1. Einleitung: Die ökologische Selbstgefährdung moderner Gesellschaften als Gegenstand der Soziologie
In immer mehr Bereichen zeichnen sich anthropogene Umweltveränderungen ab, die sich zunehmend auch auf die menschlichen
Lebensgrundlagen auswirken. Zurückzuführen ist diese Entwicklung teils auf kumuliertes Alltagshandeln im business as usual, teils auf
Entscheidungen über Entwicklung und Anwendung neuer riskanter
Technologien, teils auf die bewußt intendierte Anpassung der Umwelt an unsere Bedürfnisse und ihre Nutzung.
Ökologische Probleme, die sich auf die außergesellschaftliche Umwelt
beziehen, haben in den letzten Jahrzehnten exponentiell zugenommen.
Einzelne Komponenten aggregieren sich zu multifaktoriellen Einflüssen. Eingriffe in die Umwelt zeitigen unvorhersagbare Konsequenzen und sind in ihrem Wirkungsgrad nicht mehr überschaubar.
In Bezug auf die ökologische Selbstgefährdung moderner Gesellschaften
waren soziologische Theorien durch die Beschränkung auf inner-gesellschaftliche Perspektiven bis vor einigen Jahren blind(1). "Der
ökologische Zusammenhang von Natur und Gesellschaft wurde nicht
thematisiert"(2). Ulrich Beck spricht in Anlehnung an Günther Anders von "Apokalypse-Blindheit", und zwar als apodiktisches Wesensmerkmal von Soziologie als Wissenschaft von den sozialen Tatsachen(3). Ohne eine grundlegende Kurskorrektur ist ein Zugang zur ökologischen Problematik nicht zu erwarten(4).
Natur muß in die Selbstbeschreibung der Gesellschaft aufgenommen
werden, nicht nur deshalb, weil ökologische Veränderungen in den letzten Jahren einen nicht mehr zu übersehenden Platz unter den Themen gesellschaftlicher Kommunikation eingenommen haben, wodurch alle Sozialformen zusätzlich belastet werden(5). Daß die Belastung der Natur verringert werden muß, ist nicht mehr zu bestreiten. Fraglich ist, ob ein allein an gesellschaftlichen Bedürfnissen orientierter rationalerer Gebrauch von Umweltressourcen dieser Entwicklung Einhalt gebieten kann.
[...]
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1 Vgl. Luhmann 1986: 11-18.
2 Luhmann 1996b: 47.
3 Vgl. Beck 1988: 128; vgl. Anders 1988: 233-324.
4 Vgl. Beck 1988: 70.
5 Vgl. Luhmann 1992f: 191.
Inhalt
1. Einleitung: Die ökologische Selbstgefährdung moderner Gesellschaften als Gegenstand der Soziologie
2. Gesellschaft als sinnverarbeitendes System
2.1 Komplexität und Kontingenz
2.2 Beobachtung als Operationsweise sinnverarbeitender Systeme
2.2.1 Beobachtung als Einheit von distinction und indication
2.2.2 Die Paradoxie des re-entry
2.2.3 Beobachtung zweiter Ordnung als Grundoperation der Moderne
2.3 Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung
2.4 Kommunikation als Element sozialer Systeme
2.5 Medien, Codes und Programme
2.6 Der Ausschluß nicht-kommunikativen Handelns aus der Theorie sozialer Systeme
3. Gesellschaft als Einheit der Differenz autopoietischer Funktionssysteme und struktureller Kopplungen
3.1 Funktionale Differenzierung als primäre Differenzierungsform
moderner Gesellschaften
3.2 Die evolutionstheoretische Sicht auf die Ausdifferenzierung der
Funktionssysteme
3.3 Strukturelle Kopplung und Interpenetration
3.3.1 Strukturelle Kopplung
3.3.2 Interpenetration
3.4 Integration versus Autonomie
4. Risiko und Gefahr als zentrale Aspekte ökologischer Selbstgefährdung
4.1 Zur Riskanz von Beobachtungen und Leitdifferenzen
4.2 Die Beschränkung des Risikobegriffs auf Kommunikation
4.3 Die Ungewißheit der Zukunft
4.4 Riskante Entscheidungen
4.5 Risiken, Gefahren und ihre Bewertung
4.6 Neue Risiken und die Diffusion von Verantwortung und Betroffenheit
5. Natur und Umwelt
5.1 Die systemtheoretische Konzeption von Natur
5.2 Die Ökologie des Nichtwissens
6. Die Entstehung ökologischer Gefährdungen in Wissenschaft und Wirtschaft
6.1 Wissenschaft und Technik
6.1.1 Wissenschaft
6.1.2 Technik
6.1.3 Die Kopplung von Wissenschaft und Technik
6.2 Wirtschaft
6.3 Die Rolle der Massenmedien
7. Zur Steuerungsproblematik
7.1 Intervention unter dem Paradigma der Autopoiese
7.2 Politik als steuerndes Subsystem?
7.3 Steuerung durch Recht?
8. Protestgruppen und der Ruf nach einer neuen Ethik
8.1 Moral - das tertium non datur der funktionalen Differenzierung
8.2 Protest als Immunreaktion
9. Ausblick: Möglichkeiten und Grenzen der Theorie sozialer Systeme
9.1 Die funktional-strukturelle Theorie autopoietischer Systeme als neues Paradigma der Soziologie?
9.2 Die Beschreibung der ökologischen Selbstgefährdung moderner Gesellschaften
Anhang
Anmerkungen
Literatur
1. Einleitung: Die ökologische Selbstgefährdung moderner Gesellschaften als Gegenstand der Soziologie
In immer mehr Bereichen zeichnen sich anthropogene Umweltveränderungen ab, die sich zunehmend auch auf die menschlichen Lebensgrundlagen auswirken. Zurückzuführen ist diese Entwicklung teils auf kumuliertes Alltagshandeln im business as usual, teils auf Entscheidungen über Entwicklung und Anwendung neuer riskanter Technologien, teils auf die bewußt intendierte Anpassung der Umwelt an unsere Bedürfnisse und ihre Nutzung.
Ökologische Probleme, die sich auf die außergesellschaftliche Umwelt beziehen, haben in den letzten Jahrzehnten exponentiell zugenommen. Einzelne Komponenten aggregieren sich zu multifaktoriellen Einflüssen. Eingriffe in die Umwelt zeitigen unvorhersagbare Konsequenzen und sind in ihrem Wirkungsgrad nicht mehr überschaubar.
In Bezug auf die ökologische Selbstgefährdung moderner Gesellschaften waren soziologische Theorien durch die Beschränkung auf innergesellschaftliche Perspektiven bis vor einigen Jahren blind[1]. "Der ökologische Zusammenhang von Natur und Gesellschaft wurde nicht thematisiert"[2]. Ulrich Beck spricht in Anlehnung an Günther Anders von "Apokalypse-Blindheit", und zwar als apodiktisches Wesensmerkmal von Soziologie als Wissenschaft von den sozialen Tatsachen[3]. Ohne eine grundlegende Kurskorrektur ist ein Zugang zur ökologischen Problematik nicht zu erwarten[4].
Natur muß in die Selbstbeschreibung der Gesellschaft aufgenommen werden, nicht nur deshalb, weil ökologische Veränderungen in den letzten Jahren einen nicht mehr zu übersehenden Platz unter den Themen gesellschaftlicher Kommunikation eingenommen haben, wodurch alle Sozialformen zusätzlich belastet werden[5]. Daß die Belastung der Natur verringert werden muß, ist nicht mehr zu bestreiten. Fraglich ist, ob ein allein an gesellschaftlichen Bedürfnissen orientierter rationalerer Gebrauch von Umweltressourcen dieser Entwicklung Einhalt gebieten kann.
In dieser deskriptiv-analytischen und im wesentlichen textimmanent ausgerichteten Arbeit soll untersucht werden, inwieweit die Theorie sozialer Systeme von ihrer konzeptionellen Verfassung her in der Lage ist, die Gefährdung der Gesamtgesellschaft durch die Diversifikation in eigenlogische Teilsysteme systemtheoretisch zu reformulieren, und wo ihre Schwierigkeiten liegen.
Die De-Ontologisierung von Realität im Gefolge des Paradigmenwechsels zu einer konstruktivistischen Soziokybernetik zweiter Ordnung, die Ablösung von Handlung als Element sozialer Systeme durch Kommunikation und die autopoietische Abkopplung der Systeme von der Umwelt ohne Rückversicherung durch evolutionäre Anpassung stellen gravierende Hindernisse für eine adäquate Beschreibung der ökologischen Krise dar.
Vorrangig wird die Perspektive auf die Gesellschaft mit ihren Funktionssystemen sowie auf die Neuen Sozialen Bewegungen, soweit sie ökologische Probleme thematisieren, eingenommen. Organisationen werden hier nur insoweit behandelt, als es das Verständnis der gesellschaftlichen und teilsystemischen Mechanismen erfordert.
2. Gesellschaft als sinnverarbeitendes System
Luhmann legt einen makrosoziologischen Ansatz vor, eine grand theory, die Erkenntnisse aus Biologie und Neurophysiologie, aus Thermodynamik und Kybernetik, aus Kommunikationstheorie und Evolutionstheorie in die funktional-strukturelle Theorie autopoietischer Systeme transponiert[6].
Im Anschluß an Talcott Parsons beschreibt Niklas Luhmann Gesellschaft systemtheoretisch, seit Mitte der achtziger Jahre als sinnverarbeitendes autopoietisches System. Gesellschaft wird als umfassendes soziales System von Kommunikationen und kommunikativer Erreichbarkeit konzipiert.
Humberto Maturana bezeichnet mit dem Begriff der Autopoiese die Selbstorganisation und Selbstreproduktion lebender Systeme[7]. Autopoietische Systeme stellen sich in einem rekursiven Prozeß unter Verwendung der Produkte eigener Operationen als Basis für neue Operationen her und erhalten so ihre Elemente und Organisation selbst aufrecht[8]. Im selbstreferentiellen Rückbezug auf vorhergehende Elemente emergieren Systeme mit Identität, Geschichte und Gedächtnis.
Basale Selbstreferenz ist Bedingung der Möglichkeit von Autopoiese[9], prozessuale Selbstreferenz ermöglicht die Bündelung von Ereignissen zu Prozessen, an denen sich weitere Operationen orientieren. Es bildet sich ein eigener Verweisungshorizont, in dem sich Umweltkontakte de- und rekontextualisieren lassen.
Notwendig für Autopoiese ist auch die Ausbildung von Strukturen in Form von Erwartungen, die Aneinanderreihung, Temporalisierung der momenthaften Elemente und Konstitution eines Zusammenhangs als Handlungssinn vor dem Hintergrund weiterer Erwartungen[10]. Im Gegensatz zu Operationen sind Strukturen gegenüber Zeit relativ stabil.
Strukturen beschränken die im System zugelassenen Anschlußmöglichkeiten, so daß die Fortsetzung der Autopoiese nur durch bestimmte Elemente erfolgt, die sie nahelegen. Strukturen sinnverarbeitender Systeme sind Erwartungsstrukturen, die eine Vorauswahl möglicher nachfolgender Ereignisse treffen. Strukturen sind selbst eine Auswahl aus einer Vielzahl potentieller Anschlüsse. Auf diese Weise ist eine gewisse dynamische Stabilität zwischen Kontingenz im transitorischen Dauerzerfall von Ereignissen und Kontingenzeinschränkung qua Selektion gewährleistet.
Strukturen nehmen aber im Luhmannschen Poststrukturalismus im Gegensatz zu Parsons' Strukturfunktionalismus keine zentrale Stelle mehr ein. Sie determinieren die Bedingungen möglicher Ereignisse durch deren Ausgang vom jeweiligen Systemzustand nicht vollständig. Das Grundproblem liegt in dieser Perspektive nicht mehr in der Erhaltung eines bestimmten Systemzustands durch Stärkung von Erwartungsstrukturen qua Wiederholung ähnlicher Ereignisse. Bestandserhaltung würde neben Ressourcen auch einen angemessenen Umgang mit Umweltirritationen erfordern. Nach Ashbys law of requisite variety müßte hierfür die Systemkomplexität der Komplexität der Umwelt entsprechen, doch dies ist durch die Selektivität von Operationen und Strukturbildungen ausgeschlossen[11].
Theorieleitend wird stattdessen das Problem der Fortsetzung der Autopoiese. Autopoietische Systeme existieren in permanenter Selbsttransformation, ihre Elemente - bei psychischen Systemen: Gedanken und Vorstellungen, bei sozialen Systemen: Kommunikationen - zerfallen und erneuern sich kontinuierlich. Die Systeme existieren solange die Anschlußfähigkeit ihrer Operationen gegeben ist[12]. Diese ist prekär für Interaktionssysteme[13], ggf. für Organisationen, nicht jedoch für die Gesellschaft, da jede Kommunikation Gesellschaft reproduziert.
2.1 Komplexität und Kontingenz
"Die Differenz von Umwelt und System stabilisiert [...] ein Komplexitätsgefälle. Deshalb ist die Beziehung von Umwelt und System notwendig asymmetrisch. [...] Jedes System hat sich gegen die überwältigende Komplexität seiner Umwelt zu behaupten"[14].
In komplexen Systemen können nicht mehr alle möglichen Relationen zwischen den Elementen realisiert werden, eine Selektion wird unabdingbar[15]. Relationen sind nicht starre Verweisungen, sondern bilden chronologisch einen Horizont wahrscheinlicher Anschlußmöglichkeiten und legen anschlußfähige Elemente nahe.
Komplexität ist nicht mit Undeterminiertheit gleichzusetzen, sondern bezieht sich auf die Unvorhersagbarkeit der Reaktion rückgekoppelter Systeme[16]. Jedes System ist in seinen Operationen determiniert. Innersystemische Faktoren, die als withinputs zum Tragen kommen, sind aber in hochkomplexen Systemen nicht einsehbar: "Selbstreferentiellen Systemen muß von ihrer Umwelt 'Freiheit' unterstellt werden, weil die Systemkomplexität, obwohl durchaus streng deterministisch konstruiert, unüberschaubar groß ist"[17]. Auch die nicht-triviale Maschine ist "gehorsam, aber anderen Stimmen gegenüber. Man könnte vielleicht sagen, sie gehorche ihrer eigenen Stimme"[18]. Die Selbstbezogenheit der Autopoiese macht ihre Zukunft ungewiß[19].
Die Komplexität der Umwelt ist oberstes Bezugsproblem für das System. Komplexitätsreduktion schränkt für das System die in der Welt möglichen Ereignisse ein. Voraussetzung ist ein Mindestmaß an Eigenkomplexität für adäquate Reaktionen auf wechselnde Umweltanforderungen und Einschränkung der Kontingenz weiterer Strukturwahl. Der Versuch der Reduktion von Umweltkomplexität führt zur Komplexitätssteigerung im System: nur Komplexität kann mit Komplexität umgehen[20]. Nur solange Umweltvarianzen gering und im engen Rahmen bleiben, bleiben auch die Systemstrukturen einfach, denn "kein System kann aus sich heraus evoluieren"[21].
Systeme erleben Komplexität als Selektionszwang und damit als Kontingenz[22].
"Kontingent ist etwas, was weder notwendig ist noch unmöglich ist; was also ist, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist. Der Begriff bezeichnet mithin Gegebenes (Erfahrenes, Erwartetes, Gedachtes, Phantasiertes) im Hinblick auf mögliches Anderssein; er bezeichnet Gegenstände im Horizont möglicher Abwandlungen"[23].
Kontingenz als Spielraum möglicher Selektionen verdeutlicht das Fehlen eines Rückhalts in der offenen Zukunft. Kontingenz bedeutet Abhängigkeit, wo Umwelt materiale Ressourcen bereitstellt, und Unsicherheit, wo Umwelt operativ verarbeitbare Informationen enthält[24].
Das Problem doppelter Kontingenz, das Wissen um die Offenheit der Wahl des beteiligten Systems selbst und des jeweils anderen, ist für Luhmann gleichzeitig der Schlüssel für die Frage nach der Emergenz sozialer Ordnung als einer auf wechselseitigen Unterstellungen beruhenden Realität sui generis[25].
Der Umgang mit Kontingenz aktualisiert Möglichkeiten, gibt Komplexität momenthaft mit punktuellem Zugriff wieder und erlaubt so beides, Reduktion und Erhaltung von Komplexität[26].
Daß es keine Möglichkeit der Rückführung auf dauerhafte Fundamente mehr gibt[27], impliziert jedoch wegen der Verankerung des Kontingenzbegriffs im Gegebenen nicht Beliebigkeit. Die Bandbreite möglicher Selektionen ist durch Kontexte vorgezeichnet. Kontingenz ist so "als Eigenwert der modernen Gesellschaft"[28]darstellbar, als Resultat und Ausgangspunkt von Systemoperationen. Luhmann stellt fest, "daß es, empirisch gesehen, Beliebigkeit überhaupt nicht gibt"[29]. Eigenwerte in Stellen oder Funktionen können immer auch anders, nicht aber beliebig besetzt werden. Durch die Begrenzung von Substitutionsmöglichkeiten entsteht Stabilität[30].
2.2 Beobachtung als Operationsweise sinnverarbeitender Systeme
Systeme definieren sich durch die Operationsweise, mit der sie sich produzieren und reproduzieren. Zeitlich gesehen sind Operationen elementare Ereignisse[31], die in ihrer Aufeinanderfolge das System kontinuierlich neu herstellen, sachlich produzieren sie die Differenz von System und Umwelt. Zur Ausdifferenzierung kommt es durch Kontinuität von Operationen: die anschließbaren Operationen bilden das System, alles andere wird zur Umwelt des Systems[32]. Soziale und psychische Systeme werden nicht mehr als umweltoffen, Inputs und Outputs prozessierend, begriffen. Sie sind zwar energetisch offen und von einer Umwelt, die sie toleriert, abhängig, organisatorisch aber geschlossen und selbstreferentiell. Die Selbstorganisation definiert die für das System konstitutive Grenze.
Die Umwelt ist die Außenseite der System/Umwelt-Unterscheidung, von jedem System aus ein anderer "Rest der Welt"[33]. Die Welt - selbst differenzlos gedacht - wird zur übergreifenden, selbst aber unbeobachtbaren Einheit dieser Differenz. Umwelteinflüsse werden an der Grenze gefiltert und umstrukturiert. Erst abgrenzbare Systeme sind in einer als komplex und kontingent erfahrenen Welt durch Beschränkung auf wenige kontrollierbare Möglichkeiten handlungsfähig[34].
"In diesem Sinne ist Grenz erhaltung (boundary maintenance) Systemerhaltung. Grenzen markieren dabei keinen Abbruch von Zusammenhängen. Man kann auch nicht generell behaupten, daß die internen Interdependenzen höher sind als die System/Umwelt-Interdependenzen. Aber der Systembegriff besagt, daß grenzüberschreitende Prozesse [...] beim Überschreiten der Grenze unter andere Bedingungen der Fortsetzung [...] gestellt werden"[35].
Sinnverwendende Systeme konstituieren ihre Grenzen über Sinn. Für sie ist alles nur in der Form von Sinn zugänglich. Sinn ist das Medium, mit dem diese Systeme versuchen, in einer hyperkomplexen Umwelt zurechtzukommen, indem sie "sinnvolle" Formen wie Objekte, Symbole oder Sätze erzeugen. Sinn ist selbst keine sinnvolle Form, sondern Weltform: eine nicht negierbare, differenzlose Kategorie, die nicht beobachtbare Einheit der Unterscheidung von Aktualität und Potentialität. Der stets zerfallende Aktualitätskern erzwingt durch Verweisungsstrukturen unablässig folgende Selektionen, vergegenwärtigt Weltkomplexität augenblickshaft und regeneriert sie fortlaufend, legt bestimmte Anschlußmöglichkeiten nahe und macht andere für den Moment unwahrscheinlich[36].
Das Medium Sinn ist Bedingung der Möglichkeit von Formung und als solche zugänglich für verschiedene Systeme[37]. Diese überschneiden sich weder, noch verschmelzen sie durch den gemeinsamen Sinngebrauch zu einer Art Metasystem, wohl aber können sich so Kopplungen herausbilden. Sinn verbindet soziale und psychische Systeme durch das Referieren auf den gemeinsam verfügbaren, koevolutionär entstandenen Verweisungszusammenhang, der einen Fundus an semantischen Traditionen und kulturellen Bedeutungen bildet[38].
Sinn entfaltet sich in drei Dimensionen - zeitlich, sachlich und sozial - und kann auf die Formel gebracht werden: was kann im sozialen System wann von wem erwartet werden.
Die Funktion sozialer Systeme liegt in der dreidimensionalen Sinnkonstitution mittels Generalisierung symbolischer Kommunikationsmedien sowie in der immer weiteren Ausdifferenzierung.
Sinnkonstituierende Systeme reproduzieren sich durch Beobachtungen: sie verarbeiten Informationen, die sie durch Beobachtung gewinnen. Auch hierin folgt Luhmann Maturana[39].
Die Logik der Beobachtung ist die Logik des beobachtenden Systems und seiner kognitiven Struktur[40]. Der Beobachter ist über die Art seiner Beobachtung darin festgelegt, was er sieht[41]. Schon die Komplexität des beobachtenden Systems schließt folglich direkte Beobachtungen aus[42].
2.2.1 Beobachtung als Einheit von distinction und indication
Beobachtung behandelt das Beobachtete anhand eines Differenzschemas als Information. Nach Gregory Bateson ist Information ein Unterschied im System, der in nachfolgenden Operationen einen Unterschied ausmacht[43]. Voraussetzung hierfür ist ein Gedächtnis, um Zeitunterscheidungen zu ermöglichen, aber nicht, um die Geschichte des Systems zu erinnern: Selbstreferentielle Systeme repräsentieren in ihren Strukturen ihre Vergangenheit[44].
Anhand von Unterscheidungen bezeichnen Beobachtungen[45]. Ausgangspunkt für jede Beobachtung sind binäre Unterscheidungen, Codes. Durch den ersten Schnitt in den unmarked space wird Welt beobachtbar, immer aber von der kontingenten Position des beobachtenden Systems aus[46]. Ereignisse in ihrer Präsenz, in ihrem An-sich entziehen sich jeder Beobachtung.
Die Komponenten distinction und indication sind selbst nur analytisch unterscheidbar. Beide Seiten der Unterscheidung können nicht gleichzeitig bezeichnet werden. Sie bleiben durch die Form der Unterscheidung - mark bei George Spencer Brown - voneinander getrennt. Die Form markiert eine Grenze
"mit der Folge, daß zwei Seiten entstehen und nur eine von ihnen als Anknüpfungspunkt für weitere Operationen benutzt werden kann. Der Übergang zur anderen Seite ist damit nicht ausgeschlossen; aber er erfordert eine spezielle Operation, braucht also Zeit und unterscheidet sich in seinen logischen Implikationen von dem, was geschieht, wenn man auf derselben Seite bleibt und die Bezeichnung dieser Seite nur kondensiert und konfirmiert"[47].
Solange die eine Seite Aufmerksamkeit beansprucht, bleibt die andere unbeachtet[48]. Möglich bleibt nur ein späteres crossing.
Alle Systeme beobachten ihre Umwelt. Zwar gibt es keinen direkten Umweltkontakt - beobachtet werden immer vorgängige Beobachtungen, anders wäre ein Anschließen nicht möglich -, aber die Selbstreferenz von Beobachtungen ist immer nur mitlaufende Selbstreferenz. Die immer auch vorhandene und notwendige Fremdreferenz findet in Gestalt von Irritationen Eingang ins System. Umwelt ist das "Korrelat aller im System benutzten Fremdreferenzen"[49]. Sie ist als Interdependenzunterbrecher notwendig, "weil reine Selbstreferenz tautologisch wäre"[50]. Das unterscheidet Luhmanns Position von der des Radikalen Konstruktivismus. Er hält sich einerseits an die konstruktivistischen Theoreme der Wissenssoziologie und geht davon aus, "daß alle Erkenntnis (und damit alle Realität) eine Konstruktion ist. Denn diese Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremdreferenz kann es [...] nur im System selbst"[51]geben. Andererseits lehnt er aber den Radikalen Konstruktivismus als "schon logisch unmögliche Position"[52]ab, da dieser mit der Leugnung der objektiven Beschreibbarkeit der Außenwelt seine eigenen Prinzipien untergräbt. Die Systemtheorie setzt eine objektiv beschreibbare Außenwelt voraus und läßt die Möglichkeit des realen Kontakts zu, auch wenn kognitiv wegen der operativen Geschlossenheit Kontaktunfähigkeit besteht. Soziale Realität und objektiv gültige Beschreibungen ergeben sich dann aus der Übereinstimmung der Beobachtungen einer Mehrheit von Beobachtern[53]. Die Systemtheorie setzt Realität aber nicht mehr im beobachteten Gegenstand an, sondern in der Beobachtung. Es gibt "keine beobachterunabhängig vorgegebene Realität"[54]. Der Beobachter ist selbst nur "asymmetrisierende Setzung eines kommunikativen Geschehens"[55], die die Kommunikation erzwingt.
Der operative Konstruktivismus setzt die Realität der Welt als unmarked space voraus. Weil dieser Horizont unerreichbar ist, muß Realität konstruiert werden[56]. Ähnlich wie bei der Unterscheidung zwischen Medium und Form liefert der Horizont der Welt das Substrat, an das je unterschiedliche Formen angelegt werden können ohne die Welt an sich zu erreichen. Jeder kognitive Umweltkontakt kommt nur ausschnitthaft und gefiltert zustande und muß immer erst erarbeitet werden. Umwelt wird zu einem mit dem Innenhorizont korrespondierenden Welthorizont[57]. Als einziges soziales System hat das ohne Leitcodierung operierende Gesellschaftssystem die gesamte Weltkomplexität zur Verfügung.
Der operative Konstruktivismus stützt die Konstruktion von Welt und Realität auf Rekursivität, Gedächtnis und Konsistenzprüfungen, nicht jedoch auf Anpassung.
Jede Beziehung zur Umwelt ist nur über Beobachtung möglich. Sichtbar ist nur, was mit der gewählten Unterscheidung in den Blick kommt. Die Unterscheidung ist das formgebende Moment: die Innenseite der Form ist das Unterschiedene, die Außenseite das Sonstige. Die jeweils nachfolgende Beobachtung muß an die Innenseite der vorhergehenden Unterscheidung anschließen. Durch Unterscheidung und Bezeichnung des Unterschiedenen entstehen Anschlußfähigkeit und Strukturen.
Jede Beobachtung ist zunächst eine Beobachtung erster Ordnung. Sie ist blind für sich selbst, weil sie die ihr zugrundeliegende Unterscheidung nicht gleichzeitig selbst beobachten kann[58]. Spencer Brown setzt den Beobachter selbst mit seinem blinden Fleck, dem mark, gleich[59]. Beobachtungen sind aber auch in Bezug auf Umweltdaten immer retrospektiv und holen die Gegenwart nie ein. Das aktuelle Tun bleibt intransparent: beobachtet wird immer Vergangenes. Auf der Ebene der Beobachtung erster Ordnung spielt Zeit keine Rolle. Alles geschieht gleichzeitig[60].
Jede Operation ist Beobachtung und selbst als Operation beobachtbar[61]. Beobachtungen zweiter Ordnung beobachten, wie andere Systeme beobachten. Wo die Beobachtung erster Ordnung gewissermaßen ontologisch infiziert bleibt, kommt es mit dem Umstieg auf den Modus der Kybernetik zweiter Ordnung zur Loslösung vom cartesischen Subjekt/Objekt-Schema. Das Subjekt wird ersetzt durch ein beobachtendes System, das sich selbst durch aufeinanderfolgende Unterscheidungen erzeugt. Und auch die Einheit des Objekts existiert nur in der Beobachtung[62]. Es gibt nur mehr kondensierende und konfirmierende, strukturbildende Beobachtungen in Bezug auf den Beobachter. Objekte konstituieren sich nur im Kontext von Beobachtungen zweiter Ordnung[63]. In letzter Konsequenz bezieht Luhmann auch die beobachtete Komplexität auf die Beobachtung oder Beschreibung des Systems[64].
Auch eine Beobachtung zweiter Ordnung hat ihren blinden Fleck, insofern sie sich nicht selbst beobachten kann. Aber sie ermöglicht reflexive Schlüsse auf sich selbst und kann wenigstens erkennen, daß auch sie nicht sieht, was sie nicht sieht[65]. Die Beobachtung der Art der Verwendung des Risiko/Gefahr-Schemas als Zurechnungsschema ist eine solche Beobachtung zweiter Ordnung. Einem Beobachter zweiter Ordnung kann dieselbe Entscheidungssituation aufgrund seiner Distanz und weil er auch den blinden Fleck des beobachteten Beobachters sieht, anders erscheinen als dem in der Situation befindlichen Entscheider oder Betroffenen.
Daß die Theorie autopoietischer Systeme die Beobachtung von Beobachtern zuläßt, um zu sehen, wie sie Realität konstruieren, stellt eigentlich einen logischen Bruch dar[66]. Denn auch andere Beobachter gehören zur Umwelt des Beobachters und sind für diesen ebenso unerreichbar wie nichtsystemische Umweltanteile. Luhmann gesteht selbst zu, daß auch die Beobachtung zweiter Ordnung mit der Realitätsannahme der Beobachtung erster Ordnung arbeiten und mindestens den beobachteten Beobachter als real unterstellen muß.
"Diese Bedingung ist zwar durchschaubar. Sie ist in der Beobachtung zweiter Ordnung aufhebbar; aber dies geschieht ohne Möglichkeit des vollständigen Verzichts auf jede Beobachtung erster Ordnung, da schließlich auch die Beobachtung zweiter Ordnung noch einen Beobachter muß beobachten können; und daher bleibt auch die durchschaute Realitätsillusion ein Faktum in der realen Welt"[67].
Das Ergebnis der Beobachtung zweiter und dritter Ordnung ist ebenso systeminterne Konstruktion anhand erst zu spezifizierender Umweltirritationen, liefert also keine objektiv gültigen Daten. Die Umwelt ist zwar operativ nicht erreichbar, aber trotzdem sind Realitätsannahmen unabdingbar[68]. Jeder Beobachter erster Ordnung unterstellt eine ontologische, objektiv vorhandene, konstruktionsfrei erkennbare Realität. Der fremdreferentielle Anteil an der Beobachtung bezieht sich auf diese Außenwelt und impliziert damit immer auch Ontologie. Systeme operieren "unter der Illusion eines Umweltkontakts"[69], und erst aus der Distanz und in der Reflexion der Selbstbeobachtung sind Konstruktionen oder Übertreibungen als solche erkennbar. Beobachter zweiter und dritter Ordnung finden sich in einem Dilemma: Auch sie müssen die sich der eigenen Erfahrung aufdrängende Realität[70]überwinden.
Beobachtungen zweiter Ordnung relativieren diese Ontologisierung der in der Beobachtung erster Ordnung gewonnenen Welterfahrung, heben sie aber nicht auf.
Im Gegensatz zu einer mit Beobachtungen erster Ordnung operierenden empirisch orientierten Soziologie[71]wendet die Systemtheorie selbst Beobachtungen zweiter Ordnung an: sie beobachtet Beobachtungen. Sie kann so auch die eigene System/Umwelt-Unterscheidung beobachten, ohne sie verlassen zu müssen, und auf systemexterne Vorannahmen verzichten.
Eine Beobachtung dritter Ordnung schließlich nimmt einen Metastandpunkt ein, von dem aus die Unterscheidungsabhängigkeit jeglichen Wissens deutlich wird, und erkennt, daß jedes System nur ein je spezifisches Bild von der Welt hat[72].
Für einen Beobachter erster Ordnung erscheint die Welt monokontextural und zweiwertig (etwa recht oder unrecht). Für einen Beobachter zweiter und höherer Ordnung erscheint die Welt polykontextural und kontingent, relativiert, nicht aber beliebig. Eine Beobachtung dritter Ordnung entlarvt auch Korrelationen auf der zweiten Ebene als kontingente Zurechnungen.
2.2.2 Die Paradoxie des re-entry
Die Anwendung einer Unterscheidung auf sich selbst, die Wiedereinführung in den Bereich, den sie unterscheidet - re-entry bei Spencer Brown -, etwa in Form der Frage: ist die Unterscheidung recht/unrecht selbst recht, bewirkt im Falle von Leitunterscheidungen, daß die System/Umwelt-Unterscheidung im System erscheint und damit Umwelt sowohl außen als auch innen vorliegt[73]. Jeder Wiedereintritt einer Unterscheidung in sich selbst endet zwingend im infiniten Regreß und letztlich in Unentscheidbarkeit und Verlust der Anschlußfähigkeit. Es wird sichtbar, daß das System mit seinen Unterscheidungen selbst produziert, was es sieht, mehr noch: in seinen Elementen - und Strukturen - sich selbst produziert.
Die klassische Form des re-entry ist die des hermeneutischen Zirkels: Jedes System arbeitet mit nicht explizierbaren Vorannahmen, die nur im Rückgriff auf eben diese Vorannahmen definiert - nicht erklärt - werden können. Alle Aussagen über Sprache fallen hierunter und ebenso Luhmanns selbstreferentiell-zirkuläre "Auto-Ontologisierung"[74]des Beobachters: "Beobachter ist der, der als Beobachter beobachtet wird"[75].
Aber jede Beobachtung weist auf ein re-entry hin: Immer wird fremdreferentiell im System ein Objekt als außerhalb befindlich konstruiert.
Der einzige Ausweg aus der Aporie der Selbstanwendung liegt in Entparadoxierung durch Invisibilisierung: das System tut, als wäre die Welt so wie sie ihm erscheint: "In der Wahrnehmung des Systems verwischt sich die Unterscheidung der Welt wie sie ist, und der Welt, wie sie beobachtet wird"[76].
Eine weitere Paradoxie ergibt sich daraus, daß beide Seiten der Unterscheidung gleichzeitig vorhanden - die nicht bezeichnete Seite ist immer mit gemeint -, aber nur nacheinander über crossing benutzbar sind. Diese Paradoxie der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen kann dreifach entfaltet werden: im zeitlichen Nacheinander[77], sozial[78]oder nach sachlicher Zuständigkeit verteilt.
Weil diese Paradoxien nur entfaltet oder invisibilisiert, nicht aber aufgelöst werden können, kann es nur noch Ziel sein, mit ihnen umzugehen, mit der Relativität von Wissen zu leben und an Widersprüchen nicht zu scheitern[79].
2.2.3 Beobachtung zweiter Ordnung als Grundoperation der Moderne
Systeme differenzieren sich durch Umstellung auf den Beobachtungsmodus zweiter Ordnung aus[80]: Zur operativen Schließung kommt es, weil die eigenen Operationen nicht in die Umwelt hineinverlängert werden können[81]. Die kognitive Schließung führt das System über Beobachtungen zweiter Ordnung zur Erkenntnis der Selbstproduktion seiner Beobachtungen[82]. Unterscheidungen von Beobachtungen zweiter Ordnung vernetzen sich rekursiv und bilden ein System als Netz von Differenzverweisungen.
Ausdifferenzierte Teilsysteme beobachten nicht mehr ihre Umwelt, sondern beobachten, wie im System selbst Umwelt beobachtet wird: das Wissenschaftssystem beobachtet wissenschaftliche Beobachtungen erster Ordnung mittels Publikationen, Politik beobachtet die öffentliche Meinung, Wirtschaft beobachtet den Markt und orientiert sich am Konsum. Das Recht verzichtet größtenteils auf naturgegebene Rechtsgrundsätze, setzt sich statt dessen selbst und schließt sich zur Selbstreferentialität. Erst die Abkopplung von externen Bindungen ermöglicht funktionale Autonomie, multipliziert aber auch Kontingenz. Beobachtungen zweiter Ordnung ziehen Zeit- und Sozialdimension auseinander: dasselbe wird durch andere Beobachter oder zu anderen Zeitpunkten anders gesehen. Die Sachdimension wird kontingent[83].
2.3 Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung
Zwar ist jede Beobachtung rudimentär Selbstbeobachtung[84], aber diese Selbstreferenz ist immer nur mitlaufende Selbstreferenz[85].
Selbstbeobachtung bezieht sich auch hinsichtlich der Fremdreferenz auf das beobachtende System und seine Operationen. Beobachtet werden die eigenen Operationen und aufgrund der System/Umwelt-Unterscheidung das System als ganzes[86]. Prozessuale Reflexivität nimmt die Form von Metakommunikation an. Wissenschaftliche Forschung wird selbst Gegenstand von Forschung. Kredite können mit Geld beschafft werden[87].
Die Eigenbeobachtung des Systems schließlich führt zur Reflexion und weiteren Ausdifferenzierung von Subsystemen innerhalb der Funktionssysteme wie Wissenschaftstheorie, Staatstheorie oder Rechtstheorie. Reflexivität und Reflexion dienen der Verteidigung der Autonomie und der Befriedigung einer Sinn-Nachfrage, die das System aber strukturell bereits voraussetzt.
"Wenn das System [...] reflektiert, daß es von außen beobachtet wird [...] begreift es sich selbst als beobachtbar im Medium der Öffentlichkeit. Das kann [...] zur Orientierung an generalisierbaren (öffentlich vertretbaren) Gesichtspunkten führen"[88],
jedoch immer beschränkt auf die "gesellschaftsinterne Umwelt der gesellschaftlichen Teilsysteme"[89], den Spiegel, in dem Systeme die Auswirkungen ihrer Operationen studieren können.
Eine kontinente, aktuelle Selbstbeobachtung ist unmöglich: Jede Reflexion erzeugt als Operation eigene Effekte und verändert damit das System. Die Operation selbst und ihre Effekte können erst retrospektiv beobachtet werden. Auch sachlich erfordert jede selbstbezogene Kommunikation Selbstsimplifikation oder den Rekurs auf kontrafaktisch geltende Normen[90].
Schriftlich fixierte Selbstbeschreibungen sind Voraussetzung für die Fähigkeit zur Selbststeuerung[91]. Auch Selbstbeschreibungen simplifizieren, indem sie ein Subjekt voraussetzen, das sich beschreibt.
Rationalität schließlich erwächst aus der Kontingent-Setzung der System/Umwelt-Unterscheidung. Auch vollkommene Rationalität scheitert an der Paradoxie des re-entry.
Rationalität wäre aber Vorbedingung für die Kontrolle der Einwirkungen des Systems auf seine Umwelt und ist insofern auf Impulse aus der Umwelt, die im verursachenden System als feedback sichtbar werden, angewiesen. Sie erfordert die Abbildung ausgelöster Umweltprobleme soweit sie auf das System zurückwirken[92].
Die Besonderheit einer ökologischen Beschreibung der Gesellschaft liegt darin, daß hier zum ersten Mal die Unterscheidung von System und außergesellschaftlicher Umwelt zugrundegelegt wird. In Bezug auf Umweltveränderungen wird die so beschränkte Möglichkeit von Rationalität doppelt problematisch:
Teilsystemische Rationalität rekurriert immer auf und bemißt sich an teilsystemischer Kommunikation. Es gibt so viele Rationalitätskriterien wie es unterschiedliche Umwelten gibt. In differenzierten Gesellschaften kursiert eine Vielzahl perspektivischer Selbstbeschreibungen[93]. Für die Bewertung dieser Beschreibungen als richtig oder wahr ist ein Konsens nicht erreichbar, eine zentrale Repräsentation der Gesellschaft als ganzer fehlt. Das vormoderne Rationalitätskontinuum löst sich in polykontexturale Einzelrationalitäten auf[94]. Umweltbelastungen, die sich mit zeitlicher Verzögerung oder in anderen als dem verursachenden System auswirken, kann dieses nicht erkennen. Umweltschäden, die erst durch das kumulative Zusammenwirken mehrerer Faktoren entstehen, können nicht einzelnen Systemen zugerechnet werden. Ein Kausalzusammenhang muß von diesen nicht notwendig hergestellt werden.
Gesamtgesellschaftlich gibt es auch keine kompetente soziale Instanz, die die Beziehung der Gesellschaft zur Umwelt repräsentieren könnte, kein durchgängig akzeptiertes Subsystem, das für die Wahrnehmung von Umweltproblemen zuständig wäre. Protestbewegungen differenzieren sich zwar zu organisationsähnlichen Verbänden aus. Aber sie bilden kein gesellschaftliches Funktionssystem aus.
Georg Kneer setzt auf ein rekursives Zusammenspiel von Teilsystemen mit wechselseitigen Irritationen und Anregungen, die im Ergebnis zu Brechungen der eigenen Perspektive führen könnten. Die Funktionssysteme könnten so auch auf die Einheit der Differenz von Gesellschaft und Umwelt reflektieren und hieraus Anstöße zur Selbstreflexivität und Selbstkorrektur qua Orientierung und Kontrolle interner Operationen an externen Umwelteinwirkungen ableiten[95]. Luhmann bestreitet diese Möglichkeit vom Grundsatz her: "Kein Funktionssystem kann in sich die Gesellschaft reflektieren, weil dies die Mitberücksichtigung der Operationsbeschränkungen aller anderen Funktionssysteme in jedem einzelnen erfordern würde"[96].
Eine globale gesellschaftliche Rationalität ist mithin notwendig und unmöglich zugleich. Aus der Aggregation rationaler Einzelentscheidungen ergibt sich nicht notwendig ein gesamtgesellschaftlich rationaler Zustand. Im Gegenteil: Auch die Nebenfolgen individuellen rationalen Handelns können sich zu systemgefährdenden Faktoren aggregieren, eine Gesamtrationalität für das System wird unwahrscheinlich[97].
2.4 Kommunikation als Element sozialer Systeme
Kommunikation nimmt bei Luhmann als basales Element sozialer Systeme den Platz ein, den noch Parsons dem sozialen Handeln zugedacht hatte. Gesellschaft besteht aus und beobachtet durch Kommunikationen[98].
Kommunikationen sind keine Übertragungen - Inputs und Outputs, weder zwischen Bewußtseinssystemen[99]noch zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Teilsystemen. Der Unterschied, den Information ausmacht, wirkt sich immer nur systemintern in nachfolgenden Systemoperationen aus[100]. Soziale Systeme stellen gegenüber Bewußtseinssystemen eine emergente Ebene dar, eine Entität sui generis, und sind aus dem psychischen "Unterbau" nicht erklärbar[101]. Menschen sind zwar notwendig für deren Autopoiese, gehören aber zur Umwelt sozialer Systeme[102].
"Es gibt also keine 'bewußten Kommunikationen', so wenig wie es 'kommunikatives Denken' (Empfinden, Wahrnehmen) gibt. [...] Der Mensch kann nicht kommunizieren; nur die Kommunikation kann kommunizieren"[103].
Kommunikation kann sich nur eigendynamisch in einem rekursiven Prozeß konstituieren, nicht isoliert und nicht auf Bewußtseinsleistungen reduziert. Zwischen Kommunikation und Bewußtsein besteht eine unaufhebbare operationale Differenz. Psychische und soziale Systeme operieren überschneidungsfrei, sie gehen nicht ineinander auf, und beide selegieren, was sie als Modifikation zulassen: was in Kommunikationen Eingang finden soll, muß allererst kommunikabel, sprachlich vermittelbar und verstehbar, sein. Sprache stellt ein "schmales Spektrum" für Informationsverarbeitung zur Verfügung und zwingt zu Selektionen. "Man muß Rede und Schrift sequentiell ordnen, kann also weder alles auf einmal sagen noch alle Aussagen mit allen anderen verknüpfen"[104].
Kommunikation wird aus drei Selektionen des Kommunikationsgeschehens synthetisiert: der Selektion einer Information aus dem Wissenshorizont alters, der Art der Mitteilung an ego und der Art des Verstehens bei ego[105]. Die Anschlußkommunikation fungiert immer auch als mitlaufende Verstehenskontrolle[106].
Information liegt nicht kontextneutral in der Umwelt vor. Für alter ist Information ein Item, der aus dem eigenen Wissenshorizont selegiert und kommuniziert wird, für ego ist Information ist ein Neues, Überraschendes, das dem eigenen Wissen hinzugefügt wird[107].
Verstehen meint nicht psychisches Verstehen, sondern Anschlußkommunikation[108]. Was nicht verstehbar ist, bleibt irritierendes "Rauschen". Kommunikation kommt
"überhaupt nur dadurch zustande, daß sie in der Selbstbeobachtung (im Verstehen) Mitteilung und Information unterscheiden kann. Ohne diese Unterscheidung würde Kommunikation kollabieren, und die Teilnehmer wären darauf angewiesen, etwas wahrzunehmen, was sie nur noch als Verhalten beschreiben könnten. Die Differenz von Mitteilung und Information entspricht genau dem Erfordernis, den Fortgang von Kommunikation zu Kommunikation nicht davon abhängig zu machen, daß die Information vollständig ist und zutrifft"[109].
Das heißt: alter hat die Freiheit, zu lügen oder Halbwahrheiten zu behaupten, mithin zwischen Wissen und mitgeteilter Information zu unterscheiden[110]. Es entsteht Handlungsfreiheit gegenüber bloßem Verhalten. Verstehen in der Form anschließender neuer Information und Mitteilung sichert die Anschlußfähigkeit von Kommunikation: Kommunikation wird durch die Mitteilung beobachtbar und erzeugt so weitere Kommunikation.
Über die Fortsetzung der Kommunikation entscheidet eine vierte Selektion, Annahme oder Ablehnung. Die Annahme der Kommunikation ist immer unwahrscheinlich, für erfolgreiche Kommunikation aber unabdingbar. Soziokulturelle Evolution kann so als Erweiterung der Chancen für erfolgreiche Kommunikation und Konsolidierung von Erwartungen begriffen werden.
Die (Komplexitäts-)Reduktion von Kommunikation auf das Handlungssystem Mitteilungshandlung als Mitteilung eines Senders an einen Empfänger attribuiert Kommunikation auf einzelne Personen und verknüpft sie mit Semantiken wie Absicht, Interesse oder Motiv. Personen sind aber nicht Menschen, sondern kommunikationsinterne Identifikationspunkte und Adressaten für Kommunikationen[111], in etwa gleichzusetzen mit sozialen Rollen bzw. Positionen. Diese Art der Simplifikation von Kommunikation "ist weder ganz falsch noch ganz richtig"[112]. Sie verfehlt den emergenten Charakter des Sozialen, hat sich aber evolutionär bewährt: Man weiß, an wen man sich zu wenden hat. Trotzdem: "Wenn ein Beobachter Verhalten auf Individuen zurechnet und nicht auf soziale Systeme, ist das seine Entscheidung"[113].
2.5 Medien, Codes und Programme
Luhmann nennt drei Bruchstellen, an denen Kommunikation scheitern kann: ego kann nicht erreichbar sein, nicht verstehen oder nicht auf die Kommunikation eingehen[114]. Medien sind evolutionäre Errungenschaften, die erfolgreiche Kommunikation wahrscheinlicher machen. Sie bestehen aus lose gekoppelten Elementen, im Gegensatz zu strikt gekoppelten Formen, die sich aus diesen Medien generieren ohne sie zu verbrauchen.
Technische Medien steigern die Erreichbarkeit des Adressaten, Sprache als Medium gesellschaftlicher Kommunikation dient dem Verstehen, symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien sind Mechanismen zur Selektivitätsverstärkung codegeprägter teilsystemischer Kommunikation und insofern Steuerungsmedien[115]. Geld, Macht oder Wahrheit motivieren durch Stärkung des positiven Codewertes zur Annahme des Kommunizierten und stellen so Anschlußfähigkeit her[116]. Der Gebrauch dieser Medien ist nicht auf das jeweilige Teilsystem beschränkt, außerhalb jedoch weit weniger relevant[117]. Erforderlich wurden sie wegen gestiegener Akzeptanz-Zumutungen in der funktional differenzierten Gesellschaft ohne ein integratives kulturelles System, das noch bei Parsons Garant für soziale Ordnung war.
Die aus den Medien generierten Codes sind strikt binäre Schematismen, Zwei-Seiten-Formen, zur Totalkonstruktion von Welt mit Universalitätsanspruch, eine Kombination der Parsonsschen pattern variables Universalismus und Spezifizität[118].
Die so codierte Weltsicht ist total, insofern sie nur zwei Werte zuläßt, die sich wechselseitig negieren[119]. Weil aber Drittes ausgeklammert wird, beschränkt sich diese Totalität der Weltsicht teleskopisch auf einen winzigen Ausschnitt möglicher Sichtweisen[120]. Die codierte Sicht ist so gleichermaßen hochunvollständig und kontinent. In einem abgegrenzten Relevanzbereich wird alles dem einen oder dem anderen Wert zugeordnet. Die Binarität der Codes führt zur sprachlichen Verdoppelung von Welt und permanenten Reflexion am Gegenwert. Wegen der operativen Nähe ist der Übergang von einer zur anderen Seite durch bloße Negation möglich. Beide Codewerte verweisen auf das System, also recht und unrecht sind Werte innerhalb des Rechtssystems. Aber der negative Wert dient in der Regel als bloßer Reflexionswert[121]. Es besteht eine prinzipielle Präferenz für den positiven Codewert, der Anschlußfähigkeit impliziert[122]. Weil ein re-entry der Unterscheidung in sich selbst in Unentscheidbarkeit münden würde, muß diese Unterscheidung asymmetrisiert werden. Der Code plaziert sich selbst im positiven Wert. Die Kommunikation einer Wahrheit und auch der Nachweis einer Unwahrheit ist selbst eine wahre Kommunikation. So fungiert der Positivwert auch als Legitimation für den Gebrauch des Codes[123]. Es entstehen Symmetriebrüche, die die Autopoiese voranbringen.
Mit der Abstraktheit der Codes steigt die Resonanzfähigkeit im Sinne der Vielfalt möglicher Operationen. Nach Fuchs kann nur dieser "Nihilismus" die Einheit des Systems enttautologisieren und entparadoxieren: durch das Oszillieren zwischen zwei Werten im Rahmen einer kontinenten Unterscheidung desselben Systems[124]. Gleichzeitig zwingt die Indifferenz der Codes die Systeme, sich an Programmen zu orientieren.
Erst die Programme stellen die Kriterien für die Zuordnung der Codewerte zu systemexternen Gegebenheiten bereit. Sie bauen Erwartungsstrukturen auf, organisieren die Ausgestaltung und Anschlußfähigkeit der Verarbeitung via Konkretisierung bzw. Operationalisierung. Programme konditionieren in Form von Theorien und Methoden, Parteiprogrammen, Preisen oder Gesetzen die Wahl des Designationswerts und können die Kommunikation auch in diese Richtung dirigieren. Gleichzeitig steigern sie die Kontingenz durch die permanente Reflexion am Gegenwert des Codes.
Programmelemente und Kriterien sind teilweise selbstgeschaffen, teilweise aus Umweltbeobachtungen übernommen[125]. Programme nehmen Informationen über die Umwelt ins System auf, nicht : als Input aus der Umwelt. Sie werden nicht außerhalb aktiv, sondern bleiben sachlich und zeitlich an die basale Codierung gebunden. Sie können nicht auf einen archimedischen Punkt außerhalb des Systems zurückgreifen und richten sich auf die jeweilige Systemzeit hin aus[126].
Programme übersetzen die Geräusche anderer Systeme in die eigene Sprache. Über Programme können Beziehungen zu anderen Systemen auf struktureller Ebene diversifiziert werden, auf operativer Ebene bleiben Kontakte ausgeschlossen[127]. Auch durch die Codierung ausgeschlossene dritte Werte können über die Programmierung partiell wieder eingeführt werden. So kann die Ausrichtung anderer Systeme in den eigenen Operationen mitberücksichtigt werden.
Codes schließen, Programme öffnen das System zur Umwelt hin. Auf der Ebene der Codierung differenzieren sich Systeme aus und schließen sich operativ. Codierung ist in den meisten Teilsystemen Katalysator der Ausdifferenzierung[128]. Beobachtend aber schließen sich Systeme durch Differenzierung von Selbst- und Fremdreferenz in die Umwelt ein[129]. Während sich Funktionssysteme auf der Ebene ihrer Codierung konstituieren und identifizieren,
"differenzieren sie ihre Umweltbeziehungen auf der Ebene ihrer Programme. Die Differenz von Codierung und Programmierung ist in der Reflexion des Systems zugleich die Differenz von Identität und Differenz"[130].
Die Ebenendifferenz zwischen den hochabstrakten Codes und den die Vergabe dieser Werte konkretisierenden Programmen gewinnt ihre Bedeutung bei der Ausbildung von Resonanzfähigkeit. Denn die operative Geschlossenheit führt durchaus nicht in den Solipsismus, sondern ist umgekehrt Bedingung der Möglichkeit der Öffnung gegenüber der Umwelt. Während die evaluativ orientierten Codes unhintergehbar, weil für das System konstitutiv sind, ist das System auf der Ebene seiner kognitiv und normativ ausgerichteten[131]Programme lernfähig und kann seine Strukturen verändern.
2.6 Der Ausschluß nicht-kommunikativen Handelns aus der Theorie sozialer
Systeme
Die Theorie sozialer Systeme ist keine Verhaltens- oder Handlungstheorie und hebt sich damit von allen bisherigen soziologischen Entwürfen ab. Vor der autopoietischen Wende begriff Luhmann Handlungen noch als basale Elemente sozialer Systeme[132]. Mit der Ablösung durch Kommunikation und dem Ausschluß des Menschen entfällt auch eine Konzeption naturaler Handlungen. Die Theorie autopoietischer Systeme bezieht sich ausdrücklich
"nicht auf Handlungen. Wer Handlungen beobachtet, wird typisch mehrfache Systemzugehörigkeiten [...] feststellen können"[133]. Systemgrenzen werden aus handlungstheoretischer Sicht verschleiert: Weder Handlungen noch Individuen können auf einzelne Systeme zugerechnet werden.
Um sich von handlungstheoretischen Ansätzen abzusetzen, konstruiert Luhmann deshalb den Kommunikationsprozeß von egos Verstehen und Erleben her[134].
Vom Begriff des sozialen Handelns als Grundeinheit sozialer Systeme distanziert sich Luhmann aus verschiedenen Gründen.
Erstens können die Funktionssysteme zwar als Handlungssysteme beschrieben werden, aber nur als aus Handlungen bestehend, nicht als handelnde Einheiten. Funktionssysteme als ganze können nicht handeln, weil sie nicht kollektive Akteure sind. Sie sind auch nicht Netzwerke von Handlungen, sondern zuerst und basal Kommunikation[135].
Zweitens widerspricht die Handlungssemantik der zugrundeliegenden Kybernetik zweiter Ordnung, indem sie agierende Subjekte voraussetzt. Auch in Bezug auf Handlung gilt das Theorem der Subjektlosigkeit: nicht Personen oder Systeme handeln, sondern Operationen schließen aneinander an. Auch aus diesem Grund sind Handlungen nicht mehr als Resultate von Intentionen beschreibbar.
Drittens entscheiden kontingente Faktoren über die Attribution auf systembezogenes Handeln oder umweltbezogenes Erleben. Insofern ist Handlung nicht originär, sondern eine kontingente Perspektive auf Kommunikation[136]. Handlungen sind Verkettungen zeitpunktgebundener Ereignisse, nur analytisch vom Erlebensmodus zu trennen und komplementär dazu. Handlungen ziehen entweder weitere Handlungen oder Erleben nach sich[137]. Und nicht nur auf Handlungen, auch auf Erleben kann mit Handlung reagiert werden. Das Konzept der Anschlußnotwendigkeit, das eine hinreichende Ähnlichkeit der Elemente voraussetzt[138], führt zur basalen Einheit Kommunikation, die der Unterscheidung von Handlung und Erleben vorgeordnet ist.
Viertens unterläuft die Kategorie der Handlung die Ebene des Sozialen. Bei Parsons' analytischer Betrachtung ist das Letztelement Handlung willkürlich gesetzt, denn Handlungen werden auf Individuen zugerechnet, sind also nicht per se soziale Tatbestände. Luhmann konzipiert Sozialität von oben, von der Kommunikation her, nicht wie Maturana von unten. Damit umgeht er das Problem der Intersubjektivität, das Maturana nicht überzeugend konstruieren kann[139].
Unter der primären Systemreferenz auf Kommunikation wird Handlung nur als Kommunikation relevant. Jedes Handeln mit Sinnbezug auf andere ist zwar s oziales Handeln, gesellschaftlich wird Handeln jedoch erst, wenn es als Kommunikation intendiert oder erfahren wird, nicht notwendig jedoch interaktiv[140]. Konkludentes Verhalten kann kommunikativ Annahme oder Ablehnung signalisieren. Jedoch sind nonverbale Signale nicht funktional äquivalent zur Sprache[141]. Sprache bleibt als Medium die wichtigste der verschiedenen Kopplungsmöglichkeiten zwischen psychischen und sozialen Systemen, da Gedanken entscheidend durch Sprache geprägt sind und da erst sie "immense Überschüsse an semantischen Selektionsmöglichkeiten"[142]zur Verfügung stellt. Die Autopoiese der Kommunikation kann nur stattfinden, wenn erstens eine Differenz zwischen Information und Mitteilung und zweitens eine Differenz zwischen Mitteilung und Verstehen entsteht, wenn also eine Mitteilung als Zeichen für eine Information genommen wird und eine Mitteilung so verstanden wird, daß an sie mit einer Gegenmitteilung angeschlossen werden kann[143]. Nur in diesem Rahmen kann Handeln gesellschaftliche Relevanz erreichen.
Umgekehrt beeinflussen Kommunikationen Handlungen, indem sie die Bedingungen für anschließbares Handeln vorstrukturieren[144].
Nur als Mitteilungshandlungen sind Handlungen genuiner Teil von Kommunikation. Aus Mitteilungen wird Kommunikation erschlossen und gleichzeitig asymmetrisiert[145]: Erst Handlung erlaubt die Identifikation von Kommunikation und gibt ihr eine Richtung. Und erst die Zurechnung auf mitteilende Individuen ermöglicht den Kommunikationssystemen eine hinreichende Komplexitätsreduktion.
Mitteilungshandlungen sind aber selbst nur simplifizierte Zurechnungsartefakte von Kommunikation auf Personen oder Organisationen als Kommunikatoren oder Adressaten für weitere Mitteilungshandlungen[146]. "Kommunikation ist elementare Einheit der Selbstkonstitution, Handlung ist elementare Einheit der Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung"[147]. Akteure konstituieren sich, wenn Systeme sich selbst als Akteure beschreiben. Damit löst sich der Akteur/System-Dualismus, wie er etwa von Uwe Schimank vertreten wird, auf[148].
Der Fokus auf Kommunikation leugnet zwar nicht die Bedeutung nicht-kommunikativer Handlungen, sieht aber von dieser Ebene ab, um die Eigenständigkeit kommunikativer Realitätskonstitutionen zu extrapolieren. Gesellschaft ist nicht mehr Ergebnis menschlichen Handelns, sondern ein davon unabhängiger Prozeß der Selbsterzeugung autopoietischer Systeme.
Handlungen dienen aber als Anschlußstellen für die per se ausgeschlossene Körperlichkeit der Menschen. Jedem der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien ist ein symbiotisches Symbol zugeordnet, das in die organischen Prozesse hineinreicht: für die Wissenschaft ist dies Wahrnehmung, für die Wirtschaft Bedürfnisbefriedigung, für das Recht physische Gewalt[149].
Handlungen, die nicht der Perpetuierung der Systeme dienen, werden in der Theorie nicht thematisiert. Handlungen dieser Art fallen aber auch schon bei der Beschränkung auf soziales Handeln heraus - erweitert man den Begriff nicht auf nahezu jedes Handeln, insofern es sozial erlernt ist. Deshalb ist es fraglich, ob Auswirkungen auf die Umwelt ohne Rückbezug auf die Gesellschaft soziologisch überhaupt erfaßt werden können.
Für die Untersuchung von sozialen Systemen und ihrer Beziehungen untereinander ist diese Sicht überaus fruchtbar, spätestens in Bezug auf Veränderungen der nichtsozialen und nichtmenschlichen Umwelt wird die Verkürzung auf Kommunikation aber problematisch. Materiale Umweltveränderungen finden statt, sie werden durch Kommunikation angeregt oder sind materiale Voraussetzung dafür: Bäume werden gefällt, Waren produziert, Naturwissenschaftler experimentieren, Papier wird bedruckt. Diese Handlungen sind selbst aber nicht-kommunikativ und nicht unter Kommunikation subsumierbar[150]: sie sind keine gesellschaftlichen Handlungen.
Auswirkungen auf die Umwelt können bestenfalls indirekt im Spiegel gesellschaftsinterner Kommunikation wahrgenommen werden. Nur als Themen von Kommunikation sind nicht-kommunikative Handlungen auch in der Gesellschaft präsent.
3. Gesellschaft als Einheit der Differenz autopoietischer Funktionssysteme und struktureller Kopplungen
3.1 Funktionale Differenzierung als primäre Differenzierungsform moderner Gesellschaften
Funktionale Differenzierung ist sachliche Differenzierung entlang spezifischer Systemprobleme - anstelle früher vorherrschender zeitlicher bzw. sozialer Differenzierung. Grenzen verlaufen nun entlang gesellschaftlicher Funktionsbereiche. Mehr als zuvor kommt es zur Komplexitätssteigerung, und zwar epigenetisch als Nebenfolge der Differenzierungsform.
Die funktional differenzierte Gesellschaft setzt sich aus ungleichen Teilsystemen zusammen, die exklusiv zentrale gesellschaftliche Funktionen bedienen[cli]. Jedes Teilsystem vereint eine spezifische Funktion und ein Kommunikationsmedium mit Universalzuständigkeit auf sich[clii]. Auf der Institutionalisierung einer Leitdifferenz zur spezifischen Behandlung von Wirklichkeit - nicht aufgrund des Einheitsgesichtspunktes der Funktion und auf der Dekomposition des Ganzen in Teile - basiert die Kategorisierung moderner Gesellschaften als funktional differenzierte Gesellschaften[cliii]. Der Begriff der Arbeitsteilung im Sinne einer Aufteilung von Welt erfaßt diese funktionale Spezifikation nicht[cliv], denn unter dem Gesichtspunkt der je eigenen Leitunterscheidung wird die Welt als ganze betrachtet[clv].
Jedes neu ausdifferenzierte Teilsystem greift zunächst in die Zuständigkeit anderer Systeme ein[clvi]. Es kommt zur anfänglichen Überschneidung von Perspektiven, nach und nach werden aber Kompetenzen angezogen und vom bisher zuständigen System abgegeben.
Diese Perspektivenwahl spezifiziert die Autopoiese durch Ausblendung von Drittwerten[clvii]. Die Anwendung eines bestimmten Codes ist kontingent und nicht vom Gegenstand vorgegeben. Sofern aber ein Code Anwendung findet, gilt nur dieser. In den eigenen Operationen wird das System indifferent gegenüber Umweltereignissen, um eine eigene Komplexität aufbauen zu können. Umwelt kann das System allenfalls irritieren. Diese Indifferenz gegenüber anderen Möglichkeiten der Beobachtung macht die binäre Ausrichtung und folglich Selbstreferenz allererst möglich: tertium non datur[clviii].
Zentral wird hierfür das Konzept der Irritation als "Form, mit der ein System Resonanz auf Umweltereignisse erzeugen kann"[clix], obwohl ein operativer Kontakt zur Umwelt ausgeschlossen ist. Resonanz erlaubt "rekursiv-geschlossene Reproduktion bei umweltoffener Irritierbarkeit"[clx]. Sie bestimmt sich durch hohe Resistenzen einerseits und sehr spezifische Sensibilitäten andererseits. Das System legt fest, welche Irritation es wie als Information wertet und wie es darauf reagiert. "Reaktion" meint dabei immer: Fortsetzung der Autopoiese nach systemintern bestimmtem Prozessieren, abhängig von der Anschlußfähigkeit vorgängiger Operationen.
Irritation ist ein systemeigener Zustand - ohne Entsprechung in der Umwelt: Die Umwelt muß nicht selbst irritiert sein[clxi]. Irritationen werden intern, soweit möglich, als Information behandelt. Sie müssen selbst handhabbar sein, um als Probleme thematisiert und bearbeitet werden zu können. Als Erwartungsenttäuschung registrierte Irritationen regen zur Fortsetzung der Autopoiese an. Es bleibt aber offen, ob dazu Strukturen geändert, Erwartungen angepaßt werden müssen[clxii]. Je nach gegenwärtiger interner Struktur wird versucht, die Irritation durch Strukturveränderungen zu normalisieren, allerdings nicht im Sinne einer Anpassung der Systeme untereinander oder an ihre Umwelt.
Funktionale Differenzierung steigert Irritabilität, die Fähigkeit rasch zu reagieren, bezahlt dies aber mit Koordinationsproblemen, also mit einer Selbstirritation der Gesellschaft aufgrund der wechselseitigen Irritationen der Teilsysteme. Das Gewicht verlagert sich von Antizipation auf Reaktion[clxiii].
Die Teilsysteme haben nicht aufeinander abbildbare Beobachterverhältnisse. Statt dessen entsteht eine Pluralität[clxiv], eine Polykontexturalität inkommensurabler perspektivischer Welten[clxv]. Diese hebt die vorherige stratifikatorische Alternativlosigkeit von Gesellschaftsbeschreibungen auf. Jedes Faktum kann mehrfach beobachtet und beschrieben werden. Die moderne Gesellschaft besitzt keine substantielle Identität mehr und kann nicht mehr eindeutig beschrieben werden - auch nicht als "Risikogesellschaft". Der Blick auf die multizentrische Gesellschaft existiert nicht anders als standortgebunden und kontingent, aus der Perspektive der einzelnen Systeme, ohne daß die verschiedenen Perspektiven sich auf einer Metaebene zu einer Totale zusammensetzen ließen. In der Heterarchie der funktional differenzierten Gesellschaft hat keines der Teilsysteme mehr den Primat für die Gesellschaft als ganze inne. Der Primat, den jedes System für sich beansprucht, gilt nicht auch für andere Systeme. Die repraesentatio identitatis ist unmöglich geworden[clxvi]. Die Einheit der Gesellschaft löst sich in die Differenz ihrer Funktionssysteme auf[clxvii]: Ihre Struktur ergibt sich aus ihrer Differenzierungsform und den Verhältnissen der Teilsysteme untereinander, zur Gesellschaft und zu sich selbst[clxviii].
3.2 Die evolutionstheoretische Sicht auf die Ausdifferenzierung der Funktionssysteme
Luhmann versteht seine Theorie-Anlage evolutionär[clxix]. Im Lauf der soziokulturellen Evolution bilden sich komplexe Systemstrukturen aus, die Umweltkomplexität reduzieren und damit Möglichkeitsräume eröffnen. Evolution führt zur Erweiterung der Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Kommunikation durch Strukturänderung qua Variation, Selektion und Konsolidierung von Erwartungen.
Variationen erzeugen neue Möglichkeiten von Erleben und Handeln. Sprache als Variationsmechanismus läßt die Generierung immer neuen Sinns bereits durch bloße Negation zu. Verstärkend wirken Schrift und Verbreitungsmedien, die zahllose Variations- bzw. Kommunikationsanlässe bieten. Rechtliche Konfliktregulierung schafft einen geschützten Raum für dissipative Tendenzen. Neue Ideen werden zu Mutanten und kommunizierten Bewußtseinsinhalten.
Kommunikationsmedien wie etwa Macht oder Reputation unterstützen die Selektion von Kommunikationen, indem sie die Chancen der Annahme von Kommunikation erhöhen.
Schließlich bilden sich über Kondensierung und Konfirmation Erwartungen. Strukturen stabilisieren sich und fügen sich in gegebene Differenzstrukturen oder führen zu weiterer Differenzierung. Ausdifferenzierung ist eine Folge der Steigerung von Erwartungserwartungen[clxx]. Diese "veranlassen alle Teilnehmer, sich wechselseitig zeitübergreifende und in diesem Sinne strukturelle Orientierungen zu unterstellen"[clxxi]. Erwartungserwartungen können auch als symbolische Kürzel in die Programmstrukturen eingebaut werden. Diese ermöglichen dann "als Pauschalunterstellungen [...] ausreichende Flüssigkeit der Kommunikation. Sie können sich gegenüber der faktischen Erwartungslage [...] verselbständigen"[clxxii].
Subsystemdifferenzierung wiederholt Systembildung in Systemen. Das Gesamtsystem wird in je spezifischer Weise zur internen Umwelt[clxxiii]. Auf dem Wege der Penetration stellt das übergeordnete System seine Komplexität für die Ausdifferenzierung von Subsystemen zur Verfügung. Dabei werden Funktionen im Hinblick auf das übergeordnete System ausdifferenziert, die Grundfunktion für die Gesellschaft besteht in der Reduktion von Weltkomplexität. Subsysteme differenzieren sich autokatalytisch mit Bezug auf Probleme der gesellschaftlichen Reproduktion aus. Im Gegensatz zu Parsons ist die Gesellschaft jedoch kein ranghöheres Sondersystem, auf das hin Leistungen produziert werden. Der Leistungsbereich verweist vielmehr auf die wechselseitige Abhängigkeit der Teilsysteme in der Gesellschaft[clxxiv]. Die Gesellschaft wird allerdings solche Ausdifferenzierungen nur tolerieren, solange ein funktionaler Bezug auf gesellschaftliche Probleme vorliegt[clxxv].
Die Evolution der Gesellschaft findet primär in den Teilsystemen mit ihren je spezifischen Mechanismen statt, nicht in der Gesellschaft als ganzer und nicht auf der Ebene der Organisationen[clxxvi]. Formale Organisationen sichern aber neben Kommunikationsmedien die Autopoiese ab, Kommunikationsmedien tun dies locker, Organisationen fest[clxxvii].
Evolution ist sich selbst konditionierende Selektion - ohne Autor, Planung oder Intention. Sie verläuft kontingent, weder irreversibel noch unilinear, und ist nicht mit teleologischem Fortschritt oder Wachstum zu identifizieren[clxxviii]. Die evolutionäre Weiterentwicklung ist kein notwendiger, kontinuierlicher Prozeß, sondern ein Nacheinander unverbundener Ereignisse[clxxix], in komplexen Systemen: ein Nebeneinander vieler lokaler Kettenreaktionen. Variation, Selektion und Stabilisation sind nicht aufeinander abgestimmt. Nur so werden zufällige Mutationen durch Selektions- und Retentionsmechanismen zweifach gefiltert[clxxx].
Trotzdem mündet das Leitproblem der Fortsetzung der Autopoiese durchaus auch in Wachstum, nicht jedoch gezielt. Weil die Selbstidentifikation psychischer Systeme in einer funktional differenzierten Gesellschaft nur mehr über Ansprüche zustandekommen kann[clxxxi]werden die Teilsysteme, die ihrerseits den Anspruch vertreten, die Vollinklusion psychischer Systeme sicherzustellen, zum Wachstum und zu immer weiterer Differenzierung angeregt. Die Teilsysteme bilden - soweit die Umwelt das zuläßt - aus eigenem Antrieb "keine Stoppregeln"[clxxxii]aus, keinen "Anhaltspunkt [...] für Argumente gegen die bestmögliche Erfüllung der Funktion"[clxxxiii]. Beschränkt werden diese Steigerungstendenzen der Domänenausdehnung und Autonomiesicherung weder durch ein hegemoniales System noch durch eine gesellschaftsübergreifende Wertordnung, sondern nur durch Ressourcenprobleme auf der energetischen Ebene.
Schimank kritisiert den Stellenwert, den Luhmann einer ateleologischen Evolution für die gesellschaftliche Ausdifferenzierung einräumt, und postuliert stattdessen Anpassungsdruck - über Sachzwänge und Kontextsteuerung, unterstützt durch Reflexion - als Entwicklungsmotor: Strukturänderungen könnten zu Komplexitätssteigerungen führen und dasselbe in anderen Systemen bewirken[clxxxiv].
Dies ist aus zwei Gründen zurückzuweisen:
[...]
[1]Vgl. Luhmann 1986: 11-18.
[2]Luhmann 1996b: 47.
[3]Vgl. Beck 1988: 128; vgl. Anders 1988: 233-324.
[4]Vgl. Beck 1988: 70.
[5]Vgl. Luhmann 1992f: 191.
Kapitel 2
[6]Habermas veranlaßt dies dazu, von einem metatheoretischen Entwurf mit Weltbildfunktion zu sprechen (vgl. Habermas 1985: 426; vgl. ebd. 443).
[7]Vgl. Maturana/Varela 1987.
[8]"Autopoiesis heißt: für das System selbst unbeendbares Weiterlaufen der Produktion von Elementen des Systems durch Elemente des Systems" (Luhmann 1996: 71). "Die Elemente [...] haben keine unabhängige Existenz. [...] Sie werden vielmehr im System erst erzeugt [...] Und insofern sind es Einheiten, der Verwendung zur Produktion weiterer Einheiten der Verwendung, für die es in der Umwelt des Systems keinerlei Entsprechung gibt" (Ders. 1997: 65f).
[9]Vgl. Luhmann 1997: 745, Fn. 294; vgl. ders. 1991: 600f. In Bezug auf nichttriviale Maschinen: vgl. von Foerster 1993a: 247-252.
[10]Vgl. Luhmann 1991: 392.
[11]Vgl. Luhmann 1991: 47f.
[12]Vgl. Luhmann 1991: 62.
[13]Vgl. Luhmann 1991: 643f.
[14]Luhmann 1991: 250.
[15]"Hohe Eigenkomplexität bedeutet demnach Zulassung von Alternativen, Variationsmöglichkeiten, Dissens und Konflikten im System. Dazu muß die Systemstruktur in gewissen Grenzen unbestimmt, widerspruchsreich und änderbar institutionalisiert sein. Sie muß gegen die natürliche Tendenz zur Sinnverdichtung und zur Beseitigung aller Ungewißheiten künstlich offengehalten werden und unterspezifiziert bleiben" (Luhmann 1970b: 160; vgl. ders. 1991: 45-48; vgl. ders. 1997: 136-138).
[16]Vgl. von Foerster 1993: 136 ff. Dies entspricht den Annahmen der Chaostheorie.
[17]MacKay 1967, zitiert nach Schimank 1996: 144.
[18]von Foerster 1993a: 247.
[19]Vgl. Luhmann 1997: 745.
[20]Vgl. Luhmann 1991: 49.
[21]Luhmann 1997: 433.
[22]Vgl. Luhmann 1991: 47.
[23]Luhmann 1991: 152. Informationen können auch als Ressourcen aufgefaßt werden.
[24]Vgl. Luhmann 1991: 252.
[25]Vgl. Luhmann 1991: 156f; vgl. ebd. 658. Die Leere der black boxes gibt der Entwicklung vielfältiger sozialer Perspektiven zur Bearbeitung doppelter Kontingenz Raum. "Auf diese Weise kann eine emergente Ordnung zustandekommen, die bedingt ist durch die Komplexität der sie ermöglichenden Systeme, die aber nicht davon abhängt, daß diese Komplexität auch berechnet, auch kontrolliert werden kann. Wir nennen diese emergente Ordnung soziales System. [...] Kontrolliert werden nur die daraus folgenden Ungewißheiten in Bezug auf das eigene Verhalten der Teilnehmer" (Ebd.: 157, Herv. i. O.).
[26]Nicht gewählte Alternativen bleiben erhalten.
[27]"Das soziale System ist gerade deshalb System, weil es keine basale Zustandsgewißheit und keine darauf aufbauenden Verhaltensvorhersagen gibt" (Luhmann 1991: 157).
[28]Vgl. Luhmann 1992d. Eigenwerte sind Selektoren, die bestimmte Anschlüsse wahrscheinlicher machen, Kristallisationen relativ stabiler Zustände durch rekursive Anwendung einer Operation auf die Ergebnisse vorgängiger Operationen. Eigenwerte beschränken nachfolgende Operationen und schaffen Ordnung aus der Verbindung zwischen Operationen.
[29]Luhmann 1996h: 158.
[30]Vgl. Luhmann 1992b: 47.
[31]Elemente sozialer und psychischer Systeme werden zeitlich, nicht substantiell betrachtet. Operationen sind Ereignisse (Unterscheidungen) im Dauerzerfall. Strukturen bilden den Kombinationsspielraum für mögliche Ereignisse bzw. legen den Grad der Irritabilität durch nicht erwartete Ereignisse fest.
[32]Vgl. Luhmann 1995: 50; vgl. ders. 1996h: 169.
[33]Vgl. Luhmann 1991: 249.
[34]Vgl. Habermas/Luhmann 1971: 72-75.
[35]Vgl. Luhmann 1991: 35f, Herv. i. O.
[36]Vgl. Luhmann 1991: 92-101.
[37]Sinn ist immer systemisch selegierter Sinn, losgelöst von Individuen, nicht also Max Webers "subjektiv gemeinter" Sinn (vgl. Weber 1972).
[38]Die Sinnformen des Bewußtseins sind gleichzeitig sozial benutzte und damit kommunizierbar.
[39]"Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun" (Maturana/Varela 1987: 31, Herv. i. O.). Auch nach Bateson zeigt jede Gesamtheit von Ereignissen oder Objekten mit ausreichender Komplexität mentale Eigenschaften, das heißt, sie vergleicht, reagiert auf Abweichungen, verarbeitet Informationen und kann sich so selbst regulieren (vgl. Bateson 1983: 407).
[40] "Alles Gesagte ist von jemandem gesagt" (Maturana/Varela 1987: 32, Herv. i. O.).
[41]Erst eine Beobachtung zweiter Ordnung kann Unterschiede erkennen.
[42]Vgl. Maturana 1985: 64. Die Wurzeln dieser Betrachtungsweise gehen auf Husserls Darstellung der Konstitution von Welt in Operationen des Bewußtseins zurück. Psychische und soziale Systeme sind zwar energetisch/material offen (nicht autark), aber operativ geschlossen (autonom): sie können nur in sich selbst operieren. Sie können nicht ihre Umwelt wahrnehmen, sondern immer nur sich selbst. Reagiert wird ausschließlich auf Eigenzustände.
[43]Vgl. Bateson 1983: 488; vgl. ders. 1982: 123.
[44]Vgl. Luhmann 1991a: 44; vgl. ders. 1997: 580f. Entgegen Luhmanns Annahme zeigen aber Untersuchungen an Schachspielern, daß Figurkonstellationen leichter eingeprägt werden können, wenn sie nicht beliebig sind, sondern einen Spielstand repräsentieren. Das weist darauf hin, daß eine Geschichte mitgedacht oder konstruiert wird.
[45]Der Begriff Beobachtung "bezeichnet die Einheit einer Operation, die eine Unterscheidung verwendet, um die eine oder die andere Seite dieser Unterscheidung zu bezeichnen" (Luhmann 1986: 266).
[46]Gentechnologie kann aus der Sicht von Protestgruppen mit Blick auf ökologische Gefahren, wissenschaftlich mit Blick auf Erkenntnisgewinn, rechtlich etwa hinsichtlich der Patentierbarkeit lebender Organismen, wirtschaftlich mit Fokus auf die Rentabilität von Investitionen oder politisch hinsichtlich der gesellschaftlichen Akzeptanz, der "Standort"-Sicherung und der Chancen der Wiederwahl bewertet werden.
[47]Luhmann 1995d: 143.
[48]"Nur sehr weniges kann jeweils aktuell im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen bzw. ein aktuell behandeltes Thema der Kommunikation sein; alles übrige und schließlich die ganze Welt im ganzen wird durch Verweisungen herangezogen und ist dann nur sequentiell und nur selektiv zugänglich: Man kann nur der einen oder der anderen Möglichkeit nachgehen, und jeder Schritt schafft wiederum mehr weitere Möglichkeiten, als im folgenden aufgegriffen werden" (Luhmann 1986: 43).
[49]Luhmann 1986: 51.
[50]Luhmann 1991: 296.
[51]Luhmann 1996h: 16f, Herv. i. O.
[52]Luhmann 1996h: 16, Fn. 7.
[53]Vgl. Luhmann 1993a: 38-41.
[54]Luhmann 1992b: 45.
[55]Nassehi 1992: 64; vgl. Luhmann 1993a: 56. Auch Spencer Browns Aufforderung "draw a distinction" setzt einen Beobachter voraus, an den sie gerichtet ist.
[56]Vgl. Luhmann 1993a; vgl. ders. 1998: 508-531; vgl. ders. 1996h: 17-19.
[57]Vgl. Luhmann 1991: 641.
[58]Vgl. Luhmann 1995: 52.
[59]Vgl. Luhmann 1992f: 218.
[60]Vgl. Luhmann 1991a: 42f.
[61]Vgl. Luhmann 1992b: 43, Fn. 38.
[62]Die Unterscheidung selbstreferentiell/fremdreferentiell im System löst die cartesische Entgegensetzung von Subjekt und Objekt ab.
[63]Vgl. Luhmann 1997: 878.
[64]Vgl. Luhmann 1997: 136.
[65]Vgl. Luhmann 1989: 334.
[66]Vgl. auch Beck 1988: 167, Fn.
[67]Luhmann 1997: 93, Herv. A.P.
[68]Vgl. Luhmann 1996h: 165.
[69]Luhmann 1997: 93.
[70]"Man sieht, daß die Sonne 'aufgeht', und kann es nicht anders sehen, obwohl man weiß, daß man sich täuscht" (Luhmann 1997: 93; vgl. ders. 1996h: 162).
[71]Becks Theorie der Risikogesellschaft stützt sich wesentlich auf naturwissenschaftliche Beobachtungen erster Ordnung.
[72]Vgl. Luhmann 1991a: 35. Die Untersuchung und Kontingent-Setzung von Attribuierungen anhand von Korrelationen mit Persönlichkeits- oder Situationsfaktoren findet auf dieser Ebene statt (vgl. ders. 1991: 229, Fn. 59).
[73]Das System kann als Einheit nur im Gegensatz zur Umwelt bezeichnet werden. System und Umwelt erscheinen in den Operationen des Systems, das System als fokussierter Gegenstand findet sich als fremdreferentieller Beobachtungsanteil außerhalb des Systems als Beobachter. "Als diese Form (als Einheit) ist die System/Umwelt-Differenz nur imaginär erreichbar. Das schließt selbstverständlich nicht aus, daß Umwelt im System bezeichnet wird, aber eben immer: im System, als ein Außen, das innen konstruiert wird und deshalb keine anderen Grenzen hat als die imaginären, für die die Metapher Horizont einsteht. Die Crux der ökologischen Differenz ist, daß sie in einem System 'wirkt', ohne daß das System sie 'wirklich' erfassen könnte" (Fuchs 1992: 253, Herv. i. O.).
[74]Nassehi 1992: 63, Herv. i. O.
[75]Luhmann 1992f: 218. Auch Spencer Brown kann den Beobachter und die erste Unterscheidung erst am Ende seines Kalküls identifizieren (vgl. ebd.).
[76]Luhmann 1996h: 26.
[77]Der Wechsel zur anderen Seite braucht Zeit. Die Zeitdifferenz dient der Entparadoxierung, weil der Beobachter nicht zugleich außen und innen sein kann. Diese Strategie herrschte in primär segmentär differenzierten Gesellschaften vor.
[78]- wie unter primär stratifikatorischer Differenzierung. Auch die Risiko/Gefahr-Unterscheidung ist sozial verankert. Gefahren irritieren, weil sie für andere Risiken darstellen und Risiken, weil sie für andere gefährlich sind (vgl. Luhmann 1993c: 154).
[79]Vgl. Luhmann 1991: 652. Münch beweist hier weniger Ambiguitätstoleranz: Er hält die Theorie autopoietischer Systeme für tautologisch und paradox zugleich, per definitionem wahr, beliebig anschließbar und empirisch nicht widerlegbar. An dieser Stelle würde er jede weitere Diskussion beenden (vgl. Münch 1996: 35ff).
[80]Vgl. Luhmann 1992c: 83. "In dem Maße, als die Gesellschaft strukturell in der Lage ist, Beobachtungen zweiter Ordnung zu ermöglichen, kann sie Systeme ausdifferenzieren, die beobachten können, was andere Systeme nicht beobachten können" (Ders. 1989: 334).
[81]- wie es noch das Input/Output-Paradigma offener Systeme suggeriert.
[82]Vgl. Luhmann 1996h: 207f.
[83]Vgl. Luhmann 1991a: 117.
[84]Jede Kommunikation muß sich mit Hilfe der Unterscheidung zwischen Information und Mitteilung selbst beobachten. Insofern ist Selbstbeobachtung Voraussetzung für Autopoiese, weil das System nur so an systemeigene Operationen anschließen kann.
[85]Dies entkräftet den Vorwurf des Autismus autopoietischer Systeme.
[86]Vgl. Luhmann 1991: 601; vgl. ebd.: 617.
[87]Vgl. Luhmann 1997: 372f.
[88]Luhmann 1996h: 185.
[89]Luhmann 1996h: 184.
[90]Vgl. Luhmann 1992: 129. Dies wird auch Protestgruppen vorgehalten, die vorgeben, Gesellschaft von außen zu beobachten.
[91]"Systeme müssen [...] eine Beschreibung ihres Selbst erzeugen und benutzen; sie müssen mindestens die Differenz von System und Umwelt systemintern als Orientierung und als Prinzip der Erzeugung von Informationen verwenden können" (Luhmann 1991: 25).
[92]Vgl. Luhmann 1991: 645. Diese Impulse können dann die Thematisierung von Umweltproblemen in der Kommunikation, die Einrichtung von Arbeitskreisen in Organisationen, neue Verordnungen oder Richtwerte auslösen.
[93]Etwa die Beschreibung als Risiko- oder Informationsgesellschaft, aber auch Beschreibungen, die auf den funktionalen Primat einzelner Teilsysteme - etwa Wirtschaft oder Politik - abstellen (vgl. Luhmann 1997: 1088-1096).
[94]Vgl. Luhmann 1998: 666.
[95]Vgl. Kneer 1992.
[96]Luhmann 1997: 186.
[97]Vgl. Japp 1996: 75.
[98]Vgl. Luhmann 1991: 192-197.
[99]Kein Gedanke kann als Gedanke das Bewußtsein verlassen. Trotzdem können Themen gesellschaftlicher Kommunikation auch Bewußtseinsinhalte werden.
[100]Vgl. Luhmann 1996h: 41.
[101]Dies wäre nicht einmal individualistischer Reduktionismus, sondern "eine (extrem verkürzte) Relationierung auf psychische statt auf soziale Systeme" (Luhmann 1991: 347). Soziale Ordnung ist nicht von Menschen geschaffen, die selbst durch diese Ordnung geprägt sind. Institutionen sind zeitlich, sachlich und sozial generalisierte Symbolzusammenhänge (vgl. ebd.: 135-141), keine "Objektivationen" (vgl. Berger/Luckmann 1977). Systeme bestehen aus Elementen, die sich selbst reproduzieren, und nicht aus Strukturen, die durch Handlungen reproduziert werden. Letzteres stellt auf Fremdreferenz statt Selbstreferenz ab. Institutionen sind nichts Fremdes, Vorgegebenes, was Handlungen beschränkt. Was sich verselbständigt, tut dies aufgrund kommunikativer Operationen und muß sich immer neu verselbständigen (vgl. Japp 1996: 35f).
[102]Menschen gehören zur Umwelt sozialer Systeme, "denn sie gehören nie 'mit Haut und Haaren' , sondern nur in bestimmten Hinsichten, mit bestimmten Rollen, Motiven und Aufmerksamkeiten dem einzelnen System zu" (Willke 1991: 39). Bereits vor der autopoietischen Wende begriff Luhmann im Gegensatz zu Parsons Akteure als nicht zum Handlungssystem gehörig, um so auch kontraintuitive Handlungsfolgen erklären zu können (vgl. Luhmann 1995f: 125). Später läßt er die Referenz auf den Menschen gänzlich fallen. Soziale Systeme haben nun keine Funktion mehr für das "Mängelwesen" Mensch, wie es Gehlen oder Plessner postulieren (vgl. Gehlen 1976: 33ff; vgl. Plessner 1975: 329).
[103]Luhmann 1998: 30f; vgl. ders. 1995c: 37f.
[104]Luhmann 1986: 42.
[105]Vgl. Luhmann 1991: 193ff. Luhmann beruft sich auf Karl Bühlers Organon-Modell der Sprache mit Symbol-, Symptom- und Signalfunktion.
[106]Vgl. Kneer/Nassehi 1994: 85.
[107]Das impliziert: ego kann dieselbe Information nicht zweimal erhalten.
[108]Anschluß ist auch bei Mißverständnis oder Lüge möglich. Wahrheit ist für Information nicht Voraussetzung.
[109]Luhmann 1996h: 171f.
[110]Das ermöglicht die selektive Darstellung von Informationen und Lenkung der Diskussion in die gewünschte Richtung.
[111]Vgl. Luhmann 1991: 155. Die Form "Person" ist eine "individuell attribuierte Einschränkung von Verhaltensmöglichkeiten" (Ders. 1995d: 148, Herv. i. O.).
[112]Luhmann 1991: 153.
[113]Luhmann 1991: 347.
[114]Vgl. Luhmann 1991: 217f.
[115]Vgl. 1997: 363.
[116]Vgl. Luhmann 1991: 222; vgl. ders. 1981.
[117]Das Sprachspiel Machtkommunikation ist auch jenseits des politischen Systems möglich, etwa in nichtpolitischen Organisationen oder Familien, gesellschaftliche Relevanz erreicht sie aber nur als politische Kommunikation (vgl. Luhmann 1996h: 174).
[118]Vgl. Luhmann 1991a: 91.
[119]Vgl. Luhmann 1986: 75f. - Im Gegensatz zur Unterscheidung von Objekten, die einem Objekt alles andere entgegensetzen (vgl. ders. 1991a: 24).
[120]Hierin werden auch Ergebnisse der Gestaltpsychologie umgesetzt: Wahrnehmungen zeichnen sich weniger durch die Aufnahme als durch die Unterdrückung von Informationen aus.
[121]Vgl. Luhmann 1997: 363-365. Der positive Wert bezeichnet "das, womit man etwas anfangen kann. Der negative Wert dient nur der Reflexion der Bedingungen, unter denen der positive Wert eingesetzt werden kann" (Ders. 1996h: 35) und sichert so den Fortgang der Autopoiese. Jeder Codewert kann nur über die andere Seite der Unterscheidung verlassen werden. Widerlegte Hypothesen können neue Untersuchungen anregen.
[122]In wissenschaftliche Forschungen fließen bisherige Forschungsergebnisse ein, so daß ein großer Bereich denkbarer Hypothesen a priori ausgeschlossen und die Bestätigung theoretischer Sätze wahrscheinlicher ist als ihre Widerlegung.
[123]Vgl. Luhmann 1997: 365-369.
[124]Vgl. Fuchs: 1999.
[125]Etwa politische Entscheidungen in ihrer Relevanz für andere Systeme; Nutzung wissenschaftlicher Innovationen außerhalb der Wissenschaft; wirtschaftliche Zahlungsfähigkeit und ökonomische Prinzipien in anderen Systemen.
[126]Vgl. Luhmann 1996b: 55f. Die Teilsysteme lösen sich von externen Zeitvorgaben: durch den Aufbau von Komplexität wird eine eigene Differenz von Vergangenheit und Zukunft erzeugt, die Gegenwart zu deren blinden Fleck, zu einem Ereignis ohne Dauer, macht (vgl. ders. 1991a: 49f.). Evident wird das an der Orientierung des politischen Systems an der Legislaturperiode, was der Bearbeitung von Umweltproblemen Grenzen setzt.
[127]Vgl. Luhmann 1996h: 127.
[128]Vgl. Luhmann 1986: 85f. Aber es geht auch ohne Leitunterscheidungen, etwa im Erziehungssystem. Auch die Gesellschaft selbst benutzt keine Leitdifferenz.
[129]Vgl. Luhmann 1992c: 77.
[130]Luhmann 1996h: 129.
[131]Etwa Theorien und Methoden als Kriterien für Wahrheit; Gesetze und Verfahrensregeln als Kriterien für Recht; Kalküle als Kriterien für Investitionen.
[132]Vgl. Luhmann 1975a: 9.
[133]Luhmann 1997: 608, Herv. i. O.
[134]Vgl. Luhmann 1997: 336, Fn. 255.
[135]Vgl. Luhmann 1991a: 172f.
[136]Vgl. Luhmann 1991: 124; vgl. ebd.: 233, Fn. 66.
[137]Die Relevanz des Erlebens ergibt sich aus dem Problem der doppelten Kontingenz. Am anderen muß immer auch beobachtet werden, wie er das eigene Handeln bzw. den eigenen Sinngebrauch erfährt und verarbeitet (vgl. Luhmann 1991: 161).
[138]Vgl. Luhmann 1991: 67.
[139]Vgl. Luhmann 1988. Allerdings kommt auch Luhmann nicht ohne Rückgriff auf die Realitätskonstitution anderer Beobachter aus (vgl. ders. 1993a: 38-41).
[140]Vgl. Luhmann 1991: 580-584.
[141]Zwar sind körperliche Präsentation, Verhalten und Gestik Prämissen von Sozialität, jedoch für das Kommunikationssystem Gesellschaft nicht unmittelbar relevant (vgl. Luhmann 1991: 333f).
[142]Luhmann 1998: 27.
[143]Vgl. Luhmann 1998: 24-26.
[144]Handlungen finden in einer strukturierten Umwelt statt. Der kommunikative Kontext legt fest, welche Handlungen passen.
[145]"Die wichtigste Konsequenz dieser Analyse ist: daß Kommunikation nicht direkt beobachtet, sondern nur erschlossen werden kann. Um beobachtet werden zu können oder um sich selbst beobachten zu können, muß ein Kommunikationssystem deshalb als Handlungssystem ausgeflaggt werden. [...] Erst durch Einbau eines Handlungsverständnisses in das kommunikative Geschehen wird die Kommunikation asymmetrisiert, erst dadurch erhält sie eine Richtung. [...] Deshalb ist es nicht falsch, wohl aber einseitig wenn ein Kommunikationssystem sich selbst als Handlungssystem auffaßt. Erst durch Handlung wird die Kommunikation als einfaches Ereignis an einem Zeitpunkt fixiert. Auf der Basis des Grundgeschehens Kommunikation und mit ihren operativen Mitteln konstituiert sich ein soziales System demnach als Handlungssystem. Es fertigt in sich selbst eine Beschreibung von sich an, um den Fortgang der Prozesse, die Reproduktion des Systems zu steuern. Für Zwecke der Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung wird die Symmetrie der Kommunikation asymmetrisiert, wird ihre offene Anregbarkeit durch Verantwortlichkeit für Folgen reduziert. Und in dieser verkürzten, vereinfachten, dadurch leichter faßlichen Selbstbeschreibung dient Handlung, nicht Kommunikation, als Letztelement" (Luhmann 1991: 226-228, Herv. i. O.; vgl. ebd.: 634; vgl. ders. 1996h: 68).
[146]Vgl. Luhmann 1991: 229.
[147]Luhmann 1991: 240.
[148]Vgl. Japp 1996: 186, Fn. 52.
[149]Vgl. Luhmann 1997: 378-380.
[150]Vgl. Luhmann 1996h: 12f.
Kapitel 3
[cli]Das galt unter dem Paradigma sozialer Handlungssysteme noch nicht in dem Maße. Zwar wurde auch hier gezeigt, daß im Zuge der Ausdifferenzierung Kompetenzansprüche des jeweils einen Systems aus dem anderen ausgeschlossen werden. Aber "als selektive Prozesse können Handlungen mehreren Systemen zugleich angehören, können sich also an mehreren System/Umwelt-Referenzen zugleich orientieren. Soziale Systeme sind daher nicht notwendig wechselseitig exklusiv - so wie Dinge im Raum" (Luhmann 1975a: 18). In der neuen Fassung wird die Partizipation psychischer Systeme über Sozialintegration nur noch als Unterscheidung teilsystemischer Inklusion und Exklusion beschrieben (vgl. ders. 1997: 619-634).
[clii]Vgl. Luhmann 1997: 709.
[cliii]Vgl. Luhmann 1995: 554. Damit grenzt sich Luhmanns differenztheoretischer Ansatz von der Interpretation von Differenzierung als Arbeitsteilung ab, die von der ursprünglichen Einheit der Gesellschaft und nachfolgenden Aufteilung ausgeht.
[cliv]Vgl. Luhmann 1996b: 53.
[clv]Vgl. Luhmann 1996h: 173; vgl. ders. 1997: 598.
[clvi]So etwa die Ausdifferenzierung eines Umweltrechts neben dem Straf- und Zivilrecht.
[clvii]Zum Beispiel müssen Zahlungen zu neuen Zahlungen führen, nicht zu Rechtsentscheidungen.
[clviii]Nicht also etwa die Unterscheidung nach recht/unrecht/umweltschädlich.
[clix]Luhmann 1996h: 47.
[clx]Luhmann 1986: 40.
[clxi]Vgl. Luhmann 1995: 443; vgl. ders. 1997: 792.
[clxii]Vgl. Luhmann 1997: 790.
[clxiii]Vgl. Luhmann 1997: 789.
[clxiv]Nicht: Pluralismus (vgl. Luhmann 1992c: 61).
[clxv]Einen Restbereich wie etwa die Habermassche Lebenswelt als Bereich unversehrter Vergesellschaftung und Einheit der Welt gibt es in dieser Konzeption nicht: Die Unterscheidung vertraut/unvertraut ist für jeden Beobachter eine andere.
[clxvi]"Das nie ganz gegenwärtige Ganze kann nicht als Ganzes vergegenwärtigt werden" (Luhmann 1996e: 82; vgl. ders. 1996b: 53). Die Gesellschaft als ganze ist weder handlungsfähig noch adressierbar (vgl. Fuchs 1992: 226-229).
[clxvii]Vgl. Luhmann 1986: 216f.
[clxviii]Vgl. Luhmann 1995: 494.
[clxix]Vgl. Luhmann 1997: 413-431.
[clxx]Vgl. Luhmann 1991: 411-417.
[clxxi]Luhmann 1991: 414.
[clxxii]Luhmann 1991: 416.
[clxxiii]Vgl. Luhmann 1991: 37.
[clxxiv]Vgl. Luhmann 1998: 635-637.
[clxxv]Vgl. Luhmann 1995: 554.
[clxxvi]Vgl. Luhmann 1997: 497. Das liegt zum einen daran, daß Organisationen primär nicht Probleme lösen, sondern Ziele suchen (vgl. ders. 1992f: 205-209), zum anderen daran, daß sie eigenständige Sozialsysteme sind: die Gesellschaft mit ihren Subsystemen ist mehr als die Summe der in ihr operierenden Interaktions- oder Organisationssysteme. Erst die Differenz zu diesen Systemen etabliert einen neuen Abstraktions- und Selektionsgrad. Weil aber die Gesellschaft mit ihren Subsystemen weder interagieren noch sich organisieren kann, ist sie auf Mutanten angewiesen, die die eingebetteten Systeme anbieten, und die das Gesellschaftssystem eigenbestimmt aufgreifen kann (vgl. ders. 1991: 584f; vgl. ders. 1997: 840-847).
[clxxvii]Vgl. Luhmann 1996: 302-323.
[clxxviii]Vgl. Luhmann 1997: 421; vgl. ebd.: 428f.
[clxxix]Vgl. Luhmann 1991: 482.
[clxxx]Vgl. Luhmann 1998: 558-561.
[clxxxi]Vgl. Luhmann 1983: 35.
[clxxxii]Luhmann 1983: 37.
[clxxxiii]Luhmann 1983: 29. "Es gibt in Funktionssystemen keine sinnvolle Gegenrationalität, die besagen würde, daß man die Funktion lieber weniger gut erfüllen sollte. Es ist gerade der Sinn funktionaler Differenzierung, jedem System die Hypostasierung der eigenen Funktion zu erlauben, ja abzuverlangen, und den Ausgleich den System/Umwelt-Interdependenzen des Gesellschaftssystems, d.h. der Evolution, zu überlassen" (ebd.: 29f).
[clxxxiv]Anspruchsdruck verstärkt und legitimiert das Prozessieren nach der Logik der binären Codes, die hierdurch mit "Stoppregeln", beispielsweise aufgrund der Knappheit finanzieller Mittel, versorgt werden (vgl. Schimank 1996: 184).
- Arbeit zitieren
- Andrea Priller (Autor:in), 1999, Die Darstellung ökologischer Selbstgefährdung funktional differenzierter Gesellschaften in Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37
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