Inklusion und Sport. Umsetzungsmöglichkeiten im Sportunterricht


Bachelorarbeit, 2015

44 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Vorbemerkung

1 Einleitung

2 Definitionen der Begrifflichkeiten
2.1 Behinderung
2.1.1 „Behinderung“ oder „Das alte Verständnis von Behinderung“
2.1.2 „Mensch mit Behinderung“ oder „Das neue Verständnis von Behinderung“
2.1.3 Sonderpädagogische Förderbereiche
2.2 Integration
2.3 Inklusion
2.4 Gegenüberstellung von Integration und Inklusion

3 Historische Entwicklung
3.1 Vom Versehrtensport bis zu den Paralympics
3.2 Von der Separation zur Inklusion
3.3 Bildung und Sport im Fokus der UN-Behindertenrechtskonvention

4 Umsetzungsmöglichkeiten eines inklusiven Sportunterrichts
4.1 Inklusiver Sportunterricht unter den Bedingungen des Rahmenlehrplans Berlin-Brandenburg
4.1.1 Kompetenzen
4.1.2 Leistungsbeurteilung
4.2 Zentrale Prinzipien für einen inklusiven Sportunterricht
4.2.1 Individualisierung
4.2.2 Binnendifferenzierung
4.2.3 Kooperatives Lernen
4.3 Mögliche Leistungsbeurteilungen im inklusiven Sportunterricht
4.3.1 Individuelle Bezugsnorm
4.3.2 Bewertung sozialen Lernens

5 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Bio-psycho-soziales Modell der ICF

Abb. 2: Prozentualer Anteil der SuS mit einem sonderpädagogischem Förderbedarf nach Förderschwerpunkten

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Gegenüberstellung signifikanter Merkmale der Integration und Inklusion 13

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorbemerkung

Herrn Professor Dr. Hanke danke ich für die Überlassung des interessanten Themas, für seine wissenschaftliche Beratung und Förderung, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.

Frau Professor Dr. Schmitt danke ich ebenfalls für das Vornehmen der Zweitkorrektur dieser Bachelorarbeit.

1 Einleitung

Die ca. 9,6 Millionen Menschen mit Behinderungen in Deutschland haben in der Vergangenheit wahrscheinlich noch nie soviel Aufmerksamkeit erfahren wie in den letzten Jahren im Zusammenhang der Inklusion. Insbesondere durch Deutschlands Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Jahr 2008, sind Menschen mit Behinderungen in den Fokus des politischen und gesellschaftlichen Interesses gerückt.

Mit dieser Ratifizierung hat sich die Bundesregierung für die nächsten Jahre allerdings einiges vorgenommenen. Sie verpflichtet sich damit, die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen für Menschen mit Behinderungen zu verbessern und für eine größere Akzeptanz zu sorgen. Menschen mit Behinderungen sehen sich jedoch immer noch viel zu häufig mit inneren (Vorurteile, Diskriminierung und Aussonderung) und äußeren (technische und bauliche) Barrieren konfrontiert. Zielsetzung der Inklusion ist es, die Heterogenität der Gesellschaft zu normalisieren und Bedingungen für eine gleichberechtigte Teilhabe aller Individuen zu erreichen.

Dies gilt auch für das deutsche Bildungssystem. Inklusive Bildung ist ein wichtiger Bestandteil der gesellschaftlichen Einbindung von Menschen mit Behinderungen. Zudem ist es von nun an geltendes Recht, dass alle Schülerinnen und Schüler (SuS) gemeinsam unterrichtet werden. Inklusion wird also einiges verändern. Denn auch wenn die Anzahl der SuS mit einem Förderbedarf, die an allgemeinen Schulen unterrichtet werden, immer mehr zugenommen hat, überwiegt im deutschen Schulsystem immer noch das Prinzip der Separation.

Mit der Einschulung beginnt für alle SuS ein wichtiger Lebensabschnitt. Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz im Jahr 2010 belegen allerdings, dass etwa 3% der SuS ihre Schullaufbahn auf einer Förder- oder Sonderschule beginnen. Bei vielen anderen stellen Lehrer oder Behörden erst während der Grundschulzeit einen Förderbedarf fest und verweisen diese auf entsprechende Schulen, sodass nach und nach immer weniger SuS mit einem Förderbedarf gemeinsam mit SuS ohne einen Förderbedarf unterrichtet werden. Nur 36% der SuS mit einem Förderbedarf, welche in die Grundschule eingeschult wurden, beenden diese auch. Bei dem Wechsel der SuS von der Grundschule auf eine weiterführende Schule halbiert sich die Anzahl von Förderkindern, sodass nur noch 18% von ihnen auf den weiterführenden Schulen vertreten sind (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland [KMK], 2010).

Bis sich das deutsche Schulsystem dahingehend verändert hat, dass es sich wirklich inklusiv nennen darf und bis die deutschen Schulen ihre äußeren Barrieren gegenüber SuS mit Behinderungen beseitigt haben, werden noch mehrere Jahre vergehen. Auch die klassischen fachdidaktischen Konzepte werden überdacht und umgestaltet werden müssen, um einen inklusiven Unterricht zu ermöglichen und den sehr heterogenen Lerngruppen gerecht zu werden.

Doch wie lässt sich ein Unterricht inszenieren, in dem alle SuS ihr individuelles Bildungspotenzial bestmöglich entfalten können? Pfitzner und Neuber (2012) bestätigen, dass entsprechende fachdidaktische Konzepte weitestgehend fehlen und dass es diese noch zu entwickeln und auszubauen gilt (vgl. Pfitzner & Neuber, 2012, S. 75).

Aber auch wenn unserem Schulsystem eine grundlegende Veränderung bevorsteht, bedeutet dies nicht, dass alle bisher verwendeten Gestaltungsmöglichkeiten eines guten Fachunterrichts verworfen werden müssen. Diese Arbeit widmet sich der Aufgabe, einige didaktische Umsetzungsmöglichkeiten eines inklusiven Unterrichts explizit im Fach „Sport“ aufzuführen.

Für die vorliegende Analyse ist die nähere Betrachtung der Termini „Behinderung“, „Integration“ und „Inklusion“ von grundlegender Bedeutung. Diese Begriffe werden zuerst definiert und danach unter Verwendung der Fachliteratur inhaltlich erläutert. Um den historischen Kontext der Inklusion im Sinnzusammenhang „Sport“ abzudecken, wird zunächst die Geschichte des Behindertensports dargestellt. Danach wird auf den Entwicklungsprozess der schulisch-pädagogischen Separation, bis hin zur schulisch-pädagogischen Inklusion von Menschen mit Behinderungen eingegangen um daraufhin die Thematik von „Bildung und Sport im Fokus der UN-BRK“ aufzugreifen. Im Hauptteil werden schließlich unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten eines inklusiven Sportunterrichts aufgeführt, welche in Bezug auf den exemplarisch aufgeführten Rahmenlehrplan Berlin-Brandenburg ihre Legitimation erhalten.

Die Fragestellung dieser Arbeit lautet also:

Welche fachdidaktischen Umsetzungsmöglichkeiten eines inklusiven Sportunterrichts bestehen bereits und bieten sich im Zusammenhang sehr heterogener Lerngruppen an?

2 Definitionen der Begrifflichkeiten

Für die vorliegende Analyse ist die nähere Betrachtung der Termini „Behinderung“, „Integration“ und „Inklusion“ von grundlegender Bedeutung. Zunächst wird der Begriff „Behinderung“ definiert und daraufhin unter Verwendung der Fachliteratur inhaltlich erläutert. Dieser Abschnitt der Arbeit wird durch die Aufführung der Formen von Behinderung ergänzt. Die Begriffe „Integration“ und „Inklusion“ werden im Anschluss ebenfalls definiert und unter Verwendung der Fachliteratur inhaltlich erklärt. In einer darauf folgenden Gegenüberstellung werden die beiden Termini voneinander abgegrenzt.

2.1 Behinderung

In den letzten 35 Jahren hat sich die grundsätzliche Denkweise in Bezug auf den Begriff „Behinderung“ stark verändert (vgl. Schmidt, 2012, S. 260 f.). Um der historischen und kontextualen Vollständigkeit nachzukommen, werden an dieser Stelle aufgrund eines Paradigmenwechsels zwei Definitionen des Begriffs „Behinderung“ bzw. „Mensch mit Behinderung“ aufgeführt.

2.1.1 „Behinderung“ oder „Das alte Verständnis von Behinderung“

Die Brockhaus Enzyklopädie von 2006 gibt an, dass es nicht möglich sei, eine allgemeingültige und wissenschaftlich fundierte Begriffsbestimmung des Terminus „Behinderung“ vorzunehmen. Die verschiedenen politischen, historischen, kulturellen, sozialen und medizinischen Zusammenhänge, welche den Begriff auf unterschiedliche Weise betrachten und definieren, stellen hier eine Begründung dar (vgl. Brockhaus, 2006, S. 497).

Allerdings versuchte sich bereits 1980 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) daran, eine solche Definitionen zu erstellen, welche in der von ihr veröffentlichten „International Classification of Impairments, Disabilities, Handicaps“ (ICIDH) aufgewiesen wurde. Die Behinderung eines Menschen wurde hier als eine „physiologische und/oder anatomische Schädigung (Impairment), bezogen auf Normwerte vergleichbarer Individuen definiert, die zu Funktionsbeeinträchtigungen bzw. Aktivitätsbehinderungen (Disabilities) führt, die für die Betroffenen Benachteiligungen (Handicaps) in sozialer Interaktion zur Folge haben (Weltgesundheitsorganisation [WHO], 1980).“

Schmidt (2012) weist darauf hin, dass diese primär defizitorientierte und an Normwerten orientierte Definition den Menschen an sich in den Hintergrund und seine Beeinträchtigungen in den Vordergrund stellt. Für diese Menschen, welche in ihren Fähigkeiten eingeschränkt sind, sollen sich aus dieser Situation heraus zwangsläufig gesellschaftliche Benachteiligungen ergeben (vgl. Schmidt, 2012, S. 260 f.). Dieses Verständnis von Behinderung ist mittlerweile veraltet.

2.1.2 „Mensch mit Behinderung“ oder „Das neue Verständnis von Behinderung“

Eine neue Sichtweise auf den Begriff „Behinderung“ wird in der Nachfolgeklassifikation der ICIDH, der „International Classification of Function, Disability, and Health“ (ICF) veröffentlicht (vgl. [WHO], 2001).

Nach Schmidt (2012) wird Behinderung hier einerseits als Resultat einer negativen Wechselbeziehung zwischen einem Individuum und einem Gesundheitsproblem betrachtet und andererseits als Resultat bestimmter Kontextfaktoren auf die Funktionsfähigkeit des Individuums (vgl. Schmidt, 2012, S. 261).

Das folgende Modell der ICF veranschaulicht die Wechselbeziehungen zwischen den Komponenten ihrer Definition von Behinderung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 : Bio-psycho-soziales Modell der ICF (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation [BAR], 2008, S. 11)

Die UN-BRK definiert den Terminus in weitgehender Übereinstimmung mit der ICF (vgl. Schmidt, 2012, S. 261). Der Begriff “Mensch mit Behinderung” löst die Bezeichnung „Behinderung“ allerdings ab und stellt nun den Menschen in den Vordergrund.

Im der UN-BRK wird in Artikel 1 folgende Definition aufgeführt:

Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können (Bundesministerium der Justiz [BMJV], 2008, S. 1419).

Schmidt (2012) vermerkt, dass Behinderung nicht primär als das Defizit eines Individuums verstanden wird, sondern in erster Linie als ein gesellschaftliches Phänomen. Ein Mensch ist zwar behindert, wird aber hauptsächlich durch die Barrieren in den Köpfen der Gesellschaft und durch Barrieren in seiner Umwelt behindert. Der Mensch mit einer Behinderung wird hier nicht mehr auf seine Behinderung reduziert und als Abweichungen der menschlichen Norm betrachtet, sondern als gleichwertiges Mitglied unserer vielfältigen Gesellschaft (vgl. Schmidt, 2012, S. 261). Diese Denkweise entspricht dem modernen Inklusionsgedanken.

2.1.3 Sonderpädagogische Förderbereiche

Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz belegen, dass in Deutschland im Jahr 2010 ca. 455.300 SuS mit einer Behinderung, also einem sonderpädagogischem Förderbedarf, in Förderschulen und in den allgemeinen Schulen unterrichtet wurden. Dies ergab eine Gesamtförderquote von 6,2% in Relation aller SuS. Von diesen SuS hatten rund 202.200 (41,6%) einen Förderbedarf im Bereich „Lernen“. Hier liegt eindeutig der Schwerpunkt im Förderbedarf. Die anderen ca. 253.100 (58,4%) SuS wiesen einen Förderbedarf in den Bereichen „geistige Entwicklung“, „emotionale und soziale Entwicklung“, „Sprache“, „körperliche und motorische Entwicklung“, „hören“ und „sehen“ auf (vgl. KMK, 2010, S.13).

Das folgende Diagramm zeigt die prozentualen Anteile der förderbedürftigen SuS im Jahr 2010:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Prozentualer Anteil der SuS mit einem sonderpädagogischem Förderbedarf nach Förderschwerpunkten (vgl. KMK, 2010, S.13)

Nachfolgend wird auf mögliche Beeinträchtigungsformen und deren Symptome eingegangen. Sportliche Empfehlungen und geeignete Belastungsformen für die Förderbereiche „Lernen“, „geistige Entwicklung“, „emotionale und soziale Entwicklung“, „Sprache“, „körperliche und motorische Entwicklung“, werden ebenfalls aufgeführt. Die Bereiche „Hören“ und „Sehen“ werden hier nicht erläutert, da angenommen wird, dass diese SuS nicht in allgemeinen Schulen, sondern in speziellen Einrichtungen unterrichtet werden.

Förderbereich „Lernen“: Lernbehinderung ist ein breiter Begriff für eine Gruppe von Menschen, welche vielfache Möglichkeiten von Störungen aufweisen können. Oftmals sind diese Störungen auf eine Dysfunktion des Zentralen Nervensystems zurückzuführen. Diese Störungen können Entwicklungsverzögerungen und/oder Beeinträchtigungen in den folgenden Schwerpunkte verursachen: Konzentration und Gedächtnis, Wahrnehmung, Leistung, psychomotorische Koordination, logisches Denken, Kommunikation, Schreiben, Rechtschreibung, Lesen, Rechnen, emotionale Reife und soziale Kompetenz. Symptome und Beeinträchtigungen können ebenfalls Probleme in der Feinmotorik und Koordination, Defizite in der motorischen Entwicklung und Auffälligkeiten in der Wahrnehmung sein (vgl. Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Bayern e.V. [BVS], 2013, S.32 f.).

Sportempfehlungen und geeignete Belastungsformen sind allgemeine Spielformen und Bewegungsspiele, sowie der Umgang mit Materialien und Geräten, die dem motorischen Entwicklungstand angemessen sind (vgl. BVS, 2013, S.32 f.).

Förderbereich „geistige Entwicklung“. Für den Förderbereich „geistige Entwicklung“ gibt es keine allgemeingültige Definition. Menschen mit einer geistigen Behinderung weisen oftmals psychische Störungen, vielfältige funktionelle Einschränkungen und soziale Beeinträchtigungen auf, welche aus unterschiedlichen Gründen entstanden sein können. Aus diesem Grund sind auch die Symptome und Beeinträchtigungen bei Menschen mit einer geistigen Behinderung sehr unterschiedlich ausgeprägt. In den meisten Fällen besteht zusätzlich eine Mehrfachbehinderung, welche häufig eine körperliche Behinderung, psychische Störung, soziale Beeinträchtigungen oder eine Sinneserkrankung beinhaltet (vgl. BVS, 2013, S.22 f.).

Sportempfehlungen und geeignete Belastungsformen sind sämtliche Sportarten und -spiele. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass eine passende Differenzierung angeboten wird (vgl. BVS, 2013, S.22 f.).

Förderbereich „emotionale und soziale Entwicklung: Emotionale und soziale Entwicklungsstörungen stellen häufig Kontakt-, Kommunikations- und Interaktionsstörungen, Angstformen und Formen von Aggressivität als Persönlichkeitsstörung dar. Ursächlich dafür können chronische Erkrankungen, Störungen der Drüsenfunktionen, familiäre und soziale Aspekte, organische Defekte, eine angeborene Behinderung und Abweichungen von Anzahl und Struktur der Chromosomen sein. Symptome und Beeinträchtigungen äußern sich häufig durch eine geringe Konzentrationsfähigkeit und Frustrationstoleranz, aggressives Verhalten, ein negatives Selbstwertgefühl, Labilität und durch Schwierigkeiten des Menschen, die Umwelt adäquat wahrzunehmen und auf dies entsprechend zu reagieren (vgl. BVS, 2013, S.50 f.).

Als Sportempfehlungen und geeignete Belastungsformen werden offene Bewegungsangebote, vielfältige Bewegungsräume, die Wechselwirkung von Anspannung und Entspannung und das Stärken des Selbstbewusstseins durch Erfolgserlebnisse ausgesprochen (vgl. BVS, 2013, S.50 f.).

Förderbereich „Sprache“: SuS aus dem Förderbereich Sprache haben Beeinträchtigungen im Bereich ihrer kommunikativen Handlungsmöglichkeiten und kommunizieren teilweise nonverbal oder verwenden unterstützende Kommunikationsmöglichkeiten, wie etwa Gebärdensprache, visuelle (z.B. Symbolkarten und Fotos) oder elektronische (z.B. Talker, Step by Step, Big Point und AnyBook Vorlesestift) Kommunikationshilfen. Für diese SuS ist eine eindeutige Kommunikation von zentraler Bedeutung, um das Sprachverstehen und eine Sprachanwendung zu ermöglichen (vgl. KMK, 2010, S. 124).

Sportempfehlungen und geeignete Belastungsformen sind sämtliche Sportarten und Bewegungsspiele.

Förderbereich „körperliche und motorische Entwicklung“: SuS mit dem Förderschwerpunkt im Bereich der körperlichen und motorischen Entwicklung haben meistens erhebliche Beeinträchtigungen im Bereich ihrer Bewegungsmöglichkeit sowie Probleme mit den Steuerungs- und Funktionsprozessen ihrer Körperhaltung. Zurückzuführen ist dieses auf Störungen der Neuro-, Senso-, Psycho- und/oder Soziomotorik (vgl. BVS, 2013, S. 37 f.). SuS mit diesem Förderschwerpunkt sollten ausreichende Hilfestellungen gegeben werden, um ihre Handlungsmöglichkeiten zu verbessern. Sie sollten befähigt werden bestimmte Hilfsmittel zu benutzen, welche die Erlebnis- und Wahrnehmungsfähigkeit steigern und sie bestenfalls befähigen den Alltag selbstständig zu bewältigen (vgl. KMK, 2010, S. 126).

Als Sportempfehlungen und geeignete Belastungsformen können hier allgemeine Bewegungsspiele genannt werden, welche zu einer realistischen Selbsteinschätzung und dem Aufbau sozialer Beziehungen, sowie der Stärkung des Selbstbewusstseins führen und die psychomotorische Koordination fördern (vgl. KMK, 2010, S. 126).

Abschließend bleibt festzuhalten, dass es eine große Anzahl von vielfältigen Behinderungsarten gibt, wobei jede einzelne wiederum unterschiedlich ausgeprägt ist.

2.2 Integration

Der Begriff „Integration“ ist längst kein reiner Begriff der deutschen Fachsprache mehr, sondern schon seit mehreren Jahrzehnten ein fester Bestandteil unserer Alltagssprache.

Wird dieser Begriff im spezifischen Kontext „Menschen mit Behinderungen“ und „Sport“ angewandt, so kann nach Speck (2010) davon ausgegangen werden, dass Integration in diesem Sinnzusammenhang darauf abzielt, „die institutionelle Separation behinderter Menschen abzubauen und sie möglichst in Institutionen und Vereine der Allgemeinheit einzugliedern. Sondereinrichtungen für Menschen mit Behinderung sollen dabei abgebaut werden (Speck, 2010, S. 31).“

Hüppe (2012) weist allerdings darauf hin, dass das was sich zunächst sehr positiv anhört, aber unter genauerer Betrachtung folgendermaßen verstanden werden darf: Eine Minderheitengruppe (Menschen mit Behinderungen) wird von einer größeren Gruppe (Menschen ohne Behinderungen) aufgenommen, unter der Bedingung, dass sich die Minderheitengruppe den Rahmenbedingungen der größeren Gruppe anzupassen hat. Daraus, dass aber hingegen die Mitglieder der größeren Gruppe nichts an ihrem Verhalten ändern müssen, wird deutlich, dass die Minderheitengruppe zwar toleriert, aber nicht wirklich in das gesellschaftliche Geschehen miteinbezogen und im großen Maße fremdbestimmt wird (vgl. Hüppe, 2012, S. 92).

Menschen mit Behinderungen können im Sinne der Integration in reguläre Sportvereine eintreten oder am Sportunterricht gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen teilnehmen. Allerdings orientierten sich die eben genannten Institutionen des Sports nicht an den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen. Menschen mit einer Behinderung haben sich an die gegebenen Strukturen dieser Einrichtungen anzupassen.

2.3 Inklusion

Der Begriff Inklusion, welcher noch nicht in den deutschen, allgemeinen Wortschatz übergegangen ist, wird aktuell häufig im Sinnzusammenhang der UN-BRK in den Medien genannt und hauptsächlich von Fachleuten verwendet.

Um den Begriff zu definieren, wird er hier aus zwei Teilbereichen der Bildungs- und Sozialwissenschaften betrachtet, dem soziologischen und dem pädagogischen Bereich. Der Begriff Inklusion wird im „Lexikon zur Soziologie“ (2011) folgendermaßen untergliedert definiert:

[1] In der sozialwissenschaftlichen Systemtheorie die Einbeziehung einer größeren Zahl von Einheiten (Personen, soziale Rollen, soziale Mechanismen) in spezifische Funktionskreise, wie sie im Prozess der funktionalen Ausdifferenzierung sozialer Systeme erforderlich wird. In T. Parsons` Theorie ... gilt I. als einer der Aspekte des Entwicklungsprozesses, besonders der modernen Gesellschaft.

[2] Ein differenzierungstheoretisches Konzept für die Teilhabe von Personen an gesellschaftlichen Teilsystemen. Die Lebensführung der Person in der modernen Gesellschaft ist durch eine rollenförmige multiple Partialinklusion in die verschiedenen Teilsysteme (u.a. Wirtschaft, Bildung, Massenmedien, Sport, Familie) gekennzeichnet (Fuchs-Heinritz et al., 2011, S. 306).

Im „Handlexikon der Behindertenpädagogik“ (2006) wird Inklusion definiert, als...

„...allgemeinpädagogische[n] Ansatz, der auf der Basis von Bürgerrechten argumentiert, sich gegen jede gesellschaftliche Marginalisierung wendet und somit allen Menschen das gleiche volle Recht auf individuelle Entwicklung und soziale Teilhabe ungeachtet ihrer persönlichen Unterstützungsbedürfnisse zugesichert sehen will. Für den Bildungsbereich bedeutet dies einen uneingeschränkten Zugang und die unbedingte Zugehörigkeit zu allgemeinen Kindergärten und Schulen des sozialen Umfeldes, die vor der Aufgabe stehen, den individuellen Bedürfnissen aller zu entsprechen - damit wird, dem Verständnis der Inklusion entsprechend, jeder Mensch als selbstverständliches Mitglied der Gemeinschaft anerkannt (Hinz, 2006, S. 97).

Inklusion wird von Heubach (2013) als Weiterentwicklung und Ausbau der Integration betrachtet. Dieser Fortschritt verändert das Denken der Gesellschaft dahingehend, dass nicht nur eine Akzeptanz gegenüber der individuellen Vielfältigkeit geschaffen wird, sondern dass diese als Norm angesehen wird (vgl. Heubach, 2013, S. 27). Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen, sowie deren Selbstbestimmtheit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, stehen hier im Mittelpunkt (vgl. Kiuppis & Kurzke-Maasmeier, 2012, S. 29 f.).

2.4 Gegenüberstellung von Integration und Inklusion

In den Kapiteln 2.1 und 2.2 wurden die Unterschiede zwischen Integration und Inklusion näher erläutert. In der Literatur finden sich jedoch immer wieder Überschneidungen der Begrifflichkeiten, welche teilweise auch als gleichwertig begriffen werden. Die anschließende Tabelle soll die Unterschiede, am Beispiel der Integration und Inklusion von SuS mit Behinderung in das Schulsystem, noch einmal deutlich hervorheben:

Tab. 1: Gegenüberstellung signifikanter Merkmale der Integration und Inklusion (vgl. Heubach, 2013, S. 26)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach näherer Betrachtung der Termini „Behinderung“, „Integration“ und „Inklusion“ kann zusammenfassend festgehalten werden, dass sich in den letzten 35 Jahren in Bezug auf den Begriff „Behinderung“ ein Paradigmenwechsel vollzogen hat. Der Begriff “Mensch mit Behinderung” löst die Bezeichnung „Behinderung“ ab. Während früher das Defizit eines Menschen mit Behinderung den Schwerpunkt der Definition bildete, wird nach heutiger Denkweise das Individuum in den Vordergrund gerückt. Dieses ist zwar behindert, wird aber hauptsächlich durch die Barrieren in den Köpfen der Gesellschaft und durch Barrieren in seiner Umwelt behindert.

Inklusion kann als Weiterentwicklung und Ausbau der Integration betrachtet werden. Im Sinne einer inklusiven Gesellschaft wird nicht mehr nur eine Akzeptanz gegenüber dem Menschen mit Behinderung geschaffen. Ein Mensch mit Behinderung wird als normales Mitglied unserer vielfältigen Gesellschaft gesehen. Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen, sowie deren Selbstbestimmtheit und Teilhabe am Gesellschaftlichem Leben, stehen im Zentrum der Vorstellung einer inklusiven Gesellschaft.

3 Historische Entwicklung

Um den historischen Kontext der Inklusion im Sinnzusammenhang „Sport“ darzustellen, werden an dieser Stelle drei Unterkapitel aufgeführt, wobei sich das erste mit der Geschichte des Behindertensports, von den Anfängen des Versehrtensports bis zu den Paralympics, beschäftigt. Im zweiten Unterkapitel wird der Entwicklungsprozess von der schulisch-pädagogischen Separation[1], bis hin zur schulisch-pädagogischen Inklusion von Menschen mit Behinderungen aufgeführt. Im dritten Unterkapitel wird vertiefend auf den aktuellen Gesichtspunkt der Bildung und des Sports im Fokus der UN-BRK eingegangen.

3.1 Vom Versehrtensport bis zu den Paralympics

Als Ausschlaggebend für die Ausprägung des Behindertensports benennen Krüger und Wedemeyer-Kolwe (2012) die große Anzahl von Kriegsversehrten, welche aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg hervorgegangen sind. Diese Menschen waren von einer Gesellschaft mit einem starken militärischen Hintergrund geprägt. Sie waren insbesondere zur Zeit des Nationalsozialismus sportlich sozialisiert und betrachteten sich nicht als Menschen mit einer Behinderung, sondern vielmehr als „verhinderte Gesunde“. Viele von ihnen wollten sich auch nach ihrer Verwundung weiterhin sportlich betätigen (vgl. Krüger & Wedemeyer-Kolwe, 2012, S. 116 f.).

Nach Heubach (2013) bildeten sich aufgrund dessen nach dem Ersten Weltkrieg die ersten Sportgruppen für Kriegsversehrte heraus. Das Reichsversehrtensportabzeichen wurde eingeführt und es bestand die Möglichkeit durch Leistungssportwettkämpfe besondere Ehrungen zu erlangen. Zu Beginn der 60er Jahre wurden die ersten deutschen Versehrtensportmeisterschaften abgehalten und führten 1951/52 zur Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Versehrtensport“ (ADV). 1960 wurde die ADV in „Deutscher Versehrten Bund“ (DVS) umbenannt (vgl. Heubach, 2013, S. 35). Die Versehrtensportler bildeten für einige Jahrzehnte die breite Masse des Behindertensports. Nachdem sich jedoch die Kriegsgeschädigten aufgrund ihres fortgeschrittenen Altes aus dem Sport zurück zogen bildete sich eine neue Generation an Behindertensportlern heraus. Zum wesentlichen Bestandteil dieser Bewegung wurden die „zivilen“ Behindertensportler (vgl. Krüger & Wedemeyer-Kolwe, 2012, S. 117). 1975 wurde eine erneute Namensänderung des Verbandes durchgeführt und beschlossen, dass der DVS in Zukunft „Deutscher Behindertensportverband“ (DBS) heißen soll. Eine dritte Namensänderung hat bis heute nicht mehr stattgefunden. Das aktuelle Angebot des DBS ist breit gefächert und bedient die Bereiche Freizeit-, Rehabilitations- und Präventions-, Leistungs- und Wettkampfsport. Ein markantes Merkmal dieser Bewegung war, dass sich Verbände, Vereine und Sportgruppen entwickelten, welche sich auf Menschen mit Behinderungen ausrichteten (vgl. Heubach, 2013, S. 35).

Hägele (2012) schreibt, dass der Startschuss für den Behindertenleistungssport im Jahr 1980 fiel, als der DBS seine Fördermittel dafür bereitstellte. Talentierte „Allrounder“ die von hauptsächlich ehrenamtlichen Funktionären und Trainern unterstützt wurden, konnten internationale Erfolge erzielen. Die Ausbildung spezifischer Bewegungstechniken, die Entwicklung und der Einsatz von Sportrollstühlen, -prothesen und Sportgeräten für Menschen mit Behinderungen erzielten ihre Wirkung und es kam zu einem regelrechten Leistungsaufschwung der Allroundathleten (vgl. Hägele, 2012, S. 131).

Bei den Paralympics 2000 in Sidney rückten die deutschen Athleten im Gesamtmedallienspiegel allerdings verstärkt in den Hintergrund. Es zeigte sich, dass Allrounder auf internationaler Ebene, nur noch wenig Aussichten auf große Siege hatten. Eine Spezialisierung der einzelnen Athleten, die Unterstützung und der Einsatz hauptamtlicher Fachkräfte, sowie tägliches Training wurde unabdingbar. Diese Umstrukturierung führte zu einer Leistungssteigerung in fast allen Sportarten. Die frühzeitige Talentsuche und deren gezielte Förderung von Beginn an, die Bildung von Kadergruppen sowie die allgemeine Verbesserung der Trainings- und Wettkampfbedingungen trugen ebenfalls zu erfolgreichen Leistungssteigerung der Athleten bei (vgl. Hägele, 2012, S. 131).

Die Paralympics 2000 in Sidney waren jedoch auch noch für ein anderes Phänomen ausschlaggebend: Eine tägliche Berichterstattung, welche teilweise live übertragen wurde, ließ die Zuschauerzahlen rasant ansteigen. Die gesteigerte Präsenz dieses Sportereignisses in den Medien erregte nicht nur die Aufmerksamkeit der sportinteressierten Zuschauer, sondern auch die der Sponsoren und Politiker. Sponsoren- und Ausrüstungsverträge wurden abgeschlossen und die staatlichen Zuwendungen wurden kontinuierlich gesteigert. Der paralympische Sport hat es geschafft sich zu professionalisieren, zu kommerzialisieren und eine gesellschaftliche Akzeptanz erreicht (vgl. Hägele, 2012, S. 131). Krüger und Wedemeyer-Kolwe (2012) betonen, dass im modernen Leistungs- und Wettkampfsport mittlerweile nicht mehr nur die Sportlerinnen und Sportler ohne Behinderungen im Mittelpunkt des Interesses stehen, Menschen mit Behinderungen sind ebenfalls in den Fokus der Medien gerückt und aus diesen nicht mehr wegzudenken. Insbesondere die Athleten welche zu den Paralympics antreten, sind zu Stars und Vorbildern, Werbeträgern und letztendlich zu einem „Leitbild des körperlichen Designs des 21. Jahrhunderts (Krüger & Wedemeyer-Kolwe, 2012, S. 111 f.)“ geworden. Mit Hilfe der modernen Prothesentechnologie gelingt es Menschen mit Behinderungen teilweise sogar Athleten ohne Behinderung aus derselben Sportart zu übertreffen. Die Perfektion der technischen Entwicklung hat dazu geführt, dass durch moderne Prothesen nicht nur eine Kompensation, sondern sogar eine Überkompensation der Behinderung realisiert werden kann, wie es das Beispiel des 400-Merter-Läufers Oscar Pistorius zeigt. Doch es bleibt nicht zu vergessen, dass der Weg, den diese Sportler zurückgelegt haben, durch Barrieren beschränkt und um ein Erhebliches härter gewesen ist als jener der Athleten ohne Behinderung (vgl. Krüger & Wedemeyer-Kolwe, 2012, S. 111 f.).

[...]


[1] In der Fachliteratur wird der Begriff der Separation oftmals auch als Exklusion oder Segration bezeichnet.

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Inklusion und Sport. Umsetzungsmöglichkeiten im Sportunterricht
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Sportwissenschaften)
Note
2,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
44
Katalognummer
V375522
ISBN (eBook)
9783668546462
ISBN (Buch)
9783668546479
Dateigröße
964 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inklusion Sport Unterricht Didaktik
Arbeit zitieren
Eleonore Esser (Autor:in), 2015, Inklusion und Sport. Umsetzungsmöglichkeiten im Sportunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375522

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