Die Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, inwiefern sich in der Figur der Stella in Marlen Haushofers Roman "Wir töten Stella" das Abbild eines Juden im Nationalsozialismus wiederfindet.
Marlen Haushofer war eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der österreichischen Nachkriegszeit. Die als Marie Helene Frauendorfer am 11. April 1920 im österreichischen Frauenstein geborene Autorin , deren Werke zu Beginn ihrer Karriere lediglich als „’Hausfrauenprosa’“ verpönt und abgewertet wurden, gilt heutzutage - vor allem gefördert durch die Wiederentdeckung ihrer Arbeiten im Rahmen der Frauenbewegung - als eine der meist rezipierten Autorinnen der österreichischen Literaturszene. Ihr Werk „Wir töten Stella“, welches erstmals 1958 beim Bergland-Verlag in Wien erschien, wird aus heutiger Sicht als das Meisterwerk der damals noch unbekannten Autorin verstanden, welches sich in kritischer Weise mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs und deren Aufarbeitung in der Nachkriegszeit auseinandersetzt.
Folglich stellt sich die Frage, wie Marlen Haushofer den Einfluss des Nazionalsozialismus auf ihre Republik bewertet und inwieweit sich ihre Novelle als „kritisch[er] Beitrag“ zu der in den 50ern in Österreich sehr populären „Opfer-Mythologie“ lesen lässt. In dieser Arbeit soll darum die Frage erörtert werden, inwieweit sich in der Titelfigur von „Wir töten Stella“ eine Widerspiegelung des Juden der Nazizeit erkennen lässt. Diese Fragestellung wird durch die Analyse der Beziehung zwischen Stella und der Erzählerin Anna (1. Teil), der weiteren Personen, die um Stella herum positioniert werden (2. Teil) und der Figurenkonzeption Stellas (3. Teil) genauer erörtert. Grundlegend für den ersten Teil ist dabei eine Analyse der Argumentationsstrukturen mit denen die Hauptfigur aus „Wir töten Stella“, Anna, ihre Untätigkeit angesichts des offensichtlichen Verfalls der Titelfigur vor sich selbst und vor den Lesern ihres Berichts rechtfertigt. Diese Argumentation wird kontrastiert mit den „Deutschen Antworten“, die Zeitzeugen auf die Frage nach dem Wissen um die Judenermordung im Dritten Reich gaben und die Walter Kempowski in seinem Werk „Haben Sie davon gewusst? - Deutsche Antworten“ aufgelistet hat. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Stella - Sinnbild eines Juden im Nationalsozialismus?
- Das Motiv des „Wegschauens“ – Annas Schuld
- Isolation und Verachtung – Die Position Stellas innerhalb der Novelle
- Abbild des Juden - Stellas Figurenkonzeption
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Marlen Haushofers Novelle „Wir töten Stella“ im Hinblick auf die Darstellung des Juden im Nationalsozialismus. Insbesondere soll untersucht werden, ob die Titelfigur Stella als Widerspiegelung des „fremden“ Juden in der Zeit des Dritten Reiches verstanden werden kann. Die Analyse konzentriert sich auf die Beziehung zwischen Stella und der Erzählerin Anna, die Positionierung Stellas innerhalb der Familie und ihre Figurenkonzeption.
- Die Rolle der „Wegschauenden“ – Analyse von Annas Schuld und Vergleich mit den „Deutschen Antworten“ von Walter Kempowski
- Isolation und Verachtung – Die Positionierung Stellas innerhalb der Familie
- Stellas Figurenkonzeption – Analyse der Motive und Symbole, die auf eine Widerspiegelung des Juden hinweisen
- Der Einfluss des Nationalsozialismus auf die österreichische Nachkriegsgesellschaft
- Die „Opfer-Mythologie“ in Österreich und die Kritik an ihrer Interpretation in Haushofers Novelle
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Lebenswelt und das Werk von Marlen Haushofer ein und erläutert die Relevanz ihrer Novelle „Wir töten Stella“ im Kontext der österreichischen Nachkriegszeit. Das erste Kapitel analysiert die Argumentationsstrukturen, die Anna, die Ich-Erzählerin in „Wir töten Stella“, nutzt, um ihre Untätigkeit gegenüber Stellas Verfall zu rechtfertigen. Der Fokus liegt dabei auf dem Motiv des „Wegschauens“ und dem Vergleich mit den „Deutschen Antworten“ von Walter Kempowski. Im zweiten Kapitel werden die Beziehungen zwischen Stella und den anderen Figuren der Novelle betrachtet, um die Positionierung des jungen Mädchens als „Fremde“ innerhalb der Familie zu beleuchten. Das dritte Kapitel analysiert die Figurenkonzeption Stellas und untersucht die Motive und Symbole, die auf eine Widerspiegelung des Juden im Nationalsozialismus hindeuten.
Schlüsselwörter
Marlen Haushofer, „Wir töten Stella“, Nationalsozialismus, Juden, „Fremde“, Isolation, Verachtung, Schuld, „Wegschauen“, Opfer-Mythologie, österreichische Nachkriegszeit, Figurenkonzeption, „Deutsche Antworten“
- Arbeit zitieren
- Christian Appel (Autor:in), 2010, Das Bild des "Fremden" in "Wir töten Stella" von Marlen Haushofer. Eine Widerspiegelung des Juden im Nationalsozialismus?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369611