Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Formen und erforderliche Unterscheidung zwischen Euthanasie und Sterbehilfe
3. Niederlande: Legalisierung der aktiven Sterbehilfe
3.1 Das holländische „Experiment“
3.2 Problemfelder bei der Legalisierung der aktiven Sterbehilfe per Gesetz
4. Positionen zur Sterbehilfe
4.1 Österreichische Ärztekammer
4.2 Weltärztebund
4.3 Christentum
5. Argumente der aktiven Sterbehilfe
5.1 Argumente für die Befürwortung der aktiven Sterbehilfe
5.1.1. Utilitaristischer Ansatz
5.1.2. Respekt vor der Autonomie des Patienten (Ansatz individueller Autonomie)
5.2 Argumente gegen die aktive Sterbehilfe
5.2.1. Die Autonomie der Patienten
5.2.2. Christliche Werte
5.2.3. Ärztlicher Berufsethos
5.2.4. Der Wert des kranken Menschen
5.2.5. Möglicher Missbrauch der aktiven Sterbehilfe
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„ Alle Pfade, die zum Leben f ü hren, alle f ü hren zum gewissen Grab.1 “
Johann Christoph Friedrich Schiller (1759-1805)
Wie bereits Johann Christoph Friedrich Schiller schrieb, sind der Tod und das Sterben Angelegenheiten, die jeden Menschen betreffen, doch nur wenige stellen sich dieser Thematik. Früher starben die Menschen zu Hause, umgeben von ihren Liebsten und der Familie. Sie wurden von Ihren Angehörigen gepflegt und im Prozess des Sterbens begleitet. Der Ort des Todes hat sich in den letzten Jahren von zu Hause hin zu Krankenanstalten oder Pflege- bzw. Altersheime verschoben. Die langfristige Änderung des Sterbeortes von zu Hause hin zu Krankenanstalten und Heimen kann als Institutionalisierung des Sterbens bezeichnet werden. Es gibt unterschiedliche Gründe für diese Entwicklung. Die Menschen werden immer älter und haben oft langjährige und schwere Krankheiten, die Berufstätigkeit der Frauen nimmt zu dadurch ist niemand mehr da, welcher die Pflege übernehmen könnte. Die Änderung in der Struktur, Größe und Zusammenhalt der Familie werden als Ursachen für diese Entwicklung genannt.2
Heutzutage dürfen die wenigsten Menschen zu Hause sterben, obwohl dies der Wunsch der meisten ist. Meist (bei 70% der Sterbenden) findet der Sterbeprozess im Krankenhaus statt und nicht selten wird er durch moderne Medizin lange hinausgezögert.3 Hier stellt sich oft die Frage, ob nicht die lebensverlängernden Maßnahmen eingestellt werden sollen um so den Patienten den Sterbeprozess zu ermöglichen.
Immer wieder gibt es Patienten die mit ihrer Krankheit und den damit zusammenhängenden Schmerzen nicht mehr fortleben können und wollen. Sollte man diesen Menschen helfen und sie von ihrem Schmerz erlösen? Ist es unsere Pflicht, den Willen von ihnen zu erfüllen und ihnen ein so genanntes Sterben in Würde zu ermöglichen? Diese Fragen beschäftigen sich mit der Debatte der Sterbehilfe, ein moralischer Konflikt, der die Gesellschaft spaltet. Da wie bereits erwähnt das Sterben etwas ist was alle betrifft, sollte sich keiner dieser Debatte verschließen.
In der folgenden Arbeit wird als erstes auf die verschiedenen Formen der Sterbehilfe eingegangen und der Begriff der aktiven Sterbehilfe von den anderen abgegrenzt. Es gibt Länder in denen straffrei aktive Sterbehilfe durchgeführt werden darf, dies führt häufig wieder zu der Diskussion, ob dies nicht auch in Österreich legalisiert werden sollte. Darum zeige ich auf, wie die Sterbehilfe in den Niederlanden geregelt ist und wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist.
Nach diesem Kapitel werden unterschiedlich Positionen und deren Statements geschildert. In dem Kapiteln 5 geht es um die Argumentation bzw. die Ansätze hinsichtlich aktiver Sterbehilfe. Am Ende dieser Arbeit wird versucht, dies zu analysieren und eine ethische Stellungnahme zum Thema Sterbehilfe zu verfassen.
2. Formen und erforderliche Unterscheidung zwischen Euthanasie und Sterbehilfe
Ein Überblick der geschichtlichen Veränderung des Euthanasiegedankens und der Verlauf der Debatte um Euthanasie zeigt eine verwirrende Bedeutungspallette des Begriffes. In Österreich ist der Begriff Euthanasie durch geschichtliche Umstände belastet und daher wird versucht diesen Begriff zurückzudrängen. Manche verstehen ihn als direkt gewollte und aktiv herbeigeführte Lebensverkürzung bei unheilbar Kranken oder Sterbenden, andere lehnen diesen Begriff ganz ab und versuchen ihn durch das deutsche Wort Sterbehilfe zu ersetzen.4
Im Folgenden wird die Unterscheidung von Eberhard Schockenhoff aufgezeigt:5
1. Sterbehilfe als Hilfe im Sterben
Dies umfasst neben einem menschlichen und seelsorgerlichen Beistand alle Maßnahmen von Ärzten und Pflegenden, die der Person das Sterben erleichtern.
2. Sterbehilfe als Sterbenlassen (entspricht der passiven Euthanasie)
Das bezeichnet den Verzicht auf künstliche und lebensverlängernde Maßnahmen oder den Abbruch einer bereits eingeleiteten Behandlung, wenn der ursprünglich angenommene Heilerfolg nicht mehr erreicht werden kann.
3. Sterbehilfe unter Inkaufnahme einer möglichen Lebensverkürzung (gleicht der indirekten Euthanasie)
Darunter versteht man, dass dem Patienten starke, zur wirksamen Schmerzlinderung unbedingt notwendige Medikamente verabreicht werden, welche den Eintritt des Todes möglicherweise beschleunigen. Hier ist die primäre Absicht immer das Wohl des Patienten und die lebensverkürzende Wirkung wird als ungewollter Nebeneffekt toleriert.
4. Euthanasie als direkte Hilfe zum Sterben (auch als Sterbehilfe mit gezielter Lebensverkürzung bezeichnet)
Mit diesem Begriff bezeichnet man die aktive Herbeiführung des Todes oder die gewollte Beschleunigung des Sterbevorgangs, wie sie zum Beispiel durch die Injektion eines todbringenden Mittels erfolgen kann. Unter den Befürwortern ist umstritten, ob sie sich lediglich auf freiwillige Euthanasie beschränkt sein soll. Das würde bedeuten, dass die Tötung auf ausdrückliches Verlangen oder in Grenzfällen auch aufgrund des vermuteten Patientenwillens limitiert wird.
Eine solche Zuordnung ist im medizinischen Alltag oft schwierig , da sich die einzelnen Krankheitsstadien nicht genügend Trennen lassen um zu unterscheiden, ob es nun ein unheilbarer Krankheitsprozess ist oder eigentlich bereits ein Sterbeprozess. Ethische Beurteilungen solcher medizinischen Fragestellungen lassen sich nicht auf die biologische Frage reduzieren. Vielmehr werden eigene Kriterien verfolgt, die zwar eine genaue Beobachtung der Krankheit voraussetzen, aber gleichzeitig muss doch auch eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt werden. Dies gehört zum ärztlichen Berufsethos. Weiters ist auch die Anwendung allgemeiner Prinzipien auf den Bereich des medizinischen Handelns erforderlich.
3. Niederlande: Legalisierung der aktiven Sterbehilfe
Die Niederlande und Belgien haben bereits Euthanasiegesetzte verabschiedet und damit für eine kontroverse Diskussion gesorgt. Im Folgenden wird geschildert, wie es zu der Änderung des Gesetzes in den Niederlanden kam und welche Kriterien hierfür eingehalten werden müssen. Weiters wird auf die Problemfelder bei einer Legalisierung der aktiven Sterbehilfe per Gesetz eingegangen.
3.1 Das holländische „Experiment“
Anfang des Jahres 1985 in den Niederlanden wurde erstmals ein Arzt freigesprochen, der das Leben seiner Patientin mit Hilfe einer tödlichen Injektion beendete. Die an Krebs erkrankte Frau hatte ihn über Monate hinweg immer wieder gebeten, dies zu tun. Das Bezirksgericht Rotterdam billigte dem angeklagten Arzt zu, dass er einer Pflichtenkollision ausgesetzt war und deshalb in einer Situation des Notstandes gehandelt habe. Gegenüber dem Interesse, das Art. 293 des Strafgesetzbuches zu schützen sucht (die Erhaltung des Lebens), stand das in diesem Falle ebenso entscheidende Rechtsinteresse, dem Leiden der Patientin durch ärztliche Hilfestellung bei der Beendigung ihre Lebens ein Ende zu machen. Diesem letzteren Interesse hat der Arzt durch die Injektion gedient. Der Angeklagte konnte dies als Teil seines Berufes als Arzt auffassen. Somit wurde entschieden, dass diese Tat des Angeklagten aufgrund von Notstand gerechtfertigt ist.6
Dieses Urteil war der erste Schritt zur Zulassung der aktiven Sterbehilfe in den Niederlanden, welche dann mit 1. April 2002 unter Bedingungen (Sorgfaltskriterien) straffrei gestellt wurde.7 Damit der tötende Arzt straffrei dem schriftlich niedergelegten oder mündlich ausgesprochenem Wunsch nach Sterbehilfe entsprechen darf, muss er gemäß den folgenden definierten Sorgfaltskriterien handeln:8
1. Der Arzt muss zu der Überzeugung gelangt sein, dass der Patient seine Bitte freiwillig und nach reiflicher Überlegung geäußert hat.
2. Er muss zu der Überzeugung gelangt sein, dass keine Aussicht auf Besserung besteht und der Patient unerträglich leidet.
- es bestehen keine Alternativen
3. Er muss den Patienten über dessen Situation und über die medizinische Prognose aufgeklärt haben.
[...]
1 Schiller, Johann: Das Ideal und das Leben, in: http://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Sterben, [20.03.2015].
2 Vgl. Freilinger, Franz: Das institutionalisierte Sterben. Sozioökonomische Aspekte am Ende des Lebens, in: http://www.springermedizin.at/artikel/13478-das-institutionalisierte-sterben, [20.03.2015].
3 Vgl. Freilinger, Franz: Das institutionalisierte Sterben, Sozioökonomische Aspekte am Ende des Lebens, in: http://www.springermedizin.at/artikel/13478-das-institutionalisierte-sterben, [20.03.2015].
4 Vgl. Schockenhoff, Eberhard: Sterbehilfe und Menschenwürde, Begleitung zu einem „eigenen Tod“, Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 1991. 66-70.
5 Vgl. Schockenhoff, Eberhard: Sterbehilfe und Menschenwürde, Begleitung zu einem „eigenen Tod“, Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 1991. 66-70.
6 Vgl. Kuhlmann, Andreas: Special: Sterbehilfe. Reinbeck: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH. 1995. 63-65.
7 Vgl. Hick, Christian: Klinische Ethik, Heidelberg: Springer. 2007. 96-98.
8 Vgl. Hick, Christian: Klinische Ethik, Heidelberg: Springer. 2007. 96-98.