Sport und nationale Identität. Begegnung im kollektiven Gedächtnis


Seminararbeit, 2017

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Konzepte
2.1. Nationale Identität
2.2. Sport

3. Der „Cricket Test“ - Formt Sport die nationale Identität oder nationale Identität den Sport?

4. Fallbeispiele
4.1. Deutschland: Das einende Moment?
4.2. Südafrika: Das trennende Moment?

5. Zusammenfassung, Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Immer mehr Deutsche entdecken ihre Liebe zur Nation und demonstrieren sie mit Fahnen und Farben. Bei Sportereignissen versichern sich die Massen auf Public-Viewing-Plätzen so ihrer gemeinschaftlichen Identität als deutsche Fans“, war in der Süddeutschen Zeitung zu lesen (Schulte von Drach 2015: Ohne Seitenangabe). Auch andernorts baut man auf Sport als Anker einer geforderten Einheit und nationalen Identität. Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika schrieb Sauerbrey in der „Welt“:

„Wenn diese Weltmeisterschaft gelingt … ist das eine Chance, die nationale Identität zu stärken. Gerade das erhoffen sich die Südafrikaner auch von der WM … Wenn die WM gut läuft, werden alle Südafrikaner stolz auf ihre Nation sein.“ (2009: Ohne Seitenangabe).

Und der deutsche Altbundeskanzler Gerhard Schröder behauptete in seiner Rede bei der Diskussion "Nation, Patriotismus, Demokratische Kultur“ im Jahr 2002: „Wenn die deutsche Nationalelf Fußball spielt, dann drücke ich den Deutschen nicht deshalb die Daumen, weil wir so ein wunderbares Grundgesetz haben“ (2002: Ohne Seitenangabe).

Aber warum tut er es dann? Wie und in welchen Bereichen kann sich Sport, eine spielerische und physische Aktivität mit kompetitiven Elementen (Blanchard 1995: 9), auf die nationale Identität auswirken? Wieso wird ihm sogar zugetraut, gespaltene Gesellschaften zu einen? Und - schafft Sport das? Oder machen sich vielleicht verschiedene andere Interessen, die Interessen einer Nation oder der Politik, den Sport, der hier nur eine geeignete Projektionsfläche für „politische und soziale Veränderungen und den Umgang mit der Nation“ bietet (Scheuble und Wehner 2006: 26), in Hinsicht auf nationale Identität zunutze? Diesen und weiteren Fragen versuche ich in der vorliegenden Arbeit nachzugehen, die im Rahmen des Seminars „Körper und Technik“ entstanden ist. Hierfür werde ich zunächst auf die beiden Konzepte eingehen, die für die Beantwortung meiner gestellten Fragen zentral sind und sowohl das Konzept des „Sport“ als auch das der „nationalen Identität“ näher erläutern und definieren. Darauf aufbauend werde ich im nächsten Schritt, theoretisch und auf einige ethnographische Fallbeispiele bezogen, die Frage untersuchen, ob Sport die nationale Identität oder nationale Identität den Sport formt und welche Konsequenzen sich hieraus ergeben können. An diese Konsequenzen anschließend analysiere ich in Kapitel 4 meine beiden zentralen Fallbeispiele - das Fallbeispiel Deutschland, in dem der Sport als integrativ und einend angesehen wird, und Südafrika, in dem Sport trennende Elemente enthält und Gruppen voneinander abgrenzt. Abschließend werde ich meine Ergebnisse zusammenfassen und versuchen, zu einem Fazit bezüglich meiner Fragestellung zu gelangen. Hierfür beziehe ich mich auf Quellen aus der Sportethnologie, vor allem zu nennen sind die Texte von Besnier und Brownell, Blanchard und Dyck. Des Weiteren dienen mir unter anderem Pfisters und Salazars Werke als Basis für meine Untersuchungen zur nationalen Identität. Bei der Betrachtung der ethnographischen Beispiele beziehe ich mich im Fall Südafrika hauptsächlich auf Anderson et al., Annas und Hyde-Clarke et al., während ich im Fall Deutschland etwa Krauss, Hermann und Basic heranziehe.

Um den Rahmen dieser Arbeit einzuhalten, werde ich auf einen weit gefassten historischen Abriss des Nationenbegriffs verzichten und verweise hier auf Kohn (1962). Zudem kann dem Aspekt der Globalisierung bezüglich der nationalen Identität und des Sport-Konzepts nicht der Platz eingeräumt werden, den er in einer weiterführenden Arbeit benötigen würde. Auch kann ich (vor allem im Fall Deutschlands) nur marginal auf die Integrations- und Rassismusdebatte eingehen, die besonders im Bereich des Fußballs stark öffentlichkeitsprägend ist und in einer weiterführenden Arbeit in jedem Fall genauer untersucht werden müsste. Dasselbe trifft auf Genderthemen zu. Da die Quellenlage sich hier ergiebiger zeigte, wird Fußball zudem unter den betrachteten Sportarten den größten Raum einnehmen.

Beginnen werde ich nun mit der näheren Definition des Konzepts der nationalen Identität.

2. Die Konzepte

2.1. Nationale Identität

Elwert definiert eine Nation als „gedachte Ordnung … die einen überzeitlichen Charakter beansprucht und auf einen vorhandenen oder erstrebten Staat hin orientiert ist“ (1998: 267). Die Mehrzahl der Mitglieder[1] einer solchen Gemeinschaft glaubt, dass gewisse Elemente sie in einer sozialen Struktur verbinden (Elwert 1998: 267). Ehre und Schande funktionieren als Garanten der Bindung an die Normen dieser großen Sozialordnung, sind aber nicht gleichzusetzen mit den Sanktionsmitteln einer auf persönlicher Bekanntschaft aufbauenden Gemeinschaft (Elwert 1998: 267), denn nationale Identität ist depersonalisiert (Salazar 1998: 120). Weiter werden Zugehörigkeitsvorstellungen häufig an eine ethnische Selbstdefinition geknüpft (Elwert 1998: 267). Ethnische oder kulturelle Homogenität gehört jedoch nicht zu den Bedingungen nationaler Kohäsion - „diese wird v.a. durch einen gemeinsamen Rechtsraum geschaffen“ (Elwert 1998: 267). Laut Dougherty werden nationale Grenzen jedoch hauptsächlich aufgrund von Verträgen und historischen Ereignissen geschaffen (2006: 18). Dennoch scheint es vielen unproblematisch von „dem Deutschen“ oder „dem Polen“ zu sprechen, was sowohl auf gewisse begründete Vorurteile hinweist als auch auf gewisse nationale und kulturelle Züge (Dougherty 2006: 18). Diese Art des „nationalen Charakters“ nennt Baumann „superethnos“ (1999: 32). Baumann behauptet in diesem Zusammenhang auch, dass, da sich die Mehrheit der Menschen ihre Nationalität nicht aussucht, ihnen nationale Identität als Frage der Geburt erscheint (1999: 39). Europäische Nationalgeschichten fokussieren generell oft den Ursprung, suchen nach den unveränderlichen Teilen der Welt und unterstreichen den ewigen Charakter ihrer Nationen (Hobsbawm, zit. n. Gottlob 1998: 535). Wandel wird als Erneuerung mythischer Anfänge oder eines „Goldenen Zeitalters“ gedeutet (Gottlob 1998: 535). In ehemaligen Kolonien ist dies laut Gottlob noch ausgeprägter: Der Kolonisierte kann sich bei von außen aufgedrängtem Wandel nur dann als historisch und gleichzeitig „er selbst“ sehen, wenn er eine ihm seit jeher gegebene Dynamik voraussetzt (1998: 535).

Salazar sieht daran anknüpfend nationale Identität als Variante der sozialen Identität, die den wohl dramatischsten Einfluss auf die Geschichte hat (1998: 114). Er hält diese Art der Identität rund um den Globus für erneut auf dem Vormarsch (Salazar 1998: 114). Globalisierung hat für ihn also eher zum Erstarken nationaler Identitäten beigetragen als ein globales Dorf oder Kosmopoliten geschaffen (Salazar 1998: 114). Nationale Identität basiert laut Salazar dabei auf vier Elementen: auf Territorialität, einer gemeinsamen Kultur (etwa: gemeinsame Erfahrungen und Werte, Sprache, materielle Kultur) einem historischen Gemeinschaftsgedächtnis (etwa gemeinsame Mythen) und einem Nationalstaat, wobei durchaus auch staatenlose nationale Identität existiert, etwa im Falle der Kurden, ebenso eine Art „Supranationalismus“, etwa im Falle Lateinamerikas (1998: 116). Salazar schlägt vor, nationale Identität mithilfe der „identity theory approach“ zu analysieren, deren drei Grundelemente (eine intern und extern akzeptiere Kategorie, die Identifikation mit ihr und der soziale Vergleich) zeigen, dass nationale Identität auf der einen Seite machtvoll in Bezug auf politische Staaten ist (1998: 119-120) und dass auf der anderen Seite aber auch verschiedene, teils hierarchisch oder austauschbar angeordnete „nation-related identities“ auf regionaler, staatlicher oder supranationaler Ebene bestehen, die politisch reguliert und manipuliert werden können (Salazar 1998: 121-122).

Nachdem ich versucht habe, dass Konzept der nationalen Identität so prägnant wie möglich zu umreißen, wende ich mich nun dem Konzept des Sports zu.

2.2. Sport

In der Ethnologie herrscht noch immer Uneinigkeit über eine verbindliche Sportdefinition (Besnier und Brownell 2012: 448; Blanchard 2000: 150). Nichtsdestotrotz leistete etwa Blanchard einige wichtige Beiträge zum Verständnis des Konzepts. Einen davon habe ich bereits einleitend erwähnt (Vgl. Kap. 1). Blanchard beschreibt Sport weiter unter anderem als „play, not-play, work or leisure“ (2000: 149). Sport trägt laut ihm Züge eines Rituals in sich, ist jedoch eher wie ein Ritual als „window on culture“ zu betrachten, als Vehikel für Manifestationen von Normen und Werten, die für die Kultur der Gesellschaft fundamental sind, in der der Sport ausgeführt wird (Blanchard 2000: 149). Eine andere, sehr viel weiter gefasste Definition stammt von Dyck, der Sport als Feld komplex angeordneter Aktivitäten, Beziehungen, „beliefs“ und Zweckmäßigkeiten beschreibt, die sich um kompetitive Performanzen mit physischen, sozialen und kulturellen Elementen drehen (2000: 13). Dabei variieren diese Aktivitäten in Raum- und Zeitspannen, die Wettbewerbselemente erfordern mal mehr, mal weniger körperliche Teilnahme und ziehen in der Regel mehr oder weniger viele Zuschauer an, die aus der Nähe oder der Distanz zuschauen und Sport als Ereignis interpretieren und zelebrieren (Dyck 2000: 13). Die Bedeutung dieser Ereignisse geht über sich selbst hinaus und weist unter anderem auf Macht-, Identitäts-, Wirtschafts-, Politik-, und Nationalstrukturen hin (Dyck 2000: 13). Turner beschrieb Sport mit einem sportethnologisch noch heute wichtigen Ansatz als eines der modernen „performance genres“ neben Theater, Kunst und Musik (Besnier und Brownell 2012: 445).

Mittlerweile hat die Empirie gezeigt, dass „westliche“ Sportarten und ihre Techniken und Ziele überall auf der Welt neben anderen lokalen, „traditionellen“ Sportaktivitäten zu finden sind (Besnier und Brownell 2012: 448). Doch nach wie vor ist eine einheitliche Definition, was als Sport gilt und was nicht, nur von Fall zu Fall möglich: Ist Bodybuilding ein Sport oder Narzissmus (Besnier und Brownell 2012: 448)? Ist Tanz Kunst oder Sport (Besnier und Brownell 2012: 448)? Und was ist mit Fuchsjagden oder Hahnenkämpfen (Besnier und Brownell 2012: 448)?

Neuere sportethnologische Theorien wie die Bourdieus entwerfen eher ein trennendes als ein integratives Bild der Sportkultur (Besnier und Brownell 2012: 449). Bourdieu behauptet gemäß seines Habitus-Konzepts, dass Sport dem Körper die soziale Klasse einschreibt; Freizeitaktivitäten sind also strukturell und keine Frage des persönlichen Geschmacks (zit. n. Besnier und Brownell 2012: 449). So drückt etwa Boxen seiner Meinung nach die instrumentalische Beziehung zum Körper aus, die die Arbeiterklasse in allen Körperpraktiken an den Tag legt (zit. n. Besnier und Brownell 2012: 449). Dieser Ansatz lässt sich empirisch nicht halten (Besnier und Brownell 2012: 449). Weiterhin forciert Sport nicht nur Klassenunterschiede, sondern auch andere Formen der Ungleichheit, indem er etwa dazu dient das Sex-/Gender-System aufrecht zu erhalten oder ethnische Minderheiten auszuschließen (Besnier und Brownell 2012: 449-450; vgl. auch Kap. 4). Sport kann jedoch auch Widerstandsdynamiken einer Gruppe unterstützen (Besnier und Brownell 2012: 450). Besnier und Brownell ersetzen das Habitus-Konzept bei der ethnologischen Betrachtung von Sport aus diesen Gründen durch das Konzept der „body culture“, da dieses die Verkörperung und Internalisierung von Kultur ihrer Meinung nach besser reflektiert (Besnier und Brownell 2012: 450). Denn: „Reconceptualizing the body as a cultural construction … opens up a space for examining how sport creates connections between peoples at the same time that it strengthens local and national identities.“ (Besnier und Brownell 2012: 454). Weitere aktuelle Ansätze betonen Sport als kulturelle Performanz am Beispiel von sportlichen Großereignissen wie den Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften (Besnier und Brownell 2012: 450-451) und erforschen Athleten als transnationale Akteure (Besnier und Brownell 2012: 451-452). An diese letztgenannten Ansätze anschließend, insbesondere an die Frage, inwiefern Sport Menschen verbindet und zugleich nationale Identitäten stärkt, wende ich mich nun dem nächsten Kapitel zu und analysiere, auf welche Weise und in welchen Bereichen sich Sport auf die nationale Identität auswirken kann bzw. wie sich verschiedene Interessen den Sport in Hinsicht auf nationale Identität zunutze machen.

3. Der „Cricket Test“ - Formt Sport die nationale Identität oder nationale Identität den Sport?

Bei Rugbyspielen zwischen Australien und Neuseeland kommt es für die in Australien lebenden Maori häufig zu moralischen Konflikten darüber, wen es zu unterstützen gilt - ein konservativer australischer Politiker ließ in diesem Zusammenhang verlauten, dass einige Maori hier noch nicht den „cricket test“ bestanden hätten, ein geflügeltes Wort der Engländer, das aufkam, wenn Inder oder Pakistanis immer noch ihre lokalen asiatischen Mannschaften unterstützten, obwohl sie eigentlich die britische Staatsbürgerschaft beanspruchten (Bergin 2002: 265-266). Der „cricket test“ ist ein Beispiel dafür, dass Sport und nationale Identität in alltäglichen Lebenswelten auf das Engste miteinander verbunden sind.

Bereits die antiken römischen Spiele dienten nach Hamayon der sozialen Konsensbildung (2016: 21). Hamayon zeigt, dass Sport sich im „highest collective level“ hauptsächlich in physischer Form ausdrückt und ein starkes Engagement des gesamten Körpers erfordert (Hamayon 2016: 300-301). Auf diese Weise unterstützt Sport weltweit lokale und nationale Identitätsbildung (Hamayon 2016: 301). Diese Unterstützung der nationalen Identität lässt sich mit der Internationalität und Chancengleichheit des Sports erklären, sowie dadurch, dass Regeln und Sprache desselben überall verstanden und akzeptiert werden (Kaschuba, zit. n. Pfister 2002: 50). Sport produziert Gewinner und Verlierer und stärkt und symbolisiert so nationale Identität - deshalb ist Sport eine Bühne nationaler Repräsentationen, er bzw. Sportarten oder Mannschaften verkörpern eine Nation und machen so, in ein internationales Geflecht eingebunden, Vergleiche erst möglich (Kaschuba, zit. n. Pfister 2002: 50). Zudem ist Sport physisch, ruft unter anderem dadurch Emotionen hervor und kann so zur Glorifizierung von Nationen genutzt werden (Kaschuba, zit. n. Pfister 2002: 50-51). Der internationale Sport bezieht einen Großteil seiner Spannung aus der Auseinandersetzung zwischen Nationen; er basiert auf nationalen Konfrontationen, „die politischen und ökonomischen Intentionen zum Teil zuarbeiten, diese aber oft in einem Maß übersteigern, dass sie ihnen sogar gefährlich werden können“ (Marschik 2002: 74). So wurde etwa die multiethnische französische Fußballnationalmannschaft zunächst medial und politisch zu einem integrativen Erfolgsmodell stilisiert, als sie im internationalen Vergleich jedoch einige Niederlagen zu verzeichnen hatte, wendete sich das Blatt wieder und führte zu einem ethnozentristischen Bild zurück (Diagne 2012: 130).

Pfister behauptet: „Die gleichen Aktivitäten und Praktiken können unterschiedliche nationale Traditionen und Werte symbolisieren und so deutschen, französischen oder britischen Nationalismus verkörpern“ (2002: 51). Diese Ausprägungen werde ich versuchen am Beispiel des Fußballs zu erläutern. Die „Heimat“ des Fußballs befindet sich in England (Pfister 2002: 38). Dessen Faszination für Wetten und Partizipation am Sport, die sich aus der wenig scharfen Abgrenzung von Adel und Bürgertum ergab, machten Sportarten mit einer gewissen Reglementierung und Standardisierung notwendig (Pfister 2002: 38). Auch die frühe Industrialisierung und in Schulen propagierte Idealbilder wie das der „muscular Christianity“ begünstigten die Entstehung und den Siegeszug des Fußballs in England und danach durch britische Seeleute, Soldaten und Unternehmer als „Exportschlager“ nahezu weltweit (Pfister 2002: 38; 40; 47). Dennoch hat Fußball in jedem Land seine eigene Geschichte und kulturellen Unterschiede (Pfister 2002: 49). Verschiedene Gruppen haben den Sport aktiv aufgegriffen, sich ihn angeeignet und sogar gegen England als „Waffe“ eingesetzt (Pfister 2002: 49) - etwa in einigen afrikanischen Ländern, in die Fußball durch die Kolonialmächte eingeführt und dort von allen gesellschaftlichen Schichten begeistert aufgenommen wurde, aber zugleich mit dem dortigen Kampf um Nationenbildung und Unabhängigkeit verbunden ist (Stuart 1995: 37). Heute wird Fußball hier als inoffizielle Messlatte des Fortschritts bei interafrikanischen und internationalen Spielen betrachtet - Versagen im Fußball wird auch als politisches Versagen wahrgenommen (Stuart 1995: 37, 38; Vidacs 2006: 338 ff.). Im lateinamerikanischen Fußball sind es einzelne Akteure, Talente aus den „unteren“ gesellschaftlichen Schichten zumeist, die zu Nationalhelden avancieren und so implizit Autoritäten und Strukturen in Frage stellen (Biriotti del Burgo 1995: 65) - hier wird Fußball zum „carnival of resistance“ (Kuper, zit. n. Biriotti del Burgo 1995: 65). Gewisse Spieltechniken werden des Weiteren bestimmten Nationen zugeschrieben, über die diese sich zum Teil selbst definieren: So ist der italienische Fußball für ein ausgeklügeltes Abwehrsystem, das mit einem Hang zur Dramatik und einer theatralischen Spielweise einhergeht, bekannt („Il gioco all’ Italiana“), während man die Spanier für schnelle und offensive Spieler hält („Futbol da muerte“) - in beiden Ländern spielen diese Begriffe, wie der Fußball selbst, eine wichtige Rolle (Lanfranchi und Wagg 1995: 134). Auch die beinahe völlige Abwesenheit von Fußball kann Ausdruck nationaler Identität in Abgrenzung zu einer anderen sein - etwa im Fall der USA, die sich durch die Etablierung eigener Sportarten von Europa abgrenzen wollten (van Bottenburg 1991: 8).

[...]


[1] Auf eine Genderdifferenzierung verzichte ich in dieser Arbeit, wo sie der Inhalt nicht explizit erfordert, der Einfachheit halber.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Sport und nationale Identität. Begegnung im kollektiven Gedächtnis
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Ethnologie)
Veranstaltung
MA Seminar Körper und Technik
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
25
Katalognummer
V375033
ISBN (eBook)
9783668542259
ISBN (Buch)
9783668542266
Dateigröße
609 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sport, Nationale Identität, Fußball
Arbeit zitieren
Katharina Wilhelm (Autor:in), 2017, Sport und nationale Identität. Begegnung im kollektiven Gedächtnis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375033

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