Die vorliegende Arbeit untersucht, wie der Weg der europäischen Einigung nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) im August 1954 weiter beschritten wurde. Dabei wird versucht zu analysieren, wie die verschiedenen verantwortlichen Persönlichkeiten, weltpolitischen Machtkonstellationen und Ereignisse diesen Prozess gestalteten. Erläutert werden soll, warum diese Entwicklung in der Unterzeichnung der römischen Verträge im März 1957 mündete und nicht in einem ähnlichen Debakel wie bei der EVG. Die Rolle Frankreichs wird hier vorrangig behandelt, denn eine Betrachtung aller involvierten Länder, ihrer Interessen und besonderen Situationen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Da dem deutsch-französischen Verhältnis bei den europäischen Einigungsbemühungen eine Schlüsselfunktion zukam und zukommt, kann Deutschland hier jedoch nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Nur eine Aussöhnung der zwei „Erzfeinde“ und Nachbarn ermöglichte den Zusammenschluß Westeuropas überhaupt. Der verbreiteten Meinung, dass man die Verträge von Rom lediglich dem Wiederaufleben der europäischen Idee („relance européenne“) zu verdanken hat, wird hier nicht gefolgt. Vielmehr wird festgestellt werden müssen, dass das Zustandekommen der Verträge hauptsächlich der Beharrlichkeit von Persönlichkeiten (z.B. Spaak, Monnet, Mollet, Adenauer), die in dieser Zeit die politische Verantwortung trugen, und der für das Projekt Europa glücklichen geschichtlichen Umstände anzurechnen ist. Die wichtigsten Titel der Literatur waren hier die Sammelbände der Historiker-Verbindungsgruppe bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Zunächst einmal der von Enrico Serra herausgegebene Band 3 „Il rilancio dell‘Europa e i Trattati di Roma“. Dann der Band 4 „Die Europäische Integration vom Schuman-Plan bis zu den Verträgen von Rom“, der von Gilbert Trausch herausgegeben wurde. In diesen Sammelbänden findet man Beiträge der Mitglieder der Historiker-Verbindungsgruppe, aber auch anderer europäischer Historiker. Es ergibt sich so ein relativ ganzheitliches Bild zu dem jeweiligen Thema, da es von allen Länderperspektiven her beleuchtet wird. Der Aufsatz von Pierre Guillen im Vierteljahresheft für Zeitgeschichte „Frankreich und der europäische Wiederaufschwung“ war wertvoll hinsichtlich der Aufdeckung des falschen Eindrucks, dass nur die „relance européenne“ zu den römischen Verträgen geführt habe. [...]
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Wie es zu den römischen Verträgen kam
- I. Die sogenannte „relance européenne: Sept. 1954 – Juni 1955
- II. Der Ausschuß für Atomenergie: Juli - Okt. 1955
- III. Der Spaak Bericht: Nov. 1955 - Juni 1956
- IV. Die Verhandlungen: Juli 1956 – Juli 1957
- C. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert den Prozess der europäischen Integration nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) im August 1954. Sie beleuchtet die Rolle wichtiger Persönlichkeiten, weltpolitische Machtkonstellationen und Ereignisse, die zur Unterzeichnung der römischen Verträge im März 1957 führten. Der Fokus liegt dabei auf Frankreichs Rolle in diesem Prozess.
- Die „relance européenne“ als Motor der Integration
- Die Bedeutung der Atomgemeinschaft Euratom
- Die Rolle von Schlüsselpersonen wie Spaak, Monnet, Mollet und Adenauer
- Das deutsch-französische Verhältnis als Schlüsselfaktor
- Der Einfluss von wirtschaftlichen und politischen Faktoren
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit dar und verdeutlicht die Bedeutung des deutsch-französischen Verhältnisses für die europäische Einigung. Sie argumentiert gegen die verbreitete Annahme, dass die römischen Verträge ausschließlich dem Wiederaufleben der europäischen Idee zu verdanken sind.
Kapitel B beleuchtet die Entwicklungen, die zur Unterzeichnung der römischen Verträge führten. Kapitel B.I untersucht den Zeitraum von September 1954 bis Juni 1955, in dem die „relance européenne“ als Reaktion auf das Scheitern der EVG entstand. Kapitel B.II behandelt die Entstehung des Ausschusses für Atomenergie im Zeitraum von Juli bis Oktober 1955. Kapitel B.III analysiert den Spaak Bericht von November 1955 bis Juni 1956. Kapitel B.IV schließlich betrachtet die Verhandlungen von Juli 1956 bis Juli 1957.
Schlüsselwörter
Europäische Integration, Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), „relance européenne“, Euratom, Römische Verträge, Frankreich, Deutschland, deutsch-französisches Verhältnis, Spaak, Monnet, Mollet, Adenauer, Wirtschaftsgemeinschaft, Atomgemeinschaft, Atomwaffen, Sicherheitsbedürfnis, Protektionismus, Handelshindernisse, Produktivität
- Arbeit zitieren
- Julia C. M. Willke (Autor:in), 2000, Das Wiederaufleben der europäischen Idee? Das Scheitern der EVG und die römischen Verträge 1954-57, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36947