Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Generationsbegriff
2.1 Versuch einer Defnition
2.2 Familiäre Generation
2.3 Gesellschaftliche Generation
3. Generation Techno
3.1 Charakterisierung der Generation Techno
3.1.1 Zusammengehörigkeitsgefühl / Unity
3.1.2 Distinktion
3.1.3 Politik, Autonomie und die Love Parade
3.1.4 Realitätsflucht und Hedonismus oder Botschaft
4. Analyse der Romanvorlage
4.1 Narrative Strategien
4.1.1 Ein sinnstiftender Endpunkt
4.1.2 Die Einengung auf relevante Ereignisse
4.1.3 Die narrative Ordnung der Ereignisse
4.1.4 Die Herstellung von Kausalverbindungen
4.2 Generation Techno oder Jugendkultur Techno?
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der heutigen Zeit wird der Generationsbegriff immer mehr zum Modebegriff. In der Generierung von Generationen durch die Medien geht es weniger um die von Mannheim definierte Generationenabfolgen, sondern um die Zuschreibung bestimmter gemeinsamer Merkmale einer sozialen Gruppe. In welchem Maße diese Merkmale mit einem generationsspezifischen Zusammenhang übereinstimmen, muss einzeln beurteilt werden.1
In Deutschland redete man von der Nachkriegsgeneration, der Generation der Babyboomer, die Generation Golf, Generation Ally und nun von der Generation Y / Generation Maybe / Generation YouTube. In Amerika gab es die Generation Beat, die Generation der Hippies, die Generation X usw.
„"Generation" versteht sich als kulturelles Deutungsmuster, das sowohl eine Einheit von Erfahrungen und Eigenschaften faßt als auch den zeitlichen Abstand und die Merkmalsunterschiede zu vorausgegangenen Generationen definiert.“2 Innerhalb einer Generation entstehen meist Subkulturen, wie z.B. die Punks seit Ende der 80er-Jahre. Doch sind diese Sub- oder Jugendkulturen wirklich nur das, oder kann man diese Bewegungen auch als Generation definieren?
Ziel dieser Arbeit soll sein, eine immer noch aktuelle Jugendkultur näher zu beleuchten, ihre Geschichte zu erzählen, ihre Normen und Werte zu vermitteln, um am Ende zu reflektieren, ob es sich bei Techno um eine Jugendkultur handelt, oder ob diese Individuen nicht durch mehr miteinander verbunden sind, als durch den Musikgeschmack.
Zu Beginn soll der Generationsbegriff soziologisch erläutert werden, um eine wissenschaftliche Basis für die spätere Auseinandersetzung mit der Thematik zu erhalten. Im Anschluss daran sollen, durch eine Charakterisierung der Generation Techno, die wesentlichen Merkmale und Identifikationsfaktoren erfasst werden. Für die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Generation Techno dient „Generation XTC. Techno & Ekstase“ von Friedhelm Böpple und Ralf Knüfer und ihrer Interpretation dieser Generation als Diskussionsbasis.3
2. Der Generationsbegriff
„Das Generationsproblem ist ein zu erforschendes und reichhaltiges Problem.“4
Im Hinblick auf die folgende Arbeit wird nun erklärt, was der Begriff „Generation“ bedeutet. Um ihn näher definieren zu können, bedarf es einige Mühe, da hierbei neben der zeitlichen (biologischen) Komponente auch eine soziologische beachtet und bedacht werden muss. Der Generationsbegriff ist, neben den Begriffen der „Schicht“ und des „Geschlechts“, unverzichtbar, um die Gesellschaft zu ordnen. Dabei muss der Begriff selbst nicht auf höchster Ebene definiert werden können; es muss geklärt werden, welche Arten von Generationen es gibt.5 Eine einheitliche Definition des Generationsbegriffs ist insofern notwendig, da Theorien, die sich mit diesem Begriff beschäftigen, an Wert und Korrektheit verlieren, wenn dieser Begriff unpräzise oder schwammig formuliert bleibt.. Die folgenden Kapitel stützen sich zum größten Teil auf die Publikation des Soziologen Karl Mannheims „Das Problem der Generationen“ von 1928 und Anmerkungen des Philosophen Dieter Ferrings in „Soziokulturelle Konstruktionen des Alters. Transdisziplinäre Perspektiven“ von 2008.
2.1 Versuch einer Definition
Eine Generation ist nichts anderes, als eine Verbundenheit verschiedener Individuen. Diese Verbundenheit muss allerdings nicht dazu führen, dass konkrete Gruppen gebildet werden; die Individuen innerhalb einer Generation müssen nicht einmal von ihrer Zugehörigkeit wissen. Um das Phänomen dieses Zusammenhangs näher erläutern zu können, muss das spezifische Miteinander auf der Metaebene näher betrachtet und geklärt werden.6 Laut Ferring gibt es drei Arten von Generationen: Die familiäre, die gesellschaftliche und die chronologische Generation, wobei die letzte aufgrund von fehlender Relevanz bezüglich des Hauptthemas dieser Arbeit nicht näher beleuchtet wird.
2.2 Familiäre Generation
Der Begriff der familiären Generation ist auf der Mikroebene zu betrachten, da die Beziehungen innerhalb der Generationszugehörigen diese Mikroebene in der Regel nicht überschreiten. „Familiäre Generationen bezeichnen die Glieder der Abstammungslinie“. Dieser Generationsbegriff ist folglich leicht durch seine Etymologie zu erklären.7
2.3 Gesellschaftliche Generation
Im rein biologischem Sinne bilden Individuen, die zur etwa selben Zeit geboren wurden, eine Generation. Diese Gegebenheit bildet allerdings nur das Fundament für den soziologisch ausgeprägteren gesellschaftlichen Generationsbegriff.8 Der Begriff der gesellschaftlichen Generation lässt sich in drei Teile unterteilen: Unterschieden werden soll zwischen Generationslagerung, Generationszusammenhang und Generationseinheit.
Eine Generationslagerung entsteht, wenn die inkludierten Individuen die Möglichkeit haben, bewusst an potentiell verbindenden Ereignissen zu partizipieren. Voraussetzung dafür ist eine Möglichkeit der Kommunikation mit anderen Individuen derselben Generationslagerung, das reine „im selben Zeitraum geboren sein“ reicht hierfür also nicht aus.
Individuen innerhalb einer Generationslagerung müssen folglich im selben historisch- sozialen Raum, in der selben historischen Lebensgemeinschaft und zur selben Zeit geboren sein.9
Um von einem Generationszusammenhang sprechen zu können, müssen die Individuen innerhalb einer Generationslagerung an gemeinsamen Schicksalen teilhaben und aktiv versuchen, eine neue Situation formen. Ein solches Schicksal ist zum Beispiel ein geschichtlich weittragendes Ereignis, wie der Terroranschlag vom 11.09.2011.10 Menschen aus aller Welt waren in unterschiedlichster Weise an diesem Ereignis beteiligt und wurden so Teil eines Generationszusammenhangs, nicht nur der Generationslagerung.
Individuen einer Generationseinheit sind noch stärker verbunden, als Individuen eines Generationszusammenhangs. Die Mitglieder eines Generationszusammenhangs sind zum Beispiel alle an einer sozialen Problematik interessiert; die Mitglieder einer Generationseinheit vertreten in etwa dieselben Überzeugungen und setzen sich dafür ein.
Eine „gesellschaftliche Generation“ wird heutzutage von vielen Soziologen in Anlehnung an Mannheims „Generationseinheit“ definiert.
Gesellschaftliche Generationen lassen sich nur schwer bis gar nicht voneinander abgrenzen. Beispielsweise kann im Bereich der Kunst zwischen den dazugehörigen Individuen ein immenser Altersunterschied herrschen. Eine einzelne Person kann auch ihre Zugehörigkeit negieren und sich eher zu einer anderen Generation dazugehörig fühlen, wenn Fremd- und Selbstidentifikation voneinander abweichen („Ich war mal 68er, aber heute bin ich es wirklich nicht mehr“).11
Hauptmerkmal einer gesellschaftlichen Generation oder Generationseinheit ist, dass die dazugehörigen Personen in bedeutendem Maße ähnliche Interessen und Verhaltensweisen aufzeigen.12
3. Generation Techno
„Zeitgleich entstand mit Techno eine völlig andere instrumentale Popkultur, die - ebenfalls inspiriert durch politische Ereignisse der Zeit sowie durch neue Technologien - euphorisch den Beginn einer neuen Ära feierte […].“
Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre überströmte die neue Techno-Szene Deutschland: Die Zahl der Anhänger explodierte; Events wie die „Love Parade“ und „Mayday“ entführten ihr Publikum aus der Realität in eine aus Lichtblitzen, Nebel und tiefen Bässen bestehenden Ekstase.13
„ ,Techno‘ meint einen bestimmten kollektiven Lebensstil, der sich […] in signifikanten Arten von Geselligkeit äußert.“ Auf Veranstaltungen ist die Selbst-Stilisierung ein großes Thema: Viele in der „Rave-Community“ präsentiert sich in extremer Art und Weise; ein Gefühl der kollektiven Freude wird vermittelt. Techno-Veranstaltungen sind Treffen von Gleichgesinnten: Das Gefühl der Zusammengehörigkeit bei gleichzeitiger Selbst- Inszenierung - in dem Wissen, dass alle anderen dasselbe tun - die Tanzbewegungen aller im selben Rhythmus und die „erotisierte Gesamtatmosphäre“14 kennzeichnen das kollektive Wohlbefinden. „Zusammen ,Spaß haben` ist nun einmal die oberste Maxime in der Techno-Szene.15
3.1 Charakterisierung der Generation Techno
Zur Reflexion der Generation Techno sollen in den folgenden Abschnitten spezifische Merkmale herausgearbeitet und dargestellt werden. Diese Merkmale sollen aus zwei Perspektiven beleuchtet werden: Für die wissenschaftlich-soziologische Aufklärung über die Thematik dient Ronald Hitzlers Techno-Soziologie. Erkundung einer Jugendkultur als Basistext. Friedhelm Böpples und Ralf Knüfers Generation XTC. Techno & Ekstase dient der literaturwissenschaftliche Aufarbeitung.
3.1.1 Zusammengehörigkeitsgefühl / „Unity“
„Showtime ist ,angesagt‘ (Hervorh. i.O.) auf diesen Paraden, […] die die Existenz der einen Techno-Gemeinschaft zumindest ,nach außen‘ vorführen.“16 Bei Techno sind Gleichgesinnte unter sich. Es entsteht durch die Musik, Lichteffekte und dem Tanzen ein kollektives Wohlbefinden, eine hedonistische Zusammengehörigkeit.17 Partys verlaufen zum größten Teil friedlich: Freundlicher Umgang zu anderen Gästen und zum Personal wird ausdrücklich erwünscht, Pöbeleien o.ä. finden kaum statt und werden von anderen Gästen als negativ bewertet.
Im Club oder auf dem Veranstaltungsgelände wird aus „Bürokauffrauen in Jeans, Transvestiten, vergammelten Studenten […], sowie dem ehemaligen Mitschüler“ eine Einheit, mit dem Ziel Spaß zu haben.18
Die Love Parade 1991 war der Beginn der nationalen Zusammenführung der unterschiedlichen deutschen Szenen: Organisationen aus Frankfurt und Köln unterstützten die Demonstration mit eigenen Wagen. Eine „kollektive Identität der Techno-Szene im gesamten Bundesgebiet“ entstand. Der Slogan dieser Love Parade „My house is your house and your house is mine“ unterstreicht noch einmal dieses Zusammengehörigkeitsgefühl.19
Böpple und Knüfer reflektieren genau diese Merkmale der „Unity“: In einem Interview mit einem „Technoiden“ (= Bezeichnung für eine Person, die sich mit der Generation Techno verbunden fühlt) sagt dieser, dass er bei Techno Freunde gefunden habe, auf die er sich verlassen könne.20 Das Gefühl der Unity wird an einer speziellen Stelle im Buch sehr deutlich: „Das kann nur ermessen, wer dabei war, wie sich wildfremde Menschen bei einem Set von Laurent Garnier in den Armen lagen und weinten vor Glück - weil sie es nicht fassen konnten, daß es so etwas wirklich gab: Brüderlichkeit, Love, Peace und Unity wirklich zu empfinden und zu fühlen.“21
3.1.2 Distinktion
„[…] Distinktion: die Unterscheidung des Subjekts von den anderen.“22
Individuen innerhalb der Techno-Generation zeigen während einer Veranstaltung eine emotionale Zugehörigkeit. Sie wollen nichts mit dem „Mainstream“ zu tun haben und bewerten alles Kommerzielle als eher negativ. Menschen aus unterschiedlichsten Herkunftsländern und sozialen Schichten kommen zusammen, um gemeinsam Spaß zu haben. Wie in 3.1 schon erwähnt, wird ein spezifisches Sozialverhalten mit Aggressivität, hohem Alkoholkonsum und „Anmachen“ als negativ empfunden und von den meisten als „nicht passend“ oder „nicht dazugehörig“ bewertet. Auf einer Veranstaltung teilen alle ambivalent die Freude an der Musik und am Zusammensein bei gleichzeitiger Unterscheidung von anderen. „Der Unterschied liegt in der Kommerzialität. […] In Clubs gibt’s immer irgendwas Gemeinsames, also was Verbindendes. […] Diskotheken- Publikum sind mehr so Normalverbraucher. Der kommt in ganz normalen Klamotten an.“ Distinktion innerhalb der Club-Kultur kann als Form eines subkulturellen Kapitals angesehen werden, mit dem der eigene soziale Status ausgehandelt und gesichert wird (durch Fremd- und Selbstwahrnehmung).23
[...]
1 Vgl. Lange, Andreas. Generationenrhetorik und mehr: Versuche über ein Schüsselkonzept. In: Sozialwissenschaftliche Literatur-Rundschau. Verlag neue praxis GmbH. Lahnstein 1999. S.71 - 89
2 Willer, Stefan et al. Das Konzept der Generation. Eine Wissenschafts- und Kulturgeschichte. In http://www.zfl-berlin.org/projekt/konzept-der-generation.html (abgerufen am 17.03.2017, 12:30Uhr)
3 Da der Begriff „Generation XTC“ einen zu drogenbasierten Unterton hat und nach meinem persönlichen Empfinden einfach nicht passend ist, habe ich mich dazu entschieden, die zu untersuchenden Gruppe als „Generation Techno“ zu bezeichnen.
4 Vgl. Mannheim, Karl. Das Problem der Generationen. In: Kölner Vierteljahreshefte für Soziologie, H. 7. Köln 1928. aus: http://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0100_gen&object=translation &st=&l=de (abgerufen am 02.03.2017, 11:45Uhr)
5 Vgl. Ferring, Dieter et al. Soziokulturelle Konstruktionen des Alters. Transdisziplinäre Perspektiven. Königshausen & Neumann GmbH. Würzburg 2008. S. 149f.
6 Vgl. Mannheim, Karl. Das Problem der Generationen.
7 Vgl. Ferring, Dieter et al. Soziokulturelle Konstruktionen des Alters. S. 153f.
8 Ebd. Mannheim, Karl. Das Problem der Generationen.
9 Ebd.
10 Ebd.
11 Ebd. Ferring, Dieter et al. Soziokulturelle Konstruktionen des Alters. S. 158f.
12 Ebd. S. 155
13 Vgl. Faulstich, Werner. Die Kultur der 90er Jahre. Wilhelm Fink Verlag. München 2010. S.137f.
14 Vgl. Hitzler, Ronald. Techno-Soziologie. Lekse und Budrich. Opladen 2001. S. 16f.
15 Ebd. S. 16ff.
16 Ebd. S. 12
17 Ebd. S. 15ff.
18 Ebd. S. 40
19 Ebd. S. 54
20 Vgl. Böpple, Friedhelm / Knüfer, Ralf. Generation XTC. Techno & Ekstase. Deutscher Taschenbuchverlag GmbH & Co. KG. München 1998. S. 134
21 Ebd. S. 121
22 Vgl. Schule, Gerhard. Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Campus Verlag GmbH. Frankfurt/Main 2005. S. 109
23 Vgl. Hitzler, Ronald. Techno-Soziologie. S. 46f.