Diese Arbeit befasst sich mit der Untersuchung von weiblichen Lebenskonzepten in ausgewählten Erzähltexten des frühen 20. Jahrhunderts. Auf der Basis von Bourdieus Konzept männlicher Herrschaft soll untersucht werden, in wie weit in der weiblichen Person angelegte (ggf. sexuelle) Potentiale in den Erzählungen aus dieser Zeit realisiert werden und welche textuelle Bewertung diese erfahren. Wie viel Abweichung von bestehenden männlich bestimmten Geschlechternormen lassen die Texte zu? Wie weit werden die Grenzen stilisierter Weiblichkeit aufgebrochen – sofern so etwas überhaupt stattfindet?
Als Analysegegenstand werden zwei Werke des entsprechenden Literatursystems gewählt, anhand derer im Text vorkommende Entwürfe weiblicher Lebens-(führung) vor der Folie der geschlechtlichen Machtrelationen im Sinne Bourdieus untersucht werden sollen. Als Grundlage wurde hierzu u.a. Frau Berta Garlan von Arthur Schnitzler aus dem Jahr 1901 gewählt. Die weibliche Hauptfigur Berta Garlan sieht sich nicht nur einer Konfrontation mit aufkommenden sexuellen Wünschen, sondern ebenfalls einer sich steigernden Kollision mit den männlich dominierten Normen gegenüber. Mit der Erkenntnis, dass ein Mann „alles“ mit ihr machen könne, was dieser eben möchte, scheint sie sich der männlichen Herrschaft zu fügen. Dem wird mit u.a. Ute Ende die scheinbar selbstbewusste weibliche Hauptfigur aus Heinrich Manns Erzählung Jagd nach Liebe aus dem Jahr 1904 gegenübergestellt. Ihre Lebenseinstellung „‚Ich werd [sic!] alles, was ich will. Und geben will ich nichts‘“, (JL 44) steht diametral gegen die normativ vorgezeichneten Lebensentwürfe einer Frau jener Epoche und zeigt Tendenzen einer kategorischen Weigerung gegen männliche Machtausübung im Sinne Bourdieus. Beide Frauen, so soll hier vorgegriffen werden, befinden sich im Stadium eines reduzierten Lebens unterschiedlicher Ausprägung oder sehen sich in der Gefahr in ein solches Lebensmuster gedrängt zu werden. Es soll untersucht werden, ob die Begründung dieses Status´ in der Ausübung männlicher Macht liegt und eine Überwindung des ursprünglichen Lebens gleichzeitig mit einer Dominanzverschiebung zugunsten der Frau stattfindet. Es soll herausgearbeitet werden, ob und in wie weit eine restriktiv textuelle Bewertung von normabweichender Lebensführung weiblicher Figuren vorgenommen wird, oder in den Texten Konzeptionen vorliegen, welche außerhalb der festen Grenzen von Weiblichkeit erfolgreich gegen die Männlichkeit Bestand haben.
Inhaltsverzeichnis
- Hinführung
- Vorgehensweise und Methode
- Stand der Forschung
- Lebensbegriff in der Frühen Moderne
- Leben und Weiblichkeit
- Männliche Herrschaft und weibliche Unterwerfung bei Pierre Bourdieu
- Der Weiblichkeitsdiskurs im ausgehenden 19. Jahrhundert
- Imagination eines Ideals - Die Sexualität der Frau
- Die Frau als Ehefrau und Mutter
- Die Abnormität des Weiblichen - Das krankhafte Geschlechtsleben des Weibes
- Frau Berta Garlan
- Die Erzählsituation als Indiz für die Unklarheit über sich selbst
- Bertas Potentiale
- Berta und Mutterschaft – „Das einzige, was ihr etwas bedeutet”
- Sexualität
- Sexualität und Alter
- Musik und Sexualität
- Ahnungen, Unbewusstes und Unterbewusstes – Ein Kratzen an der eigenen Normenhülle?
- Passive Resexualisierung als die Auflehnung gegen patriarchale Normen?
- Männliche Dominanz und Doppelmoral
- Resignation als Unterwerfung unter die männliche Dominanz
- Die Jagd nach Liebe
- Die Frau als Objekt
- Die Ökonomie der Körper - Prostitution als Unterwerfung?
- Exkurs: Sexualitätskonzeption als Problembestimmung
- Die Starke - Ute Ende
- Die Weiche - Bella Walgauer
- Die Andere - Gilda Franchini
- Umgekehrte Dominanzrelationen - Der Machtwille Ute Endes
- Gildas Macht durch Manipulation
- Bellas Eheplan - Die besiegte männliche Herrschaft?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Konzeption weiblichen Lebens in der Frühen Moderne am Beispiel der Erzähltexte "Frau Berta Garlan" und "Die Jagd nach Liebe". Der Fokus liegt dabei auf der Interaktion zwischen weiblichen Lebensentwürfen und der männlichen Herrschaft im Sinne Pierre Bourdieus.
- Die Konstruktion von Weiblichkeit und Sexualität in der Frühen Moderne
- Die Rolle der männlichen Herrschaft in der Gestaltung weiblicher Lebensentwürfe
- Die Darstellung von weiblichen Potenzialen und deren Realisierungsmöglichkeiten
- Die Auseinandersetzung mit Normen und Konventionen im Kontext von Geschlecht und Sexualität
- Die Analyse von weiblichen Strategien der Widerstand und Anpassung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der weiblichen Lebenskonzeption in der Frühen Moderne ein und erläutert den Forschungsstand sowie die Relevanz von Pierre Bourdieus Konzept der männlichen Herrschaft. Kapitel 2 untersucht den Diskurs über Weiblichkeit im ausgehenden 19. Jahrhundert und beleuchtet die Idealvorstellungen und die gesellschaftlichen Einschränkungen, denen Frauen in dieser Zeit ausgesetzt waren. Kapitel 3 analysiert die Figur Berta Garlan in Arthur Schnitzlers "Frau Berta Garlan" und stellt die Herausforderungen dar, denen sie im Umgang mit ihrer Sexualität und den männlich dominierten Normen begegnet. Kapitel 4 untersucht die verschiedenen Frauenfiguren in Heinrich Manns "Die Jagd nach Liebe" und beleuchtet die vielfältigen Strategien, die sie im Umgang mit der männlichen Herrschaft entwickeln.
Schlüsselwörter
Weibliche Lebenskonzeption, Frühe Moderne, Männliche Herrschaft, Pierre Bourdieu, Sexualität, Weiblichkeit, Normen, Konventionen, Widerstand, Anpassung, "Frau Berta Garlan", "Die Jagd nach Liebe"
- Arbeit zitieren
- Max Philipp Brüchmann (Autor:in), 2012, Zur Konzeption weiblichen Lebens in der Frühen Moderne am Beispiel "Frau Berta Garlan" und "Die Jagd nach Liebe" unter Miteinbezug der männlichen Herrschaft von Pierre Bourdieu, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/372062