Normen sind nicht aus der Natur begründbar. Ein Musterbeispiel "normativer" Ethik ist Kants Kategorischer Imperativ. Angeblich ist dieser allgemein gültig, tatsächlich aber: eine Theorie!
Anscheinend normativ ist auch die "Zweckformel" des Kategorischen Imperativs, jedoch mit weitreichender Wert-Bezogenheit: Person-Sein steht im Mittelpunkt der Synthesis, die "zurechnungsfähige Person" gilt als unbedingter ("absoluter") Wert. Normen sind durch Werte begründbar, nicht umgekehrt. Was Wert hat, macht anscheinend stets auch Sinn.
Die Natur kennt keine Normen. Sie existiert vielmehr aus sich heraus, als natura naturans und natura naturata, schaffende und gewordene Natur. Sie unterliegt Naturgesetzen, nicht aber ethischen Normen. Wogegen allerdings der Ehrgeiz einiger Naturwissenschaftler, sprich: Neurologen, rebelliert; glauben sie doch fest daran, sogar Bewusstsein und Geist – und damit auch jegliche Normativität – rein naturwissenschaftlich verstehen und erklären zu können.
Zweifellos sind wir Menschen ja nicht reine Naturwesen, sondern auch geistbestimmt unter anderem deshalb, weil wir ethische Normen verinnerlicht haben und diese befolgen, so gut wir es vermögen. Trotzdem ist nicht ohne weiteres klar, in welchem Verhältnis Naturphilosophie und Ethik zueinander stehen. Selbst wenn wir mit Schelling annehmen, der Geist habe die Natur hervorgebracht und wirke in ihr fort, können wir Ethik nicht rein naturalistisch begründen und nicht auf Naturwissenschaft reduzieren.
Können wir deshalb die Natur in uns und um uns herum überhaupt nicht unter ethischen und ethisch-normativen Aspekten betrachten? War Freud im Unrecht, als er behauptete, das Über-Ich kontrolliere auch das "Es" des Unbewussten, die Natur in uns? Und wie weit recht diese Kontrolle?
Inhaltsverzeichnis
- Norm und Natur
- Grenzen des Normativen
- Norm und Wert bei Kant: Verschränkung oder Übergang?
- Kritik des Kategorischen Imperativs
- Wert, Norm und Sinn
- Sinn und Wert
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text befasst sich mit der Frage, inwiefern sich ethische Normen aus der Natur begründen lassen, und analysiert die Beziehung zwischen Naturphilosophie und Ethik. Dabei werden insbesondere die Grenzen des Normativen und die Verbindung von Norm und Wert im Werk Immanuel Kants beleuchtet.
- Die Beziehung zwischen Norm und Natur
- Die Grenzen des Normativen
- Kants Kategorischer Imperativ und seine Bedeutung für Ethik und Moral
- Die Verbindung von Norm und Wert bei Kant
- Die Rolle von Motivation und Sinn in der Ethik
Zusammenfassung der Kapitel
Norm und Natur
Das Kapitel beleuchtet die Spannung zwischen dem Begriff der Norm und dem der Natur. Es wird argumentiert, dass die Natur keine Normen kennt und dass eine naturalistische Begründung von Normen problematisch ist. Gleichzeitig wird aber auch hervorgehoben, dass der Mensch kein reines Naturwesen ist, sondern Geist und Ethik in sich trägt.
Grenzen des Normativen
Dieses Kapitel analysiert den Begriff der Norm, der sowohl als Richtschnur und Maßstab als auch als Vorschrift verstanden werden kann. Es wird zwischen Norm und Regel unterschieden und der Fokus auf die Anwendung des Normbegriffs in Ethik und Moral gelegt.
Norm und Wert bei Kant: Verschränkung oder Übergang?
Der Fokus dieses Kapitels liegt auf Kants Kategorischem Imperativ. Es wird dessen universalisierende Grundformel erläutert und auf die Verbindung von Norm und Wert in Kants Ethik eingegangen. Insbesondere die Zweckformel des Kategorischen Imperativs, die den Menschen als Selbstzweck betrachtet, wird hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter des Textes sind: Norm, Natur, Ethik, Moral, Kategorischer Imperativ, Kant, Wert, Sinn, Naturgesetz, Motivation, Vernunft, Freiheit, Handlung, Maxime.
- Arbeit zitieren
- Dr. Klaus Robra (Autor:in), 2017, Sinn und Wert statt Norm und Natur. Zu Kants Ethik und einigen Prämissen der Sinnfrage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/371659