Norm und Normverletzung in Burgess' A Clockwork Orange


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

21 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Über Anthony Burgess und sein Werk

2. Der Sprachgebrauch in A Clockwork Orange

3. Gewalt und Sexualität

4. Die Gesellschaft und das Individuum

5. Der Sympathiewandel

6. Vergleich des englischen und amerikanischen Endes

7. Anthony Burgess Weltbild

8. Schlussbemerkung

9. Literaturverzeichnis

1. Über Burgess und sein Werk

Der Zukunftsroman A Clockwork Orange entstand 1961 nach einem Aufenthalt von Anthony Burgess in Leningrad (heute St. Petersburg). Bei seinem Erscheinen im Jahre 1962 deutete zuerst nur wenig darauf hin, dass dies der Roman werden sollte, den man in der Folgezeit in erster Linie mit den Autor Anthony Burgess assoziierte.

In England erhielt Burgess Werk nur mäßige Kritiken, während es in den USA den Status eines Kultromans unter College Studenten erlangte. Das Bild von A Clockwork Orange sollte sich jedoch Anfang der siebziger Jahre ändern. Der Regisseur Stanley Kubrick verfilmte das Buch und erzielte damit einen Skandalerfolg, der heftige Diskussionen nach sich zog und somit auch den Autor der Romanvorlage berühmt machte.

Anthony Burgess selbst war die Tatsache, dass sein Ruhm sich größtenteils auf den Erfolg des Filmes stützte, eher unangenehm. Wiederholt wertete er den Roman als einen bloßen „jeu de spleen“[1] ab. Es sei zu didaktisch und zu exhibitionistisch in seinen Sprachgebrauch. Er war der Auffassung, dass er weitaus bessere Werke als A Clockwork Orange verfasst hätte und fühlte sich zeitlebens auf diesen Roman reduziert. Zudem gefiel es Burgess nicht, dass die Leser seines Werkes in den verschiedenen Teilen der Welt unterschiedliche Textfassungen zu lesen bekamen. Der amerikanischen Ausgabe, die 1963 erschien, fehlte das letzte Kapitel, welches auf Drängen der Verleger weggelassen wurde. Diese Vorgehensweise wurde 1972 auch für die englische Taschenbuch-Neuauflage übernommen.

A Clockwork Orange wird der Subgattung Dystopie zugerechnet. Eine Dystopie spielt in einem ausgedachten Ort in der Zukunft, in der alles so schlecht wie möglich ist. Im Gegensatz dazu steht die Utopie, in der die Zukunft mehr als rosig dargestellt wird.

Er legt den Roman in eine unheilvolle Zukunft mit einer Regierung, die willens ist, jugendliche Straftäter einer Gehirnwäsche zu unterziehen, um wieder gewählt zu werden und um einer erschreckend hohen Kriminalitätsrate Herr zu werden. Die Gesellschaft ist gekennzeichnet von erdrückender Eintönigkeit sowie der Mangel an Individualität.

Den Titel A Clockwork Orange erklärte Burgess mehrfach wie folgt:

In 1945, back from the army, I heard an 80-year old Cockney in a London pub say that somebody was >as queer as a clockwork orange<. The >queer< did not mean homosexual: it meant mad. The phrase intrigued me with its unlikely tension of demotic and surrealistic. For nearly twenty years I wanted to use it as a title of something. […] It was a traditional trope, and it asked to entitle a work which combined a concern with tradition and a bizarre technique.[2]

2. Der Sprachgebrauch in A Clockwork Orange

Die Themen des Zukunftsromans sind eng miteinander verbunden und überschneiden sich teilweise. So ist der Sprachgebrauch eng mit den Themen Gewalt sowie freier Wille verbunden. Es lassen sich keine klaren Grenzen zwischen diesen ziehen, und so werde ich mich bemühen, mich in diesem Punk auf den Sprachgebrauch zu konzentrieren und die anderen oben genannten Themen anschließend zu behandeln.

Anthony Burgess stand beim Verfassen des Romans vor dem Problem die Handlung durch die Augen eines Jugendlichen zu schildern. Doch er wusste, dass, wenn er sich an dem Jugendslang der sechziger Jahre orientieren würde, sein Werk der Gefahr liefe, schnell veraltet zu sein und für spätere Generationen uninteressant zu werden. Während seines Aufenthaltes in Leningrad 1961 lernte er Russisch mit dem Hintergedanken, dass diese Sprache sein stilistisches Problem bezüglich der Jugendsprache in seinem Werk lösen könne. Die Sprache bzw. den Slang, den Alex und seine Droogs (Gang) benutzen, wird als Nadsat Talk bezeichnet. Die Sprache erhält ihren Namen von dem russischen Suffix -nadcat-, was mit dem englischen Suffix –teen- bzw. –zehn- gleichzusetzen ist.

Die grausame und rohe, teilweise altertümliche Sprache „Nadsat“ ist eine Gruppensprache, die Menschen außerhalb der Gruppe nicht gleich zugänglich ist. So fragt Dr. Brodsky im Gefängnis seinen Assistenten nach der Herkunft des „dialect of the tribe“, worauf ihm sein Assistent erklärt: „Odd bits of old rhyming slang (….). A bit of gypsy talk, too. But most of the roots are Slav”. (Seite 72, Penguin)

Claus Melchior schreibt dazu in seinem Nachwort der Reclam Ausgabe des Romans:

„Diese Beschreibung ist jedoch nur teilweise zutreffend. Bis jetzt ist es nicht gelungen, Elemente des Romani nachzuweisen, und obwohl Alex’ Redeweise von zahlreichen Slangbegriffen durchsetzt ist, kann von einer Dominanz des Cockney Rhyming Slang nicht gesprochen werden. Insofern allerdings, als der Rhyming Slang eine besonders kreative Form des Sprachgebrauchs darstellt, besteht der Bezug zu Recht, denn auch Alex’ Umgang mit der englischen Sprache ist von hoher schöpferischer Kraft. Dies äußert sich in der Neubildung von Worten und Phrasen, der virtuosen Mischung von zeitgenössischen und obsoleten Redeformen, dem spielerischen Umgang mit den Wortarten.“[3]

Viele der im Roman gebrauchten Wörter lassen jedoch leicht den russischen Ursprung erkennen. So steht das russische Wort „Khorosho“ zum Beispiel für „good“ oder „well“ und wird im Sprachgebrauch des Romans zu „horrorshow“. Das russische Wort für Menschen „iudi“ wird zu „lewdies“ und „militsa“ (Polizei) wird zu „millicents“. Burgess genießt es auch Wörter zu erfinden, wie „appy polly loggy“ (apology) und „skolliwoll“ (Schule), oder er erfindet Kurzformen wie „pee“ und „em“ für Vater und Mutter.

Zu Beginn des Romans scheint Nadsat eine Sprachbarriere für den Leser darzustellen, doch während der Lektüre entdeckt der Leser seine Freude daran die neue Sprache immer besser zu verstehen. Die Belohnung für die „Lernbereitschaft“ des Lesers ist die Mitwissenschaft an Alex Abenteuern. Über die Sprache zieht Alex als Erzähler den Leser in seine Welt hinein. In dem Maße, wie es ihm gelingt, unsere Neugier zu wecken, so dass wir uns auf die Entschlüsselung seines Jargons einlassen, gelingt es Alex, uns auf seine Seite zu ziehen.

Alex drückt diesem Straßenjargon eine sehr persönliche Note auf. Er liebt es in einer veralteten Art und Weise zu sprechen und Phrasen wie „O my brothers“ (z.B. Seite 5, Penguin) zu gebrauchen, was ihn vom Rest seiner Gang absetzt. Der Gebrauch der Sprache wird zu einem Teil seiner Persönlichkeit, was ihn zu einem ausgereiften Charakter werden lässt. Nur am Ende des Romans verfällt Alex in Standardenglisch, nämlich dann, nachdem er der „Ludovico’s Technique“ unterzogen wurde und seine Identität verloren hat. Die Kunst des Sprachgebrauchs in Burgess’ Roman besteht darin, Alex’ Sprache nicht nur der Handlung anzugleichen, sondern sozusagen die Handlung zu sein.

Im Verlauf der Erzählung werden Alex’ Aktivitäten und die seiner „Droogs“ immer Furcht einflößender, während die Sprache ironischer Weise immer poetischer wird. Phrasen wie „Being sore athirst, my brothers,“ (Seite 12, Penguin) „They know not what they do or say”(Seite 12, Penguin), und “mom gave me a tired little smech, to thee fruit of my womb my only son sort of“ (Seite 22, Penguin), stimmen in keinster Weise mit der beschriebenen Handlung überein und verleihen der Erzählstruktur eine poetische Note, welche in keinen größeren Kontrast zu einem Alptraum von Horror und Gewalt stehen könnte.

Eine der wichtigsten Funktionen von Nadsat ist die abschwächende Wirkung, die diese Sprache auf die rohe und abstoßende Gewalt des Romans hat. Burgess war sich darüber bewusst, dass sein Werk von extremer Gewalt geprägt sein würde, und so hoffte er, Nadsat würde wie „a kind of mist half-hiding the mayhem and protecting the reader from his own based instincts“[4] wirken. Burgess linguistische Erfindung schützt den Leser also davor sich die Beschreibungen der Gewalt zu nahe gehen zu lassen und sich betroffen zu fühlen. Burgess beschrieb die Situation in einem Interview der New York Times wie folgt: “It is as if we were trying to read about violence in a foreign language and find its near incomprehensibility getting in the way of a clear image“[5].

Nadsat beschwört den Alex (A - gegen und Lex - das Gesetz, also wörtlich „gegen das Gesetz“) in uns herauf. Der distanzierte Leser wird - ohne es zu wollen - zum Voyeur. So kann auch der harmloseste Leser seine Lust an der Gewalt genießen, die in der realen Gesellschaft als tabuisiert gilt.

[...]


[1] Zit. nach: Churchill, Thomas. „An Interview with Anthony Burgess“, in: Stinson, John. J. (1991). “Anthony Burgess Revisited” , S. 52

[2] Zit. nach: Burgess, Anthony. “Clockwork Marmalade”, S.197 f. in: Melchior, Claus. “A Clockwork Orange”, S. 258

[3] Zit. nach: Melchior, Claus. “A Clockwork Orange”, S. 254

[4] Zit. aus Burgess Autobiographie in: Bowman, Sylvia E. „Twayne’s English Authors Series.”, S. 105

[5] Zit. nach Burgess in der New York Times in: Stinson, John J. “Anthony Burgess Revisited”, S. 56

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Norm und Normverletzung in Burgess' A Clockwork Orange
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Anglistik)
Veranstaltung
Hauptseminar Literatur
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V37604
ISBN (eBook)
9783638368964
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit behandelt Burgess'Werk A Clockwork Orange in Bezug auf die verwendete Sprache, Gewalt und Sexualität, das Individuum und die Gesellschaft..... sowie wie der Protagonist auf den Leser wirkt und ihn beeinflusst.
Schlagworte
Norm, Normverletzung, Burgess, Clockwork, Orange, Hauptseminar, Literatur
Arbeit zitieren
Anna Stüwe (Autor:in), 2004, Norm und Normverletzung in Burgess' A Clockwork Orange, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37604

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