminalität senken soll.

Bezüglich der Identitätsfindung machen es sich die Autoren der End-Sechziger relativ leicht. In Angelegenheiten der Jungenerziehung brauche der Vater nur zu akzeptieren, dass sein Sohn Neigungen verspüre, ihn nachzuahmen (vgl. Ginott 1969). Wenn die Söhne „... mit ihrem Vater am Arbeitsplatz weilen und ihn bei seiner Arbeit oder politischen Tätigkeit beobachten dürfen, so fühlen sie den Stolz und das Interesse, die ein Mann seiner Arbeit und der Gesellschaft entgegenbringt“ (ebenda, S.103).

Bei der Erziehung der Töchter reiche aber eine blosse Nachahmung nicht aus, sie sollen zielgerichtet erzogen werden, d.h. angeleitet werden, zu nähen, zu stricken und den Haushalt zu führen. „Dies ist Mutters goldene Zeit, ihre Tochter an der grossen Befriedigung teilnehmen zu lassen, die darin liegt, ein Mädchen, eine Frau, eine Mutter zu sein“ (ebenda).

Abschliessend für die siebziger Jahre soll hier Ginotts Warnung vor den Veränderungen innerhalb der traditionellen Rollenbilder stehen.

„In der modernen Familie sind die Rollen von Vater und Mutter nicht mehr so ausgeprägt. Viele Frauen arbeiten in der "Welt der Männer", und viele Männer besorgen mütterliche Beschäftigungen wie Füttern, Trockenlegen und Baden des Säuglings. Mögen manche Männer diese neuen Möglichkeiten zu einem engeren Kontakt mit ihren kleinen Kindern begrüßen - es besteht eben doch die Gefahr, dass das Baby schließlich zwei Mütter bekommt, anstatt einen Vater und eine Mutter!“ (ebenda, S. 100).

Die Versorgung des Säuglings ist demnach weiterhin eine typisch weibliche Tätigkeit. Männer, die dieser Tätigkeit nachgehen, verändern demnach nicht das Vorbild für die heranwachsenden Jungen, sondern werden zu Müttern.

In den 80er und 90er Jahren kann man einen Abschied von den bisherigen Rollenbildern verzeichnen. So schreibt Peter Struck 1993:

„Moderne Erziehung ... sollte die Rollenvielfalt in der Persönlichkeit des jungen Menschen zum Erziehungsziel machen; dazu gehören dann soziale Jungen, die abwaschen, einkaufen und babysitten, ebenso wie computerspielende Mädchen, die Fußball spielen, einen Technikbaukasten bekommen, eine Tischlerlehre anstreben und politisch interessiert sind“ (Struck, S. 55).

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Geschlechtsspezifische Sozialisation
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta  (Institut für Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Vordiplomsprüfung
Note
gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
27
Katalognummer
V3684
ISBN (eBook)
9783638122740
Dateigröße
583 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschlechtsspezifische, Sozialisation, Vordiplomsprüfung
Arbeit zitieren
Mandy Hibbeler (Autor:in), 2002, Geschlechtsspezifische Sozialisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3684

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