Krisenmodelle von Verena Kast und Erika Schuchardt

Ihre Bedeutung für die Beratung in der Sozialen Arbeit


Hausarbeit, 2016

28 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Krisenbegriff.

3. Krisenarten

4. Krisenphasenmodell nach Erika Schuchardt
4.1 Spiralphase 1: Ungewissheit
4.1.1. Zwischenphase: Unwissenheit
4.1.2 Zwischenphase: Unsicherheit
4.1.3. Zwischenphase: Unannehmbarkeit
4.2. Spiralphase 2. Gewissheit
4.3. Aggression
4.4. Verhandlung
4.5. Depression
4.6. Annahme
4.7. Aktivität
4.8. Solidarität

5. Trauerkrisenmodell von Verena Kast
5.1. Phase des N icht- wahrhaben-Wollens
5.2. Phase der aufbrechenden Emotionen
5.3. Phase des Suchens und Sich-Trennens
5.4. Phase des neuen Selbst- und Weltbezuges

6. Krisenmodelle nach Kast: Krise als kreativer Prozess in Phasen

7. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Phasen der beiden Modelle

8. Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Trauerkrisenmodells von Kast und des Krisenmodells von Schuchardt

9. Grenzen der beiden Krisenphasenmodelle

10. Beratung in der Sozialen Arbeit,

11. Bedeutung für die Soziale Arbeit

12. Fazit

13. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Unser Lebensumfeld wird immer komplexer und anforderungsreicher, was zu krisenhaften Zuständen führen kann. Fast jede*r hat selbst schon Krisen erlebt. Gleichzeitig haben wir weniger Orientierungshilfen, viele Entscheidungsmöglichkeiten und kleinere soziale Netzwerke. Wir leben nicht mehr in größeren Familienverbänden und größeren Netzwerken, die Orientierung und Rat geben können. Deshalb ist Krisenbewältigung auch ein wichtiges Feld für die Soziale Arbeit. Es ist notwendig sich professionelle Kompetenz in Bezug auf Krisen anzueignen, um Menschen, die eine Krise nicht alleine bewältigen können und Hilfe aufsuchen, angemessen begleiten zu können.

Es gibt verschiedene Krisentheorien und Modelle. In dieser Hausarbeit sollen zwei Krisenphasenmodelle näher beleuchtet werden. Es geht um das Modell der Krisenverarbeitung in Spiralphasen von Erika Schuchardt und um das Trauerphasenmodell von Verena Kast. Verena Kast hat zwei Krisenmodelle entwickelt. Zum einen das Krisenmodell „Krise als kreativer Prozess“ und das Trauerphasenmodell. Das Trauerphasenmodell ist Gegenstand dieser Hausarbeit ist. Zum besseren Verständnis von Krisenphasen und dem Ansatz von Verena Kast wird aber ebenfalls das Krisenmodell „Krise als kreativer Prozess“ kurz dargestellt.

In dieser Ausarbeitung soll folgenden Fragestellungen nachgegangen werden:

Welche sind die Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Grenzen der beiden Krisenmodelle? Welche Bedeutung haben sie für die Soziale Arbeit? Und wie können die Modelle genutzt werden in der Beratung von Menschen in Krisen bzw. in der Krisenberatung?

Im zweiten Kapitel wird der Krisenbegriff erörtert. Im dritten Kapitel werden verschiedene Krisenarten näher beleuchtet. Daraufhin werden im vierten bis sechsten Kapitel die jeweiligen, genannten Krisenmodelle dargestellt und in den darauffolgenden Kapiteln werden die Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Grenzen der Modelle aufgezeigt. Im neunten Kapitel wird die Beratung in der Sozialen Arbeit beleuchtet im Hinblick von Krisenbewältigung und im zehnten Kapitel die Bedeutung für die Soziale Arbeit, welches die Verortung der Modelle in der Sozialen Arbeit beinhaltet. Darauf folgt das Fazit.

2. Krisenbegriff

Krisen gibt es in verschiedensten Bereichen in unserer Umwelt, wie z.B auch in der Wirtschaft oder der Politik. In dieser Hausarbeit geht es um Krisen aus sozialpsychologischer Sicht. Im Leben stellen sich immer wieder Veränderungen ein, die bewältigt werden müssen. Bei der Bewältigung muss eine Anpassung an die Situation erfolgen. Diese Veränderungen können Anforderungen darstellen, die nicht bewältigt werden können und somit auch keine Anpassung stattfinden kann. Dies kann zu Krisen führen.

Krisen treten bei jedem Menschen im Leben auf. Es handelt sich dabei um Veränderungen im Leben des Menschen, die sie aus ihrer gewohnten Lebensführung „herausfallen“ lassen. (vgl. Keupp 2004, S.23). Dies kann verschiedene Auslöser wie z.B. Trennungen, bedrohliche Krankheiten oder schwierige Lebensübergänge haben. Die Krise bildet dabei eine Reaktion auf ein Ereignis, welches eine schwerwiegende subjektive Bedeutung für den Betroffenen hat. Dies verlangt nach einer Bewältigung (vgl. Dross, S.11), um wieder in ein seelisches Gleichgewicht zu gelangen. Das bisherige Leben, mit den bisherigen Erfahrungen, Normen, Zielen und Werten, wird durch die Krise in Frage gestellt und kann auch ein Weiterführen unmöglich machen. In einer Krise, die eine veränderte Situation darstellt, die nach Lösung drängt, lassen sich diese Veränderungen nicht durch gewohnte Lösungswege und Verhaltensweisen bewältigen. Es kann dadurch keine Anpassung an die veränderte Lebenssituation stattfinden. Es entsteht ein Ungleichgewicht zwischen der subjektiven Bedeutung des Problems und den eigenen vorhandenen Bewältigungsstrategien. (vgl. Kast, 2001, S.9). Dross definiert dabei die Krise als „ein Zustand psychischer Belastung..., der sich deutlich von der Normalbefindlichkeit einschließlich ihrer Schwankungen abhebt.und zu einer emotionalen Destabilisierung führt“ (Dross, S. 10). Sie führt zu einer Verengung der Wahrnehmung und der Handlungs- und Problemfähigkeiten. Die Krise ist ein zeitlich begrenzter Zustand, der einen Anfang und einen offenen Ausgang hat. Ulich definiert Krise als ein „zeitlich begrenzter Prozess der Destabilisierung und Entscheidungssuche“ (vgl. Ulich, 1987, S.24). So kann sie bewältigt werden und wieder in einen Zustand des Gleichgewichts führen oder bei einer Nichtbewältigung in eine Einschränkung oder in ein psychisches Ungleichgewicht münden. Die Krise kann auch als Prozess beschrieben werden, in dem verschiedene Problembewältigungsstrategien erprobt werden, um das aufgetretene subjektive Problem zu lösen. Dabei müssen neue Strategien gefunden und entwickelt werden, da die bisher vorhandenen Strategien nicht ausreichen. Deshalb werden Krisen auch als Chancen und Herausforderungen beschrieben. Es sind Chancen, die eine Entwicklung, Veränderung und bzw. oder Neuorientierung herbeiführen können (vgl. Kast, 1987, S.14). Krisen können auch eine Gefahr beinhalten, die zur psychischen Verhaltensauffälligkeit bis hin zum Suizid führen kann (vgl. Kast, 1987, S.21). In der Krise ist die gesamte Person betroffen und die Krise ist begleitet von einer Destabilisierung der Person mit Selbstzweifeln, Angst und Niedergeschlagenheit (vgl. Ulich, 1985, S.22).

Krisen sind in einer sich ständig verändernden Welt und einem sich verändernden Leben normale Erscheinungsformen, die in der Regel selbständig von den Betroffenen bewältigt werden. Sie stellen an sich keinen pathologischen Zustand dar (vgl. Dross, S.10).

3. Krisenarten

Es gibt unterschiedliche Ansätze zwischen Krisenarten zu unterschieden. Kast unterscheidet zwischen Entwicklungs-, Anforderungs- und Verlustkrisen (vgl. Kast, 1987, S.15). Entwicklungskrisen sind vorhersehbar, an typischen Schnittstellen bzw. Übergängen des Lebens. Havighurst nennt dies auch Entwicklungsaufgaben „(...), die in oder zumindest ungefähr zu einem bestimmten Lebensabschnitt des Individuums entstehen, deren erfolgreiche Bewältigung zu dessen Glück und Erfolg bei späteren Aufgaben führt, während ein Misslingen zu Unglücklich sein, zu Missbilligung durch die Gesellschaft und zu Schwierigkeiten mit späteren Aufgaben führt (...)“ (Havighurst, 1956, zitiert in Flammer, 2011, S.215).

Erikson beschreibt folgende Stadien in der menschlichen Entwicklung mit deren Krisen und Aufgaben:

1. Säuglingsalter: Vertrauen vs. Misstrauen
2. Kleinkindalter: Autonomie vs. Scham und Zweifel
3. Spielalter: Initiative vs. Schuldgefühle
4. Schulalter: Tätigkeit vs. Minderwertigkeitsgefühle
5. Adoleszenz: Identität vs. Identitätsverwirrung
6. Frühes Erwachsenenalter: Intimität vs. Isolierung
7. Erwachsenenalter: Schöpferische Tätigkeit vs. Verzweiflung
8. Alter: Integrität vs. Verzweiflung (vgl. Erikson H. E., 1966, S.151).

Erikson schreibt jeder Lebensphase eine Krise zu, die in der Phase bewältigt werden muss. Dabei entstehen innere und äußere Konflikte, die gegen Ende der bestimmten Lebensphase bewältigt werden müssen. Dies ist für die Persönlichkeitsentwicklung notwendig und bildet u. a. die Fähigkeit aus, Probleme besser bewältigen zu können. (vgl. Erikson H. E., 1966, S.151).

Anforderungskrisen sind Veränderungen oder Ereignisse, die meist von außen kommen, wie bspw. Arbeitslosigkeit, Umzüge oder familiäre Anforderungen, die nicht bewältigt werden können. Sie stellen nach Havighurst non- normative Entwicklungsaufgaben dar, da es sich, anders als normative Entwicklungsaufgaben, als nicht vorhersehbare kritische Lebensereignisse handelt, die bewältigt werden müssen (vgl. Havighurst, 1956, S.56). Gesellschaftliche Bedingungen und Entwicklungen können ebenfalls Anforderungen darstellen, die eine Anpassung fordern. (vgl. Kast, 1987, S.15)

Verlustkrisen können durch Ereignisse wie Tod, Trennung, Verlust, der Arbeit aber auch durch Krankheit und Alter ausgelöst werden. Da Krankheit auch Verlust der Gesundheit und Alter Verlust der Jugend bedeutet, welche verarbeitet werden müssen. Die Krisenarten können sich dabei auch überschneiden. Hinter Verlustkrisen können bspw. auch Entwicklungskrisen stecken (vgl. Kast, 1987, S.15)

Schuchardt unterscheidet zwischen Lebenslauf- und Lebensbruchkrisen. Lebenslaufkrisen stellen Krisen dar, die an vorhersehbaren Lebensabschnitten und Ereignissen entstehen. Lebensbruchkrisen sind Krisen, die durch unvorhersehbare Lebensereignisse entstehen, wie z.B. durch Krankheit und Gewalterlebnisse (vgl. Schuchardt, 2003, S.32)

Wichtig ist, dass krisenhafte Ereignisse bzw. Anlässe nicht zwingend zur Krise führen müssen. Denn die subjektive Bewertung der Belastung und Bedrohung eines Anlasses innerhalb eines Individuums variiert und verläuft unterschiedlich (vgl. Dross, 2001, S.21).

4. Krisenphasenmodell nach Erika Schuchardt

Erika Schuchardt ist Professorin für Bildungsforschung und Erwachsenenbildung und hat ein Modell der Krisenverarbeitung als Spiralweg entwickelt. Den Krisenprozess, der die Verarbeitung der Krise darstellt, wird von Schuchardt in drei Stadien dargestellt: dem Eingangsstadium, dem Durchgangsstadium und dem Zielstadium (vgl. Schuchardt, 2003, Bd. 1, S.34). Die Stadien sind in Phasen unterteilt. Insgesamt beinhaltet das Modell acht Phasen. Diese Phasen sind nicht in sich abgeschlossen, sondern gehen ineinander über und können auch zeitweise nebeneinander stehen. Das heißt die nächste Phase kann von der Vorherigen im Übergang zeitweise überlagert sein. Schuchardt nennt die Phasen deshalb auch Spiralphasen. Die Phasen dauern unterschiedlich lange an und erfolgen in dem Modell in einer stufenartigen, hierarchischen Abfolge (vgl. Schuchardt, 2003, Bd. 1, S.139). Der Spiralweg wird als komplementär bezeichnet. Das bedeutet, dass sich die Phasen in dem Spiralweg ergänzen und wechselseitig sind. Der Prozess der Krisenbewältigung führt im Durchlaufen der Phasen in einer Spirale nach oben. Schuchardt nennt die Krisenverarbeitung die „Suchbewegung einer Seelenreise“, die „durch die und aus der Krise heraus“ führt. (Schuchardt, 2003, Bd. 1, S. 138).

Um Klarheit und ein neues Lebensverständnis zu erlangen ist es nach Schuchardt notwendig sich durch die Spiralphasen, mit ihren verschiedenen Erfahrungen, „hindurch zu winden“. (vgl. Schuchardt, 2013, Bd. 1, S.46)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1, Erika Schuchardts Spiralphasenmodell des Krisen-Management

Schuchardt hat weltweit 2000 Auto-/Biographien (vgl. Schuchardt, 2003, Bd. 1, S.137) aus dem Zeitraum 1900 bis zur Gegenwart hinsichtlich des Prozesses der Krisenverarbeitung ausgewertet (vgl. Schuchardt, 2003, Bd. 1, S.121) und stellte fest, dass die Krisenverläufe fast immer in „bestimmten, immer wiederkehrenden Spiralphasen abliefen“. (vgl. Schuchardt, 2003, Bd. 1, S.121)

Schuchardt bezieht den gesellschaftlichen Kontext in einer Krisenverarbeitung mit ein. Dies aber nur unter dem Aspekt, des Einflusses der Krise auf das Umfeld, deren Umgang mit der Krise und die sich daraus ergebenen Auswirkungen für die betroffene Person. (vgl. Schuchardt, 2003, Bd. 1, S.41)

Für eine erfolgreiche Krisenverarbeitung hält Schuchardt eine Begleitung für notwendig (vgl. Schuchardt, 2013, S.55) Diese muss nicht durch professionelle Helfer*innen stattfinden. Sie muss aber bestimmte Bedingungen erfüllen, wie Beziehungsfähigkeit zum Betroffenen und die Bereitschaft die Phasen der Krisenverarbeitung zu begleiten. Eine abgebrochene und nicht bewältigte Krise führt laut Schuchardt zur sozialen Isolation. Die Ursache wiederum hierfür ist die fehlende Unterstützung bzw. Begleitung. Eine erfolgreiche Bewältigung der Krise führt dagegen zur sozialen Integration. Schuchardt stellt in ihrer Auswertung der Biographien fest, dass es notwendig ist alle Phasen vollständig zu durchlaufen, um eine Krise „angemessen“ zu verarbeiten. Ein unvollständiger Phasenverlauf ist dagegen keine „angemessene“ Krisenverarbeitung und kann zur sozialen „Isolation“ führen. (vgl. Schuchardt, 2003, Bd. 1, S.139).

Die ersten beiden Spiralphasen Ungewissheit und Gewissheit bilden das erste Eingangsstadium. Die dritte bis fünfte Spiralphase: Aggression, Verhandlung und Depression bilden das zweite Stadium, das Durchgangsstadium. Das letzte Stadium ist das Zielstadium mit den drei Phasen Annahme, Aktivität und Solidarität.

4.1 Spiralphase 1: Ungewissheit

Die erste Phase, die Ungewissheit bildet den Eintritt in eine Krise. Ein Krisenauslöser stellt die bestehenden, geordneten Normen in einem Leben in Frage bzw. kann diese zerstören. In dieser Phase stehen die Betroffenen unter dem starken Eindruck eines Schocks. Schuchardt verweist in dieser Phase auf einen halbbewussten Zustand, indem die Krise noch nicht erkannt wird bzw. die Tendenz besteht sie zu leugnen. Der Betroffene versucht in dieser Phase das auftretende Problem zu verdrängen und abzuwehren. S. nennt für diese Phase als eine exemplarische Frage von Betroffenen: „Was ist eigentlich los?“ (vgl. Schuchardt, 2013, S.37).

Diese Phase der Ungewissheit unterteilt S. in drei Zwischenphasen: Unwissenheit, Unsicherheit und Unannehmbarkeit. Diese Zwischenphasen können sich ablösen oder neben und miteinander bestehen. Auch sie können von unterschiedlicher Dauer sein.

4.1.1. Zwischenphase: Unwissenheit

„Was soll das schon bedeuten...?“ ist die exemplarische Frage dieser Zwischenphase. Sie macht die Verharmlosung deutlich und ist geprägt vom „Noch-nicht-wissen“. Diese Phase kann aber meist nicht lange aufrechterhalten werden, da die Wirkungen des Krisenauslösers wachsen und auch die Umwelt verändert reagiert. Diese Phase geht in die Phase der Unsicherheit über. (vgl. Schuchardt, 2013, S.38)

4.1.2 Zwischenphase: Unsicherheit

In dieser Zwischenphase kommen Zweifel auf, die nicht mehr abgewehrt werden können. Der Betroffene ist sehr labil und sensibel und kann den „Tatbestand“ der Krise noch nicht erkennen. In dieser Phase ist es wichtig in der Begleitung den Auslöser der Krise nicht zu leugnen, um den Betroffenen zu schonen. Dennoch ist eine geduldige und sensible Begleitung wichtig, da der Betroffene viel Zeit benötigt, um die „Realität akzeptieren zu lernen“. (vgl. Schuchardt, 2013, S.38)

4.1.3. Zwischenphase: Unannehmbarkeit

In der Phase der Unsicherheit entwickelt sich aus der Bedrohung, die die Krise darstellt, ein starkes Verteidigungsverhalten. Es ist die Unfähigkeit der Annahme. Kennzeichen dieser Zwischenphase sind die selektive Wahrnehmung, die die Unwissenheit verstärken, die gehäuften aktiven Versuche „die drohende Gewissheit abzuwehren“ und der letzte Versuch, ihr zu entkommen. Unterbewusst ist am Ende dieser Phase der Wunsch nach Gewissheit, um die zermürbende Spannung und die Ungewissheit zu beenden. Eine Prozessbegleitung in dieser ersten Spiralphase ist laut Schuchardt für die gesamte Krisenverarbeitung sehr wichtig, um die „Wahrheits- Entdeckung“ zu unterstützen und nicht zu verschleiern. Sie ebnet den Weg zur Verarbeitung. (vgl. Schuchardt, 2013, S.39)

4.2. Spiralphase 2: Gewissheit

„Ja, aber das kann doch nicht sein...?“ ist die exemplarische Frage dieser Spiralphase. Sie macht die Gespaltenheit und Ambivalenz dieser Phase deutlich. Einerseits wird die Realität auf der kognitiven Ebene erkannt. Andererseits aber auf der emotionalen Ebene verneint. Emotional wird weiter gehofft, dass der Krisentatbestand ein Irrtum ist oder sich abwenden lässt. Diese Ambivalenz schafft „Freiräume“ und Distanz, um weiter zu leben und nicht völlig überwältigt zu werden.

In dieser Phase ist in der Begleitung eine gute und sensible Beziehung zum Betroffenen notwendig. Wenn für den*die Begleiterin erkennbar wird, dass der*die Betroffene die Bereitschaft entwickelt die Krise auch emotional zu erfassen, unterstützen klärende Gespräche die emotionalen Empfindungen und die rationale Erkenntnis zu verknüpfen. Auch muss der*die Begleiterin sensibel dafür sein, ob der*die Betroffene in der Lage ist die „Wahrheit“ emotional auszuhalten und zu verarbeiten. Ebenso ist Belastbarkeit der begleitenden Person wichtig, um ihrerseits die Gespräche und somit den Prozess auszuhalten. (vgl. Schuchardt, 2013, S.39- 40)

4.3. Spiralphase 3: Aggression

Diese Phase läutet das Durchgangsstadium ein. Rational ist die Krise beim Betroffenen angekommen. Aber erst jetzt wird sie auch emotional wahrgenommen und dringt ins Bewusstsein ein. Es kann zu starken Gefühlsausbrüchen kommen. Die exemplarische Frage in dieser Phase ist: „Warum gerade ich?“ Da der Krisenauslöser meistens nicht angreifbar ist, kann sich die Aggression des Betroffenen gegen Außenstehende oder sich selbst richten. Durch das Bewusstwerden entsteht starker emotionaler Schmerz, der verarbeitet werden muss. Die Aggression dient als Ventil und als Versuch sich von dem Schmerz und den Emotionen zu befreien.

Für die begleitenden Menschen ist es sehr wichtig die Aggression nicht als persönliche Abwehr, sondern als notwendiges Ventil, mit dem Versuch wieder handlungsfähig zu werden zu begreifen. Sie ist notwendiger Bestandteil der emotionalen Krisenverarbeitung. Eine Abwehr oder Abkehr von der betroffenen Person bestätigt die Aggression und führt zur Isolation. (vgl. Schuchardt, 2013, S.41-42)

4.4. Spiralphase 4: Verhandlung

Diese Phase ist eine emotionale, ungesteuerte Phase. Die freigesetzten, emotionalen Kräfte der Aggressionsphase drängen zur Handlung. Die beispielhafte Frage dieser Phase ist „Wenn, dann muss aber...?“. Sie macht die Verhandlung deutlich. Der*die Betroffene versucht alle seine*ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Krise abzuwenden und den Zustand vor der Krise wieder herzustellen. Beispielhaft ist die Konsultation verschiedener Ärzte*innen, Heilpraktiker*innen. Sie bildet den letzten Rest Hoffnung.

Auch in dieser Phase ist eine Begleitung sehr wichtig. Sie kann die Betroffenen vor materiellen und geistigen Schaden schützen. Wichtig für die Betroffenen ist, dass sie ihre emotionalen Reaktionen verstehen und lernen damit umzugehen, um die Situation anzunehmen. Hierbei kann eine sensible Begleitung unterstützen. (vgl. Schuchardt, 2013, S.42-43)

4.5. Spiralphase 5: Depression

In dieser Phase kann der*die Betroffene die Situation nicht mehr leugnen und ihm*ihr wird klar, dass sie endgültig bleibt. Alle Bemühungen der vorangegangenen Phase waren erfolglos und es kann das Gefühl des Versagens auftreten. Der*die Betroffene muss anfangen den Verlust, des Wunsches nach dem Zustand vor der Krise, aufzugeben. Die Frage dieser Spiralphase ist: „Wozu? alles ist sinnlos.“.

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Krisenmodelle von Verena Kast und Erika Schuchardt
Untertitel
Ihre Bedeutung für die Beratung in der Sozialen Arbeit
Hochschule
Hochschule Hannover  (Fakultät V)
Veranstaltung
Ethik
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
28
Katalognummer
V369689
ISBN (eBook)
9783668484122
ISBN (Buch)
9783668484139
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beratung Krisenmodelle Krise, Beratung, Krisenmodelle, Krise, Verena Kast, Erika Schuchardt
Arbeit zitieren
Adelaide Catalano (Autor:in), 2016, Krisenmodelle von Verena Kast und Erika Schuchardt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369689

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