Familienkult, Hauskult und Defixiones in der römischen Religionsgeschichte


Referat (Ausarbeitung), 2017

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Sacra Privata: Haus- und Familienkult
1. Sacra publica – sacra privata
2. Hauskult
2.1. Herd – Lararium
2.2. Lares (Familiaris)
2.3. Di Penates
2.4. Genius und Juno
2.5. Ahnen: di parentes/divi parentum, dis manibus
2.6. Tutelargottheiten

II. Defixiones
1. Magie - Religion
2. Defixion
2.1. Typische Elemente einer Defixion
2.2. Herstellung einer Defixion
2.3. Gebet um Gerechtigkeit

Resümee

Bibliographie

Quellen

Literatur

Einleitung

Wenn man sich mit antiker, genauer gesagt, mit römischer Religionsgeschichte beschäftigt, so ist die größte Herausforderung, natürlich nach der üblichen Quellenproblematik (Woher Informationen?, Wie verlässlich die Quellen? usw.), das Faktum, dass die Informationslage kein durchgehendes Bild von der Entwicklung der römischen Religion bildet. Es sind hauptsächlich schlaglichtartige Informationen über das, was wir als religiöses Leben bezeichnen würden.

Abgesehen von einigen wenigen Themen, die im Verlaufe der römischen Antike immer wieder zu unterschiedlichen Zeiten von unterschiedlichen Personen behandelt werden, ist der Großteil an Phänomenen nur wenige Male fassbar. Durch diesen Umstand wiederum ergibt sich die Problematik, dass der Historiker nun zwar weiß, wie z. B. ein bestimmtes Ritual im 2. Jhdt. v. Chr. vollzogen worden ist, er daraus aber nicht ableiten kann, dass 100 Jahre davor es vollkommen ident praktiziert wurde, aber auch nicht mit Sicherheit wissen kann, dass es 100 Jahre danach ebenfalls genauso durchgeführt worden ist.

Zwar kann man zurecht einwerfen, dass der beständigste und sich am langsamsten verändernde Bereich derjenige der kultischen Praxis ist, aber auch jeder Ritus unterliegt der Veränderung, wobei natürlich immer von den Ausübenden postuliert wird, dass die Art, wie sie ihn vollziehen, die richtige ist. Weshalb von diesen wenig Interesse besteht zu dokumentieren, wie der Ritus früher ausgeübt worden ist, sofern man nicht die eigene Praxis dadurch legitimieren möchte, dass sie eine „falsche“ oder „unzivilisierte“ abgelöst hat.

Gilt diese Problematik für die gesamte römische Religionsgeschichte, so gilt sie umso mehr für die einzelnen Teilbereiche, wie in diesem Fall für den Familien- und Hauskult und der Defixionspraxis. Ziel dieser Arbeit kann nicht sein, ein umfassendes und detailliertes Bild des religiösen Lebens abseits des römischen „Staats- und Tempelkultes“ zu zeichnen, sondern zu versuchen die Trennlinien zwischen „öffentlichen“ und „privaten“ sichtbar zu machen und einige charakteristische Aspekte aufzuzeigen.

Aus quellentechnischen Gründen soll in dieser Arbeit, sofern es den Hauskult betrifft, nur die Oberschicht und ihre Landgüter betrachtet werden, während für die Defixionen eine Differenzierung des gesellschaftlichen Status nicht erbracht werden kann.

I. Sacra Privata: Haus- und Familienkult

1. Sacra publica – sacra privata

Unter sacra publica versteht man das rituelle Handeln in einem öffentlichen Rahmen, welches sowohl durch den räumlichen Aspekt, als auch durch den Handlungsträger charakterisiert wird.[1] Die räumliche Charakterisierung erfolgt dadurch, dass das Ritual auf einem öffentlichen, für alle, die daran teilnehmen wollen, zugänglichen Platz stattfindet. Handlungsträger sind hierbei staatliche Priester (All jene Priesterschaften, deren Collegiae aus den Gentes gestellt werden.) und/oder Magistrate.

Sacra privata bezeichnet im Gegensatz dazu all jene Kulte die, wie oben definiert, “nicht öffentlich”, ausgeübt werden. Dazu gehören nicht nur der Hauskult, sondern auch die Vereins- und Mysterienkulte.

2. Hauskult

In der Antike wurden Haus und Familie als Miniaturform des Staates gesehen. Daher verwundert es nicht, dass im Hauskult der pater familias der kultische Handlungsträger war. Welche Götter als Tutelargottheiten verehrt wurden entschied der pater familias, wobei vom sozialen Umfeld darauf geachtet wurde, dass dabei nicht gegen das mos maiorum verstoßen wurde. Denn der pater familias hatte die von seinem Vorgänger ererbten sacra weiterzupflegen und an seinen Nachfolger weiterzugeben![2]

Diese Pflicht zur Übernahme der sacra wurde in der späten Republik als Last gesehen, sodass es als Glücksfall galt, wenn man keine sacra ererbte.[3] Gleichzeitig ging aber, wenn es keinen geeigneten Erben gab, beim Tod des pater familias die häuslichen Kulte zugrunde, was jedoch z. B. Cicero dem Clodius zum Vorwurf machte:

„Und weiter: Warum läßt du, was an dir liegt, die Familienkulte der Gens Clodia untergehen? [...] Adoptionen, die, wie bei vielen anderen zu Vererbung des Namens, des Vermögens, der Familienkulte führten. Du [Clodius] bist jetzt weder ein Fonteius, wie du es eigentlich sein müßtest, noch deines Vaters Erbe, noch nach Verlust deiner von Vater überkommenen Kulte in die neuen, durch die Adoption erworbenen, eingetreten. So hast du die Kulte zerstört, die Geschlechter entehrt, sowohl das, das du verlassen hast, wie auch das, was du besudelt hast, [...].“ Cic. dom. 34-35 (ÜS Manfred Fuhrmann)

Am Landgut ist für die familia auf Anweisung des dominus der vilicus, seltener die vilica, für den korrekten Vollzug verantwortlich. Laut Cato maior hatten Kränze, Weihrauch und Wein, an allen Kalenden, Nonen, Iden und anderen Festtagen am Herd, von der vilica, dargebracht zu werden.[4]

In der Theorie hatte im Haus also der pater familias die unumschränkte Gewalt über die religiösen Belange. In der Praxis allerdings wachte die Gesellschaft darüber, dass der pater familias nicht gegen das mos maiorum verstieß, denn natürlich erkannte man im antiken Rom welche Gefahren vom religiösen Individualismus der Bürger ausgehen könnte. So verwundert es nicht, dass Cicero, obwohl er in seiner Rede De domo sua ad pontifices festhält:

„Was ist in höherem Grade unverletzlich, was durch jede religio geschützter als das Privathaus (domus) eines jeden einzelnen Bürgers? Hier gibt es Altäre, hier Herde, hier Hausgötter, hier gibt es Kulte (sacra), religiöses Brauchtum (religiones), rituelle Zeremonien, hier ist ein für alle so unverletzbarer Zufluchtsort (sanctum), daß niemand von dort entführt werden darf.“ Cic. dom. 109 (ÜS M. Fuhrmann)

später in seiner Schrift De legibus, in Anschluss an Platon fordert, dass:

„19. Niemand soll für sich allein Götter haben, weder neue noch auswärtige, außer den staatlich eingeführten. Privat zu Hause soll man nur die Götter kultisch verehren, die man nach Brauch von den Vätern ererbt hat. […] 25. Wenn man seine eigenen, neue oder fremde Götter verehrt, so bedeutet dies eine Gefährdung ordnungsgemäßer Religionsausübung […].“ Cic. leg. II 19; 25-26 (ÜS R. Nickl)

Wie aber war es der Gesellschaft möglich festzustellen, was hinter verschlossenen Türen stattfand? Die Antwort ist ganz einfach: es gab keine geschlossenen Türen.

Einerseits bestand durch den römischen Festkalender, wie wir an ein, zwei Beispielen noch sehen werden, stets eine Verbindung zwischen der sacra publica und dem Hauskult. Zahlreiche Kultfeste bestanden aus im domus zu praktizierenden Riten und einem öffentlichen zelebrierten Fest-/Kultakt.[5] Andererseits waren auch die auf das domus beschränkten Riten so geartet, dass die „rechtmäßige“ Durchführung zumindest im Nachhinein überprüft werden konnte. Primäres Element sowohl für den Hauskult, als auch für die Überprüfung war der Herd des domus bzw. das Lararium.

2.1. Herd – Lararium

Der zentrale Ort des städtischen Hauskultes war der Herd[6], an dem hauptsächlich Weihrauch- und Trankopfer dargebracht wurden.

Im Laufe der Zeit kam dann das Lararium im städtischen domus hinzu. Auch am Lande spielte der Herd eine zentrale Rolle, daneben gab es außerdem noch das compitum, ein an Wegkreuzungen stehender Altar, eine Kapelle oder ein anderes Mal[7], das im Kult der Lares compitales eine zentrale Rolle spielte und daher bei den Lares kurz besprochen werden soll .

Nach römischer Vorstellung waren sowohl die Lares, als auch die di Penates, von Aeneas von Troja nach Italien gebracht worden.[8] In manchen reichen Häusern hatte die familia in den abgeschiedenen Räumen ihr eigenes Lararium, während die Familie das ihrige im Atrium hatte, wo auch die imagines standen.

Das Lararium war eine Art Hausaltar, gemalt oder gemauert. Der Name Lararium kommt daher, dass in ihm die kleinen Statuetten, welche die Lares darstellten, standen. Außerdem befanden sich dort noch die di Penates und die Tutelargottheiten, ebenso waren Genius und Juno meist als gemalte Schlangen bildlich anwesend. Bei einem gemalten Lararium waren hingegen alle genannten Gruppen gemalt. Als zusätzlicher Schmuck dienten gemalte oder reale Bänder, Blumensträuße und Girlanden, vom welchen allerdings verständlicherweise höchsten nur mehr Girlandenhalterungen erhalten sind.[9]

Das Lararium stand also zusammen mit den imagines im Atrium. Durch diesen Standort wurden zwei Funktionen erfüllt. Einerseits konnte der pater familias all seinen Klienten, die im Rahmen der morgendlichen salutatio anwesend waren, während der patronus die morgendliche Zeremonie vollzog und seinen Besuchern zeigte, wie vorbildlich er seine Verpflichtung zur pietas erfüllte (Schmuck, Opfergaben), andererseits, und vermutlich nicht bewusst, ermöglichte genau dieser Umstand auch die soziale Kontrolle, denn ein offensichtlich nicht gepflegtes oder mit ungewöhnlichen Gottheiten bestücktes Lararium würde natürlich sofort bemerkt werden, was natürlich Konsequenzen für den pater familias haben konnte.

2.2. Lares (Familiaris)

Die Lares sind von ihrem Ursprung her vermutlich ortgebundene Flurgeister.[10] Am Lande wurden sie ursprünglich am compitum, ein an Wegkreuzungen stehender Altar, eine Kapelle oder ein anderes Mal verehrt[11].

Ihr Hauptfest hatten sie als Lares compitalis an den Compitalia, einem Wandelfest, dass kurz nach den Saturnalien gefeiert wurde und an dem am Vorabend in den compita, Bilder, ein Bild pro Freiem im Haus und Wollknäuel, ein Knäuel pro Sklaven im Haus, aufgehängt wurden.[12] Spätestens im 2. Jhdt. v. Chr. hatte dieses Fest, zumindest aus Sicht der städtischen Oberschicht, den Charakter eines Sklavenfestes angenommen, denn Cato maior lässt in seinem Werk De agricultura dezidiert den vilicus die notwendigen Riten am compitum oder am Herd vollziehen.[13] So erwähnt Cicero in einem seiner Briefe an seinen Freund Atticus, dass er an den Compitalia nicht auf sein Landgut fahre, um nicht seinen Sklaven bei der Feier zu stören.[14]

Durch die zunehmende Verstädterung wurde im Gegensatz zu den im Plural auftretenden Laris compitalis des Landhauses, im Stadthaus der Lar familiaris verehrt. Ähnlich wie die compitales war der Lar familiaris für Schutz und Wohlergehen der Bewohner seines Hauses zuständig.[15] Darum brachte man bei Ankunft auch dem Lar des Hauses ein Opfer dar.[16] Neben dem regelmäßig stattfindenden Opfern von Weihrauch, Wein und Blumenkränzen hatten dem Lar auch zu bestimmten Ereignissen Opfer dargebracht zu werden.

Beim Eintritt in das Erwachsenenalter weihten Mädchen ihre Puppen und Spielsachen sowie bestimmte Stücke ihrer Kinderkleidung[17] und Knaben ihre bullae dem Lar familiaris. Aber auch ein Sklave hatte bei seiner Freilassung ein Opfer zu bringen, welches aus seinem Sklavenstrick bestand. Bei der Hochzeit opferte die Braut einen ihrer drei Asse dem Lar und einen am Herd.[18] Sowohl bei Geburt, als auch bei einem Todesfall hatte man dem Lar ein Opfer darzubringen, wobei bei einem Todesfall der Lar ein blutiges Sühneopfer erhielt.[19]

Sollte von den Speisen etwas zu Boden fallen, so musste dies scheinbar am Herd als Opfer für den Lar verbrannt werden.[20]

[...]


[1] Mary Beard; John North; Simon Price: Religions of Rome. 2. A sourcebook. Camebridge, 1998, S. 48.

[2] Cic. leg. 48; vgl. Beard, 1998 S. 49.

[3] Cic. leg. 51.

[4] Cat. agr. CLII/143, 1-2.

[5] Beard, 1998 S. 50-51.

[6] Cat. agr. VII/ 5, 3; Cat. agr. CLII/143, 1-2.

[7] Udo W. Scholz: DNP III (2007) Sp. 110 s.v. Compitum.

[8] Beard, 1998 S. 3.

[9] Christoph Höcker: DNP VI (1999) Sp. 1145- s.v. Lararium.

[10] Georg Wissowa: Religion und Kultus der Römer. HdbA 5.4., München, 1902, S. 169.

[11] Udo W. Scholz: DNP III (2007) Sp. 110 s.v. Compitalia.

[12] Dion. Hal. IV 14, 3-4; vgl. Udo W. Scholz: DNP 3III Sp. 110.

[13] Cat. agr. VII/ 5, 3: „Ein Opfer bringe er nur am Compitalienfest am Kreuzweg dar oder am Hausherd.“ (ÜS. H. Froesch).

[14] Cic. Att. VII 7, 3.

[15] Plaut. aul. I, 1.

[16] Cat. agr. II 1.

[17] Wissowa, 1902 S.168.

[18] Kurt Latte: Römische Religionsgeschichte. HbdA 5.4., München, 1960, S. 97.

[19] Cic. leg. II 55-56.

[20] Plin. nat. hist. XXVIII 27-28.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Familienkult, Hauskult und Defixiones in der römischen Religionsgeschichte
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz  (Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde)
Veranstaltung
Übung: Römische Religionsgeschichte
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
18
Katalognummer
V372938
ISBN (eBook)
9783668504752
ISBN (Buch)
9783668504769
Dateigröße
815 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Familienkult, Hauskult, Defixion, Laren, Penaten, Lararium, sacra privata, Fluchtafel
Arbeit zitieren
Winfried Kumpitsch (Autor:in), 2017, Familienkult, Hauskult und Defixiones in der römischen Religionsgeschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/372938

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