Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einführung in die Länderanalyse Spanien
Energiesicherheit: Kategorien
Kategorie 1: VERFÜGBARKEIT
Kategorie 2: ERSCHWINGLICHKEIT
Kategorie 3: ENERGIEINTENSITÄT
Kategorie 4: BEWAHRUNG DER UMWELT
Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einführung in die Länderanalyse Spanien
Spanien ist seit 1986 Mitglied der Europäischen Gemeinschaft, der heutigen Europäischen Union. Der Beitritt vollzog sich vor dem Hintergrund der Transición, dem Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie, mit der die Umstrukturierung von Politik und Wirtschaft einherging. Im Bereich der Energiepolitik können jedoch trotz der fundamentalen Umbrüche dieser Zeit und auch seit der Machtübernahme der Partido Socialista Obrero Español (PSOE) 1982 kaum Veränderungen festgestellt werden. Die neue Regierung verstärkte den Import von Energie und vernachlässigte weiter die Energieeffizienz – Tendenzen, die sich bis in die heutige Zeit fortgesetzt haben. Die wirtschaftliche (und politische) Öffnung Spaniens führte in den 1990er Jahren zu einem wirtschaftlichen Boom, der den spanischen Energieverbrauch extrem schnell ansteigen ließ, wodurch nicht nur die Importabhängigkeit des Landes enorm erhöhte wurde, sondern auch die Treibhausgasemissionen drastisch anstiegen. Höchst problematisch ist, dass sich trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs die Energieeffizienz nicht verbessert hat. Angesichts dieser Situation ist es nicht verwunderlich, dass Sovacool und Brown in ihrer Studie zur internationalen Energiesicherheit 2007 zu dem Ergebnis kommen, dass Spanien im internationalen Vergleich am schlechtesten abschneidet. Im Zeitraum zwischen 1970 und 2007 hat sich die spanische Energiesicherheit am meisten verschlechtert, und zwar in fast allen Kategorien[1]. Seither ist Spanien jedoch aktiv geworden und hat seine Energiesicherheit Schritt für Schritt verbessern können. In den Bereichen, in denen es dennoch weiterhin aufzuholen hat, könnte jedoch eine europäische Energieunion das Potenzial haben, Spaniens Energieunsicherheit zu reduzieren. Im Folgenden soll gezeigt werden, in welchen Bereichen positive Entwicklungen stattgefunden haben und in welchen Bereichen gerade die Energieunion zu mehr spanischer Energiesicherheit führen kann.
Energiesicherheit: Kategorien
Kategorie 1: VERFÜGBARKEIT
Die Frage nach der Verfügbarkeit von Energie ist in Spanien besonders angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise problematisch. Um nicht ins Hintertreffen zu geraten und weiterhin produzieren und somit exportieren zu können, muss Spanien gerade jetzt dafür sorgen, dass es einen sicheren Zugang zu Energieressourcen hat. Das in den letzten Jahren stark gestiegene Engagement auf dem Gebiet der Energiepolitik lässt sich somit nicht ohne den Verweis auf die derzeit schwierige wirtschaftliche Lage im Land erklären.
Status Quo
Spanien ist ein Land, das kaum über eigene Energieressourcen verfügt und im Vergleich zu den größeren EU-Staaten sehr stark von Energieimporten abhängig ist. 2012 musste es 74,2% des gesamten Energieverbrauchs durch Importe abdecken, während beispielsweise Deutschland mit 59,9% deutlich unter diesem Wert lag (Weltbank 2015). Die überdurchschnittlich hohe Importabhängigkeit lässt sich vor allem darauf zurückzuführen, dass mehr als die Hälfte des spanischen Primärenergieverbrauchs aus Erdöl und Erdgas besteht (64%), die zu über 99% aus dem Ausland importiert werden müssen (IEA Spain 2014: 403). Im Vergleich dazu deckt die Gesamtheit der EU-Staaten aktuell „lediglich“ 90% ihres Rohöl- und 66% ihres Erdgasbedarfs durch Importe ab (Europäischer Rat 2015). Einen vergleichsweise kleinen Teil am spanischen Energiemix machen darüber hinaus die Kernenergie mit 12% Anteil und mit ebenfalls rund 12% die erneuerbare Energien aus, die im Land selbst erzeugt werden.
Abbildung 1: Energiemix Spaniens 2012
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der 1990er Jahre einhergehende Zunahme des Energiebedarfs der Spanier und der anhaltende Fokus auf Erdöl und Erdgas als Hauptenergieressource haben zu einer Verschlimmerung der Energieimportabhängigkeit Spaniens und somit zu einer enormen Energieunsicherheit geführt. Um dem Problem zu begegnen, hat Spanien mit strengeren Vorschriften für Ölreserven reagiert (Königlicher Erlass 1766/2007), die mit 92 Tagen über den Vorgaben der Internationalen Energieagentur (IEA) liegen (90 Tage). Damit konnte Spanien zwar flexibler bei Lieferungsausfällen werden, dennoch bleibt das grundlegende Problem der hohen Energieimportabhängigkeit bestehen. Diese Unsicherheit konnte auch nicht durch größere Lieferungen durch andere europäische Länder verringert werden, da diese selbst zu wenig eigene Ölvorkommen besitzen, um den zusätzlichen Bedarf der Nachbarn zu decken (2006 bezog Spanien gerade einmal 6% seiner Ölimporte aus europäischen Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Norwegen). Aus diesem Grund muss Spanien auf andere Länder außerhalb der Europäischen Union zurückgreifen. Aufgrund der überdurchschnittlich hohen Energieimportabhängigkeit hat Spanien versucht, sich einen Handlungsspielraum zu eröffnen und Verfügbarkeitssicherheit zu schaffen, indem es seine Energie zunehmend aus unterschiedlichen Ländern zu bezieht. Daher wird es derzeit auch in Bezug auf seine Ölimporte als relativ diversifiziert eingestuft (Isbell 2006: 4-5). 65% seiner Rohölimporte stammen aus fünf verschiedenen Ländern (Mexiko, Nigeria, Russland, Saudi Arabien, Irak) mit jeweils 9 bis 15% Anteil an den spanischen Rohölimporten. Die restlichen 35% stammen aus anderen Ländern mit noch kleinerem Importanteil. Auffällig sind die Unterschiede in den Bezugsländern. Spanien bezieht Erdölimporte aus sehr verschiedenen Teilen der Welt, wodurch das Land resistenter gegenüber politischen Krisen in den Ländern wird.
Abbildung 2: Rohölimporte nach Herkunft 2012
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auch bei der Diversifizierung der Erdgasversorgung ist Spanien erfolgreich. Laut Königlichem Erlass 1766/2007 dürfen die jährlichen Erdgaslieferungen zu maximal 50% aus demselben Land stammen, was unter anderem dazu geführt hat, dass Spanien heute Erdgas aus neun verschiedenen Ländern importiert. Damit verfügt es über die beste Erdgasdiversifizierung in ganz Europa (IEA Spanien 2009: 21).
Abbildung 3: Erdgasimporte nach Herkunft 2012
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Trotz der Anzeichen für eine Verbesserung der Versorgungssicherheit durch Diversifizierung der Versorgungsrouten von Öl- und Gas sollte nicht vergessen werden, dass das Land bei einem Anteil von 42% der Erdgasimporte aus Algerien stark von diesem Land und von der Stabilität der Maghreb-Staaten abhängig ist. Verschlimmert wird dies darüber hinaus durch den Umstand, dass aktuell mehr als die Hälfte der spanischen Erdgasimporte allein über die Maghreb Europe Pipeline, die von Algerien über Marokko nach Spanien führt, und die Medgaz Pipeline, die Algerien direkt mit Spanien verbindet, transportiert werden.
Um für mehr Energiesicherheit durch Verfügbarkeit zu sorgen, versucht Spanien in den letzten Jahren mehr Energie im Land selbst zu erzeugen. Der Schlüssel liegt hierbei im Ausbau der erneuerbaren Energien, deren Anteil am Energiemix seit 2005 schnell und kontinuierlich ansteigt. Jahr 2013 nahmen sie so bereits einen Anteil von 14,7% (Eurostat e) am Energiemix ein, wodurch die Energieimportabhängigkeit um 4,5% im Vergleich zu 2005 gesenkt werden und Spanien somit erfolgreich seine Energiesicherheit durch Verfügbarkeit verbessern konnte.
Spanien und die Energieunion
Um seiner hohen Energieimportabhängigkeit zu begegnen und für mehr Flexibilität hinsichtlich des Zugangs zu Energieträgern zu erhöhen, hat Spanien mit Frankreich, Italien und Portugal bilaterale Verträge geschlossen, die es dem Land ermöglichen, Vorräte bei seinen europäischen Nachbarn zu halten (IEA Spain 2009: 60). Ein konkreter Schritt in Richtung Solidarität im Rahmen einer Energieunion sind solche bilateralen Vereinbarungen zwar nicht, sie zeigen aber trotzdem, dass Spanien und seine europäischen Partner angesichts der gemeinsamen Energieunsicherheit auf jeweils unterschiedlichen Gebieten zu mehr gemeinschaftlichen Vertrauen und Kooperation in der Energiepolitik fähig sind.
Bei der Verbesserung der Energiesicherheit durch Verfügbarkeit spielt Spanien gerade vor dem Hintergrund der andauernden Ukraine-Krise eine besonders wichtige Rolle. Spanien selbst ist zwar in energiepolitischer Hinsicht nicht von den Unruhen betroffen, viele europäische Nachbarn aber schon, da sie einen Großteil ihres Erdgases von Russland über ukrainische Gaspipelines beziehen und ihre Energiesicherheit in Bezug auf Verfügbarkeit stark negativ von der andauernden Krise beeinflusst wird. Da Spanien seine Erdgaslieferungen aber aus den Maghreb-Staaten bezieht und somit Zugriff auf Erdgasressourcen aus anderen Ländern hat, hat es sich angesichts der andauernden Krise in der Ukraine als Transitland für Gaslieferungen aus Afrika ins Gespräch gebracht (Kellner, 17. Juni 2014). Es leistet damit einen wichtigen Beitrag bei der Diversifizierung der außereuropäischen Energieversorgungsquellen, die eine verbesserte gesamteuropäische Energiesicherheit durch Verfügbarkeit nach sich zieht. In diesem Sinne ist es ebenfalls wichtig darauf einzugehen, dass Spanien über sein Engagement bezüglich der Diversifizierung der Versorgungsquellen hinaus einen wichtigen Beitrag zur Diversifizierung der Gasrouten, bzw. dem inneuropäischen Ausbau der Gasnetze, beigetragen hat. Kürzlich hat es seinen Teil der Arbeiten an einer dritten Gaspipeline zwischen Spanien und Frankreich (Midcat-Projekt) beendet, wodurch es zu einer gesteigerten innereuropäischen Interkonnektivität und zu einer größeren gesamteuropäischen Widerstandsfähigkeit bei Lieferausfällen (von Gas) beiträgt. Spanien trägt in diesem Sinne gerade angesichts der aktuellen Entwicklungen in Osteuropa in hohem Maße zu mehr Energiesicherheit durch Verfügbarkeit in Europa bei.
Perspektiven und Ausblick
Eine engere Kooperation der europäischen Staaten im Rahmen einer Energieunion kann dazu beitragen, gemeinsam Energieversorgungsengpässe einzelner Staaten auszugleichen. Gemeinsame Strategien für die Diversifizierung der Versorgungsquellen und Versorgungsrouten ermöglicht es besonders energieimportabhängigen Ländern wie Spanien, flexibler bei Versorgungsausfällen zu sein. Vor allem im Bereich der Gasversorgung, die angesichts der andauernden Ukraine-Krise in den Fokus energiepolitischer Überlegungen rückt, besteht großes Potenzial, die europäische Energiesicherheit im Sinne der Versorgungssicherheit zu stärken. Spanien, das bei seinen Versorgungsquellen- und routen bereits heute als relativ diversifiziert eingestuft wird, wird seine Energiesicherheit im Sinne von Versorgungssicherheit durch eine europäische Energieunion nicht signifikant verbessern können, da es wie die meisten anderen EU-Staaten weiterhin von Energielieferungen aus dem Ausland abhängig ist. Es kann aber dazu beitragen, dass seine Partnerstaaten innerhalb der Energieunion über Spanien selbst Zugang zu alternativen Versorgungsquellen und –routen bekommen. Dafür muss Spanien seine bisherigen Anstrengungen beim Ausbau der innereuropäischen Gasnetze jedoch weiter intensivieren. Laut dem Präsidenten der Spanischen Gesellschaft für Gas (Asociación Española del Gas, Sedigas), Antoni Peris, könnte Spanien mit Hilfe der Midcat-Pipeline 10% der Gaslieferungen, die Europa aus Russland erhält, durch Lieferungen aus anderen Ländern ersetzen (euractive, 28. März 2014). Spanien macht sich dadurch aber weiter von Algerien abhängig und es stellt sich die Frage, ob die EU-Staaten nicht nur eine Abhängigkeit durch eine andere ersetzen. Dennoch zeigt sich an den aktuellen Entwicklungen, dass die Abstimmung der Staaten im Rahmen einer europäischen Energieunion die Versorgungssicherheit der Staaten und somit zu mehr Energiesicherheit für ganz Europa führen könnte.
In einem Punkt aber kann Spanien von einer Energieunion deutlich profitieren. Das Land befindet sich durch seine überdurchschnittlich hohe Energieimportabhängigkeit in einer sehr schlechten Position bei Verhandlungen über Gaslieferungen mit Drittstaaten. Gegenseitige Abstimmungen und gemeinsames Verhandeln der EU-Staaten bei solchen Verhandlungen würden ihre Verhandlungsposition enorm stärken, was vor allem Spanien zu Gute kommen würde. Das Land könnte mithilfe seiner Partner ein größeres Entgegenkommen der Lieferstaaten erwirken und somit durch die europäische Energieunion mehr Energiesicherheit durch Versorgungssicherheit erreichen.
Kategorie 2: ERSCHWINGLICHKEIT
Die Kategorie „Erschwinglichkeit“ spielt heute in Spanien eine besonders wichtige Rolle. Hatte Spanien in den Jahren vor der Wirtschaftskrise sich noch wenig bis keine Gedanken über Energiepreise machen müssen, können sie in Zeiten der Rezession entscheidend sein. Hohe Energiepreise können die Wirtschaft zusätzlich hemmen, niedrige Preise dagegen können sich positiv auf die Wirtschaft auswirken und die Konjunktur ankurbeln.
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[1] In zwei der zehn Kategorien gab es zwar keine Verschlechterung, die Verbesserung ist jedoch nicht signifikant.