Leseprobe
1 Einleitung
Bereits im Kindesalter begegnen uns häufig Aussagen wie: „Die Sonne ist gelb“, „Alle Schwäne sind weiß“ oder „Das Gras ist grün“.
Der Mensch versucht immerfort neue Erkenntnisse über sich oder seine Umwelt zu gewinnen. Dabei stellen Menschen immer wieder Behauptungen oder Vermutungen über ein Phänomen auf, über das, was sie glauben zu wissen. Obwohl der Begriff der Theorie heutzutage allgegenwärtig ist und zu unserem täglichen Sprachgebrauch gehört, sind sich viele von uns nicht im Klaren darüber, was genau eine Theorie ist. Ein tiefgehendes Verständnis ist für wissenschaftliche Zwecke jedoch unabdingbar, um beispielsweise Aussagen bewerten zu können, Handlungsempfehlungen zu geben oder neue Erkenntnisse zu gewinnen. Können wir demnach aufgestellte Behauptungen beziehungsweise Vermutungen über ein Phänomen als Theorie bezeichnen? Was ist eine Theorie und was macht eine Theorie aus wissenschaftlicher Sicht aus? All diese Fragen sollen im Rahmen der Arbeit mithilfe einer kritischen Auseinandersetzung des Begriffes Theorie beantwortet werden.
2 Was ist eine Theorie?
Der Begriff „Theorie“ leitet sich aus den griechischen Wörtern ,theorein’ und ,theoria’ ab. Das Wort ,theorein’ bedeutet "beobachten", "betrachten" beziehungsweise "anschauen". ,Theoria’ steht für "Anschauungsweise", "Überlegung" und "Erkenntnis".[1]
Ausgangspunkt für die Bildung neuer Theorien können zum einen eigene Beobachtungen sein oder bereits existierende Theorien. Beobachtungen spiegeln nicht zwingend Tatsachen wider, sondern fokussieren sich auf bestimmte Sichtweisen. Die Sichtweise ergibt sich wiederum aus dem beobachteten Blickwinkel des Betrachters und den Erwartungen, die diese Beobachtung leiten. Am Beispiel der visuellen Wahrnehmung kann dies versinnbildlicht werden. Wird ein Haus von vorne betrachtet, gibt die Perspektive nur einen begrenzten Ausschnitt frei, sprich, die Rückseite bleibt dem Betrachter verborgen. Ändert er seine Position, erhält er einen anderen Aspekt des Gebäudes. Alle Aspekte eines Gegenstandes gleichzeitig zu erhalten, wird jedoch niemals möglich sein.[2]
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[1] Vgl. Kornmeier, 2007, S. 84.
[2] Vgl. Helfrich, 2016, S. 53 f.