„Es soll also ein Komödienschreiber nicht nur durch lauter Harlekinpossen ein Gelächter zu erwecken suchen; sondern sich auch bemühen, seinen Zuschauern zu nutzen, das ist, sie klüger und tugendhafter zu machen.“ In der sogenannten Typenkomödie wurden die Figuren einzig auf eine lasterhafte Eigenschaft reduziert und somit der Belustigung des Publikums ausgesetzt. Diese Komödien hatten folgende Funktionen: Zum ersten eine moralische, denn dem Zuschauer wurden lasterhafte Eigenschaften so dargestellt, dass er die Figur verlachen musste. Dieses Verspotten führte zur zweiten Funktion, nämlich dazu, dass er sich als Zuschauer der Figur gegenüber erhaben fühlte, und er sich an seiner Lasterhaftigkeit erbauen konnte. Der Ablauf der meisten Komödien ist nahezu identisch. Eine Figur isoliert sich anfangs durch eine negative Eigenschaft, was dazu führt, dass eine Intrige eingesetzt und durchgeführt wird. Durch jenes intrigante Verhalten seiner Mitmenschen vollzieht sich nun bei der isolierten Figur ein Sinneswandel, wodurch sie von der Gesellschaft wieder angenommen wird. Lessing distanzierte sich von Gottscheds Komödienauffassung, indem nicht nur Typen als Figuren vorhanden waren, sondern ausgebildete Charaktere und bemerkte dazu Folgendes: „Die Komödie wi ll durch Lachen bessern; aber nicht eben durch Verlachen; nicht gerade diejenigen Unarten, über die sie zu lachen macht, noch weniger bloß und allein die, an welchen sich diese lächerlichen Unarten finden. Ihr wahrer allgemeiner Nutzen liegt in dem Lachen selbst; in der Übung unserer Fähigkeit das Lächerliche zu bemerken.“ 2 [...]
Inhaltsverzeichnis
Ι. Abkehr von der Typenkomödie
ΙΙ . Die Funktion der Nebenfiguren
ΙΙ.1. Just
ΙΙ.2. Der Wirt
ΙΙ.3. Graf von Bruchsall
ΙΙ.4. Riccault
ΙΙ.5. Franziska
ΙΙ.6. Paul Werner
ΙΙΙ. Lessings „Minna von Barnhelm“: Komödie oder Tragödie
ΙV. Literaturverzeichnis
Ι . Abkehr von der Typenkomödie
„Es soll also ein Komödienschreiber nicht nur durch lauter Harlekinpossen ein Gelächter zu erwecken suchen; sondern sich auch bemühen, seinen Zuschauern zu nutzen, das ist, sie klüger und tugendhafter zu machen.“[1]
In der sogenannten Typenkomödie wurden die Figuren einzig auf eine lasterhafte Eigenschaft reduziert und somit der Belustigung des Publikums ausgesetzt. Diese Komödien hatten folgende Funktionen:
Zum ersten eine moralische, denn dem Zuschauer wurden lasterhafte Eigenschaften so dargestellt, dass er die Figur verlachen musste. Dieses Verspotten führte zur zweiten Funktion, nämlich dazu, dass er sich als Zuschauer der Figur gegenüber erhaben fühlte, und er sich an seiner Lasterhaftigkeit erbauen konnte.
Der Ablauf der meisten Komödien ist nahezu identisch. Eine Figur isoliert sich anfangs durch eine negative Eigenschaft, was dazu führt, dass eine Intrige eingesetzt und durchgeführt wird. Durch jenes intrigante Verhalten seiner Mitmenschen vollzieht sich nun bei der isolierten Figur ein Sinneswandel, wodurch sie von der Gesellschaft wieder angenommen wird.
Lessing distanzierte sich von Gottscheds Komödienauffassung, indem nicht nur Typen als Figuren vorhanden waren, sondern ausgebildete Charaktere und bemerkte dazu Folgendes:
„Die Komödie will durch Lachen bessern; aber nicht eben durch Verlachen; nicht gerade diejenigen Unarten, über die sie zu lachen macht, noch weniger bloß und allein die, an welchen sich diese lächerlichen Unarten finden. Ihr wahrer allgemeiner Nutzen liegt in dem Lachen selbst; in der Übung unserer Fähigkeit das Lächerliche zu bemerken.“[2]
Lessing schuf hier eine Synthese zwischen Lustspiel und Possenspiel, nämlich die wahre Komödie, die den Zuschauer sowohl zum Lachen bringen als auch rühren soll, indem sie „so wohl Tugenden und Laster, so wohl Anständigkeit als Ungereimtheit schildert, weil sie eben durch diese Vermischung ihrem Originale, dem menschlichen Leben, am nächsten kommt.“[3]
ΙΙ . Die Funktion der Nebenfiguren
Die Figuren, die Lessing in seiner Komödie geschaffen hat, versuchen Gottscheds Komödienauffassung zu durchbrechen und sind daher ganz individuell gezeichnet. So werden positive und negative Eigenschaften, Gutes wie Böses, in jedem Charakter vereint.
Die folgenden Punkte werden auf die Nebenfiguren der Komödie näher eingehen. Die Charaktere werden dabei bezüglich ihres Verhaltens, ihrer Wandlung im Laufe der Komödie und ihrer Lebensauffassung analysiert. So beeinflusst hier jede Figur das Geschehen und treibt es auf ihre ganz eigene Art voran.
ΙΙ .1. Just
In ΙΙΙ/2 erfährt der Zuschauer, dass Just während des Krieges Packknecht bei Tellheim war. Als das Regiment in Thüringen im Winterquartier stand, lag Just im Lazarett. Der Major bezahlte die Kosten und unterstützte zudem Justs „abgebrannten und geplünderten Vater“[4] mit zwei Packpferden und 50 Talern. Nach dem Krieg machte der Major Just zu seinem Diener. Da er ihm ein halbes Jahr nach Kriegsende den Lohn schuldig bleiben muss, will Tellheim ihn zunächst entlassen. Doch da erzählt Just in einer kleinen Geschichte von der Rettung eines Pudels. Sie dient dazu, den derben Diener von seiner menschlichen Seite zu zeigen, die Tellheim dazu bewegt, seine Entlassung wieder zurückzunehmen.
Just erscheint in Ι/8 mit tränenfeuchten Augen und der Rechnung, die sein Herr von ihm verlangte. Als seine Bitte um „Barmherzigkeit“ auf taube Ohren stößt, präsentiert er Tellheim die genaue Aufrechnung ihrer gegenseitigen Verpflichtungen. Mit seiner pedantischen Aufrechnung will Just seinem Herrn verinnerlichen, dass ihre Beziehung das übliche Herr-Diener-Verhältnis überragt, dass in erster Linie seine Knechtschaft durch Treue auf beiden Seiten bestimmt wird.
Tellheims Reaktion auf die Auflistung der Schulden Justs, ist ein knapper Ausruf der Verwunderung: „Kerl, du bist toll!“[5] Da er sich weigert Justs Danksagungen für die Rettung seines Lebens anzuerkennen, beginnt der Diener gegen seine Entlassung zu protestieren: „Ich bin Ihnen nichts schuldig und doch wollen Sie mich verstoßen?“[6]
In dem Augenblick, in dem Just von den anklagenden Worten Tellheims überrannt wird, unterbricht er seinen Herrn und erzählt die Geschichte von der Errettung eines vom Ertrinken bedrohten Pudels. In der kleinen Geschichte stellt sich der Diener als den sprichwörtlich treuen Pudel dar, mit der er dann schließlich doch noch Tellheims Mitgefühl erlangt: „Just, wir bleiben beisammen.“[7]
So wird Just hier als Person dargestellt, die seinem Herrn treu und diskret verbunden ist. Der Zuschauer erfährt im Gespräch mit Franziska in ΙΙΙ/2, dass Just im Gegensatz zu den restlichen Knechten Tellheims, die ihn verlassen und betrogen haben, ehrlich und zuverlässig ist. Dieser Tatsache scheint er sich auch durchaus bewusst zu sein, als er Franziska gegenüber äußert: „Vielleicht findet er, daß ich ein ehrlicher Kerl bin.“[8]
Das Stück beginnt mit der Ansicht Justs im Schlaf. Er ist es, der die Komödie einleitet, während er sich mit geschlossenen Augen mit dem Wirt schlägt, die Absicht seinen Herrn zu verteidigen. Er erhitzt sich darüber so sehr, dass er schließlich erwacht: „Ich mache kein Auge zu, so schlage ich mich mit ihm herum.“[9] Selbst im Schlaf beweist Just, dass er sich seinem Herrn mehr als nur geschäftlich verbunden fühlt.
In der darauffolgenden Szene legt er sich in einem langen Streitgespräch mit dem Wirt an und gerät dabei so in Rage, dass er die Stimme seines Herrn für die des Wirtes hält.[10] Dieser ruft ihn zur Besinnung: „St! st! Herr - - Herr, Herr Just – seh Er sich doch um; sein Herr!“[11]
[...]
[1] Gottsched in: Minna von Barnhelm, Hrsg. Klaus Michael Bogdal und Clemens Kammler; München: Oldenburg Verlag GmbH, 1997, S. 25
[2] ebenda
[3] Gotthold Ephraim Lessing: Minna von Barnhelm, Wolfgang Kröger; Frankfurt am Main, Berlin, München: Moritz Diesterweg Verlag, 1985, S. 15
[4] Minna von Barnhelm, Gottfried Ephraim Lessing; Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH & Co, 1996, І/8
[5] ebenda
[6] ebenda
[7] ebenda
[8] ebenda, ІΙΙ/2
[9] ebenda, І/1
[10] vgl. Lessings „Minna von Barnhelm“ im Gegenlicht; Glück und Unglück der Soldaten, Simonette Sanna, Bern: Peter LangVerlag, 1994; S. 211
[11] Minna von Barnhelm, Gottfried Ephraim Lessing; Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH & Co, 1996, І/3
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