Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Inhaltliche Zusammenfassung
2. Makrostruktur des Textes
3.Erzählform und Stil des Autors
4.Beginn der Erzählung
5. Auftretende Figuren, Personenkonstellationen und deren Charaktereigenschaften
6. Ein Interpretationsansatz: Die Erzählung als biografische Spiegelung des Lebens Kafkas
Schlussfazit
Bibliographie
Einleitung
Diese Arbeit befasst sich mit einem erzählerischen Werk Kafkas, welches den Titel die „Verwandlung“ trägt. Entstanden ist die Erzählung im Jahr 1912, erstmals veröffentlicht wurde sie 1915. Kafkas Gesamtwerk besteht aus Romanen, Erzählungen, Briefen und Tagebüchern.
Der Autor lebte von 1883 bis 1924 und verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Prag. Zu dieser Zeit war Prag – damals zum Vielvölkerstaat Österreich gehörend – geprägt durch Konflikte, welche von den drei Hauptbevölkerungsgruppen ausgingen. Dies waren die Deutsch-Österreicher, die Juden und die Tschechen.
In dieser Analyse möchte ich folgende Punkte genauer betrachten und herausarbeiten: Welcher Inhalt uns vorliegt, in welcher Form sich die Erzählung gestaltet, was sich zu der Makrostruktur des Textes sagen lässt, wo die thematischen Schwerpunkte der einzelnen Kapitel liegen, welche auffallenden stilistischen Mittel Kafka beim Schreiben verwendet, wie sich der erste Satz gestaltet mitsamt seinen Auffälligkeiten, welche Figuren auftreten, wie diese miteinander in Verbindung stehen und inwiefern sie sich im Verlauf dieser Erzählung verändern. Den Abschuss bilden der Interpretationsansatz, bei welchem die Frage im Fokus steht, inwieweit diese Narration als biografische Spiegelung des Lebens Kafkas angesehen werden kann, und das Fazit.
1. Inhaltliche Zusammenfassung
Eines Morgens erwacht Gregor Samsa in seinem Bett und findet sich zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt, was ihn zunächst an eine Sinnestäuschung glauben lässt. Vergebens versucht er weiterzuschlafen. So beginnt er über seine unbefriedigende berufliche Situation nachzudenken und kommt zum Schluss, dass er seinen Job kündigen werde, sobald er die Schulden seiner Eltern abbezahlt habe.
Gerade als er das Bett verlassen will, klopft es an seine Tür. Mehrmals versucht Gregor aufzustehen, denn er möchte unbedingt das Bett verlassen haben, bevor jemand aus seinem Geschäft zu ihm käme und sich über den Grund seines Fernbleibens erkundigte. Jedoch gelingt ihm dies nicht. Im gleichen Moment läutet der Prokurist an der Tür. Verärgert über das Misstrauen und durch die daraus resultierende Erregung, bringt Gregor es schliesslich fertig, sich aus dem Bett zu schwingen und unverletzt auf dem Boden zu landen, doch der Krach erregt die Aufmerksamkeit der übrigen Anwesenden. Der Prokurist, dem der Einlass in Gregors Zimmer bis anhin nicht gewährt worden ist, zeigt sich genervt und unterstellt Gregor sogleich eine schlechte Arbeitsleistung, sogar eine mögliche Veruntreuung. Augenblicklich versucht Gregor ihn zu beschwichtigen.
Endlich gelingt es dem Verwandelten unter grössten Beschwerlichkeiten mit dem Mund die Tür zu öffnen, obschon er sich dabei verletzt. Durch den Anblick Gregors zunächst starr vor Angst, fällt die Mutter kurz darauf in Ohnmacht, der Vater beginnt zu weinen und der Prokurist zieht sich immer mehr zurück. Letzteren möchte Gregor besänftigen, denn er erkennt, dass er diesen keinesfalls gehen lassen darf, möchte er seine Anstellung behalten. Der Prokurist aber lässt nicht mit sich reden und entschwindet sogleich nach draussen. Im selben Augenblick beginnt der Vater Gregor in sein Zimmer zurückzutreiben. Aufgrund seiner neuen Gestalt wirkt der Rückzug Gregors unbeholfen und zu seinem Unglück bleibt er auch noch zwischen dem Türrahmen eingeklemmt. Als der Vater ihm einen heftigen Stoss versetzt, fliegt der Verwandelte blutend in einem hohen Bogen ins Zimmer.
Erst gegen Abend erwacht der verwundete Gregor aus seinem ohnmachtsähnlichen Schlaf. Angelockt durch den Duft von süsser Milch, kostet er sogleich davon, jedoch schmeckt sie ihm überhaupt nicht mehr. Zur Ablenkung krabbelt Gregor im Zimmer herum und bleibt an diesem Abend alleine. Erst am Morgen bringt die Schwester ihm verschiedenste Speisen. Postwendend stürzt sich Gregor auf das Essen, wobei er feststellen muss, dass ihm die verdorbenen Speisen neuerdings am besten schmecken. Gregor – der Sprache immer noch mächtig – lauscht nun oftmals an der Zimmertür und erfährt auf diese Weise von einer kleinen eisernen Reserve, welche die Familie besitzt. Dank dieser sind die Lebenshaltungskosten für ein bis zwei Jahre gedeckt.
Gregors Schwester Grete kümmert sich auch weiterhin um ihn, jedoch beginnt sich ihre anfängliche Fürsorge – aufgrund seines Aussehens und des Gestankes– je länger je mehr in Ekel umzuwandeln. Die Eltern halten sich ganz von ihrem Sohn fern, wenn auch die Mutter den Wunsch hegt, ihren Sohn wieder einmal zu sehen.
Um Gregor mehr Platz zum Krabbeln zu verschaffen, will Grete die Möbel – eine letzte Verbindung an die menschliche Existenz Gregors – entfernen. Dazu bittet sie die Mutter um Mithilfe. In seiner Verzweiflung kriecht Gregor unter dem Kanapee hervor, worauf die Mutter wiederrum ohnmächtig wird und die Schwester ihr sogleich zu Hilfe eilt. Auch Gregor will helfen, steht aber vor verschlossener Tür und wird dort vom Vater entdeckt. Erzürnt über die vorherrschende Situation, wirft dieser mit Äpfeln nach Gregor und verletzt ihn dabei schwer. Im letzten Moment bittet die Mutter ihren Gatten, den gemeinsamen Sohn zu verschonen.
Dem Verwandelten fällt es nun zusehends schwieriger sich zu bewegen. Abends lässt die Familie die Tür zum Wohnzimmer offen, sodass Gregor sie von seinem Zimmer aus beobachten kann. Obschon der Vater sowie auch Mutter und Schwester einer Arbeit nachgehen, geht es der Familie finanziell immer schlechter.
Dies belastet auch Gregor, er schläft und isst nun fast nicht mehr. Ferner wird er von der Familie immer mehr vernachlässigt. Zur finanziellen Entlastung wird eines der Zimmer an drei Herren untervermietet. Als die Schwester eines Abends auf der Violine spielt, zeigen sich diese vom Können der Schwester unbeeindruckt, was Gregor sehr verärgert und ihn dazu veranlasst ins Wohnzimmer zu kriechen. Beim Anblick des völlig verschmutzen und verwahrlosten Gregors reagieren die drei Herren empört, kündigen das Zimmer und verlassen kurz darauf das Wohnzimmer.
Nun fordert Grete gegenüber den Eltern, Gregor loszuwerden. Traurig und gekränkt zieht sich dieser in sein Zimmer zurück, in welchem er kurz darauf zusammenbricht. Ein letztes Mal denkt Gregor voller Wehmut an seine Familie und entschlummert am frühen Morgen des Folgetages. Unter den Angehörigen ist zunächst eine Erleichterung zu spüren, ferner ein wenig Trauer erkennbar. Die Familie beschliesst den Tag frei zu nehmen und ins Grüne zu fahren – der Zukunft voller Zuversicht entgegenblickend.
2. Makrostruktur des Textes
Die Erzählung Kafkas ist in drei Kapitel unterteilt, welche in Bezug auf die Seitenzahlen ungefähr gleich lang sind. Jedes Kapitel umfasst in etwa 20 Seiten. Auffallend ist, dass sich die Kapitel nicht nur in ihrer Länge ähnlich sind, sondern auch in ihrem inhaltlichen Aufbau.
Des Weiteren hat jedes Kapitel einen thematischen Schwerpunkt: In Kapitel I geht es um die Auseinandersetzung Gregors mit seiner neuen Gestalt und um die Reflexion seines bisherigen Lebens. Kapitel II greift vor allem Gregors Verhältnis zu den einzelnen Familienangehörigen auf, sowie die stufenweise und gemächlich erfolgende Annahme seiner tierischen Existenz. Den Abschluss der Geschichte bildet Kapitel III mit der Vereinsamung und letztendlich mit dem Tod Gregors. Dabei ist zu sehen, wie sich die Familie im Verlauf der Erzählung immer mehr von ihm entfernt. Gegen Schluss ist Gregor ebenso der Meinung, dass es das Beste sei, wenn er ginge.
In jedem der drei Kapitel findet man einen Ausbruchsversuch Gregors, der in einer sich steigernden Erfahrung der Ausgrenzung und Zurückweisung durch die Familie gipfelt.[1] Die Sorge um seinen Arbeitsplatz verleitet Gregor in Kapitel I dazu einen Ausbruchsversuch zu wagen, indem er dem Prokuristen – im Versuch ihn aufzuhalten – nachkriecht. Zurückweisung erhält er in diesem Kapitel vom Vater, welcher ihn in grober Manier in das Zimmer zurücktreibt. Von der Sorge um seine Mutter getrieben, nimmt Gregor einen weiteren Ausbruchsversuch in Kapitel II vor, welcher wiederrum durch den Vater, der wutentbrannt Äpfel nach Gregor wirft, unterbunden wird. Auch hier ist eine Zurückweisung des Vaters, sowie allmählich der Schwester, welche sich immer weniger um Gregor kümmert, erkennbar. In Kapitel III erfährt Gregor die erdrückende Last der Zurückweisung durch die ganze Familie: Aufgrund der Liebe zu seiner Schwester und zur Musik erscheint der Verwandelte abermals im Wohnzimmer und wagt so einen weiteren Ausbruchsversuch aus seinem Zimmer. Dort erfährt er die entschiedene Zurückweisung seiner geliebten Schwester, was ihn ausserordentlich schmerzt. Er geht aus eigenem Willen in sein Zimmer zurück. Dort gelangt er zur Erkenntnis, dass es für alle Beteiligten womöglich das Beste wäre, wenn er verschwände. Folglich erreicht die Zurückweisung durch die Familie zum Schluss der Geschichte ihren Höhepunkt.
„Seine Meinung darüber, dass er verschwinden müsse, war womöglich noch entschiedener, als die seiner Schwester.“[2]
Neben dieser Entwicklung ist auch die ständige innere Entwicklung Gregors vom Menschen zum Käfer beobachtbar. Zu Beginn der Geschichte glaubt er an eine Einbildung, die sich hoffentlich bald auflöse. Gregor muss in Kapitel I seine Verwandlung zum Ungeziefer erst noch richtig erfassen und wahrnehmen. In Kapitel II nimmt sein Verhalten immer mehr käferhafte Züge an.
„Um sich nicht in solche Gedanken zu verlieren, setzte sich Gregor lieber in Bewegung und kroch im Zimmer auf und ab.“[3]
Die Geschichte lässt aber bis zum Schluss offen – und somit auch in Kapitel III –, inwieweit Gregor sein äusseres Erscheinungsbild und seine Denkweise wirklich harmonisieren kann. Ebenfalls unbeantwortet bleibt, wieweit er sich eine neue Identität aufgrund der neuen Situation aneignet.
„War er ein Tier, da ihn Musik so ergriff? Ihm war, als zeige sich ihm der Weg zu der ersehnten unbekannten Nahrung.“[4]
Chronologisch erstreckt sich Kafkas Erzählung über einen Zeitraum von drei bis vier Monaten. Gregor erwähnt, er habe die feste Absicht, die Familie an Weihnachten darüber zu informieren, dass er seine Schwester aufs Konservatorium schicken will.[5] Somit ist seine Verwandlung kurz vor Weihnachten – irgendwann im Dezember – vonstattengegangen.
Nach dem Tod Gregors öffnet die Bedienerin das Fenster, und obschon es noch früher Morgen ist, weht laue Luft hinein. Denn es ist schon Ende März.[6] Diese beiden Anhaltspunkte legen nahe, dass die Geschichte vom Dezember bis Ende März andauert.
Interessant sind ebenso die vorkommenden Orte. Schauplatz der Erzählung ist ausschliesslich die Wohnung der Familie Samsa. Gregors Zimmer ist sowohl der Ort seiner Verwandlung als auch sein Lebensmittelpunkt nach der Metamorphose. Um wieder den sozialen Kontakt zu seinen Mitmenschen pflegen zu können, versucht er mehrfach seinem Zimmer zu entfliehen, wird jedoch bei jedem Versuch zurück ins sein Zimmer getrieben. Erst nach dem Entschlummern Gregors begibt sich die Familie auf einen Ausflug ins Grüne, was zu seinen Lebzeiten nicht vorstellbar gewesen wäre. Daher ist es naheliegend, dass Kafka diesen Wendepunkt zum Schluss bewusst eingebaut hat, um den Lesenden zu zeigen, wie schwer die Last Gregors auf der Familie gelegen hat. Der Ausflug ins Grüne könnte symbolisch für eine hoffnungsvolle Zukunft stehen.
„Sie besprachen, bequem auf ihren Sitzen zurückgelehnt, die Aussichten für ihre Zukunft, […], überaus günstig und besonders für später vielversprechend.“[7]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kafka seine Erzählung inhaltlich und formal klar gegliedert hat. Jedes Kapitel ist in etwa gleich lang und enthält einen thematischen Schwerpunkt sowie einen Höhepunkt. Letzteres zeigt sich in wie folgt: In Kapitel I präsentiert sich Gregor in seiner Käfergestalt, in Kapitel II wird er vom Vater gejagt und schwer verletzt und in Kapitel III wird der Höhepunkt im letzten Aufbäumen Gregors, im Griff nach der Familie und dem Menschsein sichtbar.
Des Weiteren findet sich, wie schon ausführlich erwähnt, in jedem Kapitel ein Ausbruchversuch Gregors, der mit einer Zurückweisung von Seiten der Familie endet, was die Tragik dieser Erzählung in besonderem Masse unterstreicht.
3. Erzählform und Stil des Autors
Franz Kafka schreibt diese Narration aus der personalen Erzählperspektive, indem er die Geschichte aus der Sichtweise von Gregor Samsa – dem Protagonisten – erzählt. Gleich zu Beginn der Geschichte werden die Lesenden unmittelbar in das Geschehen hineinversetzt. Wir wachen mit Gregor zusammen in seinem Zimmer auf und sind ähnlich verwirrt über die Verwandlung wie der Protagonist. Ausserdem bedient sich Kafka des erzähltechnischen Mittels des inneren Monologs, indem er uns in hohem Masse an der Gefühlswelt und an den Gedankengängen Gregors teilhaben lässt.
„Ich habe also den Schlosser nicht gebraucht“, und legte den Kopf auf die Klinke, um die Tür gänzlich zu öffnen.“[8]
[...]
[1] Vgl. dazu Fingerhut, Karl-Heinz. Die Verwandlung, Interpretationen. 1994, S. 57.
[2] Kafka. Die Verwandlung. Reclam, S. 59.
[3] Kafka. Die Verwandlung, S. 25.
[4] Ebd., S. 53.
[5] Vgl. dazu ebd., S. 54.
[6] Vgl. dazu ebd., S. 60.
[7] Kafka. Die Verwandlung. Reclam S. 63.
[8] Ebd., S. 17.