Die Frau: Auf der Schwelle zur großen Kulturleistung oder stets im Schatten des Mannes


Seminararbeit, 2005

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Grundlage für die Geschlechterunterschiede
2.1 Sachlichkeit und Treue

3. Differenzierung und Arbeitsteilung
3.1 Die Tragödie der Kultur

4. Die Frage nach objektiver Kulturleistung der Frau
4.1 Das Problem der Weiblichkeit in einer männlichen Kultur
4.2 Chancengleichheit und die Auswirkung auf den Arbeitsmarkt
4.3 Fallbeispiel der Polizistin
4.4 Prognose für die Zukunft einer objektiven weiblichen Kultur

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In seinem zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erschienenen Werk Philosophische Kultur befasst sich Georg Simmel unter Anderem ausführlich mit dem Thema der Geschlechter. Während sich Simmel in Das Relative und das Absolute im Geschlechter-Problem hauptsächlich mit den Unterschieden und Charakteristika der Geschlechter befasst, zieht er in Weibliche Kultur eine Verbindung vom Thema der Geschlechter zu seinen Erkenntnissen über Kultur, Arbeitsteilung und Differenzierung.

Bereits zu Beginn dieses Aufsatzes stellt er fest, „dass die Kultur der Menschheit auch ihren reinen Sachgehalten nach sozusagen nichts Geschlechtsloses ist und durch ihre Objektivität keineswegs in ein jenseits von Mann und Weib gestellt wird. Vielmehr, unsre objektive Kultur ist, mit Ausnahme ganz weniger Gebiete, durchaus männlich“ (Simmel, 1919, 256). Im Folgenden liegt Simmels Interesse darin herauszuarbeiten, ob Frauen von ihrer Natur aus überhaupt in der Lage sind, objektive Kultur zu schaffen und kommt zu dem eher pessimistischen Ergebnis, dass Frauen auch zu Zeiten der Frauenbewegung und Emanzipation nur vereinzelt und auf bestimmte Gebiete begrenzt Neues und typisch Weibliches zur objektiven Kultur beisteuern werden können.

Simmel scheint seine Thesen dabei jedoch auf einen relativ einseitigen, stark darwinistisch geprägten philosophischen Ansatz zu stützen, so führt er die meisten seiner Erläuterungen auf naturgegebene Wesensmerkmale von Mann und Frau zurück, ohne Raum für soziokulturelle und historische Einflüsse auf die Geschlechterrollen zu lassen. Daher soll in dieser Arbeit im Anschluss auf eine Aufstellung und Ausarbeitung von Simmels Thesen auch geprüft werden, inwieweit seine Einschätzung zur Leistungsfähigkeit der Frauen in unserer Kultur noch Gültigkeit bewahren, unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse aus der Geschlechtersoziologie, sowie empirischer Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt des letzten Jahrhunderts.

2. Grundlage für die Geschlechterunterschiede

Zu Beginn von Das Relative und das Absolute im Geschlechter-Problem schreibt Georg Simmel: „Die Grundrelativität im Leben unserer Gattung besteht zwischen der Männlichkeit und der Weiblichkeit; und auch an ihr tritt dieses typische Absolutwerden der einen Seite eines Paares relativer Elemente in Erscheinung“ (1919, 58). Auch im weiteren Verlauf der Arbeit benutzt Simmel begriffliche Relationspaare um die Eigenschaften des übergeordneten Paares Mann und Frau zu erklären. So sieht er in den beiden Geschlechtern zwei Pole, die sich naturgemäß gegenüberstehen, sich aber zugleich ergänzen. Er stellt fest, dass es eine durchgehende menschliche Tendenz ist, aus solchen polaren Begriffen einen absoluten hervorzuheben und zu beschreiben, um damit zugleich auch den kohärenten relativen Begriff zu definieren. In diesem Fall stellt der Mann für ihn das absolut gewordene Geschlecht da, da die Normen an denen die Leistungen und Wesenszüge beider Geschlechter gemessen werden keineswegs neutral sind, sondern in ihrer geschichtlichen und sozialen Entstehung durchaus männlich. Die Frau wird also nur durch den Mann definiert. Daher braucht sich der Mann das Mann-Sein auch nur selten bewusst machen, denn es ist ja durch die Absolutheit seines Geschlechts in der gesamten Menschlichkeit präsent, die Frau hingegen ist sich des Frau-Seins in allen Lebenssituationen bewusst. Simmel führt diesen Ansatz der männlichen Absolutheit noch weiter, insofern, dass er damit allen großen der Menschheit entsprungenen Ideen einen männlichen Charakter zuspricht und, indem er „solche als absolut auftretenden Ideen […] das Objektive schlechthin“ (Simmel, 1919, 58) nennt, kommt er zu der Gleichung: „objektiv = männlich“ (Simmel, 1919,58).

In Bezug auf die Sexualität jedoch erläutert Simmel, liegt das Absolute auf der Seite der Frau, da sie „in der tiefsten Identität von Sein und Weibsein lebt, in der Absolutheit des in sich bestimmten Geschlechtlichen“ (Simmel, 1919, 62), wohingegen der Mann sein sexuelles Leben nur in Bezug auf die Frau führen kann. Sexuelle Männlichkeit bedingt also einer Frau, während sexuelle Weiblichkeit bereits in der Frau selbst verwirklicht ist. Hierin ist bereits eine von Simmels Kernaussagen zum Geschlechter-Problem widergespiegelt, nämlich, dass Geschlechtlichkeit für den Mann ein Tun bedeutet, für die Frau ein Sein. Immer wieder stellt er dabei in den Vordergrund, wie dieses absolute, innerlichste Sein die „Einheitlichkeit des weiblichen Wesens“ (Simmel, 1919, 262) ermöglicht und verleiht ihr einen beinahe mythisierten, idealisierten Charakter, indem er die Frau als Vollkommenheit, Ganzheit und in sich ruhend darstellt.

2.1 Sachlichkeit und Treue

Veranschaulicht an den Formen des weiblichen Körpers (Simmel 1919, 276) spricht Simmel der Frau ein einheitlich Ganzes der Seele zu, ein harmonisches Zentrum, das fest mit der Peripherie verbunden ist und den „Distanzen zwischen Subjektivem und Objektivem seine fundamentale Einheitlichkeit gegenüberstellt“ (Simmel 1919, 67). Dieser Grundstruktur des weiblichen Wesens, die er mit dem Begriff Treue[1] betitelt, legt Simmel auch die größere Verletzlichkeit der Frau zugrunde. Erfährt eine Frau Kritik in Bezug auf irgendeinen einzelnen Aspekt ihres Handelns oder Seins, so empfindet sie diese unmittelbar als Angriff auf ihre gesamte Persönlichkeit, während der Mann seine verschiedenen Tätigkeiten leichter von seiner Persönlichkeit, von seinem Zentrum, loslösen kann. Dem Begriff der Treue auf weiblicher Seite stellt Simmel somit die Begriffe der Sachlichkeit und der Differenziertheit gegenüber (Simmel 1919, 262-264). Aus diesen zwei männlichen Eigenschaften resultiert für Simmel auch die geringere sexuelle Treue des Mannes. Denn auch die Frau wird von ihm häufig als Sache gesehen und eine Affäre kann vom Mann aufgrund seiner Differenziertheit unabhängig von der Beziehung zu einer festen Partnerin angesehen werden, wodurch der Mann den Konflikt mit seiner eigenen Moral umgeht.

3. Differenzierung und Arbeitsteilung

In Weibliche Kultur besteht Simmels Hauptinteresse darin zu ergründen, was Männer und im Besonderen was Frauen mit ihren jeweils gegebenen Wesenszügen zu unserer Kultur beigetragen haben und noch beitragen werden können. Doch bevor diese Frage später weiter vertieft werden kann, muss vorerst auf die gewonnen Erkenntnisse aus seinem 1890 erschienenen Werk Über soziale Differenzierung: Soziologische und psychologische Untersuchungen und aus seinem Aufsatz Persönliche und sachliche Kultur, 1910 erschienen in der Neuen Deutschen Rundschau (Freie Bühne), eingegangen werden. In ersterem genanntem Text untersucht Simmel die Eigenschaften von Gruppen und sozialen Kreisen und stellt dabei fest, dass mit steigender Größe der Gruppen und Ausweitung der sozialen Kreise, wie es in der Moderne zu beobachten ist, eine stärkere Differenzierung der Individuen einhergeht. Dieses Phänomen führt er darauf zurück, dass der Einzelne in einer großen Gruppe mehr Spielraum hat seine Individualität zu entfalten. Aus dieser Spezialisierung der persönlichen Fähigkeiten von Individuen in großen Gruppen folgt die Arbeitsteilung als vorherrschende Form in der modernen Produktion und Wirtschaft.[2] In einem arbeitsteilig organisierten Betrieb führt jedes Individuum entsprechend seiner spezialisierten Fähigkeiten nur einen Bruchteil des gesamten Erzeugungsprozesses durch, wohingegen vor der industriellen Revolution prinzipiell ein Arbeiter ein ganzes Produkt hergestellt hat. Diese qualitative Arbeitsteilung wird begleitet von einer quantitativen, das bedeutet, der Arbeiter wird von seinen Produktionsmitteln getrennt - seine Werkzeuge werden vom Betrieb gestellt –, seine Arbeitskraft wird zur Ware und seine subjektive Persönlichkeit kann nicht mehr in das Produkt miteinfließen, es wird also zum Objekt (Simmel 1900; vgl. auch 1919, 223-253).

3.1 Die Tragödie der Kultur

Aufgrund von Differenzierung und Arbeitsteilung entstand laut Simmel die Möglichkeit die objektive Kultur qualitativ und quantitativ rasant zu erweitern, wohingegen der Wissensaufnahme des Individuums Grenzen gesetzt sind. Dieses zunehmende Ungleichgewicht zwischen objektiv gewordener Kultur und subjektiver Kultur bezeichnet er als die Tragödie der Kultur (Simmel, 1919, 223-253) . Er unterscheidet die objektive Kultur als „all das Ausgesprochene und Geformte, das ideell Bestehende und real Wirksame, dessen Komplex den Kulturbesitz einer Zeit ausmacht“ (Simmel 1919, 255) von der subjektiven Kultur als der individuellen Teilhabe an den objektivierten Kulturgütern. Mit anderen Worten schließt objektive Kultur also alle menschlichen Leistungen, Ideen und versachlichten Produktionen mit ein, auf welche die Menschen in einem Kulturkreis überindividuell, zum Beispiel in Form von Büchern, zurückgreifen können – als Beispiele nennt Simmel auch „die Kunst und die Industrie, die Wissenschaft und den Handel, den Staat und die Religion“ (Simmel 1919, 256) – und sein Begriff der subjektiven Kultur umrahmt all das Gedankliche, Schöpferische und Produktive, das im Inneren eines Individuums stattfindet, aber vorerst auf das Individuum begrenzt bleibt und nicht über ein beliebiges Medium nach außen getragen, also objektiviert werden. Somit entsteht ein ständiger Kreislauf, indem sich Individuen Teile der objektiven Kultur aneignen, um daraus wieder eigene Ideen und Produktionen zu formen, welche dann wiederum, zum Beispiel in Form eines Buches oder Kunstwerkes, vergegenständlicht werden und den Bestand der überindividuellen objektiven Kultur erweitern.

[...]


[1] nicht gleichzusetzen mit dem im Folgenden erwähnten Begriff der sexuellen Treue

[2] andersherum betrachtet führt die Arbeitsteilung auch zu weiterer Differenzierung, d.h. beides kann sowohl als Ursache wie auch als Ergebnis des anderen betrachtet werden

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Frau: Auf der Schwelle zur großen Kulturleistung oder stets im Schatten des Mannes
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Veranstaltung
Seminar - Georg Simmel
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
13
Katalognummer
V37735
ISBN (eBook)
9783638370004
ISBN (Buch)
9783656526919
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit bezieht sich auf das Gesamtwerk von Georg Simmel. Stichwortartige Auflistung der behandelten Themen: Geschlechterproblem, Weibliche Kultur, objektive/subjektive Kultur, Tragödie der Kultur, Differenzierung, Arbeitsteilung, Treue, Sachlichkeit, Unterschiede der Geschlechter, Sex vs. Gender, Darwinismus
Schlagworte
Frau, Schwelle, Kulturleistung, Schatten, Mannes, Seminar, Georg, Simmel
Arbeit zitieren
Dominik Borner (Autor:in), 2005, Die Frau: Auf der Schwelle zur großen Kulturleistung oder stets im Schatten des Mannes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37735

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