Am 9. Oktober 1601 wurde in Dresden mit Dr. Nicolaus Krell ein Mann hingerichtet, der während der Regierung Kurfürst Christians I. vom einflussreichsten Berater des Kurfürsten zum Kanzler und zur alles überragenden Persönlichkeit am Hofe aufgestiegen war und die Geschicke des Landes fünf Jahre lang maßgeblich bestimmt hatte. Seine Hinrichtung war der unrühmliche Höhepunkt einer 1591, nach dem frühen Tod Christians I., einsetzenden Reaktion von Adel und lutherischer Geistlichkeit in Kursachsen, welche zuvor ihres Einflusses weitgehend beraubt worden waren, nachdem sie dem Kurfürsten ihre Zustimmung zu einer Veränderung der Konfession des Landes in Richtung auf den Calvinismus versagt hatten. Das Thema der hier vorliegenden Arbeit sind die politischen Reformen Christians I., mit denen er das Ziel einer Stärkung seiner fürstlichen Gewalt verfolgte. Es soll die Frage geklärt werden, ob dabei bereits von einem „frühabsolutistischen Regiment“ Christians gesprochen werden kann. Zunächst soll, ausgehend von seiner Begriffsgeschichte und aktuellen Forschungstendenzen, erläutert werden, in welcher Bedeutung der Begriff Absolutismus hier gebraucht wird, was gleichzeitig als These gedacht ist, wie ein Ausweg aus dem gegenwärtigen Dilemma um den Absolutismusbegriff gefunden werden könnte. Darauf folgt eine Darstellung der Ereignisse der Regierung Christians, verbunden mit der Beantwortung der Frage, ob man dabei von absolutistischen Bestrebungen sprechen kann. Schließlich soll der Versuch einer historischen Einordnung unternommen werden. So wird die Frage gestellt, ob Christian etwa kontinuierlich das Werk seiner Vorgänger weiterverfolgte oder es sich bei seiner Regentschaft um einen „Sonderfall“ in der sächsischen Geschichte gehandelt hat. Beim Vergleich mit einem Zeitgenossen Christians, dem bayrischen Fürsten Maximilian I., der in der Ausprägung seiner frühabsolutistischen Herrschaft sehr nah an den Idealtypus heranreichte, soll dieser als Vergleichsmuster dienen um einige Elemente der Entwicklung in Kursachsen näher zu untersuchen. Aufgrund des Umfangs dieser Arbeit habe ich mich auf einen Teil der Literatur zum Thema Absolutismus und zur Regierung Christians I. beschränkt. Noch immer als Standardliteratur sind dabei die älteren Arbeiten von Thomas Klein und Werner Ohnsorge zu betrachten1. Zur Absolutismusdebatte sind zwei Werke, die sich mit dem aktuellen Forschungsstand auseinandersetzen, aus der verwendeten Literatur besonders hervorzuheben.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Absolutismus
1.1. Zur Begriffsgeschichte
1.2. Aktuelle Tendenzen in der Absolutismusforschung
1.3. Zur Verwendung des Begriffs in dieser Arbeit
II. Die politischen Reformversuche Christians I
2.1. Die Ausgangslage in Kursachsen beim Regierungsantritt Christians
2.2. Politischer Umschwung und „Zweite Reformation“
2.2.1. Die Ära Bernstein (1586-89)
2.2.2. Die Ära Krell (1589-91)
III. Historische Einordnung der Regierung Christians I
3.1. Kontinuität im Prozess der Staatsbildung oder Phänomen in Krisenzeiten?
3.2. Ein Vergleich mit dem Bayern Maximilians I
Fazit
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Einleitung
Am 9. Oktober 1601 wurde in Dresden mit Dr. Nicolaus Krell ein Mann hingerichtet, der
während der Regierung Kurfürst Christians I. vom einflussreichsten Berater des Kurfürsten zum Kanzler und zur alles überragenden Persönlichkeit am Hofe aufgestiegen war und die Geschicke des Landes fünf Jahre lang maßgeblich bestimmt hatte. Seine Hinrichtung war der unrühmliche Höhepunkt einer 1591, nach dem frühen Tod Christians I., einsetzenden Reaktion von Adel und lutherischer Geistlichkeit in Kursachsen, welche zuvor ihres Einflusses weitgehend beraubt wor-den waren, nachdem sie dem Kurfürsten ihre Zustimmung zu einer Veränderung der Konfession des Landes in Richtung auf den Calvinismus versagt hatten.
Das Thema der hier vorliegenden Arbeit sind die politischen Reformen Christians I., mit denen er das Ziel einer Stärkung seiner fürstlichen Gewalt verfolgte. Es soll die Frage geklärt werden, ob dabei bereits von einem „frühabsolutistischen Regiment“ Christians gesprochen werden kann.
Zunächst soll, ausgehend von seiner Begriffsgeschichte und aktuellen Forschungstendenzen, er-läutert werden, in welcher Bedeutung der Begriff Absolutismus hier gebraucht wird, was gleich-zeitig als These gedacht ist, wie ein Ausweg aus dem gegenwärtigen Dilemma um den Absolu-tismusbegriff gefunden werden könnte. Darauf folgt eine Darstellung der Ereignisse der Regie-rung Christians, verbunden mit der Beantwortung der Frage, ob man dabei von absolutistischen Bestrebungen sprechen kann. Schließlich soll der Versuch einer historischen Einordnung unter-nommen werden. So wird die Frage gestellt, ob Christian etwa kontinuierlich das Werk seiner Vorgänger weiterverfolgte oder es sich bei seiner Regentschaft um einen „Sonderfall“ in der sächsischen Geschichte gehandelt hat. Beim Vergleich mit einem Zeitgenossen Christians, dem bayrischen Fürsten Maximilian I., der in der Ausprägung seiner frühabsolutistischen Herrschaft sehr nah an den Idealtypus heranreichte, soll dieser als Vergleichsmuster dienen um einige Ele-mente der Entwicklung in Kursachsen näher zu untersuchen.
Aufgrund des Umfangs dieser Arbeit habe ich mich auf einen Teil der Literatur zum Thema Ab-
solutismus und zur Regierung Christians I. beschränkt. Noch immer als Standardliteratur sind dabei die älteren Arbeiten von Thomas Klein und Werner Ohnsorge zu betrachten1. Zur Abso-lutismusdebatte sind zwei Werke, die sich mit dem aktuellen Forschungsstand auseinander- setzen, aus der verwendeten Literatur besonders hervorzuheben2.
I. Absolutismus
1.1. Zur Begriffsgeschichte
In seiner doppelten Bedeutung als Bezeichnung eines politischen Systems sowie einer Epoche ist Absolutismus ein Begriff, dessen verschiedene Definitionen und Typologien aufgrund der Kom-plexität des Themas stets Anlass zur Kritik geboten haben. Auf diese Problematik soll hier, vor einer Beschäftigung mit der Entwicklung in Kursachsen, zunächst eingegangen werden.
Absolutismus war kein zeitgenössischer Begriff des 16. bis 18. Jahrhunderts, politische Theore-tiker dieser Zeit kannten sehr wohl das Phänomen, jedoch noch nicht diese Bezeichnung.
Bedeutend in diesem Zusammenhang ist der französische Jurist Jean Bodin, der 1576 in seinem Werk ‚Les six livres de la république‘, mit welchem er Frankreich einen Weg aus der Krise der Religionskriege zeigen wollte, von der puissance absolue sprach. Damit hatte er die Herrschaft des Souveräns, also des Monarchen als der höchsten über den Gesetzen stehenden staatlichen Gewalt, mit dem Adjektiv „absolut“ versehen.3
Mit seiner Beschreibung der Merkmale dieser nicht durch menschliche Mitsprache beschränkten Herrschaft hat Bodin die Vorstellung des Idealtyps absolutistischer Herrschaft bis heute geprägt. Zentral war seiner Auffassung nach die alleinige Gesetzgebungsbefugnis des Monarchen, wovon er alle anderen Merkmale, wie etwa alleinige außenpolitische Entscheidungskompetenz, Erhe- bung von Steuern oder den Anspruch auf unbedingte Treueversicherung aller Untertanen abge-leitet hat.4
Der Begriff Absolutismus ist dann im 19. Jahrhundert in einer noch negativen Bedeutung ent-standen. Er wurde von Liberalen in England und auch in den deutschen Ländern „ ... zur Kenn-zeichnung eines für überwunden gehaltenen, autoritären, ‚despotischen‘ Regimes ... [gebraucht, um] ... gegenwärtige Zustände vor einer negativen historischen Folie positiv zu zeichnen“.5
Seitdem hatte der Begriff in Wissenschaft und Publizistik Einzug gehalten und war besonders in
Deutschland, ausgehend von der etatistischen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts, in einer nun positiven Bedeutung zur umfassenden Epochenbezeichnung stilisiert worden, welche sich letztlich bis in unsere Zeit hinein erhalten hat.6
Dabei standen besonders die Möglichkeiten ständischer Mitsprache im Mittelpunkt. Die Fürsten der frühen Neuzeit, welche die Rechte der Stände negierten oder einschränkten wurden als abso-lutistisch bezeichnet und haben schließlich einer ganzen Epoche den Namen verliehen. Neben diesem zentralen Punkt wurden dem Absolutismus weitere Elemente zugeschrieben, wie etwa Zentralisierung und Bürokratisierung der Verwaltung, Aufstellung eines stehenden Heeres, mit dem Merkantilismus eine staatliche Wirtschaftspolitik, die Domestizierung des Adels am Hof des Fürsten und schließlich auf politisch-soziologischer Ebene die Durchdringung der gesamten, auf Gehorsam gegenüber dem Monarchen verpflichteten, Gesellschaft.7
Das Problem dieser Definition ist aber, dass sie weit mehr einem Idealtyp als der historischen Realität entspricht, während ihre Verwendung als Epochenbezeichnung jedoch suggeriert, dass dies die allumfassende historische Wirklichkeit des 17. und 18. Jahrhunderts gewesen sei.
1.2. Aktuelle Tendenzen in der Absolutismusforschung
Mit einer Veränderung der Perspektive, weg von einer Geschichte „großer Männer“, sind diese Definition des Absolutismus und vor allem ihr umfassender Geltungsanspruch in die Kritik gera-ten, nachdem die Konturen des Begriffs immer mehr an Schärfe verloren haben8. Erneut angesto-ßen wurde die Debatte 1992 von Nicholas Henshall in seinem Buch ‚The Myth of Absolutism‘, in dem er, anhand einer allerdings ungeeigneten Definition, nachzuweisen versuchte, dass es Ab-solutismus im Sinne einer Epoche nie gegeben hat9. Aber Henshall und seinen polemischen The-sen muss zumindest die Wirkung zugestanden werden, dass heute mehr als bisher nach Grenzen und Kompromissen dieses Herrschaftssystems gefragt wird10.
Diese auch schon zuvor verfolgten Ansätze richten sich mit ihrer Kritik besonders an die bishe-rigen „Paradebeispiele“ absolutistischer Herrschaft Frankreich und Preußen. So wird etwa die
Annahme eines institutionellen Gegensatzes von Fürst und Ständen in Frage gestellt und statt-
dessen der Blick auf die ständischen Wirkungsmöglichkeiten und die vielfältigen Notwendig- keiten der Kooperation auch außerhalb von Institutionen wie Ständeversammlungen gerichtet. Ein weiterer Punkt ist die Bindung, auch des über den Gesetzen stehenden Herrschers, an tradi- tionelle Rechtsnormen. Möglichkeiten zur Kritik an dem älteren Absolutismusbild bieten sich vor allem auf dem Finanzsektor. Besonders in dieser Frage waren die Monarchen stets auf Kom-
promisse und die Mitwirkung der Stände angewiesen, was etwaigen absolutistischen Bestrebun-gen deutliche Grenzen setzte. Auch konnte der Monarch seinen Willen nicht problemlos gegen-über einem, ihm unbedingten Gehorsam leistenden, Untertanenverband durchsetzen, stattdessen blieb die Kompromissfindung stets Teil der Herrschaftspraxis auch des absoluten Herrschers.11
Somit hat sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt, dass Absolutismus in der älteren, also
idealtypischen Bedeutung kein umfassendes Phänomen der frühen Neuzeit war, sondern dieser Begriff nur eine Teilwirklichkeit, nur einige zeitlich befristete absolute Monarchien beschreibt, weshalb er nun als Epochenbezeichnung in Frage gestellt wird12. Absolutismus ist in dieser Be-deutung für die frühe Neuzeit nur noch „eine Tendenz unter vielen“, eine Phase im Staatsbil-dungsprozess einiger Territorien, oftmals in Krisensituationen, in denen solch autokratische Herrschaft notwendig war, damit der Monarch seinen Willen auch gegen den „rebellischen Adel“ oder „religiöse Nonkonformisten“ durchsetzen konnte13.
1.3. Zur Verwendung des Begriffs in dieser Arbeit
Hier soll nun eine eigene Deutung des Absolutismusbegriffs versucht werden, da das gesamte Phänomen, aufgrund seiner vielfältigen unterschiedlichen Ausprägungen in der Realität, eben nicht mehr mit einem idealtypischen Begriff beschrieben werden kann. Deshalb gilt es, eine De-finition zu finden die dies berücksichtigt, anstatt den Begriff als solchen zu verwerfen, wofür ja einige Historiker plädieren. Demnach wäre der Begriff Absolutismus auch weiterhin legitim, wenn er in seiner Definition dem aktuellen Forschungsstand entspricht.
Entscheidend scheint mir, dass im Zusammenhang mit der Ausbildung frühmoderner Flächen-staaten ein Streben der Monarchen nach Stärkung ihrer Gewalt, auch unter dem Einfluss zeit-genössischer politischer Theorien, weit verbreitet war. Ernst Hinrichs verweist darauf, dass die Fürsten des 16. und 17. Jahrhunderts, sowie ihre Räte und Minister, durchaus etwa von den Ge-danken eines Jean Bodin beeinflusst waren und „ ... mit besonderer Intensität über die Zweck-mäßigkeit und den moralischen Nutzen eines starken ‚absoluten‘ Fürstenregiments ...“ disku- tierten14. Es ist zu konstatieren, dass der Absolutismus, wenn auch noch nicht als solcher be-zeichnet, den allgemeinen politischen Diskurs dieser Zeit beherrschte15. Ausgehend davon war also bei den Fürsten dieser Zeit ein gewisser Wandel, hin zu einem Selbstverständnis als „abso- lute“ Herrscher ein weit verbreitetes Phänomen. Wenn man berücksichtigt, dass Absolutismus in idealtypischer Form schließlich doch „ ... mehr fürstliches Programm, theoretisches Konzept von Juristen und Philosophen und [..] Ministern war als Verfassungsrealität ...“16, dann lässt sich Ab-solutismus eher als das Streben des Fürsten nach größtmöglicher Machtfülle definieren.
[...]
1 Die umfassendste Gesamtdarstellung zur Regierung Christians I.: Klein, Thomas: Der Kampf um die Zweite Re- formation in Kursachsen 1586-1591, Köln 1962; ausführliche Darstellung zur Verwaltungsreform: Ohnsorge, Wer- ner: Die Verwaltungsreform unter Christian I., in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 63 (1942), S. 26-80.
2 Diese sind: Hinrichs, Ernst: Fürsten und Mächte. Zum Problem des europäischen Absolutismus, Göttingen 2000;
Asch, Ronald G./ Duchhardt, Heinz (Hrsg.): Der Absolutismus – ein Mythos? Strukturwandel monarchischer
Herrschaft in West- und Mitteleuropa (ca. 1550-1700), Köln, Weimar, Wien 1996.
3 Siehe Hinrichs: Fürsten, S. 23f.
4 Vgl. Krüger, Kersten: Absolutismus in Dänemark – ein Modell für Begriffsbildung und Typologie, in: Hinrichs, Ernst (Hrsg.): Absolutismus, Frankfurt am Main 1986, S. 65-94, hier S. 67f.
5 Hinrichs: Fürsten, S. 20.
6 Siehe Hinrichs: Fürsten, S. 21ff. 7 Vgl. ebd., S. 27 und 233. 8 Vgl. ebd., S. 16.
9 Eine Zusammenfassung bei: Hinrichs, Ernst: Abschied vom Absolutismus? Eine Antwort auf Nicholas Henshall, in: Asch/ Duchhardt: Absolutismus (siehe Anm. 2), S. 353-371, hier S. 353-358.
10 Vgl. Asch, Ronald G./ Duchhardt, Heinz: Die Geburt des „Absolutismus“ im 17. Jahrhundert: Epochenwende der europäischen Geschichte oder optische Täuschung?, in: ebd., S. 3-24, hier S. 24.
11 Siehe dazu Hinrichs: Fürsten, S. 28-34. 12 Vgl. ebd., S. 235 und 241. 13 Ebd., S. 241.
12 Vgl. ebd., S. 235 und 241. 13 Ebd., S. 241.
14 Hinrichs: Fürsten, S. 25.
15 Siehe Asch/ Duchhardt: Die Geburt, S. 16; zu diesem Schluss kommt etwa Arlette Jouanna in ihrem Aufsatz ‚Die Debatte über die absolute Gewalt im Frankreich der Religionskriege‘, abgedruckt ebenfalls in Asch/ Duchhardt: Absolutismus (siehe Anm. 2), S. 57-78.
16 Hinrichs: Abschied, S. 361.
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