Plastische Chirurgie im Mittelalter. Die Rhinoplastik in Heinrich von Pfalzpaints "Bündth-Ertznei"


Hausarbeit, 2017

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Biographie des Heinrich von Pfalzpaint

3 Zum Aufbau der Rhinoplastik
3.1 Aufbau des Texts
3.2 Einbettung in den Kontext der ,Bündth-Ertznei‘

4 Ethische Aspekte

5 Wirkungsgrad

6 Schluss

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Mit seiner Erstbeschreibung der Nasenersatzplastik gilt Heinrich von Pfalzpaint, sein Nachname existiert in diversen Schreibweisen, in dieser Untersuchung wird jedoch die in der Forschungsliteratur aktuellste verwendet, als einer der bedeutendsten Chirurgen des ausgehenden Mittelalters. Dies vielmehr dadurch, dass seine Beschreibung der Rhinoplastik einen Einblick über den Leistungsstand der Chirurgie im 15. Jahrhundert gibt, als aufgrund des Umstandes, dass sein Verfahren zur Weiterentwicklung medizinischer Kenntnisse und Techniken nachhaltig beitrug.

So wurde seine ,Bündth-Ertznei‘ und die darin enthaltene Nasenersatzplastik erst 1868 und damit über 400 Jahre nach ihrer Entstehung, durch Heinrich Haeser und Albrecht Theodor Middeldorpf verlegt und allgemein bekannt gemacht. Die als Breslauer Handschrift bekannte Ausgabe des Werkes, ist die derzeit zweitälteste und dient als Grundlage für diese Arbeit. Vererbt von einem Dr. Heuser zu Ottstedt an dessen Neffen, Dr. Heuser aus Gnadenberg, gelangte die Handschrift als Schenkung folglich in den Besitz von A.T. Middeldorpf, welcher diese, wie bereits erwähnt, zusammen mit Haeser veröffentlichte. Wie Dr. Heuser zu Ottstedt in den Besitz der Abschrift gelangt ist, ist jedoch nicht bekannt. Claudia Richter vermutete hierzu, dass selbige aus der Erfurter Universitätsbibliothek stammt, da Verwandte des Doktors dort als Professoren tätig waren. Bewiesen ist jedoch nur, dass die Breslauer Handschrift 1519 von Heinrich Hentze im Auftrag von seinem Herrn angefertigt wurde. Der Verbleib der originalen Wundarznei, wie die Bündth-Ertznei im Folgenden hier unter anderem genannt werden wird, ist bis heute unklar. (Vgl. Richter, Phytopharmaka, S. 20 – 22)

Maßgeblich für diese Arbeit ist, vorab zwischen dem Berufsstand des Chirurgen im 21. und dem des 15. Jahrhunderts zu unterscheiden. Während Chirurgen heutzutage ebenso wie Allgemeinmediziner, Fachärzte und dergleichen an einer Universität studiert haben müssen und somit bis zu ihrer Spezialisierung nahezu die gleiche Ausbildung wie eben genannte durchlaufen, genossen Chirurgen wie von Pfalzpaint im 15. Jahrhundert eine wesentlich praktischere Ausbildung. Bezeichnete man seinen Berufsstand zu dieser Zeit auch noch allgemein als Wundarzt, ging selbiger in der Regel als Geselle bei diversen Meistern in die Lehre, unter anderem in der Nähe von Kriegsschauplätze, um dort die Verwundeten versorgen zu können. So ließe sich aus der Bezeichnung „Wundarzt“ bereits erschließen, welche Aufgaben selbigem zuteilwurden. Versorgte der Wundarzt in erster Linie Wunden und führte meist nur kleinere Operationen durch, standen diesem Berufstand noch der Physikus, Schneideärzte und Bader, bzw. Barbiere gegenüber. Während der Physikus an den Universitäten eine recht theoretische Ausbildung genoss und vornehmlich in Latein sowie Arabisch unterrichtet wurde, waren es die Schneideärzte, welche komplexere Operationen durchführten und nicht selten ebenfalls der alten Sprachen mächtig waren. Wundärzte hingegen, wurden meist volkssprachlich unterrichtet und übernahmen ihr Wissen von den oben bereits erwähnten Lehrmeistern. (Vgl. Haage / Wegner, Artes, S. 238) So war sich von Pfalzpaint vermutlich dessen nicht bewusst, das Wissen älterer Autoritäten zu zitieren, gibt er in seiner ‚Bündth-Ertznei‘ doch lediglich seine unmittelbaren Lehrmeister als Quellen an.

Die am wenigsten umfangreiche Ausbildung genossen die Bader und Barbiere, die sich dem Aderlass und der Schröpfung ihrer Patienten annahmen. Dies vornehmlich, wie die Namensgebung bereits vermuten lässt, in Verbindung mit ihrer Tätigkeit in Badestuben und als Barbiere.

In der Wundarznei insgesamt ist klar ersichtlich, dass diese sich an den Berufsstand des Wundarztes richtet, da selbige in bayrisch-ostmitteldeutscher Mundart und somit in der für Wundärzte typischen Volkssprache, geschrieben ist und zudem lediglich die Versorgung von Wunden und die Durchführung kleinerer Operationen thematisiert. Blutige Eingriffen sowie der Aderlass oder das Schröpfen, werden ebenfalls außen vor gelassen.

2 Biographie des Heinrich von Pfalzpaint

Geboren Anfang des 15. Jahrhunderts, war Heinrich von Pfalzpaint, unter anderem auch bekannt als Heinrich von Pfolsprundt oder Pfolspeunt, der bekannteste Wundarzt des deutschen Spätmittelalters. Als Sohn des Heinrich Pfalzpeunter, welchem das Niedergericht in Pfalzpaint verliehen wurde, entstammte der Wundarzt einem Ministralgeschlecht, welches sich bis in das 12. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Des Weiteren ist bekannt, dass es neben Heinrich von Pfalzpaint noch seine Schwester Magarete gab, die den Eichstätter Patrizier Michael von Mugenthal ehelichte, mit dem sie 1465 den übernommenen Familienbesitz verkaufte. (Vgl. Keil, Pfalzpaint, S. 856)

Heinrichs chirurgische, bzw. wundärztliche Ausbildung fand zunächst im bayrischen Raum statt, wo er als Geselle bei diversen Meistern tätig war. Hierbei ließen sich beispielsweise der Stadtarzt Christoph, Hans von Bayreuth, der später als Ingolstädter Professor und herzoglicher Leibarzt tätig war und vor allem Johann von Bries aus Lothringen nennen, dem Heinrich 50 Gulden für die Unterrichtung in der zunftgemäßen Behandlung von Schusswunden zahlte. (Vgl. Frölich, Pholespeunt, S. 91) Selbiger wird durch von Pfalzpaint als Hauptquelle in seiner ,Bündth-Ertznei‘ angegeben, indem er den Lehrmeister im Register der ‚Bündth-Ertznei‘ angibt und ihn zudem mehrfach in seinem Werk nennt. (Vgl. Bündth-Ertznei, S. 8)

Darüber hinaus wurde der Wundarzt ebenfalls in Basel sowie bei italienischen Wundärzten ausgebildet. Bei Letzteren eignete er sich wohl die bedeutendste seiner Kenntnisse an, die der Nasenrekonstruktion. (Vgl. Frölich, Pholespeunt, S.91) Nachdem er vor 1450 durch die Landkommende Ellingen in den deutschen Orden aufgenommen wurde, war er dort zunächst allerdings vielmehr als Verwaltungsfachmann und nicht als Wundarzt tätig, wovon Visitationsberichte zeugen. (Vgl. Keil, Pfalzpaint, S. 858) Jene Dienste im deutschen Orden führten Heinrich folglich nach Preußen. Dort als Berater des Hochmeisters Dr. Jacob Schellingholz fungierend, der wie Heinrich dem Konvent der Marienburg angehörte, unternahm er 1453 zunächst zusammen mit dem Söldner Niklas Queis eine Visitationsreise nach Kulmerland, von der er 1454, zu Beginn des 13-jährigen Krieges, auf die Marienburg zurückkehrte. Auf der Burg eingeschlossen, versorgte Heinrich während der dreijährigen Belagerung, mehr als 4000 Verwundete und bildete zudem weitere Wundärzte, namentlich seine Ordensbrüder Hans von Tiefen und Heinrich von Baldenstetten, aus. Nachdem er dann 1457 zusammen mit den restlichen Rittern von der Marienburg vertrieben wurde, konnte sein genauer Aufenthaltsort anschließend nicht mehr genau nachgewiesen werden. Möglich ist, dass er sich auf eine der Balleien des Ordens zurückzog, (Vgl. Keil, Pfalzpaint, S. 857 f.) wo er dann vermutlich um 1460 seine Wundarznei verfasste.[1]

Da er wahrscheinlich vor 1465 starb, seine Schwester erwähnte ihn bei der Veräußerung des Familienerbes nicht mehr, (Vgl. Keil, Pfalzpaint, S. 858) kann die Wundarznei, welcher er selbst schwer erworbene Geheimnisse wie die Nasenrekonstruktion anvertraute, als Ergebnis seiner gesamten Studien und somit auch als Sammlung seines gesamten Wissens die Medizin, bzw. Wundarznei betreffend, gesehen werden.

3 Zum Aufbau der Rhinoplastik

3.1 Aufbau des Textes

Heinrich von Pfalzpaint beschreibt das für die spätmittelalterlichen Verhältnisse der Chirurgie doch recht komplexe Verfahren der Nasenrekonstruktion mittels Wortwahl, bei welcher er sich nur kaum bis gar nicht einer medizinischen Fachsprache bedient. Trotz der in hohem Maße schwankenden und inkonsequenten Orthographie, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf den Verfasser dieser Abschrift, Heinrich Hentze, zurückzuführen ist, (Vgl. Richter, Phytopharmaka, S. 21) ist das Verfahren eingängig und verständlich gegliedert. Hierbei lässt sich das Kapitel der in bayrisch-ostmitteldeutscher Mundart verfassten ,Bündth-Ertznei‘ (Vgl. Keil, Pfalzpaint, S. 861) Eynem eine nawe nafse tzw machen: die im gantz abe ift: vnd sie halt dy hunde abgefreffenn. (BE 29) in vier Abschnitte unterteilen, in denen von Pfalzpaint auf die einzelnen Aspekte eines eben solchen Rekonstruktionsverfahrens eingeht. Der Titel des Verfahrens sollte allerdings nicht so verstanden werden, dass die Nase des zu Behandelnden durch einen Tierbiss abgetrennt, sondern vielmehr im Kampf abgeschlagen wurde und nicht mehr aufzufinden ist. (Vgl. BE XXXVII)

In einem ersten Abschnitt, der sich als Vorbereitung zusammenfassen ließe, weist Heinrich zunächst auf die Meisterhaftigkeit des Verfahrens hin, weshalb dieses strengster Geheimhaltung unterliegen sollte. (BE S. 29) Denkbar wäre dies aufgrund dessen, dass der Verfasser so sein Wissen gegenüber anderen zu schützen versuchte, um gegebenenfalls seine Einkünfte mittels der Durchführung des Verfahrens zu sichern und die Rhinoplastik gegenüber Pfuschern unzugänglich zu machen. Ebenfalls rät Heinrich in dem einleitenden Abschnitt zu einer Art präoperativen Aufklärung, indem er darauf hinweist vnd nach dem gelobnifs fso sage im die meinung. wil er das mith dir wagenn, unnd den schmertzen liedenn, szo gehe inn mith vornufft an, und sage jm wie du en schniden unnd auch binden muft, und vie langk er ligen mofs. (BE 29) Eine Vorgehensweise, wie sie auch heute noch Teil eines operativen Eingriffs wäre, was Heinrichs Beschreibung der Rhinoplastik hier durchaus modern wirken lässt.

Klar ersichtlich abgegrenzt durch die Überschrift Die kunft, (BE 29) beschreibt von Pfalzpaint im zweiten Abschnitt die einzelnen Schritte des Verfahrens. Hierbei auffällig ist, dass diese Beschreibung eingängig gegliedert wurde, sodass es keinerlei Rückgriffe auf vorab bereits gesagtes bedarf, um das Verfahren verständlich zu machen.

Nachdem im zweiten Abschnitt also die ersten Schritte des Verfahrens beschrieben werden, geht Heinrich im dritten Abschnitt zu der Beschreibung der Nachsorge und der Anordnung der Verbände über. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass Heinrichs hier beschriebene Kenntnisse, vor allem aus praktischer und somit eigener Erfahrung stammen, da er dazu im Stande ist, eine postoperative Heilungsdauer anzugeben und zudem Möglichkeiten nennt, das endgültige Aussehen der rekonstruierten Nase beeinflussen zu können. So gibt er an, dass es für eine Schmälerung der Nase, kleiner gefüllter Säckchen bedarf, die an die beiden Seiten der Nase gehängt werden. Ist die Nase jedoch zu schmal, wird dazu geraten, dem Patienten mit Flachs gebundene Federkiele in die Nase zu stoßen. Die „Lagerung“ des Patienten ist ebenfalls maßgeblich für den dritten Abschnitt, auf diese wird jedoch in einem späteren Kapitel noch genauer eingegangen werden. Im vierten und letzten Abschnitt, der dadurch eingeleitet wird, dass von Pfalzpaint einem jeglichem, dessen Verlust der Nase derart schwerwiegend ist, dass er einem Ansehensverlust gleichkommt, hier wortwörtlich zu verstehen, zu diesem Verfahren rät, macht der Verfasser abschließende sowie weiterführende Bemerkungen zum Verfahren. Neben dem Quellenverweis, ein Welscher haben ihn dies gelehrt, (BE 31) wird durch die Schlussbemerkung es ift vfft bewerth (BE 31) erneut deutlich, dass Heinrichs hier Wissen verarbeitet, welches vornehmlich aus eigener praktischer Erfahrung hervorgeht.

3.2 Einbettung in den Kontext der ,Bündth-Ertznei‘

Wirkt die ,Bündth-Ertznei‘ zunächst so, als wäre „keine einheitliche Disposition des Stoffes“ (Frölich, Pholspeunt, S. 91) gegeben, erfolgt die Binnengliederung des Werkes bei genauerer Betrachtung in erster Linie nach therapeutischen, respektive verfahrenstechnischen Gesichtspunkten. So gehen der Beschreibung der Rhinoplastik jeweils Abschnitte zur Behandlung von leicht und auch schwer verletzten Nasen voraus. Ebenfalls die damit einhergehende Nachsorge wird hier beschrieben.

Dabei hat Heinrich von Pfalzpaint in der eigentlichen Beschreibung der Nasenrekonstruktion, die zunächst, wie oben bereits erwähnt, ausführlich beschrieben scheint, einige Leerstellen platziert, welche dazu anhalten, weitere Kapitel der ,Bündth-Ertznei‘ zu lesen, um das Verfahren korrekt und gänzlich durchführen zu können. Jene Leerstellen finden sich vor allem in den beiden Abschnitten zu den Einzelschritten des Verfahrens und der damit einhergehenden Nachsorge.

Zunächst fraglich beim Lesen des 2. Abschnittes ist, ob diesem eine Betäubung des Patienten vorausgeht, da davon auszugehen ist, dass das hier beschriebene Ablösen eines Armstückes durchaus schmerzhaft sein dürfte. Dies mit keinerlei Worten in dem Abschnitt über die Nasenrekonstruktion erwähnend, verfasste Heinrich vorab allerdings ein Abschnitt über die Herstellung von Schlafschwämmen, welcher unter dem Titel Dy erfte künft, wie man einen schlaffen macht (BE 21) neben der Rhinoplastik zu den bedeutendsten Kapiteln in der ,Bündth-Ertznei‘ zählt. (Haage/ Wegner, Artes, S. 409)

Deutlich konkrete Leerstellen weist der Text zum Ende des zweiten Abschnittes und während des gesamten dritten Abschnittes auf.

[...]


[1] Vgl. Weißler, Christoph: Heinrich von Pfalzpaint. In: Enzyklopädie Medizingeschichte. Hg. v. u.a. Werner E. Geradebek. Berlin / New York 2005, S.563 f., hier S. 563.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Plastische Chirurgie im Mittelalter. Die Rhinoplastik in Heinrich von Pfalzpaints "Bündth-Ertznei"
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Ältere Deutsche Literatur)
Veranstaltung
"sehs mäuslein in dem menschen sind". Medizin im Mittelalter
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
13
Katalognummer
V368893
ISBN (eBook)
9783668482777
ISBN (Buch)
9783668482784
Dateigröße
578 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Mittelalter, Heinrich von Pfalzpaint, Bündth Ertznei, Rhinoplastik, Medizin im Mittelalter, Medizin, Chirurgie
Arbeit zitieren
Melina Schönknecht (Autor:in), 2017, Plastische Chirurgie im Mittelalter. Die Rhinoplastik in Heinrich von Pfalzpaints "Bündth-Ertznei", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368893

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