Einleitung
Heiner Müller sagt 1982 von sich selbst, er hätte „da angefangen, wo Brecht aufgehört hat“ (Müller „Irrtümer 129), doch sein „Verhältnis zu Brecht ist selektiv von Anfang an.“.(Müller „Krieg 225) Mit Brecht gemeinsam hat er sicher eine politische Grundeinstellung, und er bezeichnet den „LOHN-DRÜCKER“ als seinen unmittelbaren Anschluß an Brecht (vgl. Müller „Krieg“ 229). Dies bedeutet nicht, daß sein darauf folgendes Werk nur im Geiste von Brecht geprägt ist; Müller hat jedoch Brecht’s Stücke im Hinterkopf und weiß, wo er sich von ihm unterscheidet. Dies ausführlich zu erörtern ist aber nicht Thema dieser Arbeit. Das Werk Heiner Müllers ist von der Auseinandersetzung mit seiner sicherlich privilegierten Situation in der DDR geprägt; auch wenn er die Staatsmacht nie direkt angriff, brauchte er sie doch, um sich an ihr zu reiben. Als der Untergang der DDR bereits abzusehen war, fiel ihm der Abschied davon nicht nur aus sentimentalen Gründen schwer: „Plötzlich fehlt ein Gegner, fehlt die Macht, und im Vakuum wird man sich selbst zum Gegner.“ (Müller „Krieg“ 351) Bei aller Parteinahme für die DDR blieb Müller gleichzeitig eine Art hoffnungsloser Optimist, ein Beobachter. Auch die Ereignisse vom 17. Juni 1953 lassen ihn merkwürdig kalt: „Ich hatte selbst keine Hoffnungen, auch keine zerschlagenen, ich war ein Beobachter, nichts weiter.“ (Müller „Krieg“ 134)
Diese Grundeinstellung zeigt sich im „LOHNDRÜCKER“ als auch im „Philoktet“, und ist sicher nur eine Facette seines Wesens. Wenn er sich selbst als Marxisten bezeichnet, so sieht er sich auch hier klar in der Rolle der Opposition: „Der Marxismus ist vom Staat, von der Partei, allmählich zersetzt worden, der revolutionäre Diskurs vom staatlichen erstickt. Gefährlich waren die Marxisten. Auch das Subversive an Brecht war sein Marxismus. Politische Gefangene durften Marx nicht lesen.“. (Müller „Krieg“ 123)
Es geschieht nicht oft, daß sich Heiner Müller unzweideutig zu seinen Stücken äußert; für viele seiner Äußerungen lassen sich ebenso gut gegenteilige Behauptungen finden, und häufig gibt er nur die vage Erklärung „der Text weiß mehr als der Autor“, als ob dieser getrennt von ihm ein Eigenleben führte. Dies zeigt zwar, daß er sich nicht zu wichtig nimmt, führt aber auch leicht zu der bequemen Position eine Interpretation anderen zu überlassen, zu denen er sich dann sekundär äußert.
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Heiner Müller: Sein politischer Standort
- (a) Der Lohndrücker: Entstehung und Rezeption
- (b),,DER LOHNDRÜCKER“ 1988
- Philoktet: Die Weiterentwicklung einer kritischen Beobachterposition
- (a) Der Mythos als kollektive Erfahrung
- Zusammenfassung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Heiner Müllers „LOHNDRÜCKER“ und „Philoktet“ im Kontext seiner politischen und ästhetischen Positionierung. Sie beleuchtet die Entwicklung seiner kritischen Beobachterposition im Verhältnis zu Brecht und untersucht die Auseinandersetzung Müllers mit seiner privilegierten Situation in der DDR.
- Heiner Müllers politischer Standort und sein Verhältnis zu Brecht
- Die Rolle des „LOHNDRÜCKER“ als Anschluß an Brechts Werk
- Die Weiterentwicklung der kritischen Beobachterposition in „Philoktet“
- Die Bedeutung des Mythos als kollektive Erfahrung in Müllers Werk
- Der Einfluss der DDR-Kulturpolitik auf Müllers Schreiben
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt Heiner Müllers politische Positionierung dar. Im ersten Kapitel wird der "LOHNDRÜCKER" im Kontext seiner Entstehung und Rezeption beleuchtet, während das zweite Kapitel die Weiterentwicklung der kritischen Beobachterposition in "Philoktet" untersucht.
Schlüsselwörter
Heiner Müller, DDR, Brecht, „LOHNDRÜCKER“, „Philoktet“, kritischer Beobachter, politischer Standort, Mythos, kollektive Erfahrung, Kulturpolitik.
- Arbeit zitieren
- Marcus Knoche (Autor:in), 1996, Heiner Müllers 'Lohndrücker' und 'Philoktet', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37486