Die Sicherheitspolitik der NATO nach dem Daase-Modell

Die NATO vor und nach 1990


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

I. EINLEITUNG

II. THEORETISCHER RAHMEN
2.1 DIE NATO
2.2 DER ERWEITERTE SICHERHEITSBEGRIFF NACH DAASE
2.2.1 RAUMDIMENSION
2.2.2 SACHDIMENSION
2.2.3 REFERENZDIMENSION
2.2.4 GEFAHRENDIMENSION

III. EINORDNUNG DER SICHERHEITSPOLITIK DER NATO NACH DAASE
3.1 DIE SICHERHEITSPOLITIK DER NATO VOR 1990
3.1.1 RAUMDIMENSION
3.1.2 SACHDIMENSION
3.1.3 REFERENZDIMENSION
3.1.4 GEFAHRENDIMENSION
3.2 DIE SICHERHEITSPOLITIK DER NATO NACH 1990
3.2.1 RAUMDIMENSION
3.2.2 SACHDIMENSION
3.2.3 REFERENZDIMENSION
3.2.4 GEFAHRENDIMENSION

IV. DIE ENTWICKLUNG DER SICHERHEITSPOLITIK DER NATO

V. AKTUELLE ENTWICKLUNGEN DER SICHERHEITSPOLITIK DER NATO

VI. LITERATURVERZEICHNIS

I. EINLEITUNG

Während der 40 Jahre Blockkonfrontation gelang es der NATO sowie dem Warschauer Pakt, trotz ständiger Überwachung diese ohne Eskalation zu überstehen. Nach dem Zusammenfall der Sowjetunion wurde zwischen NATO und Russland eine „Partnerschaft für den Frieden“ geschlossen. Dieser Friede wird jedoch in den folgenden Jahren bis heute immer wieder auf die Probe gestellt, sei es durch die Osterweiterung der NATO oder die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001. Gerade die Terrorakte des 11. September 2001 haben die internationalen Beziehungen tiefgreifend verändert und dementsprechend Auswirkungen auf die Vereinten Nationen, Europa und die NATO (Roth und Klein 2007, 353 f.). Auffallend bei der darauf folgenden amerikanischen Antiterrorkampagne ist der Bedeutungsverlust der NATO. Die USA verfolgte ein pragmatisches Antiterrorbündnis ohne aktive bedeutende Rolle des Nordatlantikpakts. Gerade im Hinblick auf den Zusammenschluss der Organisation des Nordatlantikvertrages musste eine Neuausrichtung der sicherheitspolitischen Ziele erfolgen (Branl 2009, S. 15).

Aus diesem Grund soll die Sicherheitspolitik der NATO vor und nach 1990 im Vergleich analysiert werden. Hierfür werden der Aufbau sowie die Strukturen der NATO erläutert. Außerdem wird der Sicherheitsbegriff nach Christopher Daase beschrieben und kritisch eingeordnet. Darauf aufbauend wird im zweiten Teil der Arbeit die Sicherheitspolitik der NATO vor und nach 1990 vorgestellt und in das Sicherheitskonzept nach Christopher Daase eingeordnet. Daran anschließend folgt eine Diskussion über die Unterschiede der beiden Entwicklungen der Sicherheitspolitik in den zwei Zeitintervallen.

Zur Definition des Sicherheitsbegriffes von Christopher Daase wurden einige seiner Aufsätze herangezogen. In diesen wird der Begriff ausreichend definiert und gilt als Basis der Analyse in dieser Hausarbeit (Daase 2009, Daase 2010a, Daase 2010b). Ebenso dient Lorenz Knorrs Monographie „Nato: Geschichte - Strategie - Atomkriegsplanung“ als wichtige Grundlage, da der Autor die Zeit des Kalten Krieges beschreibt und auf die Sicherheitspolitik der NATO ge- zielt eingeht (Knorr 1985). Gerade die Sicherheitspolitik der NATO nach 1990 wird von Ulrich Franke in seiner Monographie „Die Nato nach 1989“ ausreichend erläutert und gilt daher als Grundlage dieser Hausarbeit (Franke 2010). Des Weiteren wurde das Thema der Sicher- heitspolitik der NATO vor allem in verschiedenen Zeitschriftenaufsätzen bearbeitet, die eben- falls zur Ausarbeitung dieses Themas einen wichtigen Beitrag leisten (Branl 2009; Gyàrfàšovà 2009; Rühle 2006).

II. THEORETISCHER RAHMEN

Zur theoretischen Betrachtung des Themas „Die Sicherheitspolitik der Nato nach dem Daa- se-Modell“ ist eine Auseinandersetzung mit dem begrifflichen Instrumentarium notwendig, daher werden die internationale Organisation „NATO“ und ihr Aufbau eingehend erläutert. Außerdem soll der Sicherheitsbegriff von Christopher Daase definiert und kritisch eingeord- net werden. Dieser Sicherheitsbegriff bildet den theoretischen Rahmen des Themas. Dadurch soll eine Einordnung der Sicherheitspolitik der NATO in die verschiedenen Dimen- sionen ermöglicht werden.

2.1 DIE NATO

Die NATO (North Atlantic Treaty Organisazion) wurde am 4. April 1949 durch die Unter- zeichnung des Nordatlantikvertrages gegründet. Bedingt durch den verschärften Ost-West- Konflikt entschieden sich zwei nordamerikanische und zehn europäische Staaten für eine politische, wirtschaftliche, militärische und sicherheitspolitische Unterstützung der westeuro- päischen Länder. Der Nordatlantikpakt ist eine internationale Organisation, in der den Mit- gliedern ihre volle Souveränität und Unabhängigkeit erhalten bleibt (Varwick und Woyke 1999, 19 ff.). Durch die Vandenberg-Resolution war es der USA ab dem 11. Juni 1948 mög- lich, multilaterale militärische Beistandsverpflichtungen einzugehen. Die militärische Struktur entwickelte sich nach dem Korea-Krieg zu einem Bündnis kollektiver Verteidigung, das von einer Militärstruktur der USA dominiert wurde (Dembinski 2012, S. 165).

Der Nordatlantikvertag ist mit lediglich vierzehn Artikeln überschaubar und vielseitig interpre- tierbar. Trotz vieler Veränderungen seit der Gründung wurde das Regelwerk nie verändert und verweist an einigen Stellen auf die Satzung der Vereinten Nationen (Varwick und Woyke 1999, 20 ff.).

Die Aufgabe der NATO war die militärische Stärkung der westeuropäischen Staaten auf- grund der Gefahr eines Angriffs der Sowjetunion. Aus diesem Grund wurde eine vereinte Streitmacht mit einem zentralen Oberbefehl in die NATO Struktur integriert (Dembinski 2012, 166 f.).

Der Aufbau der NATO gliedert sich in eine politische und eine militärische Dimension, deren Hauptziel die Gewährleistung der Freiheit und Sicherheit ihrer Bündnismitglieder ist. Die poli- tische Dimension fördert die demokratischen Werte, die Konsultation und Kooperation in Ver- teidigungs- und Sicherheitsfragen zum Aufbau von Vertrauen und zur Verhinderung von Konflikten. Ziel der militärischen Dimension ist die friedliche Beilegung von Konflikten. Bei einem Scheitern von diplomatischen Bemühungen ist es notwendig, militärische Kapazi- tät zur Krisenbewältigung einzusetzen. Dies wird durch den Artikel 5 des Washingtoner Ver- trages (Gründungsvertrag der NATO) oder auch im Rahmen eines UN-Mandats legitimiert (Giegerich 2012, S. 26).

Der politischen Organisation gehören alle 28 Mitglieder an und sie bilden das politische Füh- rungsorgan. Der Nordatlantikrat, bestehend aus den Regierungschefs oder Verteidigungsmi- nistern, tagt zweimal jährlich unter dem Vorsitz des NATO-Generalsekretärs und ist das wichtigste Entscheidungsgremium. In diesem Rat sind alle Mitgliedsstaaten vertreten und gleichberechtigt. Aufgabe des Nordatlantikrats ist die Umsetzung der im Vertrag verankerten Ziele (Giegerich 2012, S. 22). Des Weiteren gibt es einen ständigen NATO-Rat, der aus NATO-Botschaftern der Mitgliedsstaaten besteht. Das höchste militärische Organ ist der Mili- tärausschuss. Ihm gehören hochrangige Offiziere der Mitgliedsstaaten an. Der Vorsitzende dieser Militärbehörde wird auf drei Jahre gewählt. Der Ausschuss soll den Nordatlantikrat in militärischen Angelegenheiten unterstützen. Der Verteidigungsplanungsausschuss befasst sich mit verteidigungspolitischen Angelegenheiten. Diesem Ausschuss unterstehen weitere untergeordnete Ausschüsse. Den Vorsitz des Verteidigungsplanungsausschusses hat eben- falls der Generalsekretär (Dembinski 2012, S. 168). Die Nukleare Planungsgruppe ist dem Verteidigungsplanungsausschuss sehr ähnlich. Themen dieses Ausschusses sind die Si- cherheit und Durchhaltefähigkeit von Nuklearwaffen, Kommunikations- und Informationssys- temen und Stationierungsfragen. Den Vorsitz führt der Generalsekretär, dessen Aufgabe außerdem die Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bündnispartnern ist (Giegerich 2012, S. 24).

Der Nordatlantikpakt vereint gegenwärtig 28 Bündnispartner und ist für europäische Staaten, die bereit sind die Grundsätze des Vertrages zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Raums beizutragen, offen (Keller und Patrick 2013, S. 3).

2.2 DER ERWEITERTE SICHERHEITSBEGRIFF NACH DAASE

Sicherheit ist ein universelles Grundbedürfnis, nach dem in jeder Gesellschaft gestrebt wird. Obwohl sich viele Wissenschaftler mit dem Begriff der Sicherheit auseinandersetzen, herrscht kein allgemeiner Konsens und er bleibt damit eine begriffliche unklare Größe, die einem durchgehenden Wandel unterlegen ist. Der erweiterte Sicherheitsbegriff von Chris- topher Daase ist eine Ergänzung zum klassischen Sicherheitsverständnis zur Zeit der Block- konfrontation. Der hier verwendete, erweiterte Sicherheitsbegriff ist ein Versuch, äußere und innere Sicherheit in einem Terminus zu vereinen sowie den Begriff auf verschiedene Politik- felder anzuwenden (Endreß und Petersen 2012). Aufgrund des Mangels einer einheitlichen Definition, wird in der Forschung meist ein Politikbereich einzeln betrachtet. Christopher Daase vereint innere und äußere Sicherheit in einem vierdimensionalen Modell, wodurch es möglich ist, auf mehrere Politikbereiche einzugehen. Dies wird von Politikwissenschaftlern häufig kritisiert. Nach Ole Wæver fehlt eine Begrenzung des Geltungsbereichs bei diesem Begriff. Barry Buzan ergänzt, dass die zunehmende Anzahl an Bedrohungsfeldern zu einer vorschnellen Bestimmung von vorhandenen Risiken als Bedrohungen zu unkontrollierten Handlungen und Ängsten führen könne (Schulze 2006, 51 f.). Der erweiterte Sicherheitsbegriff soll Effekt und Ursache des politischen Wandels im historischen Kontext darstellen. Das Sicherheitskonzept nach Daase ist in vier Haupt-Dimensionen unterteilt: die Raumdimension, die Sachdimension, die Referenzdimension und die Gefahrendimension. Jede dieser vier Kategorien beinhaltet einzelne Unterkategorien (Daase 2010a, S. 138).

2.2.1 RAUMDIMENSION

Der Begriff der Raumdimension ist auf die Sicherheitspolitik geographischer Gebiete bezo- gen. Diese Politik kann Territorialstaaten, Regionen, internationale Zusammenschlüsse oder das Weltsystem betreffen. Die Unterteilung der Raumdimension in Nationale Sicherheit ist an den Werten der territorialen Unversehrtheit sowie einer gesellschaftlichen Selbstbestim- mung orientiert. Als Voraussetzung hierfür gelten drei Aspekte, die territoriale Souveränität eines Staates, die kategoriale Unterscheidung von Innen- und Außenpolitik und die Begren- zung der Gesellschaft auf die Grenzen des Staates. Das oberste Ziel der Nationalen Sicher- heit ist seine Gewährleistung (Daase 2010a, 145f). Die Regionale Sicherheit der Raumdi- mension beschreibt die Integration einzelner Staaten in eine größere Sicherheitsgemein- schaft. Ziel dabei ist eine kollektive Verteidigung durch regionale Bündnisse, wobei die natio- nale Sicherheit nicht unabhängig von der Sicherheit der Region bzw. einzelner Staaten be- trachtet werden kann. Gerade zur Zeit des Kalten Krieges gewann die regionale Sicherheit in Form von NATO oder des Warschauer Paktes an großer Bedeutung, was in dieser Arbeit dargestellt werden soll (Daase 2010a, S. 146). Internationale Sicherheit im Sinne der Raumdimension orientiert sich an den Werten der staatlichen Koexistenz sowie zwischen- staatlicher Stabilität. Durch Informationsaustausch der internationalen Institutionen und ge- sunkenen Transaktionskosten werden Lösungen bei Kooperationsproblemen und eine dau- erhafte Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik ermöglicht. Der Begriff „Sicherheit“ bezieht sich somit auf die Beziehungen zwischen mehreren Staaten. Internationale Sicherheitspolitik funktioniert nicht auf Basis der Einseitigkeit. Stattdessen muss sie multilateral mit zwischen- staatlichen Institutionen abgestimmt werden (Daase 2010a, S. 147). Globale Sicherheit in der Raumdimension beschreibt den Übergang einer internationalen Gemeinschaft zu einer globalen Weltgemeinschaft und ist an den universellen Menschenrechten sowie grundlegen- den menschlichen Bedürfnissen orientiert. Außerdem basiert das Konzept der globalen Si- cherheit auf dem Gedanken des allgemeingültigen Rechtes auf Sicherheit für alle Menschen (Daase 2010a, 147f).

2.2.2 SACHDIMENSION

Die Sachdimension des Sicherheitsbegriffs umschreibt die Art der Sicherheitspolitik, die bei Gefahren in bestimmten Politikbereichen gewährleistet werden soll. Dieser Dimension wer- den durch jeweils aktuelle Geschehnisse neue Kategorien hinzugefügt. Im letzten Jahrhun- dert lag der Fokus unter anderem auf wirtschaftlicher, ökologischer und humanitärer Sicher- heit. Die militärische Sicherheit der Sachdimension ist an den Politischen Realismus ange- lehnt. Das Sicherheitsdilemma zwingt die einzelnen Staaten zur militärischen Aufrüstung. Dadurch entsteht ein ewiger Kreislauf der Aufrüstung, da die Sicherheitserhöhung durch Auf- rüstung die Sicherheit anderer Staaten reduziert und diese sich deshalb ebenfalls zur Aufrüs- tung gezwungen sehen (Daase 2009, 139 f.). Die Ökonomische Sicherheit der Sachdi- mension hat sich vor allem in den 1970er Jahren gewandelt. Neue Bedrohungen, wie die Verknappung natürlicher Ressourcen sowie die Beeinträchtigung der internationalen Wirt- schafts- und Währungsbeziehungen gewinnen seither an Bedeutung. Dieser Wandel geht mit der Abkehr vom Politischen Realismus einher. Ziel der Sicherheitspolitik sind wirtschaftli- che Sicherheit sowie der Wohlstand der Gesellschaft. Ökonomische Unsicherheiten sollen durch die Verringerung von Abhängigkeiten, Diversifizierung des Energiebedarfs und die Förderung kooperativer Handelsstrukturen verhindert werden (Daase 2010b, S. 11). Der Ökologische Aspekt der Sachdimension richtet den Fokus auf die zunehmende Umwelt- zerstörung. Die nationale und internationale Sicherheit wird vermehrt hinsichtlich ökologi- scher Belange diskutiert. Die Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlage gilt als genauso gefährlich wie eine militärische Bedrohung, weswegen viele Autoren und auch die Politik mehr Aufmerksamkeit für Umweltpolitik einfordern (Daase 2010b, S. 11). Die Humanitäre Sicherheit der Sachdimension umschreibt innergesellschaftliche Konflikte. Dies wird als Menschenrechtspolitik bezeichnet. Ziel dieser Politik ist die Sicherung der Menschenrechtssi- tuation sozialer Gruppen und einzelner Individuen sowie die Sicherheit von Entwicklungs- und Katastrophenhelfern in Krisenregionen. Gerade in humanitären Schutzzonen ist deren rechtlicher Status umstritten, weswegen es zur Anwendung politischer Gewalt kommen kann (Roth und Klein 2007, 354 f.).

2.2.3 REFERENZDIMENSION

Die Referenzdimension des Sicherheitsbegriffs widmet sich der Frage, wessen Sicherheit gewährleistet werden soll. Die Möglichkeiten lassen sich in Individuum, Gesellschaft und Nationalstaat unterteilen. Bei der Nationalen Sicherheit der Referenzdimension ist die his- torische Entstehung eines Nationalstaats von Bedeutung. Europa entwickelte sich in der Neuzeit zu einem eigenständigen politischen Akteur, dessen Legitimation durch die Sicher- heit, die der Staat der Gesellschaft gewährleistete, garantiert wurde. Allerdings entwickelte der Nationalstaat in seiner Entwicklung eigenständige Sicherheitsinteressen, die nicht voll- ständig auf die Sicherheit der Gesellschaft bezogen waren. Damit umfasst die Nationale Si- cherheit staatliche und gesellschaftliche Sicherheitsinteressen (Daase 2009, 143 f.). Bei der Gesellschaftlichen Sicherheit der Referenzdimension wird eine Gesellschaft als Nichtre- gierungsorganisation, Interessensgruppe oder transnationales Unternehmen wahrgenom- men. In diesem Fall soll die Sicherheit auf die Gesellschaft bezogen sein und trotz Wandel oder potentieller Gefahren die traditionellen Muster und den wesentlichen Charakter einer Gesellschaft, wie zum Beispiel Sprache, Kultur oder Religion, bewahren (Daase 2009, S. 144). Die Menschliche Sicherheit der Referenzdimension stellt den Schutz des individuel- len Menschen in den Vordergrund. Der Begriff entwickelte sich durch einen Wandel der ge- sellschaftlichen Wertevorstellungen. Individuelle Menschenrechte haben Vorrang, wobei die Sicherheit des Staates oder sozialer Kollektive erst an zweiter Stelle folgen. Die menschliche Sicherheit beinhaltet neue Gefahren, wie zum Beispiel Armut, Krankheit, Not, Arbeitslosigkeit und viele weitere (Daase 2010b, S. 10).

2.2.4 GEFAHRENDIMENSION

Die Gefahrendimension des Sicherheitsbegriffs bestimmt, wie Unsicherheiten definiert wer- den. Sie unterteilen sich in drei Aspekte: Abwehr von Bedrohungen, Verringerung von Ver- wundbarkeit sowie Reduzierung der Risiken. Die Abwehr von Bedrohung ist eng mit den An- nahmen des Realismus verbunden, denn diese gründen auf einer permanenten Bedro- hungssituation, der internationale Staaten durchgehend ausgesetzt sind. Demnach herrscht Sicherheit, wenn Bedrohungen nicht mehr existieren. Eine Bedrohung setzt drei Elemente voraus, nämlich die Existenz eines Gegners, eine feindliche Absicht sowie militärisches Po- tential (Daase 2010a, S. 15). Wenn Sicherheit nicht mehr aus der Sicht der Bedrohung be- trachtet wird, ändert sich auch das Verständnis von Sicherheitspolitik. Eine zunehmende Verflechtung auf ökologischer und ökonomischer Ebene führt zum Bedeutungsverlust der militärischen Machtpotentiale. Militärische Interventionen erfordern hohe Kosten, sodass die- ses Mittel der Politik als unzweckmäßig eingestuft wird. Allerdings entstehen aufgrund von ökonomischer Abhängigkeit neue Gefahren. Die Verwundbarkeit drückt eine zwischenstaat- liche Abhängigkeit aus, die im Falle einer Krise als politisches Druckmittel eingesetzt werden kann. Staaten sind demnach weniger durch militärische Bedrohungen als durch ökonomi- sche Verwundbarkeit gefährdet. Ziel ist daher die Abhängigkeitsverhältnisse zu reduzieren, sodass die Verwundbarkeit verringert wird (Daase 2010a, S. 16). Als internationale Sicher- heitsrisiken werden organisierte Kriminalität, internationaler Terrorismus und Drogenhandel oder Migration eingestuft. Im Gegensatz zur Bedrohung sind Risiken nicht auf Territorien oder wie Verwundbarkeit auf kollektive Güter begrenzt. Sicherheitspolitik als Reaktion auf Sicherheitsrisiken muss daher proaktiv sein, um ein Risiko identifizieren, entschärfen und eindämmen zu können. Eine Risikoanalyse kann eine gewisse Ungewissheit jedoch nie voll- kommen ausräumen, sodass Manipulation und politischer Interpretationsspielraum nicht ausgeschlossen werden können. Risiken erfordern eine neue Art der Sicherheitspolitik, die aktiv und offensiv auf Bedrohungen antwortet, über die Reduzierung der Verwundbarkeit hinausgeht und außerdem die Ursache der Gefahr angreift (Daase 2010a, 16 f.). Sicherheit ist ein universelles Grundbedürfnis, nach dem in jeder Gesellschaft gestrebt wird. Obwohl sich viele Wissenschaftler mit dem Begriff der Sicherheit auseinandersetzen, herrscht kein allgemeiner Konsens und er bleibt damit eine begriffliche unklare Größe, die einem durchge- henden Wandel unterlegen ist. Der hier verwendete erweiterte Sicherheitsbegriff ist ein Ver- such, äußere und innere Sicherheit in einem Terminus zu vereinen sowie den Begriff auf verschiedene Politikfelder anzuwenden (Endreß und Petersen 2012).

III. EINORDNUNG DER SICHERHEITSPOLITIK DER NATO NACH DAASE

Im Folgenden soll die Sicherheitspolitik der NATO vor und nach 1990 in die verschiedenen Dimensionen eingeordnet werden. Die Einordnung erfolgt nach dem erweiterten Sicherheitsbegriff von Christopher Daase.

3.1 DIE SICHERHEITSPOLITIK DER NATO VOR 1990

Die NATO kann vor 1990 als reines Verteidigungsbündnis zur Sicherung der damaligen Si- tuation eingestuft werden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, zeigten sich die unter- schiedlichen weltpolitischen Vorstellungen der Siegermächte (Varwick und Woyke 1999, 16 f.). Aus diesem Grund schlossen sich die westeuropäischen Siegermächte und die USA zu einem Verteidigungsbündnis zusammen, das die Sicherheit der Bündnispartner vor dem kommunistischen Ostblock gewährleisten sollte (Varwick und Woyke 1999, 18 f.).

3.1.1 RAUMDIMENSION

Als Territoriale Sicherheit lässt sich das Sicherheitskonzept des Nordatlantikpakts nicht einstufen, weil es sich nicht um einen einzelnen Staat handelt. Die Sicherheitspolitik der NATO kann als Regionale Sicherheit eingestuft werden, da das Ziel Sicherheit für die Bündnispartner und die Außengrenzen des NATO-Gebiets war. Das Zusammenwirken der Bündnispartner und deren Integration in eine Sicherheitsgemeinschaft sind nicht unabhängig

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Details

Titel
Die Sicherheitspolitik der NATO nach dem Daase-Modell
Untertitel
Die NATO vor und nach 1990
Hochschule
Universität Rostock  (Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften)
Veranstaltung
Internationale Organisationen
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
21
Katalognummer
V374539
ISBN (eBook)
9783668519886
ISBN (Buch)
9783668519893
Dateigröße
701 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
NATO, Daase-Modell, Politik, Politikwissenschaften, International, Organisation, Sicherheitspolitik, Russland, USA, Westen, Osten, erweiterte Sicherheitsbegriff, Raumdimension, Gefahrendimension, Sachdimension, Referenzdimension
Arbeit zitieren
Johanna Seibert (Autor:in), 2017, Die Sicherheitspolitik der NATO nach dem Daase-Modell, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/374539

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