Kontrolle und Hilflosigkeit


Seminararbeit, 2002

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.0 Einleitung

2.0 Hauptteil
2.1 Die Theorie der eigenen Wirksamkeit
2.1.1 Was ist Kontrolle?
2.1.1.1 Der Begriff Kontrolle
2.1.1.2 Unkontrollierbarkeit
2.1.1.3 Das Kontrollgrundbedürfnis
2.1.1.4 Die lerntheoretische Grundlage: Instrumentelles Konditionieren
2.1.2 Aspekte der Kontrollmeinung
2.1.2.1 Die Erfahrung von Kontrolle
2.1.2.2 Die Kontrollüberzeugungstheorie nach J. B. Rotter
2.1.2.3 Die Selbstwirksamkeitstheorie in Anlehnung an Albert Bandura
2.1.2.4 Die Fehleinschätzung der eigenen Kontrolle: Kontrollillusion
2.2 Hilflosigkeit als Reaktion auf den Verlust von Kontrolle
2.2.1 Die Theorie der erlernten Hilflosigkeit nach Seligman
2.2.2 Ergänzungen und Reformulierungen der Seligmanschen Theorie
2.2.2.1 Die attributionstheoretische Reformulierung
2.2.2.2 Das Reaktanz- Hilflosigkeits- Modell
2.2.2.3 Ein 4-Stufen-Modell nach Flammer

3.0 Zusammenfassung

1.0 Einleitung

Prof. Dr. Franz Petermann schreibt in seinem Nachwort zu Seligmans „Die Theorie der er- lernten Hilflosigkeit“: Zwar scheinen Unkontrollierbarkeit, Nichtplanbares und Unverhoff- tes nicht in eine hochtechnisierte Welt zu passen; trotzdem findet man heute immer häu- figer Erscheinungsformen der Macht-, Hilf- oder Hoffnungslosigkeit.1 Ein aktuelles Beispiel für Petermanns Aussage ist die Hochwasserkatastrophe im Osten Deutschlands. Trotz Wettervorhersagen, Dämmen, Deichen und Sandsäcken konnten die Wassermassen nicht unter Kontrolle gebracht werden. Die menschliche Kontrolle hatte ihre Grenzen erreicht, die Menschen konnten nichts mehr bewirken. Sie standen vor den Ruinen ihrer Häuser und resignierten. Ein gewaltiger Wasserstrom hatte ihnen ihr Hab und Gut genommen. Und sie hatten nichts dagegen tun können. Und wenn sie noch etwas tun wollten und noch nicht bereit waren aufzugeben, wurden sie von Feuerwehr und technischem Hilfswerk gezwungen, ihre Häuser zu verlassen.

Das brisante aktuelle Beispiel beschreibt genau das Problem, das diese Hausarbeit behandeln soll: Was ist Kontrolle, wie erfährt der Mensch sie und wie fasst er sie auf? Was passiert, wenn Menschen ihre Kontrolle verlieren? Warum werden manche Menschen schnell hilflos, andere dafür nicht?

Im ersten Abschnitt sollen zunächst Kontrolle, Unkontrollierbarkeit und Kontrollgrundbedürfnis definiert und die kognitiven Grundlagen dafür kurz erklärt werden. Darauf folgt ein Kapitel mit verschiedenen Aspekten zur Kontrollmeinung, der subjektiven Ansicht jedes Einzelnen über seine eigene Wirksamkeit.

Der zweite Teil hat den Kontrollverlust und die daraus entstehende Hilflosigkeit zum The- ma. Die Grundlage bildet die Theorie der erlernten Hilflosigkeit nach Seligman. Mir war jedoch wichtig, auch noch einige Ergänzungen zu dieser Theorie anzuführen, um zu zeigen, dass die ursprüngliche Idee unvollständig ist. Natürlich wird zur erlernten Hilf- losigkeit immer noch geforscht und eine Darstellung dieser Theorie kann kaum vollständig sein.

2.0 Hauptteil

2.1 Die Theorie der eigenen Wirksamkeit

2.1.1 Was ist Kontrolle?

In den ersten beiden Abschnitten beziehe ich mich hauptsächlich auf Ausführungen zur Kontrolle in Kap 1. 3 und 5 in der Grundlagenliteratur „Erfahrung der eigenen Wirksamkeit“ von August Flammer und auf Ausführungen Schwarzers zur Unkontrollierbarkeit. Danach werden kurz zwei Ansätze dargestellt, die erklären sollen, wieso der Mensch überhaupt kontrollieren will und wie er Kontrolle erlernt.

2.1.1.1 Der Begriff Kontrolle

Kontrolle ist laut Flammer „zielbezogen regulierte Wirkung“2. Man strebt ein bestimmtes Ziel an und reguliert seine Handlung so, dass man diesem Ziel möglichst nahe kommt. Man kann jedoch, laut Flammer, nie über alle denkbaren Ziele gleichviel Kontrolle haben, d.h. die Kontrolle ist immer bereichsspezifisch.

Laut Flammer lässt sich der Zustand der Handlungskontrolle eines Menschen in zwei Aspekte aufteilen: Man kann Kontrolle haben und Kontrolle ausüben. Er stellt für beide Formen einen Kriterienkatalog auf. Hat man Kontrolle, so kennt man das Ziel, das man anstreben will und den Weg, über den das Ziel zu erreichen ist. Man kann außerdem den Weg selbst gehen und weiß dies auch, macht aber nicht ständig Gebrauch davon. So habe ich z.B. Kontrolle über mein Fahrrad, auch wenn ich nicht ständig damit fahre.

Bei der aktuellen Ausübung von Kontrolle kommen zwei weitere Aspekte zu den bereits genannten hinzu. Das angestrebte Ziel muss man selbst auch als sein aktuelles Ziel akzep- tieren und den Weg, der einen zum Ziel führt, auch tatsächlich gehen. Kontrolle kann direkt und indirekt ausgeübt werden. Man kann einen Zielbereich selbst kontrollieren oder ihn durch andere Personen kontrollieren lassen. So kann der Chef einer großen Firma nie alle Geschäftsangelegenheiten selbst ausführen. Er gibt die Aufgaben an seine Mitarbeiter weiter, übt aber trotzdem indirekte Kontrolle auf die bestmögliche Erle- digung der Aufgaben aus, weil er ja versucht, jedem Mitarbeiter die Aufgabe zukommen zu lassen, die ihm am besten liegt und die er am besten erfüllen kann.

2.1.1.2 Unkontrollierbarkeit

In unserer Umwelt gibt es Situationen und Dinge, die sich von ihrer Natur aus nicht kontrollieren lassen. Kein Mensch kann z.B. das Wetter oder das Klima kontrollieren. Besteht also kein Zusammenhang zwischen einer Reaktion, die ein Individuum ausführt und der Konsequenz der Umwelt, so ist die Konsequenz unkontrollierbar. Nach Schwarzer braucht ein Individuum jedoch die Erfahrung einer „Mehrzahl von Nichtkontingenzen“3 um wirklich von der Unkontrollierbarkeit einer Sache überzeugt zu sein.

Er unterscheidet außerdem zwischen objektiver Unkontrollierbarkeit, welche vorliege, wenn die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Ereignisses unabhängig vom Verhalten der Person sei, und einer subjektiven Unkontrollierbarkeit, bei welcher eine Person nur glaube, dass es so sei.4

2.1.1.3 Das Kontrollgrundbedürfnis

Kontrolle ist für den Menschen lebenswichtig. Ohne Kontrolle kann kein Mensch existieren. Aufgrund dieser existentiellen Rolle kamen die Kontrollforscher sehr bald auf den Gedanken, der Mensch könne eine Art Kontrollgrundbedürfnis besitzen. Dieses Bedürfnis brauche der Mensch, um „den Kopf immer oben zu behalten“5 so Flammer. Nach ihm kann man annehmen, dass „Menschen spontan bereit sind, Aufwand zu erbringen, um Kontrolle zu erlangen, zu erhalten, zu erhöhen.6

Das Kontrollgrundbedürfnis sei angeboren, äußere sich immer in konkreten Zusammenhängen und beziehe sich immer auf konkrete Inhalte oder Ziele. Aus dem Kontrollgrundbedürfnis können nach Flammer aber etliche weitere Kontrollbedürfnisse entstehen, die sich jeweils in speziellen Situationen äußern, wie z.B. das Bedürfnis, Kontrolle über den Körper beim Turnen zu erlangen.

2.1.1.4 Die lerntheoretische Grundlage: Instrumentelles Konditionieren

Seligman sprach bei Kontrollvorgängen nicht über zielgerichtetes Verhalten sondern über willentliche Reaktionen eines Individuums im Gegensatz zu Reflexen, blinden Reaktionen, Instinkten oder Tropismen.7 Willentlich können nur Lebewesen reagieren, die fähig zur Veränderung sind, d.h. die durch Belohnung oder Bestrafung ihr Verhalten ändern können, so Seligman.

Die Lerntheorie, bei der durch Belohnung oder Bestrafung gelernt wird, nennt sich instrumentelle oder operante Konditionierung. Der Unterschied dieser Theorie im Gegensatz zu der des klassischen Konditionierens besteht nach Brunstein in der „Möglichkeit, das Auftreten von Ereignissen durch willentliche Reaktionen zu beeinflussen.“8 Dieses Bekräftigungslernen nannte auch Schwarzer als kognitive Grundlage des Kontrollverhaltens. Er sagt: „Folgt auf die Handlung einer Person ein bekräftigendes Ereignis, so wird diese Handlung kontrolliert.“9 Bekräftigung kann aus Lob, aus Anerkennung oder einfach nur aus einer guten Note bestehen. Somit erlernt der Mensch also, wenn er auf sein Handeln Bekräftigung erfährt, dass sein Handeln in Bezug zu den Konsequenzen des Handelns, steht, sprich er lernt, dass er etwas bewirken kann.

2.1.2 Aspekte der Kontrollmeinung

Nicht jeder Mensch hat immer gleich viel Kontrolle. Es kann passieren, dass man Kontrolle hat, ohne es zu wissen oder umgekehrt, dass man glaubt, Kontrolle zu haben, obwohl man objektiv gesehen aber keine hat. Diese Aspekte fließen in den von Flammer geprägten Begriff der Kontrollmeinung ein.

Die Kontrollmeinung ist zunächst einmal, wieviel Kontrolle sich ein Mensch selbst zuschreibt. Für Flammer teilt sie sich in zwei Bereiche auf. Das Kennen der adäquaten Wege zum erstrebten Ziel bezeichnet er als Kontingenzwissen und das Kennen der eigenen Kompetenzen als Kompetenzwissen. Da der Mensch aber nicht immer nur „weiß“, sondern gelegentlich auch irrt, wählt er die Begriffe Kontingenzmeinung und Kompetenzmeinung10, die den subjektiven Aspekt der Kontrollmeinung besser ausdrücken.

In diesem Kapitel soll zunächst gezeigt werden, wie man Kontrolle erfahren kann. In den weiteren Abschnitten soll auf einige Theorien und Aspekte zur Kontrollmeinung eingegangen werden. Außerdem werden jeweils kurz die Auswirkungen auf die Entstehung von Hilflosigkeit skizziert.

2.1.2.1 Die Erfahrung von Kontrolle

Um Wissen über die eigene Kontrolle erlangen zu können, muss der Mensch zunächst selbst Kontrolle erfahren. Diese Erfahrungen beginnen mit der Geburt und bis heute ist un- klar ab welchem Lebensjahr sie als eigene Wirksamkeit wahrgenommen werden. Die Kon- trollerfahrung kann auf drei verschiedene Arten eingeholt werden. Zunächst wird Kontrolle direkt erfahren, im alltäglichen Leben, wenn man z.B. mit dem Fahrrad einen Berg sicher herunter fahren kann, erfährt man Kontrolle über das Fahrrad.

Bestehen jedoch Zweifel über die eigenen Fähigkeiten, d.h. ist man sich unsicher, ob man wirklich imstande ist, den steilen Berg herunterzufahren, so „steigt das Bedürfnis nach Einholung sozialer Vergleichsinformation“11, so Schwarzer. Diese Art der Wirksamkeitserfahrung nennt man stellvertretend. Der Fahrradfahrer hat vielleicht einen Freund dabei, der ähnlich sicher auf dem Rad ist wie er und sagt sich somit, wenn der Freund den Berg heil hinunterkäme, dann könne er selbst das auch.

Für die erfolgreiche Erfahrung stellvertretender Kontrolle gibt es allerdings Bedingungen: „Der Mißerfolg (oder Erfolg) einer anderen Person muß beobachtet werden und diese Per- son muß der eigenen Person ähnlich erscheinen. Darüber hinaus dürfte eine weitere Be- dingung in dem Grad an vorangegangener direkter oder indirekter Erfahrung ähnlicher An- forderungssituationen liegen.“12 Schwarzer meint damit, dass Personen, die z.B. schon öf- ter an einem Berg mit dem Fahrrad ins Straucheln gekommen sind oder auch nur andere Leute dabei beobachtet haben, eher zu einer negativeren Einschätzung ihrer Fähigkeiten neigen als Personen, die bisher jeden Berg ohne Probleme mit dem Fahrrad hinunter- kamen.

Stellvertretende Kontrollerfahrung ermöglicht, das eigene Handeln zu überdenken und durch die Beobachtung des Verhaltens Anderer Rückschlüsse auf die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu ziehen. Stellvertretende Erfahrung stellt auch bei der Entstehung von Hilflosigkeit einen wichtigen Punkt dar. Unter Punkt 2.2 wird die Entstehung von Hilflosigkeit genauer erklärt. Hier ist allerdings schon zu sagen, dass auch die stellvertretende Erfahrung, d.h. die Beobachtung von Hilflosigkeitssymptomen bei anderen Personen, zu niedrigeren Erwartungen an die eigene Kompetenz bis hin zu Hilflosigkeit in bestimmten Situationen führen kann. Es ist jedoch anzuführen, dass direkte Erfahrung „vertrauenswürdiger und stabilisiernder als stellvertretende Erfahrung“13 ist.

Eine dritte Möglichkeit der Kontrollerfahrung ist die symbolische. Diese Art der Kontrollerfahrung wurde nur von Schwarzer beschrieben. Er versteht darunter „verbale Beeinflussungen, z.B. durch Mitteilungen oder Argumente“14.

[...]


1 Petermann, Nachwort zu: Seligman, Erlernte Hilflosigkeit, 1986, S. 210

2 Flammer, Erfahrung der eigenen Wirksamkeit, 1990, S. 22

3 Schwarzer, Stress, Angst und Handlungsregulation, 1993, S. 145

4 Vgl. Schwarzer, Stress, Angst und Handlungsregulation, 1993, 145

5 Flammer, Erfahrung der eigenen Wirksamkeit, 1990, S. 115

6 Flammer, Erfahrung der eigenen Wirksamkeit, 1990, S. 114

7 Vgl. Seligman, Erlernte Hilflosigkeit, 1983, S. 10

8 Brunstein, Hilflosigkeit, Depression und Handlungskontrolle, 1990, S. 8

9 Schwarzer, Stress, Angst und Handlungsregulation, 1993, S. 144

10 Flammer, Erfahrung der eigenen Wirksamkeit, 1990,S. 92

11 Schwarzer, Stress, Angst und Handlungsregulation, 1993, S. 163

12 Schwarzer, Stress, Angst und Handlungsregulation, 1993, S. 163

13 Schwarzer, Stress, Angst und Handlungsregulation, 1993, S. 165

14 Schwarzer, Stress, Angst und Handlungsregulation, 1993, S. 159

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Kontrolle und Hilflosigkeit
Hochschule
Pädagogische Hochschule Weingarten
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
16
Katalognummer
V37501
ISBN (eBook)
9783638368247
Dateigröße
379 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kontrolle, Hilflosigkeit
Arbeit zitieren
Kerstin Kloos (Autor:in), 2002, Kontrolle und Hilflosigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37501

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