Die gesetzliche Frauenquote. Warum der Weg einer reinen Selbstregulierung von Unternehmen in Deutschland unbegehbar geworden ist


Essay, 2014

8 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Vom Kaffeekränzchen zum Gleichstellungsgesetz

Jeder hat sie mitbekommen: die aufwühlenden Debatten um die gesetzliche Frauenquote in Deutschland. Spitzenpolitiker warfen sich gegenseitig „Weinerlichkeit“, „Macho- Gehabe", „Frauenprobleme“ und „schlechte Kinderstuben“ vor und der ehemalige ThyssenKrupp­Chef Gerhard Cromme belehrte einige Top Juristinnen des Landes darüber, dass Aufsichtsräte keine Kaffeekränzchen seien. Doch nachdem Frau Merkel und Herr Gabriel die Angelegenheit zur Chefsache erklärten und Herr Cromme am Weltfrauentag zurücktrat, steht nun fest: der Gesetzesentwurf für eine festgelegte Frauenquote in Deutschland wurde am elften Dezember vom Kabinett beschlossen. Doch was genau bedeutet das? Nach monatelangen Koalitionsverhandlungen haben sich CDU/CSU und SPD nun auf einen Kompromiss in Sachen Genderquote geeinigt. Voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Großunternehmen ist es vom ersten Januar 2016 an auferlegt, ihre Aufsichtspositionen bei Neuwahlmit mindestens dreißig Prozent weiblichen Kandidatinnen zu besetzen. Sollte ein Großunternehmen keine geeignete weibliche Bewerberin findet, wird diese Stelle unbesetzt bleiben, so die Sanktion. Betroffen sind von diesem Gesetzesentwurf ca. 108 deutsche Großunternehmen sowie , 3500 weitere, börsennotierte oder voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen, welche die Auflage haben, ab dem Jahr 2015 Unternehmensziele zu formulieren, die den Frauenanteil unter ihren Führungspersönlichkeiten deutlich anheben. Diese beziehen sich sowohl auf Aufsichtsräte, als auch Vorstandspositionen und das oberste Management. Darüber hinaus werden Ziele und deren Erreichung für die Öffentlichkeit transparent gemacht. Härtefallregelungen oder Sanktionen, für den Fall, dass Unternehmen nach erstmaligem Erreichen der dreißig Prozent erneut unter die gesetzlich festgelegte Frauenquote fallen, sind bisher nicht vorgesehen. Die Regierung möchte in solchen Fällen vorerst auf den sozialen Druck von Medien und Gesellschaft setzen.

Selbstregulierung als Mantel des Nichtstuns?

Dieses Gleichstellungsgesetz von Manuela Schwesig (SPD) und Heiko Maas (SPD) reagiert auf einen bestehenden Missstand in unserer Gesellschaft. Tatsache ist, dass Frauen in Führungspositionen in Deutschland noch immer massiv unterbesetzt sind. Statista belegt, dass in börsennotierten Unternehmen in Deutschland 2014 nur durchschnittlich 11,2 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetz waren, davon lediglich 4,8 Prozentpunkte in den Vorstandspositionen deutscher Top 100 Unternehmen. Diese Zahlen belegen, was eigentlich jeder informierte Bürger längst durchschaut haben sollte: Eine Führungsposition sollte und muss in einem fortschrittlichen Staat wie Deutschland nur aufgrund der Qualifikation und nicht aufgrund anderer Faktoren wie dem Geschlecht vergeben werden. ein Zustand, dem wir seit Jahren nachjagen, ihn aber nicht einholen.

Doch nachdem der Gesetzesentwurf nun beschlossen ist, werden erneut die kritischen Stimmen der Quoten-Gegner laut. Diskutiert wird dabei nicht nur um die inhaltliche Ausgestaltung des Gesetzes und deren Folgen für die Unternehmen sowie die deutsche Wirtschaft, sondern vielmehr, ob es nicht sinnvoller wäre, den Unternehmen eigenständig die Aufgabe zu überlassen, die Frauenquote unter ihren Führungskräften zu erhöhen, anstelle auf den Arbeitsmarkt einzugreifen und damit die Unternehmen möglicherweise vor strukturelle und organisatorische Schwierigkeiten zu stellen. Doch wer sich den ermüdenden Weg bis zur gesetzlichen Regelung der Frauenquote ansieht, der muss sich bald die Frage stellen, ob die DAX- Unternehmen Deutschlands wirklich eigenaktiv tätig werden wollen und nur mehr Selbstregulierung verlangen, um entsprechend ihrem Unternehmen die angepassten Maßnahmen zu ergreifen den Frauenanteil in der Führungsetage zu erhöhen. Oder ob es sich hierbei nur um den Wunsch handelt, diesem Missstand mit Pseudoversprechungen aus dem Weg zu gehen und Vereinbarungen der Selbstregulierung nur als Deckmantel des Nichtstuns genutzt werden würden, so wie es seit Jahren in vielen Vorstandsetagen Deutschlands gehandhabt wird.

Die ungenutzten Chancen der Selbstregulierung

Auf den ersten Blick ist das Kontraargument des Markteingriffes von den Quoten-Gegnern stark zu gewichten, denn der deutsche Staat greift mit dieser Gesetzesgrundlage nicht nur in den Arbeitsmarkt, sondern in die gesamte Wirtschaft ein. Kritisch zu bewerten ist dies, da in der deutschen sozialen Marktwirtschaft die Devise gilt, so viel Markt wie möglich zu gewährleisten und gleichzeitig so wenig staatliche Regulierung wie nötig aufkommen zu lassen. Der Staat hat somit nur das Recht in den Markt einzugreifen, wenn dieser versagt. Doch wo dieses Versagen anfängt und wann ein Eintreten des Staates gerechtfertigt ist, bleibt umstritten. Tatsache ist, dass in Deutschland eine Ungleichheit aufgrund einer Funktionseinschränkung des Arbeitsmarktes besteht. Doch wäre es seitens der Regierung nicht ratsamer der Privatwirtschaft Maßnahmen und Zeit zu gewähren, um diesen Missstand durch Selbstregulierung zu beheben? Unbedingt! Vor allem, da beispielsweise Finnland, welches durch seine überdurchschnittlich hohe Frauenquote hervorsticht, diese durch eine Selbstregulierung der Unternehmen erreicht hat. Warum also eine solche Selbstregulierung nicht auch in Deutschland? Die Antwort auf diese Frage ist so erschreckend wie einfach: weil es nicht funktioniert.

Rückblick in vergangene, erfolglose Jahre: „Vereinbarung 2001“

Bereits 2001, nachdem sich die Frauenquote nach 1995, als sie bei erschreckenden sechs Prozent in Führungspositionen deutscher Großunternehmen lag, nur minimal angestiegen war, wurden die Stimmen, die eine gesetzliche Regulierung des Frauenanteils unter den Spitzenkräften forderten, zunehmend lauter. Die Regierung unter Altbundeskanzler Gerhardt Schröder sträubte sich damals vehement, direkt in den Arbeitsmarkt einzugreifen und ging den Weg der Selbstregulierung. Die „Vereinbarung 2001" wurde zwischen Regierung und den betroffenen Wirtschaftsverbänden geschlossen. Sie umfasste sowohl Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile, als auch zur Förderung der Aus- und Weiterbildung von Frauen und der Quote weiblicher Mitarbeiterinnen auf Führungsebene. Die Vereinbarung 2001 legte den Unternehmen keine starre Quote vor, die sie zu erfüllen hatten und kam dementsprechend der heutigen Forderung nach einer variablen Quotierung aufgrund unternehmens- und branchenspezifischer Heterogenität nach. Gleichermaßen wurde die Möglichkeit einer gesetzlichen Frauenquote unterbunden, zumindest solange die Vereinbarung 2001 wirkt, um den betroffenen Unternehmen eine angemessene Zeitspanne zu ermöglichen, die Problematik mit eigenen Möglichkeiten und Maßnahmen umzusetzen. Ebenfalls entsprechend der heutigen Forderungen und das schon vor 13 Jahren. Die Chance der Selbstregulierung, nach der jetzt so viele Konzerne schreien, wurde zu diesem Zeitpunkt von nicht einmal einem Zehntel der Unternehmen umgesetzt. Studien aus dem Jahr 2003 belegen, dass lediglich 6,5 Prozent der Unternehmen tatsächlich Maßnahmen zur Förderung eines familienfreundlichen Arbeitsklimas einleiteten und nur neun Prozent Vereinbarungen trafen, um die Chancengleichheit in ihrem Unternehmen zu verbessern. Diese Tatsachen schlugen sich auch in den Quoten wieder und der Frauenanteil in Führungspositionen stieg nur minimal an. Doch auch diese Studie konnte Kritikern nicht Einhalt gebieten, immerhin seien lediglich zwei Jahre nach der Vereinbarung vergangen. Man müsse der Wirtschaft Zeit geben sich umzustellen, dies sei ein Unterfangen, welches mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde. Dieser Ansicht war auch die Regierung, und wartete erneute fünf Jahre. 2008 schrieb die Bilanzierung der Vereinbarung 2001 schließlich aus, dass von 2002 an zunächst ein höheres, jedoch vergleichsweise niedriges Niveau erreicht werden konnte, letztendlich der Frauenanteil in Führungspositionen jedoch rückläufig war. Die Vereinbarung war gescheitert, Grund dafür war die mehr als mangelhafte Umsetzung der Vereinbarungen seitens der deutschen Großunternehmen.

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Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Die gesetzliche Frauenquote. Warum der Weg einer reinen Selbstregulierung von Unternehmen in Deutschland unbegehbar geworden ist
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Veranstaltung
Politik im Mehrebenensystem
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
8
Katalognummer
V373594
ISBN (eBook)
9783668505070
ISBN (Buch)
9783668505087
Dateigröße
453 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
frauenquote, warum, selbstregulierung, unternehmen, deutschland
Arbeit zitieren
Annika Hartwig (Autor:in), 2014, Die gesetzliche Frauenquote. Warum der Weg einer reinen Selbstregulierung von Unternehmen in Deutschland unbegehbar geworden ist, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373594

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