Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Auschwitz das „nicht-Darstellbare”
3. Neue Medien für die neue Generation
3.1. Comic als Lehrbuch
4. „Maus”
4.1. Entstehungsgeschichte
4.2. Läuft „Maus” über Leichen?
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage nach der Darstellbarkeit des Holocausts und die Vermittlung mittels der Medien an die neuen Generationen. Das Hauptaugenmerk der Analyse liegt auf das Medium Comic und das Welt bekannte Buch „Maus” von Art Spiegelman.
Das Medium Comic ist mit seiner bildlichen und schriftlichen Sprache ein potenziell sehr effektives Mittel zur Vermittlung der Geschichte in Schulklassen. Es hat vor allem die Möglichkeit, eine einfache Sprache zu verwenden, um komplexe Themen zu erzählen. Es ist daher ein geeignetes Medium sowohl für eine Erwachsene- als auch für eine Jugendliche- Leserschaft.
Zu Beginn der Arbeit wird die Debatte über die möglichen Formen der Darstellung des Holocaust, erläutert. Danach wird der Boom der Erinnerungskultur, das Versterben der Zeitzeugen und den Umgang mit den neuen Generationen, geschildert.
Nach der Darstellung einiger Studien, rund um das Thema Comic als Lehrbuch, wird das Comic Buch „Maus” mit seiner Inhaltsangabe eingeführt. Es folgt die Entstehungsgeschichte und zuletzt ein Kapitel über Spiegelmans Bedenken das Thema Holocaust in einem „trivialen”1 Medium wie das Comic zu erzählen.
Rund um die Frage, ob es eine geeignete Form der Darstellung des Holocausts gibt- oder auch nicht - findet sich eine enorme Bandbreite an Literatur. Diese Arbeit kann sich also nur auf eine kleine Auswahl beschränken.2
2. Auschwitz das „nicht-Darstellbare”
Welche ethische und politische Verantwortung nimmt eine jede Darstellung auf sich? Wie erzählen sie, welchen >Sinn< geben sie Auschwitz? Welches Wissen vom Holocaust erzeugen sie? Wie artikulieren die Darstellungen die Notwendigkeit, inadäquat zu sein? Welche Form von Erinnerung stelle sie zur Verfügung?3
Diese Fragen über die möglichen Darstellungsweisen des Holocausts werden in der Forschung sehr kontrovers diskutiert. Es gibt eine enorme Zahl an wissenschaftlichen Arbeiten, die sich genau mit diesem Thema beschäftigen. Theodor W. Adorno, führender Theoretiker der kritischen Theorie und einer der bedeutendsten philosophischen sowie soziologischen Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts, ist mit seinem berühmten Satz, dass ein Gedicht nach Auschwitz barbarisch sei, der Initiator dieser großen Debatte. Die Debatte befasst sich mit der Frage, was ein ‚würdiges’ Medium sei, um diesen schrecklichen Teil unserer Geschichte zu erzählen. Ob es ein würdiges Medium gibt, oder ob es das Medium nicht außerhalb des Erlebnisses eines solchen Horrors besteht.
Seit den 60er Jahren wird dieses erschütternde Ereignis immer häufiger in den öffentlichen und medialen Diskurs thematisiert und in Bezug auf seine soziale, politische und kulturelle Bedeutung beleuchtet. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Medien sowie die Kunst, die jede auf ihre Art und Weise sich dem Thema annähern.
Auschwitz ist Synonym für Schrecken, Elend, Gewalt und Irrsinn. Eine Gesamtheit, die in den Gedanken ein Bild der Hölle ausmalt. Auschwitz ist das „Nicht-Darstellbare, dem nur Leere oder Schweigen gerecht werden [können]”4. Gibt es eine ‚richtige’ Art und Weise der Vermittlung dieses Schreckens? 5 „Wäre diese ins Ideale gehobene Darstellung des Schreckens meßbar an einer wie auch immer definierten Meßlatte der Authentizität?”6 Nach dem zweiten Weltkrieg schwebt diese Frage noch immer in der Luft und eine konkrete Antwort, bzw. ein konkretes Schema, gibt es nicht. Es stellen sich immer wieder die gleichen Fragen. Die Erinnerungskultur dreht sich in einem Kreis, aus dem es kein Ausweg gibt. Wir können Auschwitz im Grunde genommen in keiner Hinsicht auf allen Ebenen gerecht werden, denn um dies zu tun, müssten wir alle Auschwitz-Überlebende sein. Dies können wir nicht und sind wir zum Glück nicht.
Wir leben nun aber nicht mehr in Zeiten des Schweigens. Die Erziehung der neuen, sowie der alten Generationen steht im Mittelpunkt der Schul- und der politischen-Bildung. Unsere Welt nutzt die Ereignisse der Vergangenheit als Schlechtes sowie als positives Vorbild für die neuen Generationen der Zukunft. Zum Thema Holocaust liegen Zeugnisse, Dokumente, Zeichnungen, (Fernseh-)Filme, Fotografien, Theaterstücke, Romane, Gedichte, Kunstwerke, Denkmäler und auch Comics vor7. Diese zahlreichen Medien liegen vor, weil sie vorliegen müssen, sie müssen vorliegen, weil sich die Menschheit mit dem Grauen, sowie mit den Mechanismen des Holocaust auseinander setzen muss.
Die Ermordung der europäischen Juden ist ein Grauen, dass nicht nur ein bestimmtes Volk betrifft, es betrifft nicht nur die Juden selbst, vor allem weil im Holocaust auch Roma und Sinti umkamen und zahlreiche Kriegsgefangene und Homosexuelle. Der Holocaust ist ein „Verbrechen gegen die Menschheit”8 und die Dynamiken die diesen so grausam machen, sind in der Geschichte sowie im täglichen Leben zu finden. Um zu vermeiden, dass etwas wie der Holocaust sich nochmal wiederholt, muss das basale Wissen für eine Erziehung zum denkenden Menschen sein.
Wissen ist die Grundmauer des Friedens. Wenn die Grundmauer der Menschheit aus Wissen besteht, verringert sich die Gefahr, dass Krieg und Grausames in der Welt Fuß fassen. Der Ansatz des „Auschwitz nie wieder”9, nach Adornos Rede vom 18. April 1966, soll mittels der Schul- und Politischen-Bildung umgesetzt werden, und dafür spielen die Medien eine zentrale Rolle.
3. Neue Medien für die neue Generation
Es stellt sich nun also die Frage welche Darstellungsmöglichkeiten des Holocausts sich am besten für die neuen Generationen Eignen. Kirstin Frieden, beschäftigt sich in ihrer Doktorarbeit „Neuverhandlungen des Holocausts” (Kirstin Frieden, 2015), ausführlich mit der Frage, inwiefern sich die dritte und die vierte Generation nach dem Holocaust noch mit dem Thema beschäftigen soll und welche Medien dafür geeignet sind. Kirstin Frieden erläutert wie die Medien mit dem Versterben der Zeitzeugen die Macht der indirekten Kommunikation erlangen10. „[…] statt kommunikativer Erinnerung übernehmen die Medien die Vermittlung. In naher Zukunft wird dieser ‚Machtwechsel’ weiter an Relevanz gewinnen und die Deutungsmacht durch den Wegfall der Augen- und Zeitzeugen und ihrer Erinnerungen vollends an die kulturellen Medien abgegeben werden” 11
Der ‚Gedächtnis Boom’, setzt sich seit den 80er Jahren mit den Darstellungsmöglichkeiten des Holocausts auseinander. Mit ,Gedächtnis Boom’ ist das Sammeln von Berichten der Zeitzeugen gemeint. Die Erinnerung ist vom Aussterben ihrer Zeugen bedroht. Eine zentrale Position spielt die Task Force for International Cooperation on Holocaust
Education, Remembrance and Research (ITF)12. Diese Kommission gründete sich 1998 und wurde durch den damaligen schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson initiiert. Zu der ITF gehören heute 20 europäische Länder. In der ITF findet „die Politikformulierung und - implementation holocaustbezogener Politik auf internationaler Ebene Statt.”13 Die ITF verpflichtet sich, die Aufklärung an Schulen und Gemeinden anzuregen und sie verpflichtet sich auch den Opfern des Holocausts und deren Widerstandskämpfer in angemessener Form zu gedenken. In Deutschland spielt auch die Bundeszentrale für politische Bildung eine große Rolle in der Erinnerungsarbeit, diese setzt als Kernzielgruppen jugendliche und junge Erwachsene, indem sie für politische und historische Information sorgt und ein weites Programm im Bereich Musik und Jugendkultur, Kampagnen und Events entwickelt14.
Ein wesentlicher Beitrag leistet das Internet generell, was mit seinen vielschichtigen Möglichkeiten ein weites Spektrum an Informationen darbietet, von einer Bandbreite an aller möglichen Webseiten, Youtube und Facebook, bietet das Internet einen Pol von Informationen. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass genau diese große Bandbreite an Möglichkeiten oft auch die Gefahr läuft, nicht vollständig zu sein oder dem Thema Holocaust nicht angemessen.
Die Zukunft der Information und der Erinnerungskultur, liegt ganz wahrscheinlich im Internt, zum Teil auf in Facebook und Youtube, Sozialnetzwerke, die die Macht des Bildes und der Individualisierung promovieren.
Laut Kirstin Frieden verändert die mediale sozialisation der jungen Generationen auch deren Anspruch an die Medien. Es etabliert sich also eine sogenannte ‚Bilderwelt’ die in gewisser weise auf bestimmter Ebene die Schrift ersetzen könnte15. Fraglich ist hier ob eine Vermittlung dieser Thematik durch den neuen Massenmedien in der Lage ist den Holocaust gerecht zu werden.
Ein zentraler Punkt in der Bildung eines gemeinsamen kulturellen Gedächtnis ist die Verarbeitung des Themas Holocaust durch neue mediale Formen.
Eine dieser neuen Formen, an der man im ersten Moment nicht denken würde, ist das Comic. Auch Comics könnten zur Konstruktion kollektiver Gedächtnisse beitragen.16
3.1. Comic als Lehrbuch
Die Bandbreite der Genres und Themen im Comic ist unbeschränkt. Es scheint kein literarisches Genre zu existieren, das sich nicht auch im Comic findet. Dabei kommt es zu immer neuen Mischformen, weil Erzähl- und Zeichenstile, die in einem spezifischen Genre entwickelt worden sind und mit diesem assoziiert werden, für Geschichten in anderen angewandt werden17
Die Stärke des Comics liegt gerade in der Möglichkeit als Massenmedium zu dienen sowohl für ein Erwachsenes- als auch für ein Jugendliches-Publikum18. Das Medium Comic hat die Macht, gleichzeitig Bild und Schrift in einem zu bringen und kann deswegen als Bindeglied zwischen Literatur und Kunst, dienen.
„Der Beginn des Zeitalters des Comics wird meist auf das Jahr 1896 datiert.”19 Es etablierte sich zuerst in den USA, wo es den „Zeitungszaren Hearst und Pulizer”20 gelang ihre Titel „dank farbiger Comic-Sonntagsbeilagen (yellow press) zu Massen- und Boulevardblätter zu machen.”21. Mit den Jahren hat sich die Comic Literatur in seinen Genres erweitert. Mögliche Kategorisierungen der verschiedenen Comic Genres haben einige Wissenschaftler versucht, u.A. Pandel und Munier. Munier unterteilt die verschiedenen Comic Genres unter:
„ Quellencomic, Comicromance, Epochencomi c und Comichistorie ” 22 (oft Autobiographie) usw.. Laut Munier tauchen historische Comics in Europa erst nach dem zweiten Weltkrieg auf, in Deutschland sogar erst in den 70er Jahren, da Comics jahrelang als „Schundliteratur”23 galten.
[...]
1 Munier 2004, S. 112.
2 Frahm 2000, S. 8.
3 ebd.
4 ebd., S. 7.
5 vgl. Richter 2000, S. 8
6 6. ebd.
7 vgl. Frahm 2006, S. 10.
8 Arendt 1995, S. 5.
9 http://www.zeit.de/1993/01/erziehung-nach-auschwitz. [Zugriff am 04.09.2016. um 14:54]
10 vgl., Frieden 2014, S. 39.
11 Frieden 2014, S. 66.
12 vgl. https://www.holocaustremembrance.com. [Zugriff am 30.08.2016 um 19:35.] Kroh 2008, S. 201.
13 vgl. http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/geschichte-der-bpb/36436/neue-aufgaben-neue-
14 wege-1999-2011. [Zugriff am 01.09.2016 um 13:05.]
15 vgl. Frieden 2015, S. 67.
16 vgl. Erll 2005, S. 137 ff.
17 Hieronimus 2013, S. 375.
18 vgl. Hoog 2013, S. 361.
19 Munier 2004, S. 112.
20 ebd.
21 ebd.
22 Behringer 2009, S. 22 ff.
23 Munier 2004, S. 112.