Leben verheiratete Menschen länger? Die Zusammenhänge zwischen Familienstand und Gesundheit

Eine quantitative Analyse zu Mortalität und Ehe mit den Daten des Sozio-oekonomischen Panels


Masterarbeit, 2016

77 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung … 6

Abbildungsverzeichnis … 7

Tabellenverzeichnis … 8

Anhangsverzeichnis … 9

1 Einleitung … 10

2 Gesundheit … 14

3 Familienbiographien … 18
3.1 Institutionalisierung … 18
3.2 Pluralisierung … 19

4 Zusammenhang zwischen Familienstand und Gesundheit … 24
4.1 Protektion … 26
4.2 Selektion … 27

5 Forschungsstand & Ableitung der Fragestellung … 29
5.1 Empirische Forschungsergebnisse … 29
5.2 Forschungsfrage & Hypothesen … 33

6 Daten und Methode … 37
6.1 Datengrundlage … 37
6.2 Fixed-Effects-Regression … 40

7 Analysen … 44
7.1 Deskriptive Analyse … 45
7.2 Regressionsanalyse … 48
7.3 Ergebnisdiskussion … 61

8 Schlussbetrachtung … 64

9 Literatur … 68

10 Anhang … 73
Anhang 1: Eheschließungen und Ehescheidungen in Deutschland … 73
Anhang 2: Sample Beschreibung … 74
Anhang 3: Hausman-Tests … 75
Anhang 4: Fixed Effects Individual Slopes … 76
Anhang 5: Übergangswechsel Familienstände nach Kohorte … 77

Zusammenfassung

Zahlreiche Forschungen in den letzten Jahrzehnten zeigen, dass sich der Familienstand „Ehe“ positiv auf die Gesundheit und das Mortalitätsrisiko auswirkt. Unklar ist jedoch, ob es sich hierbei um protektive Effekte der Ehe oder um Selektionsmechanismen von gesunden Menschen in die Ehe handelt. Vor dem Hintergrund der sich pluralisierenden Lebensformen ergibt sich die Frage, inwiefern die bisherigen Befunde aus früheren Studien überhaupt noch vorzufinden sind. Die vorliegende Arbeit untersucht diese Zusammenhänge empirisch anhand der Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und nutzt zur Paneldatenanalyse Fixed-Effects-Modelle. Die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen darauf hin, dass kein Zusammenhang zwischen dem Familienstand und der Zufriedenheit mit der Gesundheit besteht. Die Unterschiede in den Befunden im Vergleich zu früheren Forschungen könnte unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass die vorliegende Arbeit - anders als viele der bisherigen Studien - Längsschnittdaten betrachten, Fixed-Effects-Regression zur Kontrolle personenspezifischer Heterogenität verwenden und sich auf die Gesundheit als abhängige Variable konzentrieren.

1 Einleitung

Die gesundheitliche Lage der Bevölkerung in den hoch entwickelten Gesellschaften wie Deutschland hat sich in den letzten einhundert Jahren drastisch verbessert und die Lebenserwartung hierdurch mehr als verdoppelt. Heute geborene Jungen feiern im Schnitt 78, Mädchen 83 Geburtstage im Leben und meist wünscht man sich hierzu vor allen Dingen: Gesundheit (Statistisches Bundesamt, 2016). Doch was ist diese Gesundheit, die sich viele erhoffen? Wie kommt sie zustande? Nach den leidvollen Kriegsjahren definierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1946 Gesundheit als „Zustand des völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“ (WHO, 1946). Dieser „Zustand“ ist nicht nur von Genen oder dem Zufall bestimmt, sondern bedingt sich auch durch unterschiedliche Umwelt- und Verhaltensfaktoren, die zusammengenommen die individuelle Gesundheit ausmachen.

Der sozioökonomische Status, bedingt durch Bildung und Einkommen, sowie die damit einhergehenden sozialen Lebensformen wirken sich bedeutend auf die Gesundheitschancen einer Person aus. Ein Faktor innerhalb des Einflussbereichs der Lebensformen stellen soziale Beziehungen im Allgemeinen und der familiäre Status im Besonderen dar. Bereits 1859 befasste sich der britische Epidemiologe William Farr mit den gesundheitlichen Vorteilen der Ehe und stellte in seiner Untersuchung fest, dass die französische Bevölkerungsgruppe der Verheirateten eine niedere Sterblichkeit als ledige und verwitwete Personen aufwies (Farr, 1858). Wenige Jahre später stellte der französische Soziologe Durkheim ebenfalls fest, dass sich die Ehe protektiv auf die Mortalität der Verheirateten auswirkt (Durkheim, 1897). Die gesundheitsfördernden und lebensverlängernden Effekte der Ehe werden seither in der soziologischen Forschung untersucht und konnten auch vielfach empirisch bestätigt werden (z.B. Gove, 1973; Rogers, 1995; Brockmann & Klein, 2004), eine eindeutige Ursachenklärung dieses Zusammenhangs liegt jedoch nicht vor.

Es scheint wohl entscheidend zu sein, dass es sich bei der Ehe nicht „nur“ um eine intime Beziehung handelt, sondern vielmehr um eine soziale Institution. Als soziale Institution stellt die Ehe eine verpflichtende Verbindung der Partner mit der Gesellschaft her und führt zu einer grundlegenden Änderung des Verhaltens (Waite & Gallagher, 2000; Wilson & Oswald, 2005). Zwei unterschiedliche Konzepte versuchen diesen positiven Zusammenhang zu erklären: der protektive Ansatz geht davon aus, dass die Ehe mit den hiermit verbundenen Lebensbedingungen und Verhaltensweisen den Ursprung einer besseren Gesundheit sowie niedrigeren Mortalität darstellt. Die Theorie der Selektion hingegen beschreibt, dass sich gesündere Menschen in die Ehe selektieren, da sie auf dem Heiratsmarkt attraktiver wirken. In empirischen Untersuchungen lassen sich für beide Konzepte Belege finden, so dass die positiven Effekte der Ehe nicht klar auf protektive Mechanismen oder Selbstselektion zurückgeführt werden können (Wickrama & Lorenz & Conger & Elder, 1997).

Trotz der weitreichenden Forschung ist die weiterhin bestehende Relevanz dieser Thematik nicht zu vernachlässigen, denn unabhängig der zugrundeliegenden Erklärung dieser Effekte muss bedacht werden, dass sich die Institution „Ehe“ in den letzten Jahrzehnten gravierend verändert hat. Ehen werden wesentlich seltener geschlossen, aber häufiger geschieden und Familienbiografien werden insgesamt heterogener. Diese Veränderungen spiegeln sich zum Teil in Abbildung 1 wider. Sie zeigt die Entwicklung von Eheschließungen und Ehescheidungen Pro Jahr in Deutschland im Zeitraum von 1950 bis 2015:

Abbildung 1: Eheschließung und -scheidung in Deutschland (1950-2015)

[Abbildungen werden in dieser Leseprobe nicht angezeigt.]

Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt[1]

Der trichterförmige Verlauf in der Abbildung 1: Eheschließung und -scheidung in Deutschland (1950-2015) bestätigt, dass der steigenden Anzahl an Scheidungen eine sinkende Zahl an Eheschließungen gegenübersteht und sich die Familienstände in den letzten Jahrzehnten wandeln. Während etwa 1960 noch 9,4 Ehen geschlossen und lediglich eine Ehe geschieden wurde, waren es 2012 4,8 Eheschließungen und 2,2 Ehescheidungen je 1.000 Einwohner. Ab 2005 pendeln sich die Werte auf etwa 4,6 Ehen und 2,3 Scheidungen ein.

Diese Entwicklungen ergeben sich unter anderem aus den Prozessen der Emanzipation und einer höheren Bildungsbeteiligung von Frauen, welche mit einer gesteigerten Erwerbsbeteiligung einhergeht und dadurch alternative Lebensmöglichkeiten eröffnet. Die hierdurch gewonnene monetäre Unabhängigkeit beeinflusst wiederrum die Heiratswahrscheinlichkeit und Ehestabilität. Diese miteinander verbundenen Prozesse können sich schließlich auf die Bedeutung und Wahrnehmung der Heirat sowie Konsistenz der Ehe auswirken und hierdurch bedingt auch Einfluss auf die vermeintlichen Vorteile der Ehe auf die Gesundheit haben.

Vor diesem Hintergrund stellt sich heute also vielmehr die Frage, inwiefern die bisherigen Befunde, die einen Zusammenhang zwischen Ehe und Gesundheit sehen, überhaupt noch vorzufinden sind. Weisen verheiratete Personen nach all diesen Entwicklungen nach wie vor einen besseren Gesundheitszustand als ledige Personen auf? Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich folglich mit der Forschungsfrage, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Familienstand und Gesundheitszustand auch heute noch festzustellen ist. Die Untersuchung konzentriert sich auf eine empirisch häufig bestätigte Determinante der Gesundheit – den Familienstand - dessen Wirkungsweise jedoch nicht klar erwiesen ist und der sich zudem in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat. Neben der Forschungsfrage, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Familienstand und Gesundheitszustand auch heute noch festzustellen ist, soll untersucht werden, ob dieser eindeutig auf protektive Faktoren oder etwa auf Selbstselektion zurückgeführt werden kann.

Die Konzentration auf Gesundheit statt Mortalität in dieser Arbeit bietet verschiedene Vorteile: es ermöglicht eine lebenslaufbezogene Analyse und Betrachtung unterschiedlicher Lebensphasen sowie die Berücksichtigung aktuell noch lebender Befragter, was erst eine Einschätzung des Zusammenhanges zur heutigen Zeit erlaubt. Des Weiteren lassen sich Selektionsmechanismen in Bezug auf den Familienstand ausschließlich über Gesundheit kontrollieren, da die Heiratswahrscheinlichkeit vom Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Partnerwahl abhängt und sich erst anschließend auf die Mortalität auswirkt. Anders als viele bisherige Forschungsarbeiten, deren Analyse sich vorwiegend auf periodenbezogenen Daten basieren, kann mithilfe von Längsschnittdaten der Zusammenhang zwischen Familienstand und Gesundheit kontrolliert und die resultierende Abschätzung des Kausaleinflusses der Protektion oder Selektion zugeschrieben werden (Hu & Goldmann 1990, Klein 1993, Wilson & Oswald, 2005; Unger, 2007).

Für die Analyse der verschiedenen Aspekte des beschriebenen Zusammenhangs werden folgende Hypothesen untersucht:

H1: Verheiratete weisen einen besseren Gesundheitszustand als Ledige auf

H2: Gesündere Menschen selektieren sich in die Ehe

H3: Die Ehe hat einen protektiven Effekt auf die Gesundheit

H4: Männer profitieren gesundheitlich mehr von der Ehe als Frauen

H5: Die Effekte durch den Familienstand sind für Ostdeutschland stärker als für Westdeutschland

H6: Ältere Personen profitierten mehr von der Ehe als jüngere Personen

H7: Mit steigender Anzahl an Ehejahren, bleibt der positive Effekt stabil beziehungsweise akkumuliert sich

Der Aufbau der Arbeit gestaltet sich dabei wie folgt: In Kapitel 2 Gesundheit erfolgt eine Begriffsbestimmung sowie interdisziplinäre Betrachtung des Konzeptes Gesundheit. Das Kapitel 3 dient der Ausarbeitung der Institutionalisierung sowie Pluralisierung der individuellen Familienbiographien, so dass in Kapitel 4 der Zusammenhang zwischen Familienstand und Gesundheit sowie die beiden Erklärungsansätze Protektion und Selektion dargelegt werden können. Die Empirische Forschungsergebnisse zu den verschiedenen Aspekten des Zusammenhanges werden in Kapitel 5 zusammengeführt, um hierauf aufbauend die zu untersuchenden Forschungsfrage & Hypothesen abzuleiten. In Kapitel 6 werden die verwendeten Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und das gebildete Untersuchungssample vorgestellt sowie die verwendete Methode der Fixed-Effects-Regression beschrieben. Die in Kapitel 7 dargestellten Analysen dieser Arbeit erfolgt in fünf Schritten: zunächst wird der Zusammenhang zwischen Familienstand und Gesundheit deskriptiv betrachtet. Anschließend folgen drei Fixed-Effects-Modelle mit den Schwerpunkten Modelle Geschlechterbetrachtung, Modelle Ost-West-Betrachtung sowie Modelle Kohortenbetrachtung. Hieran anschließend wird der bisherig verwendete Datensatz modifiziert, um auch die Auswirkung der Heirat und Ehedauer innerhalb einer Regression untersuchen zu können. Zum Abschluss dieser Arbeit werden die generierten Ergebnisse diskutiert und in der Schlussbetrachtung mit den dargelegten theoretischen Aspekten zusammengeführt.

2 Gesundheit

Nach der ersten wissenschaftlichen Definition von Gesundheit als

"ein Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur als das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Der Genuss des höchsten erreichbaren Gesundheitszustandes ist eines der Grundrechte jedes Menschen, unabhängig von der Rasse, der Religion, der politischen Einstellung und ökonomischer und sozialer Bedingungen" (WHO, 1947, S. 29).

von 1947 folgten viele weitere Versuche, das Konzept „Gesundheit“ durch Ergänzungen und Abwandlungen stichhaltig zu bestimmen. Bemerkenswert an der Definition der WHO waren die erstmalige Betonung der subjektiven Aspekte der Gesundheit sowie die positive Ausrichtung der Begriffsbestimmung. Für die wissenschaftliche Arbeit eignet sich dieses Verständnis von Gesundheit jedoch nicht, da sie „utopische“ Zielvorstellungen beinhaltetet, indem sie einen Zustand beschreiben, der vollkommen frei ist von jeglichen Beschwerden und somit die Mehrheit der Menschen ausschließt und zudem auf gesundheitspolitische Aspekte abzielt. Wesentlich passender für die vorliegende Arbeit erscheint die interdisziplinär ausgelegte, stark vereinfachte Definition von Hurrelmann und Richter (2013):

Gesundheit ist das Stadium des Gleichgewichts von Risikofaktoren und Schutzfaktoren, das eintritt, wenn einem Menschen eine Bewältigung sowohl der inneren (körperlichen und psychischen) als auch äußeren (sozialen und materiellen) Anforderungen gelingt. Gesundheit ist ein Stadium, das einem Menschen Wohlbefinden und Lebensfreude vermittelt. (S. 147).

Diese Auffassung von Gesundheit stellt den Ausgangspunkt für die weitere - aufgrund der soziologischen Betrachtungsweise stark vereinfachte - Darlegung der hoch komplexen Thematik „Gesundheit“ dar.

Auf der Individualebene erscheint es oftmals zufällig oder gar schicksalhaft, wer mehr oder weniger gesundheitliche Anforderungen im Verlauf seines Lebens bewältigen muss. Auf der Bevölkerungsebene zeigen sich jedoch deutliche Zusammenhänge zwischen den aufkommenden Krankheiten und den jeweiligen Lebensumständen sowie Verhaltensweisen. Der Gesundheitsstatus einer Bevölkerung ist durch personale, soziale und Verhaltensfaktoren bestimmt, die sich jeweils gegenseitig bedingen. Zur besseren Übersichtlichkeit werden die Faktoren in Abbildung 2: Bedingungsfaktoren der Gesundheit veranschaulicht.


[1] Eine Tabelle mit den einzelnen Zahlen befindet sich in Anhang 1: Eheschließungen und Ehescheidungen in Deutschland.

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Leben verheiratete Menschen länger? Die Zusammenhänge zwischen Familienstand und Gesundheit
Untertitel
Eine quantitative Analyse zu Mortalität und Ehe mit den Daten des Sozio-oekonomischen Panels
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Soziologie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
77
Katalognummer
V369254
ISBN (eBook)
9783668488786
ISBN (Buch)
9783960950943
Dateigröße
1868 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mortalität, Paneldatenanalyse, Pluralisierung, Gesundheit, Familienstand, Statistik, quantitative Sozialforschung, Ehe, Selektionsmechanismus, Fixed-Effects-Modelle, Sozio-oekonomisches Panel
Arbeit zitieren
Veronika Waldenmaier (Autor:in), 2016, Leben verheiratete Menschen länger? Die Zusammenhänge zwischen Familienstand und Gesundheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369254

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