I. Einleitung
Die vorliegende Arbeit bearbeitet und erläutert den Ablauf einer Privatklage im Gerichtswesen des antiken Athens zur Zeit des Demosthenes und des Aristoteles, also zwischen 384 und 322 vor Christus. Das Verfahren wird von der formellen Vorladung und der Vorverhandlung (anakrisis) bei einem Schiedsrichter über die Auslosung der Richter (auch Geschworene genannt) für die am jeweiligen Gerichtstag angesetzten Verfahren bis zur endgültigen Gerichtsverhandlung vor diesen Richtern verfolgt. Dem Vorverfahren kommt dabei nicht eine lediglich vorbereitende Aufgabe für den nachfolgenden Gerichtsprozess zu, sondern die Rolle einer Schlichtungsinstanz, durch die mancher Streit schon endgültig erledigt wird ohne dass er je vor Gericht zu gelangen braucht.
Die Zusammensetzung der Geschworenen, die politische Bedeutung der Gerichte, ihre Tagungsfrequenz und die potentiellen Strafmaße sollen uns hier nur am Rande interessieren. Eine Behandlung der öffentlichen Klagen, welche von den athenischen Bürgern offenbar mit größerem Interesse verfolgt wurden, würde den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen und ist hier deshalb nicht zu finden.
Die wichtigste Quelle, die uns über das athenische Gerichtswesen im 4. Jahrhundert vor Christi Geburt berichtet, ist „Der Staat der Athener“ von Aristoteles. Detailliert wird die komplizierte Auslosung der Richter und die spätere Abstimmung der Richter über Schuld oder Nichtschuld beschrieben (63-69). Auch die Anakrisis wird kurz geschildert (53).
Die wichtigsten Titel der Literatur sind „The Athenian Democracy“ von Mogens H. Hansen und „Die athenische Demokratie“ von Jochen Bleicken, die die Gerichte Athens in je einem Kapitel behandeln. Douglas M. McDowells „The Law in Classical Athens“ beleuchtet das Thema von der rechtsgeschichtlichen Seite. Hildebrecht Hommel endlich hilft die oben genannte Quelle „Der Staat der Athener“ besser zu verstehen und lässt auch den wissenschaftlichen Forschungsforschritt seit Anfang des 20. Jahrhunderts erkennen. [...]
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Gerichtsverfahren bei Privatklagen
1. Vor dem Schiedsrichter
2. Die Erlosung der Richter 5 3. Vor dem Geschworenengericht
III. Schluss
Bibliografie
I. Einleitung
Die vorliegende Arbeit bearbeitet und erläutert den Ablauf einer Privatklage im Gerichtswesen des antiken Athens zur Zeit des Demosthenes und des Aristoteles, also zwischen 384 und 322 vor Christus. Das Verfahren wird von der formellen Vorladung und der Vorverhandlung (anakrisis) bei einem Schiedsrichter über die Auslosung der Richter (auch Geschworene genannt) für die am jeweiligen Gerichtstag angesetzten Verfahren bis zur endgültigen Gerichtsverhandlung vor diesen Richtern verfolgt. Dem Vorverfahren kommt dabei nicht eine lediglich vorbereitende Aufgabe für den nachfolgenden Gerichtsprozess zu, sondern die Rolle einer Schlichtungsinstanz, durch die mancher Streit schon endgültig erledigt wird ohne dass er je vor Gericht zu gelangen braucht.
Die Zusammensetzung der Geschworenen, die politische Bedeutung der Gerichte, ihre Tagungsfrequenz und die potentiellen Strafmaße sollen uns hier nur am Rande interessieren. Eine Behandlung der öffentlichen Klagen, welche von den athenischen Bürgern offenbar mit größerem Interesse verfolgt wurden, würde den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen und ist hier deshalb nicht zu finden.
Die wichtigste Quelle, die uns über das athenische Gerichtswesen im 4. Jahrhundert vor Christi Geburt berichtet, ist „Der Staat der Athener“ von Aristoteles. Detailliert wird die komplizierte Auslosung der Richter und die spätere Abstimmung der Richter über Schuld oder Nichtschuld beschrieben (63-69). Auch die Anakrisis wird kurz geschildert (53).
Die wichtigsten Titel der Literatur sind „The Athenian Democracy“ von Mogens H. Hansen und „Die athenische Demokratie“ von Jochen Bleicken, die die Gerichte Athens in je einem Kapitel behandeln. Douglas M. McDowells „The Law in Classical Athens“ beleuchtet das Thema von der rechtsgeschichtlichen Seite. Hildebrecht Hommel endlich hilft die oben genannte Quelle „Der Staat der Athener“ besser zu verstehen und lässt auch den wissenschaftlichen Forschungsforschritt seit Anfang des 20. Jahrhunderts erkennen.
II. Gerichtsverfahren bei Privatklagen
1. Vor dem Schiedsrichter
Verdächtigte beispielsweise ein Bürger Athens einen anderen athenischen Bürger des Diebstahls, musste er den Beklagten für einen bestimmten Tag vor den zuständigen Magistrat laden (proklesis).[1] Der Magistrat nahm nämlich nicht jeden Tag Klagen wegen jedes Vergehens an. Vielmehr wurden an einem bestimmten Tag beispielsweise nur Klagen wegen Diebstahls angenommen. Der Kläger musste dazu mit zwei als Zeugen fungierenden Bekannten zu dem Beklagten gehen und ihn mündlich auffordern, an jenem bestimmten Tag wegen Diebstahls vor dem zuständigen Magistrat zu erscheinen.[2]
Am diesem festgelegten Tag reichten der Kläger und der Beklagte je eine schriftlich verfasste Stellungnahme ein und mussten eine Gerichtsgebühr von 3 Drachmen bei einem Klagewert von 100 bis 1000 Drachmen bzw. von 30 Drachmen bei einem Wert von über 1000 Drachmen zahlen. Dieses Geld (prytaneia) fiel an den Staat. Außerdem war geregelt, dass der Verlierer des nachfolgenden Prozesses dem Gewinner dessen prytaneia zurückzuerstatten hatte.[3] Der Beklagte konnte nach Zahlung der Gerichtsgebühr eine sogenannte paragraphe, einen formellen Einspruch, einreichen. Dies bedeutete, dass erst ein Geschworenengericht darüber abstimmen musste, ob die Klage überhaupt zulässig war. Erst nach der Ablehnung der paragraphe konnte der Magistrat den Fall an den eponymen Heroendenkmälern veröffentlichen und einen Tag festlegen, an dem die beiden Parteien vor dem Schiedsrichter (diaitetes) erscheinen mussten, der die Vorverhandlung (anakrisis) leitete.[4]
Die Schiedsrichter waren Männer aus der letzten Jahrgangsklasse der Wehrfähigen, also 59 Jahre alt. Sie waren nach Phylen in zehn Gruppen geteilt und mussten die Fälle ihrer Phyle für ein Jahr übernehmen. Die Vierzig losten ihnen die zu behandelnden Fälle zu. Beide Parteien leisteten vor dem Schiedsrichter einen Eid (antomosia), dass die von ihnen vorgelegten schriftlichen Aussagen der Wahrheit entsprächen.[5] In der Vorverhandlung wurden die Parteien befragt und konnten sich auch gegenseitig befragen, um den Sachverhalt zu klären.[6] Der Schiedsrichter versuchte eine Einigung zu erzielen. Erst wenn dies nicht möglich war, fällte er einen Schiedsspruch. Waren die Parteien einverstanden mit der Lösung, war der Fall abgeschlossen. Nur wenn eine der Parteien mit dem Spruch nicht zufrieden war, ging der Fall vors Gericht. Dann wurden die bis dahin vorliegenden Dokumente (zitierte Gesetze, Vorladungen, Zeugenaussagen usf. ) der Parteien vom Schiedsrichter in je ein Tongefäß gelegt, versiegelt und dem zuständigen Magistrat (der das Verfahren eingeleitet hatte) übergeben.[7] Der Schiedsrichter bekam je eine Drachme von beiden Seite für seine Dienste.[8] Dann beauftragte er die Thesmotheten den Fall auf die Liste zu setzen und ihn einem Gerichtshof zuzuteilen.[9]
[...]
[1] Mogens H. Hansen: The Athenian Democracy in the Age of Demosthenes, Oxford u.a. 1991, S. 196.
[2] Douglas M. MacDowell: The Law in Classical Athens, London 1978, S. 237/238.
[3] Ebd., S. 239.
[4] Jochen Bleicken: Die athenische Demokratie, Paderborn u. a. 21994, S. 215.
[5] Hansen: Democracy, S. 197 und Aristoteles: Der Staat der Athener, 53.4/5.
[6] MacDowell: Law, S. 243.
[7] Hansen: Democracy, S. 197 und Aristoteles: Staat 53.2.
[8] Hansen: Democracy, S. 197.
[9] Aristoteles: Staat 59.1.
- Arbeit zitieren
- Julia C. M. Willke (Autor:in), 2001, Ablauf privater Klagen im Gerichtswesen der athenischen Demokratie zur Zeit des Demosthenes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36943
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