Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Interessenlage im Nahen Osten
2.1. Deutsches Reich im Nahen Osten
2.2. Großbritannien im Nahen Osten
3. Das Projekt der Bagdadbahn
4. Die Rolle der Bagdadbahn in den deutsch-britischen Beziehungen
5. Fazit
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
1. Einleitung
Die Bagdadbahn oder auch manchmal als Orientexpress bezeichnete Bahnstrecke ist neben der Transsibirischen Eisenbahn eines der bekanntesten Bahnstrecken überhaupt. Die als oftmals exotische und edel dargestellte Strecke ist noch heute vielen ein Begriff. Dabei war zwischenzeitlich eine durchgehende Strecke von Berlin bis Bagdad (zeitweise bis an den Persischen Golf) geplant. Dieses als Symbol wirtschaftlicher und technischer Meisterleistung geplante Projekt hat nicht nur Positives bewirkt. Dieses Projekt welches Ende des 19. Jahrhunderts erstmals Gestalt annahm, lag aufgrund der Vielzahl von durchquerenden Ländern auf den Weg bis nach Bagdad auch immer in einem politischen Spannungsfeld. Dieses werde ich im Folgenden untersuchen, dabei wird vor allem interessant, welche Rolle dieses Projekt bei dem beiden Großmächte und Kriegsparteien im 1. Weltkrieg Großbritannien[1] und dem Deutschen Reich spielte. Nunmehr 100 Jahre nach Ausbruch des 1. Weltkrieges stellt sich folgende These
Die Bagdadbahn als Konfliktpunkt zwischen den beiden Großmächten Großbritannien und dem Deutschen Reich vor dem 1.Weltkrieg Im nachfolgenden soll die Hypothese überprüft, inwiefern die Bagdadbahn ein deutschbritischer Konfliktpunkt vor Beginn des 1. Weltkrieges gewesen ist.
Begonnen wird zunächst mit dem deutschen Interesse im Nahen Osten. Anschließend wird die Position des britischen Empires und dann im Kern die Bagdadbahn und deren Rolle in den diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten dargestellt, anhand von Quellen zur Bagdadbahn.
Die Quellenlage zur Thematik stellt sich folgenderweise dar. Im Allgemeinen sind vor allem Überrestquellen die Grundlage für die nachfolgende Arbeit. Das sogenannte „Geschäftsschriftgut“ bildet dabei die größte Quellegrundlage, dabei handelt es sich vornehmlich um Schriftgut von und zwischen Staatsorganen, Wirtschaftsunternehmen, Parteien und Vereinen. Den größten Bestand von Quellen im Rahmen der Bagdadbahn bildet das Archiv der Deutschen Bank. Im Bestand befinden sich Briefe zwischen Geschäftsführung und dem Auswärtigen Amt bzw. Diplomaten, die Lageeinschätzungen mitteilten. Aber auch von britischer Seite werden Quellen einbezogen und im nachfolgenden im Original zitiert.
2. Interessenlage im Nahen Osten
Die Interessen des Deutschen Reiches und Großbritanniens gestalten sich unterschiedlich im Nahen Osten aus. [2] So ist es zwar zu keiner direkten militärischen Konfrontation im 1. Weltkrieg im Nahen Osten zwischen den beiden Staaten gekommen aber trotzdem haben beide Staaten unterschiedliche Engagements in dem Gebiet über das sich die Bagdadbahn erstreckt. Zunächst wird die Position des Deutschen Reiches erläutert. Dabei wird sich auf den Zeitraum 1880 bis 1914 beschränkt.
2.1.Deutsches Reich im Nahen Osten
Bereits vor Wilhelm II bestand deutsches Interesse im Nahen Osten. So gab es den Gedanken einer „Außenposten deutscher Zivilisation“[3] zu errichten. Diese Idee wurde jedoch nicht nachhaltig und ernsthaft von deutscher Seite verfolgt. So kam es lediglich vor allem zu religiös motivierten Aktionen im Nahen Osten, die beispielsweise auf den Aufbau von Tourismus abzielte.
Einen echten Politikwechsel gab es erst in der „wilhelminischen Ära“, in der eine weltpolitische Politik verfolgt wurde. Der von Reichskanzler Bülow oft exemplarisch genannte Satz, dass das Deutsche Reich einen „Platz an der Sonne“ verdiene, begründete ein intensiviertes deutsches Kolonialbestreben. So bestand großes Interesse an einer Verbindung bis nach Indien. Aufgrund dieser Idee von deutschen Kolonialbefürworter und Kolonialpolitikern kam es zu dem Gedankenspiel von einem „deutschen Indien“. Dabei sollte dieses Deutsche Indien, das Osmanische Reich werden, wie es in der Welt am Montag vom 21.11.1898 deutlich wird: „Nur die Türkei kann das Indien Deutschlands werden.[4] “ Zugleich stand der Bau einer Bahn nach Bagdad einem direkten Zugang zum mesopotamischen Öl im
Vordergrund. Jedoch ist zu beachten, dass der Wettbewerb zwischen den Mächten um Öl erst rund 20 Jahre nachdem die Gründer der Bagdadbahn begonnen hatte, entbrannte.[5]
Nachdem die Position des deutschen Reiches im Nahen Osten betrachtet wurde, wird es im nachfolgenden um Ziele und Einflusse des brit. Empires im Nahen Osten eingegangen werden.
2.2. Großbritannien im Nahen Osten
Großbritannien bzw. das britische Empire hatte eine Vielzahl von Kolonien über die ganze Welt verteilt. Eine der berühmtesten und größten ist Indien gewesen. Dies spielt auch im Nahen Osten eine relevante Rolle.
Um die britischen Interessen zu verdeutlichen, ist es notwendig deren bisherigen Besitzungen im Nahen Osten zu betrachten. In meiner Abhandlung insbesondere die Handelsroute zwischen Asien und Europa. Dieses gestaltete sich in der Historie schon immer schwierig. Auf dem Seeweg wurde diese erst durch die Eröffnung des Suezkanals 1869 erheblich erleichtert. Der Suezkanal verkürzte den bisher ungünstigen Weg um Südafrika vorbei um bis zu „30%“.[6] Diese Route war durch Erwerb des ägyptischen Aktienanteils und spätere Besetzung Großbritanniens des Suezkanals vollständig unter britischer Kontrolle. Somit war die britische Krone im Besitz des schnellsten Seeweges zwischen dem Mittelmeer und Asien. Des Weiteren war das Emirat Kuwait ab 1898 unter britischer Schutzherrschaft. Was eine de facto Inbesitznahme darstellte. Dies wird im Folgenden im Hinblick auf die Pläne der Bagdadbahn noch interessant.
Dabei ist zu beachten, dass Großbritannien nicht alleine imperiales Interesse im Nahen Osten besaß. So wurde Syrien sowie Nord- und Ostanatolien als Gebiet der französischen Einflusssphäre angesehen.[7] Russlands Einflusssphäre war am Schwarzen Meer und Georgien in Form von Kolonien und Außenposten.[8] Damit waren alle „starken“ Staaten Europas direkt oder indirekt im Gebiet des Nahen Osten vertreten.
3. Das Projekt der Bagdadbahn
Unter der Bagdadbahn wird die Eisenbahnstrecke von Konstantinopel (heute: Istanbul) bis nach Bagdad verstanden. Diese führt durch Anatolien, entlang der Türkischen Mittelmeerküste und durch den heutigen Irak. In früheren Plänen war von einer Verlängerung bis nach Basra und dann an den Persischen Golf die Rede. Insgesamt sollte die Strecke rund 3300 km betragen, letztendlich wurden ca. 2400 km verwirklicht. Der Bau der Bagdadbahn wurde nach dem ersten großen osmanischen Bahnprojekt, der Anatolischen Eisenbahn forciert, das bereits unter deutscher Regie stand.[9] Aufgrund der Notwendigkeit, dass das Osmanische Reich Fremdkapital und „know how“ benötigte, trat der Sultan an das Deutsche Reich heran[10]. So wurde das Osmanische Reich aufgrund finanzieller Probleme oftmals als „einen kranken Mann am Bosporus“ bezeichnet, dies erleichterte externen Gesellschaften den Einstieg in das finanziell gebeutelte Land.[11] [12] [13] Die Deutsche Bank trat infolgedessen als deutscher Kapitalgeber in den Vordergrund. Die Deutsche Bank erwarb mit der Konzession im Oktober 1888 die Verwaltung und den Betrieb der Eisenbahnlinie. Den Bau und Betrieb übernahm bis 1903 die Anatolische Eisenbahngesellschaft. Im April 1903 wurde das Baurecht direkt an die neugegründete Bagdadbahn-Gesellschaft weitergeleitet. Die größten Beteiligungen an der Bagdadbahn-Gesellschaft hielten die beiden Banken die Deutsche Bank und die Ottomanbank mit jeweils 28%.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Bezug auf den Streckenverlauf kam es regelmäßig zu Änderungen. Zu betonen ist, dass die Bagdadbahn nicht von Beginn an bis an den Persischen Golf geplant war und regelmäßig verlängert wurde. Dieser multinationale Konzern baute in 200 km Abschnitten die Bahnstrecke. Beteiligt am Bau waren zahlreiche deutsche Konzerne wie Krupp (Essen) oder Maschinenfabrik Esslingen (Württemberg).[14]
Relevant im Rahmen der Konzessionsvergabe war, dass entlang der Bahnstrecke 20 km zu beiden Seiten die Möglichkeit vergeben wurde Öl zu fördern. Damit wurde eine Kompensation für die Kosten des Baus ausgeglichen Dies war relevant, da Ende des 20. Jahrhunderts Öl insbesondere für die Flottenpolitik eine nicht zu unterschätzende Wirkung darstellte[15]. Die Konzessionen wurden in der Regel für 99 Jahre vergeben. Der Bau und Betrieb der Bagdadbahn war mit Hindernissen geebnet. Sei es technische Herausforderung aufgrund geographischer Gegebenheiten oder finanzielle im Bezug auf die Finanzierung des Baus.
Nachdem das Projekt der Bagdadbahn im Wesentlichen umrissen wurde, wird es nachfolgend präzisiert. Es wird dabei insbesondere die diplomatische Wirkung betrachtet.
4. Die Rolle der Bagdadbahn in den deutsch-britischen Beziehungen
Nachdem die Positionen des britischen Empires und des deutschen Reiches dargelegt wurde, wird es im Nachfolgenden konkreter. Dabei liegt der Fokus auf der Rolle der Bagdadbahn in den Interessen der beiden Staaten.
Mehmet Yilmazata schreibt in seinem Buch über die Bagdadbahn, dass ein Interessenkonflikt zwischen dem britischen Empire und dem Deutschen Reich schon aufgrund Nähe der Bahn zum Seeweg nach Indien am Parisischen Golf, sowie die Wegstrecke entlang riesiger Ölfelder unvermeidlich gewesen wäre.[16] Dies werde ich in den nächsten genaueren Betrachten.
Noch am Anfang sah es nach einem kooperativen und nicht konkurrierenden Projekt aus. Im Jahre 1888, also vor der erstmaligen Vergabe einer Konzession versuchte noch Reichskanzler Otto von Bismarck mit dem englischen Botschafter eine kooperative finanzielle Beteiligung an der Bagdadbahn zu mobilisieren. Er versuchte aufgrund der britisch-französischen Spannungen um Ägypten diese auszunutzen, um eine Kooperation zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien aufzubauen. Diese kam jedoch später aufgrund des großen innenpolitischen Drucks von Seiten der britischen Presse nicht zum Abschluss.[17] Spätere Initiativen eine Kooperation zu erwirken scheiterten ebenfalls.
Im Jahre 1916 schrieb Hennig, dass das „nur das Dampfroß und der Schienenweg vermögen noch dem Suezkanal die erstrittene monopolartige Vorherrschaft streitig zu machen, niemals eine andere Wasserverbindung.“ [18] Bei Hennig wird die starke geostrategische Position Großbritanniens im Nahen Osten deutlich. Die Bagdadbahn erscheint als die einzige Möglichkeit diese Vormachtstellung der Briten zu brechen. Auch die Betonung auf eine nicht ganz legitim erworbene Vormachtstellung liegt vor. Zum einen wohl auf Bezug der Annektion des Suezkanals aber auch sicherlich die Schutzherrschaft in Kuwait, die einen Ausbau der Bagdadbahn bis an den Persischen Golf verhinderte. Damit wäre ein Lebensnerv von Großbritannien in greifbarer Nähe. Das dies argwöhnisch betrachtet wurde von britischer Seite ist verständlich, die sich in ihrem Monopol bedroht fühlten.
Das Konfliktpotential der Bestrebungen von deutschen Kolonialisierungen entlang der Bagdadbahn wurde jedoch nicht von den Betreiber und Finanziers verfolgt. Dies wird deutlich in einer Unterredung zwischen Funktionären der Deutschen Bank, Auswärtiges Amt und dem deutschen Kaiser Wilhelm II. am 02.04.1902:
„Der Hinweis, wie gerade unsere eigenen Landsleute durch die in Broschüren und Vorträgen vor aller Welt ständig wiederholten Forderungen einer deutschen Kolonisation Kleinasiens, Einrichtung von deutschen Ärztestationen in Mesopotamien und dergl. unsere Verhandlungen erschwerten und nicht ungefährlich seien, fand bei S. Majestät volle Zustimmung.“[19]
Dies zeigt eher ein funktionelles Interesse, der Fokus lag auf den finanziellen und wirtschaftlichen Gewinn. Die Kolonialisierungen die angestrebt wurden, wurden darin als nicht förderlich bzw., hinderlich im Bezug auf den Bau der Bagdadbahn empfunden. Insbesondere aus Position der Deutschen Bank kann dies nur zusätzliche Gefahren für „ihr“ Investment bringen.
[...]
[1] Nachfolgend wird Großbritannien, britische Krone und britisch Empire synonym verwendet.
[2] Im nachfolgenden ist mit Nahen Osten das Gebiet von der heutigen Türkei, mit Syrien, Libanon, Palästina, Israel und Irak gemeint.
[3] Horst Gründer(Hrsg.), ...da und dort ein junges Deutschland gründen, Rassismus, Kolonien und kolonialer Gedanke vom 16. Bis zum 20. Jahrhundert, München, 1999, S.180.
[4] Alldeutsche Propaganda - Das Deutsche Reich als Erbe des kranken Mannes am Bospurus, 1898, in Horst Gründer(Hrsg.), ...da und dort ein junges Deutschland gründen, Rassismus, Kolonien und kolonialer Gedanke vom 16. Bis zum 20. Jahrhundert, München, 1999, S.210.
[5] Vgl. Eichholtz, Dietrich, Die Bagdadbahn, Mesopotamien und die deutsche Ölpolitik bis 1918, Leipzig, 2007, S.42ff.
[6] Homepage Suezkanal, www.suezcanal.gov.eg, zuletzt aufgerufen am 21.07.14.
[7] Vgl. Manfred Pohl, Von Stambul nach Bagdad, Die Geschehnisse einer berühmten Eisenbahn, München, 1999, S. 89 ff.
[8] Aufgrund des Umfangs der Arbeit werden die Positionen und Interessen nicht näher erläutert, jedoch sind deren politischen Beteiligungen nicht vergessen.
[9] Vgl. Dietrich Eichholtz, Die Bagdadbahn, Mesopotamien und die deutsche Ölpolitik bis 1918, Leipzig, 2007, S.14ff.
[10] Vgl. Manfred Pohl. Von Stambul nach Bagdad, Die Geschehnisse einer berühmten Eisenbahn, München, 1999, S.24.
[11] Vgl. Mehmet Yilmazata, Die Bagdadbahn, Schienen zur Weltmacht, Marburg, 2013, S. 25.
[12] Vgl. Manfred Pohl, Von Stambul nach Bagdad, Die Geschehnisse einer berühmten Eisenbahn, München, 1999, S.28.
[13] Schaubild eigenständig erstellt aufgrund Datengrundlage nach: ebd. S. 66.
[14] Vgl. Dietrich Eichholtz, Die Bagdadbahn, Mesopotamien und die deutsche Ölpolitik bis 1918, Leipzig, 2007, S.15 f.
[15] Vgl. ebd., S.22 ff.
[16] Vgl. Mehmet Yilmazata, Die Bagdadbahn, Schienen zur Weltmacht, Marburg, 2013, S.87ff.
[17] Vgl. Manfred Pohl, Von Stambul nach Bagdad, Die Geschehnisse einer berühmten Eisenbahn, München, 1999, S.26 ff.
[18] R. Hennig, Der verkehrsgeographische Wert des Suez- und des Bagdad-Weges. Ein Vergleich, in Geographische Zeitschrift 22.Jahrg., 12. H., 1916, S. 656.
[19] Aus dem Protokoll einer Unterredung Wilhelm II. mit Arthur von Gwinner und Kurt Zander am 2.4.1902, in: Dietrich, Eichholtz, Die Bagdadbahn, Mesopotamien und die deutsche Ölpolitik bis 1918, Leipzig, 2007, S.80.