Bildungsungleichheit in Deutschland. Soziologische Perspektive auf die Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund


Hausarbeit, 2015

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung
1.
Einleitung
S.
1
2. Definition der Begriffe Migration und Migrantenkinder in Deutschland
S. 2
2.1
Definition
von
sozialer
Ungleichheit
S.
3
2.2
Definitionen
von
Bildung
S.
3
2.3 Formale Bildungsabschlüsse als Indikator für soziale Ungleichheit S. 4
3. Theoriemodelle zur Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungsbereich S. 5
3.1
Pierre
Bourdieu
S.
5
3.2 Soziologische Erklärungsansätze für die Bildungsungleichheit von Migranten in
der
Schule
S.
7
3.3
Institutionelle
Diskriminierung
S.
9
4.
Problematische
Forschungslage
S.
10
5. Partizipation von Eltern mit Migrationshintergrund in der Schule
S. 11
6. Rassismuskritische Perspektiven für Bildung und Erziehung
S. 13
7. Schluss
S. 15
8. Literaturverzeichnis

1
1. Einleitung
Das Thema Bildung wird erst seit den erschreckenden Ergebnissen der Pisa-Studien wieder
vermehrt diskutiert. In der Wissenschaft wurde eine Vielzahl an Publikationen veröffentlicht,
die sich mit dieser Thematik beschäftigen. Exemplarisch nenne ich hier den Bildungsbericht
von 2012, der besagt, dass sich das allgemeine Bildungsniveau erhöht hat und es weniger
Jugendliche ohne Hauptschulabschluss gibt. Allerdings vollzieht sich seit 2006 keine weitere
Annäherung zwischen den Bildungsabschlüssen von deutschen Jugendlichen und denen mit
Migrationshintergrund. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Ungleichheit
nach Geschlechterunterscheidung nahezu angeglichen hat
1
. Seither hat die Politik eine
Vielzahl an Umstellungen im Bildungssystem getätigt, wie z. B. den G8-Zug,
Ganztagsschulen oder Gesamtschulen. Das Problem, dass Kinder mit Migrationshintergrund
immer noch schlechtere formale Bildungsabschlüsse erhalten als deutsche Kinder besteht
allerdings weiterhin. Das Thema habe ich gewählt, um einen Überblick über die mögliche
Entstehung von Bildungsungleichheit und deren Reproduktion zu erhalten, sowie um
Mechanismen aufzuzeigen, die dies bedingen. Zudem will ich der Frage nachgehen, warum
diese Ungleichheit im Bildungssystem trotz Reformen noch besteht. Außerdem ist es
wahrscheinlich, dass ich im späteren Berufsleben, z.B. in der Jugendhilfe, Mobilen
Jugendarbeit, Schulsozialarbeit etc. auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund
treffe, die von der Ungleichheit betroffen sind. Dadurch kann ich ihre Situation eventuell
besser verstehen und dementsprechend intervenieren.
In meiner Hausarbeit werde ich zuerst eine Definition der Begriffe "Migration" und
"Migrationshintergrund", "soziale Ungleichheit", sowie "Bildung" skizzieren. Danach werde
ich mich mit der Frage nach der Messung von Ungleichheit im Bildungssystem beschäftigen.
Im Kapitel 3 werde ich das Theoriemodell von Bourdieu behandeln, da hier Begrifflichkeiten
verwendet werden, die zuvor erläutert werden müssen. Durch die darauf folgende
bildungssoziologische Perspektive und die institutionelle Diskriminierung werde ich
versuchen, mögliche Mechanismen für die Genese sowie Dauerhaftigkeit von
Bildungsungleichheit aufzuzeigen. Der nächste Punkt thematisiert den Status der
Forschungslage in Deutschland. Danach werden zwei Ansätze vorgestellt, die eine mögliche
Veränderung für die benachteiligten Kinder und Jugendlichen herbeiführenden könnte. Am
Schluss skizziere ich noch einmal zentrale Aussagen und werde diese kritisch reflektieren.
1
Vgl. Georg 2006, S. 123

2
2. Definition der Begriffe Migration und Migrantenkinder in Deutschland
Migrationsbewegungen sind keine rein neuartigen Erscheinungen, sondern in allen Zeiten zu
beobachten. Sie gehören als fester Bestandteil zur weltlichen Kulturgeschichte. Trotz vieler
Migrationsbewegungen in der Geschichte, wie z. B. die unfreiwilligen
Massenauswanderungen von Arbeitskräften (Sklavenhandel im 17. und 18. Jahrhundert),
beschäftigt sich die Wissenschaft erst seit 1920 mit dem Phänomen Migration.
Der Begriff "Migration" hat seine Wurzeln im Lateinischen und bedeutet "wandern",
"wegziehen" oder "Wanderung". In der Sozialwissenschaft beschränkt sich der Begriff
"Migration" auf Bewegungen von Personen oder Personengruppen im Raum, die einen
dauerhaften Wohnortswechsel voraussetzen
2
.
Ein essenzieller Bestandteil für die Definition von Migrantenkindern ist, dass eine
Zuwanderung in ein anderes Land stattgefunden haben muss. Wichtig hierbei ist der Übertritt
von einer soziokulturellen Umgebung in eine andere. Dieser Übertritt wird als abgeschlossen
angesehen, wenn er über eine nationale Grenze geschieht.
Nach Heike Diefenbach
besteht ein Konsens darin, dass ein Kind, welches nicht in
Deutschland geboren ist und dann zugewandert ist, als Migrantenkind bezeichnet werden
kann. Anders ausgedrückt: Ein Kind, dass nach Deutschland immigriert ist, kann als
Migrantenkind 1. Ordnung bezeichnet werden. Die Autorin stellt dar, dass der Begriff
Migrantenkind auch anders aufgefasst werden kann. In dieser andersartigen Auffassung
können es auch Kinder von Eltern sein, die nicht in Deutschland geboren sind und erst
später immigriert sind. In diesem Sinne wären es Migrantenkinder 2. Ordnung. Wobei
Diefenbach darauf hinweist, dass nicht jedes Kind 2. Ordnung zwangsläufig auch als Kind
der ,,zweiten Generation" bezeichnet werden kann. Exemplarisch nennt sie hier Kinder, die
nicht in die Kategorie 1. Ordnung gehören, da sie in Deutschland geboren wurden und
folglich nicht eingewandert sind. Auf der anderen Seite gehört nicht jedes Kind 1. Ordnung
zu einer zweiten Generation von Migranten. Als Beispiel hierfür erwähnt die Autorin
Flüchtlingskinder, die ohne ihre Eltern eingereist sind. Die Frage ob beispielsweise
Migrantenkinder 2. Ordnung zwei Elternteile haben müssen, die im Ausland geboren sind,
oder mindestens einer der diese Bedingung erfüllt, ist nach Heike Diefenbach nicht einfach
zu beantworten, da sich die Sozialwissenschaft mit der sogenannten zweiten Generation
anders beschäftigt und keinen Bezug auf Kinder von binationalen Ehen nimmt. ,,Kinder mit
Migrationshintergrund" kann als Sammelbegriff für Kinder 1. und 2. Ordnung verwendet
werden und um Kinder zu bezeichnen, deren Großeltern, Urgroßeltern und Ururgroßeltern
gewandert sind. Wenn der Begriff ,,Migrationshintergrund" eine bestimmte Generationentiefe
erreicht, läuft er Gefahr nicht mehr zu differenzieren, d. h. wenn man eine bestimmte Anzahl
2
Vgl. Han 2005, S. 5-6

3
von Generationen zurückgeht, besitzt fast jeder einen Migrationshintergrund. Nach der
Autorin gibt es bis heute in amtlichen Statistiken Unterscheidungen zwischen Deutschen und
Ausländern, allerdings keine Kategorie für Migranten, oder einem definierten Personenkreis
mit Migrationshintergrund.
3
2.1 Definition von sozialer Ungleichheit
Hinter der Begriffskonstruktion steht keine Unterscheidung in eine ,,Andersartigkeit", die sich
durch äußere Merkmale wie Hautfarbe, Schuhgröße etc. darstellt, sondern um eine
ungleiche Verteilung von Lebenschancen. Exemplarisch nennt Nicole Burzan die Höhe des
Einkommens und eine ungleiche Verteilung von Chancen aufgrund des zugehörigen
Geschlechts. Die Autorin fragt sich welche Verschiedenheiten für die Entstehung einer
sozialen Ungleichheit von Bedeutung sind. Sie stellt dar, dass fundamentale Ursachen und
Merkmale sozialer Ungleichheit im zeitlichen Verlauf und aufgrund verschiedener
Gesellschaften variieren können. Soziale Ungleichheit ist ein gesellschaftliches Konstrukt,
das daher nie objektiv sein kann, weil es sich durch den zeitlichen Aspekt wandelt. Im
Wörterbuch der Soziologie definiert sich diese soziale Ungleichheit über jede Art von
verschiedenen Möglichkeiten der Teilhabe an der Gesellschaft bzw. Verfügung über
gesellschaftliche Ressourcen. Laut der Autorin erfasst diese Definition nicht die
mehrdimensionale Bedeutung von Ungleichheit.
Die Forschung nach Ungleichheitsstrukturen und deren Wandel ist nicht selbstverständlich.
Nicole Burzan nennt hier geschichtliche Beispiele, in denen Herrschaftsverhältnisse
legitimiert wurden, z.B. der Anführer der von Gott bestimmt erschien. In modernen
Gesellschaften würde so etwas zu keiner legitimen Herrschaft mehr führen, aber Merkmale
wie, z.B. das Geschlecht, wirken sich immer noch auf Lebenschancen aus.
4
2.2 Definitionen von Bildung
Durch die Bildungsdiskussion, deren Auslöser die PISA-Studien von 2000 und 2003 waren,
ergab sich bei den Teilnehmern ein Konsens darüber, dass Bildung sich nicht ausschließlich
nur auf die Institution Schule bezieht, sondern verstärkt auch Lernprozesse, die außerhalb
der Schule stattfinden, in der Bildungsforschung Beachtung finden sollten.
5
Aber was ist Bildung eigentlich? Werner Lindner schreibt in seinem Buch über die
Vielartigkeit des Begriffs. Der Autor unterscheidet zwei Bildungsverständnisse, die in der
Öffentlichkeit existieren. Auf der einen Seite eine althergebrachte Sichtweise, in der es
3
Vgl. Diefenbach 2008, S. 19-22
4
Vgl. Burzan 2005, S. 7-9
5
Vgl. Palentien, Rohlfs, Harring 2007, S. 8

4
darum geht sich einen bestimmten Wissensstand anzueignen. Wer diesen Wissensstand
dann besitzt gilt als ,,gebildet". Das andere Verständnis thematisiert Bildung als
Humankapital und dessen Verwertbarkeit und Nutzung von Bildung innerhalb von
Produktionsprozessen.
6
Orte an denen Bildung stattfindet werden nach Marius Harring, Carsten Rohlfs, Christian
Palentien in drei Bereiche gegliedert. In diesem Kontext wird zwischen formeller, nicht-
formeller und in-formeller Bildung unterschieden.
Unter der formellen Bildung werden Lernprozesse verstanden, die in dafür errichteten
Institutionen erfolgen. Formale Einrichtungen sind hier Schulen, Ausbildungsstätten und
Hochschulen. Diese arbeiten im Rahmen von festen Regeln und Lehrplänen. Für die
Lernenden ist formales Lernen zielgerichtet und mit bestimmten Qualifizierungen und
Zertifizierungen verbunden. Die nicht-formelle Bildung betreibt eine andere Art von
Lerngelegenheiten. Sie besitzt zwar auch eine institutionelle Struktur und Rechtslagen aber
die Angebote basieren auf Freiwilligkeit. Zentral geht es hierbei um die Vermittlung von
sozialen und personellen Kompetenzen und um Förderung und Bekräftigung beim Mitwirken
an politischen und gesellschaftlichen Prozessen. Lernziele sind nicht durch Bildungspläne
vorgeschrieben und werden auch nicht zertifiziert. Die vorschulische Bildung sowie Kinder-
und Jugendhilfe lassen sich hier einordnen. Innerhalb des informellen Lernens vereinen sich
alle bewussten und unbewussten Lernprozesse, die außerhalb strukturierter Institutionen
stattfinden. Es geht hierbei um situatives Lernen das nicht vom Bildungswesen geplant und
durchgeführt wird. Eher wird von indirekten, ungeplanten und beiläufigen Prozessen
ausgegangen. Die Bildungsorte bestehen aus der Familie, Peer Groups und Medienwelt.
Nach den Autoren kommen neben der formellen Bildung auch den nicht-formellen und
informellen Bildungszweigen ein größerer Stellenwert im Zusammenhang von
Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen zu.
7
2.3 Formale Bildungsabschlüsse als Indikator für soziale Ungleichheit
Die Situation von Migrantenkindern im deutschen Schulsystem kann nach Heike Diefenbach
durch die Bildungsbeteiligung, die Schulleistung und durch den Bildungserfolg beschrieben
werden. Bei dem Versuch die schulische Situation von Schülern unter dem Gesichtspunkt
der sozialen Ungleichheit darzustellen, bieten sich die formalen Bildungsabschlüsse an, da
diese sich mittel- und langfristig auf Berufs- und Lebenschancen auswirken
8
. Seit 2004 gibt
es keine Annäherung zwischen den Schulabschlüssen von deutschen Kindern und denen
mit Migrationshintergrund. Bei Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss sind Letztere 2,5-
6
Vgl. Lindner 2004, S. 16-17
7
Vgl. Palentien, Rohlfs, Harring 2007, S. 8-9
8
Vgl. Diefenbach 2008, S. 19

5
fach überrepräsentiert. Außerdem haben sie eine dreimal geringere Chance auf die
allgemeine Hochschulreife
9
. In Baden-Württemberg erreichen durchschnittlich 5,1% der
Sekundarschulabgänger mit Migrationshintergrund die (Fach-/)Hochschulreife und 20%
keinen Hauptschulabschluss. Bei den Daten handelt es sich um das arithmetische Mittel
über die Schuljahre 1992-2006
10
. Die Zahlen aus den Jahren 2007/08 zeigen einen
ähnlichen Status, in dem sich Kinder mit einem Migrationshintergrund befinden. Nach
Mechtild Gomolla besuchen sie seltener Schulformen, durch die eine Studienberechtigung
erworben werden kann. Mit einem Anteil von 22%, gegenüber 46% ihrer deutschen
Mitschüler, sind diese auch im Gymnasium unterrepräsentiert. Des Weiteren ist das Risiko
eine Klasse zu wiederholen oder auf eine Förderschule überwiesen zu werden höher als bei
deutschen Schülern. Diese Tatsache lässt sich nach Mechtild Gomolla und Frank-Olaf
Radtke (2002) als Ausdruck institutioneller Diskriminierung werten.
11
3. Theoriemodelle zur Erklärung der sozialen Ungleichheit im Bildungsbereich
3.1 Pierre Bourdieu
Bourdieu entwickelte ein System, das über ein Klassenmodell, einen erweiterten
Kapitalbegriff und über Lebensstile als zentrale Bestandteile verfügt. Seine Erweiterung des
Kapitalbegriffs beinhaltet nicht nur das ökonomische, sondern auch kulturelles und soziales
Vermögen. Die soziale Position eines Individuums wird beeinflusst durch sein
Kapitalvolumen, der jeweiligen Kapitalart und einen zeitlichen Faktor, d.h. die soziale
Laufbahn.
Das ökonomische Kapital besteht aus Eigentum und Vermögen, welches sich direkt in Geld
konvertieren lässt, z.B. der Verkauf eines Grundstücks. Innerhalb des kulturellen Kapitals
können sich drei Ausprägungen bilden: das inkorporierte Kulturvermögen bezieht sich auf
Bildung und Wissen. Der Begriff Wissen umfasst hier nicht nur die formelle Schulbildung,
sondern auch die informelle Bildung, z.B. Erziehung innerhalb der Familie. Meiner Meinung
nach würde sich hier auch noch die nicht-formelle Bildung einordnen lassen, die z.B. durch
vorschulische Angebote im Kindergarten betrieben wird. Diese Art von Kapital benötigt Zeit
um zu entstehen, es besteht keine Möglichkeit des kurzfristigen Kaufs oder einer
Schenkung. Das objektivierte Kulturkapital stellt die zweite Form dar. Es besteht aus
kulturellen Gütern, die eine Person besitzen kann. In diesem Fall sind die Besitzgüter:
Bücher, Gemälde, Instrumente etc. Diese lassen sich leichter auf andere übertragen, aber es
besteht ein Bedarf an inkorporiertem Kapital um, z.B. die Bedeutung eines Gemäldes zu
9
Vgl. Bildung in Deutschland 2012, S. 96
10
Vgl. Diefenbach 2008, S. 72
11
Vgl. Gomolla 2011 (b), S. 181-188
Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Bildungsungleichheit in Deutschland. Soziologische Perspektive auf die Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund
Hochschule
Hochschule Esslingen  (Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege)
Veranstaltung
Inklusion
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
20
Katalognummer
V376259
ISBN (eBook)
9783668532274
ISBN (Buch)
9783668532281
Dateigröße
454 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bildungsungleichheit, Soziale Ungleichheit, Migrationshintergrund, Kinder und Jugendliche, Formale Bildungsabschlüsse
Arbeit zitieren
Daniel Arndt (Autor:in), 2015, Bildungsungleichheit in Deutschland. Soziologische Perspektive auf die Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376259

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